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Nr. 10MinisterratssitzungSamstag, 15. Februar 1947 Beginn: 8 Uhr 20 Ende: 12 Uhr 50
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, stellv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Hoegner, Kultusminister Dr. Hundhammer, Wirtschaftsminister Dr. Zorn, Arbeitsminister Roßhaupter, Verkehrsminister Frommknecht, Staatsminister für Sonderaufgaben Loritz, Staatssekretär Dr. Ankermüller (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium – Bauabteilung-), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Hagenauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Staatssekretär Schuberth (Verkehrsministerium), Staatssekretär Höltermann (Sonderministerium), Geh.Rat Hepp (Finanzministerium).1

Entschuldigt:

Innenminister Seifried, Finanzminister Dr. Kraus, Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Staatsminister Dr. Pfeiffer, Staatssekretär Pittroff (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Gentner (Landwirtschaftsministerium).

Tagesordnung:

[I. Autounfälle von Kