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Nr. 55MinisterratssitzungMittwoch, 5. Januar 1949 Beginn: 9 Uhr 15 Ende: 13 Uhr 45
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident Dr. Müller,2 Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Finanzminister Dr. Kraus, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Sonderminister Dr. Hagenauer, Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Oberste-Baubehörde), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium).3

Entschuldigt:

Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium).4

Tagesordnung:

I. Durchführung der Gewerbefreiheit. II. Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz. III. Fragen des Wohnungsbaues. IV. Vereinfachung und Verbilligung der Justizorganisation und der inneren Verwaltung. V. Stromversorgung in Bayern. VI. Aufhebung der Verordnung Nr. 105 über die Erhebung von Gebühren durch die Bayer. Wirtschaftskontrollstellen vom 28. 9. 1946. 5 [VII. Entlassung von Arbeitern im staatlichen Bauwesen]. [VIII. Errichtung des bizonalen Patentamtes in München]. [IX.] Personalangelegenheiten.

I. Durchführung der Gewerbefreiheit6

Staatsminister Dr. Seidel berichtet, auf der letzten Sitzung des Länderrats am 22. Dezember 1948,7 sei die Frage der Durchführung der Gewerbefreiheit eingehend erörtert worden. Bei einer Besprechung mit General Clay8 habe sich ergeben, daß dieser einem bizonalen Rahmengesetz9 wohl nicht ablehnend gegenüberstehen werde. Der Länderrat habe sodann beschlossen, daß der Präsident des Wirtschaftsrats Köhler10 die Verbindung mit Botschafter Murphy11 aufnehmen solle und zwar zugleich im Namen des Länderrats. Das sei dann auch geschehen, mit dem Ergebnis, daß die Frist bis zur Einführung der Gewerbefreiheit bis 10. Jan. 1949 verlängert worden sei.

Wegen des Rahmengesetzes sei dann fortlaufend, teilweise auch in seiner Gegenwart, verhandelt worden. Bei der ganzen Sache sei allerdings mißlich, daß hier eine neue Zuständigkeit des Wirtschaftsrats begründet werde, obwohl sie eindeutig nicht gegeben sei. Im übrigen sei es interessant, daß die Engländer offensichtlich den deutschen Standpunkt in dieser Frage teilten. Das Rahmengesetz solle, falls die Generäle vor dem 7. Januar 1949 ihre Zustimmung erklären, sofort im Wirtschaftsrat behandelt werden; wenn dies rechtzeitig geschehen könnte, wäre man in den Ländern unter Umständen in der Lage, die Durchführungsvorschriften dazu sofort zu erlassen, so daß man kein eigenes Gesetz mehr benötige.

Anschließend verliest Staatsminister Dr. Seidel den Entwurf des Rahmengesetzes. Danach begründet § 1 das Prinzip der Gewerbefreiheit, während § 2 festsetzt, daß Beschränkungen nicht von der Bedürfnisfrage abhängig gemacht werden dürften. § 3 bestimme, daß ein Betrieb wegen mangelnder Zuverlässigkeit des Inhabers nur dann untersagt werden könne, wenn eine rechtskräftige Entscheidung über strafbare Handlungen vorliege, die den Gewerbetreibenden als ungeeignet erscheinen lasse. Nach § 4 des Entwurfs ist jedermann der selbständige Betrieb eines Handwerks gestattet, der seine Befähigung vor einem staatlichen Ausschuß nachgewiesen hat. Unter bestimmten Bedingungen steht jedem die Zulassung zu diesem Nachweis offen. Das Ergebnis dieser Prüfung gilt in allen Ländern. § 5 befaßt sich schließlich mit den Beschränkungen, die sich aus den Bedürfnissen der öffentlichen Sicherheit, des Gesundheitswesens usw. ergeben. Außerdem werden darin analog der Gewerbeordnung eine Reihe von Unternehmungen aufgeführt, bei denen Beschränkungen gelten, z.B. Banken, Versicherungen, Betriebe zur Stromversorgung, Gaststättengewerbe, Güter- und Personenbeförderung, Steuerberatung usw. In § 5 wird auch festgesetzt, daß das verwaltungsgerichtliche Verfahren in allen Fällen offen stehe. Ferner, daß die erforderlichen Einzelbestimmungen durch die Länder getroffen werden sollen.

Es sei zu hoffen, daß die Frist zur Durchführung der Gewerbefreiheit bis Ende Januar verlängert werde. Falls diese Verlängerung aber von General Clay abgelehnt werde, müßte die Sache bis zum 10. Januar 1949 durchgeführt werden.12

II. Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz13

Staatssekretär Dr. Grieser referiert über das sogenannte Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz des Wirtschaftsrats.14 Das Gesetz sehe unter anderem Zulagen für die kleineren Renten vor und zwar in der Weise, daß die Invalidenrente mindestens 50.– DM, die Witwenrenten 40 – und die Waisenrenten 30.– DM betragen. Außerdem erhalte jeder Rentner darüber hinaus eine Zulage von monatlich 15. – DM. Das Gesetz bringe ferner die Gleichschaltung von Invalidenrenten schon beim Verlust der halben Arbeitskraft an Stelle der früheren Regelung, bei der 2/3 der Erwerbsfähigkeit verloren sein mußten. Besonders bedeutsam sei auch, daß Witwenrenten ohne Rücksicht auf Alter und Erwerbsfähigkeit gewährt würden.

Der Direktor der Verwaltung für Arbeit erhalte außerordentliche Vollmachten in einem Ausmaß, wie es noch nie dagewesen sei. Man räume ihm z.B. das Recht ein, in der Arbeitslosenversicherung Anpassungsvorschriften zu erlassen usw. Er habe das Recht, Länderrechte auf dem Gebiet der Sozialversicherung zu ändern oder aufzuheben.

Der Länderrat habe den Gesetzentwurf eingehend beraten und die Minister Dr. Seidel, Hilpert15 und Spiecker16 mit Verhandlungen beauftragt, die aber im wesentlichen keine Einigung erbracht hätten.17 Man habe dann versucht, Abänderungsvorschläge zu machen. Die Anträge seien aber im Länderrat mit Mehrheit abgelehnt worden.18 Es bestehe aber die Möglichkeit, daß sich im Wirtschaftsrat noch Schwierigkeiten ergeben könnten, da merkwürdigerweise die Bergleute bei der Neuregelung schlecht weggekommen seien.

Was die Auswirkungen des Gesetzes betreffe, so werde ohne jeden Zweifel die Invalidenversicherung schon nach 2 Jahren notleidend werden. Bei der Landwirtschaft habe man eine glatte Erhöhung der Beiträge von 5, 6 auf 10% des Lohnes, da die Ermäßigung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 6, 5 auf 4% der Landwirtschaft nicht zugute komme. In etwa 7 Jahren würden die Mittel der Invaliden- und Angestelltenversicherung nicht mehr ausreichen, um die Renten zu decken und dann käme die Ausfallbürgschaft der Länder. Der einzige Erfolg, den er bei den Verhandlungen für Bayern habe erzielen können, sei der, daß in Zukunft bei den Flüchtlingsrenten in der amerikanischen Zone die gleiche Regelung wie in der britischen Zone gelten solle, daß nämlich die Länder den Grundbetrag bei den Flüchtlingsrenten zu tragen hätten, die Landesversicherungsanstalten dagegen den Steigerungsbetrag und die Zulagen.

Die Art und Weise, wie das Gesetz zustande gekommen sei, sei einfach bedrückend, man habe es geradezu aus dem Handgelenk gemacht. Es sei auch zweifelhaft, ob die Militärregierung dem Gesetz in der jetzigen Form zustimmen werde.19

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, was man hier erlebe, sei geradezu besorgniserregend. Die in der Proklamation Nr. 7 festgelegte Zuständigkeit werde rücksichtslos überschritten. Man habe ja schon bei dem Lastenausgleichsgesetz gesehen, in welcher bedenkenlosen Weise wichtige Gesetze erlassen würden.20 Es sei anscheinend in Frankfurt nicht möglich, eine vernünftige Koordinierung zu erreichen. Die Parteien betrachteten alles nur unter parteipolitischen Gesichtspunkten.

Staatsminister Dr. Hundhammer erkundigt sich, ob eine Erweiterung der Versicherungspflicht vorgesehen sei, besonders in der Landwirtschaft.

Staatssekretär Dr. Grieser antwortet, dies sei nur bei der Krankenversicherung der Fall, bei der das Gesetz die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze von 3600 auf 4500 DM vorsehe.

Nach kurzer Beratung wird sodann beschlossen, wegen der Flüchtlingsrenten zunächst noch keine Verhandlungen mit Württemberg-Baden und Hessen aufzunehmen.

Staatsminister Dr. Seidel weist darauf hin, daß bisher im Länderrat parteipolitische Rücksichten keine Rolle gespielt hätten, es sei aber leider in der Frage der Neuordnung der Sozialversicherung anders geworden.

Abschließend gibt Staatsminister Dr. Kraus noch einen kurzen Überblick über die außerordentlichen Schwierigkeiten, die notwendigen Mittel für den Staatshaushalt zur Verfügung zu stellen.

III. Fragen des Wohnungsbaues

Zu der Besprechung dieses Punktes der Tagesordnung werden der Geschäftsführer des Aufbaurats21 Helmut Fischer22 und Ministerialrat von Miller23 von der Obersten Baubehörde zugezogen.

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt einleitend bekannt, von Frankfurt aus seien Bestrebungen im Gange, den Wohnungsbau zurückzustellen und statt dessen alle verfügbaren Mittel und Material der sonstigen Wirtschaft zur Verfügung zu stellen. Ministerpräsident Dr. Ehard wirft sodann noch die Frage des Siedlungswesens auf und betont, es sei immer noch keine Abgrenzung der Zuständigkeiten vorgenommen worden, auch die Durchführung des Bodenreformgesetzes gehe nicht weiter.24

Stadtrat Fischer erklärt einleitend, die Baukosten beliefen sich gegenüber dem Jahre 1936 auf 235%, während die Miete lediglich 110 bis 140% betrage. Unter diesen Umständen wolle niemand Mittel für den Wohnungsbau verwenden. Seit 1919 sei die Miete praktisch gleich geblieben, die früher gegebenen Zuschüsse fehlten und das Finanzministerium sei natürlich nicht in der Lage, sie unter den heutigen Umständen zu gewähren. Das sei ein Grundproblem, das auch der Plan A der SPD25 nicht habe lösen können. Es ergebe sich nur die eine Möglichkeit, daß die Bevölkerung spare, wenn sie Wohnungen haben wolle. Es sei notwendig, den Gemeinden für Neubauten Grundsteuerfreiheit für 10 Jahre zu geben, womit man 30% der Mittel für den Wohnungsbau aufbringen könne. Außerdem müsse die Einwirkungsverordnung von 194326 aufgehoben werden, derzufolge alte Mieter das Recht hätten, in wiederhergestellte Wohnungen einzuziehen.

Die Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt müsse einsehen, daß der Wohnungsbau auch aus allgemeinen wirtschaftlichen Gründen nicht gedrosselt werden dürfe. Er glaube auch feststellen zu können, daß in Frankfurt ein gewisser Wandel in dieser Auffassung eingetreten sei. Unter allen Umständen müsse für die baustoffschaffende Industrie genügend Kohle und Eisen zugewiesen werden. Die Folge der Einschränkung von Zuweisungen an Kohle sei gewesen, daß der Preis für Baustoffe stark heraufgegangen sei. Ein weiterer Punkt, den er für besonders wichtig halte, sei die Senkung der Steuern für hohe Einkommen. Weiterhin fehle ein Zwischenfinanzierungsinstitut für den Wohnungsbau, wie dies früher die Bau- und Bodenbank gewesen sei. Schließlich müsse wohl auch noch die Frage sorgfältig geprüft werden, ob man nicht eine Steueramnestie erlassen solle, die dem Wohnungsbau zugute komme. Man müsse bedenken, daß die derzeitigen hohen Kapitalzinsen das Bauen nahezu unmöglich machen. Er glaube ferner, daß man sich dazu entschließen müsse, lediglich den Wohnungsbau zu fördern und nicht den Bau von Siedlungen, die viel zu teuer seien, nämlich doppelt so hohe Kosten wie Wohnungen erforderten. Dabei wolle er den Gedanken des Herrn Ministerpräsidenten aufgreifen, wonach in Bayern eine Stelle vorhanden sein müsse, die ausschließlich alle Siedlungsfragen behandle, nachdem der jetzige Zustand durchaus unerfreulich sei. Übrigens mache die Bestimmung der Besatzungsmacht, wonach Wehrmachtsgrundstücke nur auf die Dauer von 5 Jahren verpachtet werden dürften, praktisch die Errichtung von Siedlungen auf solchen Grundstücken unmöglich; die Amerikaner müßten sich entschließen, auf längere Dauer zu verpachten, oder die ganze Sache habe keinen Sinn. Vielleicht könne man auch bei der Besatzungsmacht erreichen, daß die von Ausländern besetzten Kasernen auf ihre Belegung nachgeprüft würden.

Der Aufbaurat habe vorgeschlagen, alle Mieten einheitlich zu erhöhen, diese Erhöhung aber nicht dem Hausbesitz zugute kommen zu lasssen, sondern in einen staatlichen Fonds zu geben. Dabei sei dem Aufbaurat entgegengehalten worden, dies würde sehr umfangreiche und zeitraubende Vorbereitungen erfordern. Trotzdem glaube er aber, daß die Endlösung nur eine gerechte Neueinschätzung der Mieten sein könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, der Vortrag des Herrn Stadtrats Fischer habe gezeigt, daß immer noch eine gewisse Planlosigkeit auf dem Gebiet des Wohnungsbaues bestehe. Die eben aufgeworfenen Gedanken sollten in Form einer Denkschrift zusammengefaßt werden, dann könne man feststellen, welche Probleme endgültig gelöst werden könnten, oder welche Pläne für die Zukunft zu fassen seien. Zweifellos könne eine Reihe von Dingen unmittelbar gemacht werden; jedenfalls habe er kein Verständnis dafür, daß die Frage der Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Siedlungswesens noch immer nicht gelöst sei. Es bestehe die Notwendigkeit, eine Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen durchzuführen. Außerdem müsse man den Außenstellen im Bauwesen klarmachen, daß sie den bauwilligen Leuten keine unnötigen Hindernisse bereiten dürften. Keinesfalls dürfe man, wie es bisher so oft der Fall war, zu große Anforderungen bezüglich der Bauart und der Bauweise stellen.

Die Frage, wie man einen Anreiz zum Bauen schaffen könne, müsse sorgfältig geprüft werden. Er glaube, viele Leute, auch solche in kleineren Verhältnissen, würden gerne Opfer bringen, wenn sie nur wieder in den Besitz einer abgeschlossenen Wohnung gelangten.

Wann sei es möglich, die Denkschrift vorzulegen, damit man dann in die Beratung der Einzelheiten eintreten könne?

Stadtrat Fischer erklärt sich bereit, die Denkschrift im Laufe von 14 Tagen auszuarbeiten.27

Staatsminister Dr. Ankermüller macht darauf aufmerksam, in der 1. Sitzung des Aufbaurats28 seien die Herren Staatsminister Dr. Zorn29 und von Knoeringen30 zugegen gewesen und man habe erwartet, daß sie den Plan A darlegen würden; dies sei aber nicht geschehen und in der Folgezeit hätten sie sich nur wenig bei den Sitzungen des Aufbaurats beteiligt. Was das Siedlungswesen betreffe, so könne es sofort mit dem Aufbaurat vereinigt werden.

Stadtrat Fischer erklärt noch ergänzend, die Industrieproduktion könne nur durch die Steigerung des Wohnungsbaues selbst gesteigert werden.

Es sei dringend notwendig, daß bei der Vertretung Bayerns in Frankfurt jemand sei, der sich in allen Fragen des Wohnungsbaues, der Baustoffindustrie usw. auskenne. Auch bei der zukünftigen Bundesregierung müsse eine Stelle geschaffen werden, die sich nur mit den Fragen des Wohnungsbaues befasse.

Ministerialrat von Miller betont, in Bayern sei keineswegs so wenig geschehen, wie man manchmal behaupte. Bayern habe im Jahre 1948 30000 Wohnungen gebaut, das sei ebensoviel, wie das reiche Holland in der gleichen Zeit fertiggestellt habe. Die Oberste Baubehörde sei zunächst für die Übernahme des Wohnungsbaues nicht ausgerüstet gewesen. Jetzt seien aber genügend Fachkräfte vorhanden. Was das Siedlungswesen betreffe, so sei es unmöglich, daß die Landessiedlung große Bauprogramme aufziehe, ohne die Oberste Baubehörde zu verständigen. Das gleiche gelte für Selbsthilfeorganisationen, wie den Sozialen Helferring31 usw. Ohne die Zusammenfassung des ganzen Bauwesens bei einer Stelle, nämlich bei der Obersten Baubehörde, komme man nicht weiter. Was die Zuweisung von Kohle und Eisen an die baustoffschaffende Industrie betreffe, so würden in dieser Hinsicht dauernd Verhandlungen geführt und es bestehe auch eine gewisse Hoffnung, daß man genügende Mengen erhalten werde.

Interessant sei übrigens, daß in Frankreich z.Zt. eine Erhöhung der Mieten auf den allgemeinen Lebenshaltungsindex durchgeführt werde.

Die Oberste Baubehörde sei in der Lage, ein Bauprogramm aufzustellen, das alle Notwendigkeiten der Wirtschaft und des Wohnungsbaues berücksichtige, wenn nur die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden könnten.

Ministerpräsident Dr. Ehard spricht sich auch für eine Zusammenfassung unter der Obersten Baubehörde aus und erklärt, man könne die Selbsthilfeorganisationen natürlich arbeiten lassen, man müsse sie aber kontrollieren, um festzustellen, ob sie einer Unterstützung und Förderung wert seien.

Staatsminister Dr. Kraus teilt mit, das Finanzministerium habe eine Vorlage über die Finanzierungsmöglichkeiten gemacht, die demnächst besprochen werden müsse. Außerdem habe er vor, die Landeskulturrentenanstalt als Bau- und Bodenbank auszubauen.32

Staatsminister Dr. Ankermüller ersucht, zu der Besprechung dieser Vorlage des Finanzministeriums auch Herrn Stadtrat Fischer einzuladen.

Staatsminister Dr. Schlögl führt aus, er habe nichts dagegen, wenn die Landeskulturrentenanstalt in der vorgesehenen Weise ausgebaut und dem Finanzministerium unterstellt werde. Übrigens sei ihm für Zwecke der Siedlung von amerikanischer Seite in Frankfurt ein hoher Betrag angeboten worden.

Ministerpräsident Dr. Ehard dankt anschließend Herrn Stadtrat Fischer und Ministerialrat von Miller für ihre Ausführungen und betont nochmals die Notwendigkeit, die Frage des Wohnungsbaues vorwärts zu treiben und sofort nach Fertigstellung der Denkschrift konkrete Pläne durchzuführen.

IV. Vereinfachung und Verbilligung der Justizorganisation und der inneren Verwaltung

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, der B. Landtag habe am 16. 12. 1948 beschlossen, einem Antrag zuzustimmen,33 wonach die Staatsregierung ersucht werde, zwecks Vereinfachung und Verbilligung der Justizorganisation und der Inneren Verwaltung einen Sachverständigenausschuß zu berufen, und dem Landtag seinerzeit die Vorschläge dieses Ausschusses zu unterbreiten.34

Zweifellos bestehen gewisse Möglichkeiten, eine Reihe von Geschäften zu vereinfachen. Er halte es für zweckmäßig, einen kleinen Ausschuß damit zu beauftragen, zu prüfen, ob nicht verschiedene Dinge zweckmäßiger behandelt und vereinfacht werden könnten. Sollte man nicht unabhängige, nicht in der aktiven Verwaltung stehende Leute mit einer solchen Untersuchung betrauen? Er denke dabei z.B. an Persönlichkeiten wie den Staatsrat a.D. Kollmann35 und den früheren Bürgermeister von München, Dr. Stadelmayer.36 Vielleicht könne man diese beiden Herren fragen, ob sie entsprechende Vorschläge machen könnten. In Einzelfällen könnten sie sich natürlich der Mitarbeit von aktiven Beamten bedienen. Vorschläge, die von ihnen gemacht würden, könnte man dann aufgreifen und unter Umständen durchführen. Was den Beschluß des Landtags betreffe, so stelle er mit Befriedigung fest, daß er die Vereinfachung der Staatsregierung überlasse. Ob man allerdings in der Justiz im Augenblick37 sehr viel erreichen könne, erscheine ihm zweifelhaft.

Staatsminister Dr. Ankermüller macht darauf aufmerksam, daß sich auch der Verfassungsausschuß schon wiederholt mit dieser Frage befaßt habe. Staatsrat Dr. Hoegner38 habe sich dabei auch auf den Standpunkt gestellt, ein parlamentarischer Ausschuß hätte keinen großen Zweck. Die durch den Herrn Ministerpräsidenten in Aussicht genommenen Herren halte er für besonders geeignet.

Staatsminister Dr. Hundhammer begrüßt den Vorschlag ebenfalls und regt an, in den kleinen zu errichtenden Ausschuß auch den früheren Staatsminister Dr. Zorn zu berufen.

Staatsminister Dr. Hagenauer weist darauf hin, daß eine Vereinfachung bei der Justiz ohne weiteres durchgeführt werden könne, wenn man die Neueinführung der umständlichen und kostspieligen Schwurgerichte in der alten Form rückgängig mache.39

V. Stromversorgung in Bayern40

Ministerpräsident Dr. Ehard weist auf die großen Schwierigkeiten in der Stromversorgung hin, die evtl. durch 3 Maßnahmen erleichtert werden könnten:

1. Stromlieferung aus anderen Ländern, was allerdings große Schwierigkeiten mache,

2. Verminderung der Stromausfuhr,

3. Lieferung von zusätzlicher Kohle, um die Dampfkraftwerke besser ausnützen zu können; wahrscheinlich hätten diese aber bereits ihre höchste Kapazität erreicht,

4. Ersatz der Stromausfälle in der Industrie durch Aggregate, wofür man zusätzlich Schweröl von Frankfurt bekommen müsse.

Staatssekretär Fischer teilt mit, die Kohlevorräte der Dampfkraftwerke wären zur Zeit zufriedenstellend.

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, die Öffentlichkeit müsse über die Stromlage aufgeklärt werden, da teilweise geradezu absurde Gerüchte umgingen. Er halte es aber für zweckmäßig, diese Erklärung durch das Wirtschaftsministerium und nicht durch den Landeslastverteiler abzugeben. In der Angelegenheit könnte man z. B. darauf aufmerksam machen, daß Holland und sogar die Schweiz erhebliche Stromeinschränkungen hätten.

Staatsminister Krehle macht darauf aufmerksam, daß die Vergütung für Stromausfälle in Bayern nur für 8000 Arbeiter in Anspruch genommen werde, was darauf schließen lasse, daß überall mit Aggregaten gearbeitet werde.

Staatsminister Dr. Seidel meint, Staatssekretär Geiger oder er selbst könnten über den Rundfunk zur Stromlage sprechen. Eine Erleichterung könne wohl nur durch stärkere Heranziehung von Württemberg und Hessen erreicht werden, die sich aber vorläufig dagegen wehrten.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, nochmals an die Ministerpräsidenten Dr. Maier41 und Stock42 zu schreiben.

Staatssekretär Fischer erklärt sodann, der Walchensee sei am 24. 12. 1948 auf ./. 4, 60 m abgesenkt worden, heute sei er bereits auf 5 m gesenkt. Nachdem der Walchensee jeden Tag um rund 15 cm abgesenkt werden müsse, werde in kurzem die Absenkung auf 6, 60 m erreicht sein und dann die Notwendigkeit eintreten, durch Beschluß des Ministerrats eine weitere Senkung zu genehmigen.43

Es wird daraufhin der Beschluß gefaßt, die Genehmigung zur weiteren Absenkung des Walchensees zu erteilen, falls dies notwendig werden sollte. Außerdem wird beschlossen, in einem der nächsten Ministerräte die Pläne zum Ausbau der Wasserkraftwerke zu besprechen.

VI. Aufhebung der Verordnung Nr. 105 über die Erhebung von Gebühren durch die Bayer. Wirtschaftskontrollstellen vom 28. 9. 194644

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, das Wirtschaftsministerium habe beantragt, die Verordnung Nr. 10545 aufzuheben, da der Erhebung von Gebühren für Bezugsscheine die innere Berechtigung fehle. Außerdem bringe der Vollzug dieser Verordnung eine Unmenge technischer Kleinarbeit mit sich und sei verwaltungsmäßig schwierig. Im übrigen sei Bayern das einzige Land, das noch diese Gebühren erhebe.

Staatsminister Dr. Seidel macht darauf aufmerksam, daß sich der Rohertrag im Jahre 1947 auf 1850000 RM belaufen habe, daß er aber nach der Währungsreform mit der eingetretenen Lockerung der Zwangsbewirtschaftung stark gesunken sei, so daß es fraglich erscheine, ob sich die mit dem Einzug der Gebühren verbundene Kleinarbeit auch rentiere.

Staatsminister Dr. Kraus erklärt, das Finanzministerium habe mit Rücksicht auf die schwierige Finanzlage des Staates Bedenken gegen die Aufhebung der Verordnung Nr. 105, die immerhin einen gewissen Ertrag bringen könne. Sein Ministerium habe übrigens einen Entwurf zur Regelung des gesamten Kostenabgabenwesens ausgearbeitet, der den übrigen Ministerien bereits zur Stellungnahme zugegangen sei.46 Unter diesen Umständen bitte er dringend, im heutigen Ministerrat nicht abschließend Stellung zu nehmen, sondern die weiteren Verhandlungen über seinen Entwurf abzuwarten. Irgendeinen Einnahmeausfall könne er im Hinblick auf die gegenwärtige Situation nicht verantworten.

Staatssekretär Geiger betont, Bayern sei das einzige Land, das diese Gebühren noch erhebe und es sei schwer, die bayerische Wirtschaft, die dadurch noch belastet werde, zufriedenzustellen. Auch die Handwerksbetriebe würden durch diese Gebühren belastet, die z.B. in kleinen Mengen Eisen einkaufen müßten. Er befürchte, daß die Nachteile bedeutender wären, als der etwaige Einnahmeausfall.

Der Ministerrat beschließt nach kurzer Aussprache, die Angelegenheit heute nicht abzuschließen, sondern solange zurückzustellen, bis das Ergebnis der Verhandlungen des Finanzministeriums mit den übrigen Ministerien vorliege.

[VII.] Entlassung von Arbeitern im staatlichen Bauwesen

Staatsminister Dr. Ankermüller teilt mit, die Oberste Baubehörde sei infolge der Beschränkung ihrer Haushaltsmittel gezwungen, in den nächsten Tagen 8000 Arbeiter aus dem staatlichen Hoch-Tief-Straßen- und Wasserbau zu entlassen.47

Staatssekretär Fischer macht darauf aufmerksam, daß die Oberste Baubehörde um 8 Millionen gekürzt worden sei und man darüber hinaus erklärt habe, er könne wahrscheinlich auch mit den verbliebenen Mitteln nicht voll rechnen.

Im Anschluß an diese Frage ergibt sich eine Aussprache darüber, ob eine Möglichkeit bestehe, die den einzelnen Ministerien zugewiesenen Haushaltsmittel nicht auf bestimmte Positionen festzulegen, sondern den Ressortministern in der Verwendung der Gesamtmittel freie Hand zu lassen.

Staatsminister Dr. Kraus stellt fest, die Ministerien hätten an und für sich weitgehende Bewegungsfreiheit, man müsse aber schon mit Rücksicht auf das Haushaltsrecht des B. Landtags die einzelnen Posten ziffernmäßig festlegen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt abschließend, es wäre natürlich sehr mißlich, wenn man tatsächlich die Staatsbauarbeiter entlassen müsse und man müsse sich doch bemühen, einen Ausweg zu finden.

[VIII.] Errichtung des bizonalen Patentamtes in München48

Ministerialrat Dr. Baer teilt mit, der Aufbaustab für das Patentamt sei heute in München eingetroffen. Es habe alsbald eine Sitzung bei Herrn Oberbürgermeister Wimmer49 stattgefunden, die an sich befriedigend verlaufen sei, soweit die Unterbringung der Beamten des Patentamtes in München in Betracht käme. Es hätten sich aber dadurch große Schwierigkeiten ergeben, daß die Rektoren der Universität und der Technischen Hochschule50 in Begleitung des Universitätsprofessors Dr. Rheinfelder51 erschienen seien und sich darauf berufen hätten, daß der Vertrag der Hochschule mit dem Deutschen Museum bis zum 1. 9. 1949 laufe und sie sich weigerten, vorher das Gebäude zu verlassen. Nachdem am 1. 7. 1949 das Patentamt eröffnet werden solle52 und im Laufe dieses Jahres sämtliche Räume bezogen werden müssen, wäre die Situation jetzt sehr unangenehm. Vor allem sei es schwer, mit Herrn Rektor Gerlach53 zu sprechen, während der Rektor der Technischen Hochschule sich bereit erklärt habe, auszuziehen, wenn er 2–300000 DM für den Ausbau bekomme. Auch bei der zweiten im Deutschen Museum selbst abgehaltenen Sitzung hätte Rektor Gerlach Schwierigkeiten gemacht; dem gegenüber berufe sich Senatspräsident Schmidt aus Frankfurt auf die ausdrückliche Zusicherung der Staatsregierung. Er selbst habe die Sitzung geschlossen und erklärt, diese Frage sei eine interne Angelegenheit und könne hier nicht behandelt werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, es sei einfach trostlos, daß immer wieder Schwierigkeiten gemacht würden, wenn man versuche, ein wichtiges Amt oder sonst ein für Bayern wertvolles Unternehmen nach München zu bringen.

Staatsminister Dr. Hundhammer macht darauf aufmerksam, daß der Rektor der Universität versuchen könne, die Presse und die Studentenschaft gegen die Staatsregierung mobil zu machen, ähnlich, wie es schon im Fall des Maximilianeums versucht worden sei.54 Das Kultusministerium habe von Anfang an auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die sich aus dem Vertrag des Deutschen Museums mit den Hochschulen ergeben hätten. Er schlage deshalb vor, nicht unter allen Umständen auf einer Räumung des Deutschen Museums zu bestehen, sondern zu prüfen, ob man nicht wesentlich billiger anderswo Räume für das Patentamt ausbauen könne. Es bestehe z.B. die Möglichkeit, die Genehmigung der Militärregierung für die Freigabe eines leerstehenden Rohbaues im Bereich der Militärregierung für Bayern zu bekommen, den man mit relativ geringen Mitteln fertigstellen könne.55 Außerdem könne man daran denken, die ehem. Schwere Reiter-Kaserne aufzubauen, was einen Aufwand von ungefähr 3 Millionen darstelle.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, über das Patentamt hätten wiederholt Besprechungen stattgefunden, die verschiedensten Stellen hätten sich mit allen Mitteln für seine Verlegung nach München eingesetzt. Endlich habe man die Zustimmung vom Wirtschaftsrat in Frankfurt erreicht und jetzt gingen die Schwierigkeiten wieder los. Es sei tatsächlich anscheinend unmöglich, sich noch für irgendeine Sache einzusetzen. Ihm selbst sei wiederholt gesagt worden, alle Schwierigkeiten seien überwunden und der ganze Plan sei völlig in Ordnung.

Staatsminister Dr. Hundhammer entgegnet, das Kultusministerium habe leider auf seine Einwände keine Antwort bekommen.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht daraufhin, sich doch innerhalb der Ministerien abzugleichen und die Verbindung mit den Rektoren aufzunehmen.

Ministerialrat Dr. Baer meint, trotz der Angriffe von Seiten der Rektoren habe er bei der heutigen Sitzung den Eindruck gehabt, daß man sich vielleicht doch einigen könne, insbesondere mit der Technischen Hochschule.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt abschließend, er bitte, daß sich die beteiligten Minister zusammensetzten, um ihm einen Vorschlag zu machen, über den er dann einen Beschluß des Ministerrats herbeiführen werde.56

[IX.] Personalangelegenheiten

1. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung zu der Ernennung des Regierungsdirektors Dr. Max Bernhard57 zum Ministerialrat.

2. Ernennung des ehem. ordentlichen Professors der Universität Breslau, Dr. Wilhelm Zorn,58 zum Direktor der Landesanstalt für Tierzucht in Grub59

Der Ministerrat lehnt mit Rücksicht auf das Alter die Übernahme des Herrn Professors Dr. Zorn in das Beamtenverhältnis ab und beschließt, das Landwirtschaftsministerium solle einen Vorschlag unterbreiten, in welcher Form eine ausreichende Altersversorgung gesichert werden könne.60

3. Ernennung des ehem. Ministerialrats im Reichsarbeitsministerium, Maximilian Sauerborn61, zum Präsidenten des Landesversicherungsamtes Bayern

Staatsminister Krehle begründet den Antrag des Arbeitsministeriums, den ehem. Ministerialrat im Reichsarbeitsministerium, Maximilian Sauerborn, unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in den B. Staatsdienst zu übernehmen. Das Finanzministerium habe der Ernennung lediglich unter der Bedingung zugestimmt, daß auf die ruhegehaltsfähige Dienstzeit nur die im bayerischen Staatsdienst verbrachte Dienstzeit angerechnet werden dürfe. Er könne sich mit dieser Einschränkung nicht zufriedengeben, da Herr Sauerborn ein hervorragender Fachmann sei und das Arbeitsministerium keinen erfahreneren Kenner der gesamten Sozialversicherung finden könne.

Staatsminister Dr. Kraus begründet seine ablehnende Haltung, von der er nicht abgehen zu können erklärt.

Der Ministerrat beschließt sodann mit allen gegen die Stimme des Herrn Finanzministers, Herrn Sauerborn unter Anrechnung seiner Dienstzeit im Reichsdienst in den bayerischen Staatsdienst unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu übernehmen.

Es wird sodann festgestellt, daß die Frage, welche Wirkung der Widerspruch des Herrn Finanzministers habe, noch nachgeprüft und die Ausfertigung der Urkunde zurückgestellt werden müsse.

4. Berufung des Regierungsamtmanns Adalbert Schwappach in das Personalverhältnis

Der Ministerrat beschließt, dem Antrag, Herrn Schwappach in das Landespersonalamt zu berufen, mit Rücksicht auf den Umstand, daß dieser von der Spruchkammer in Gruppe IV eingereiht worden sei, nicht stattzugeben.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
In Vertretung
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister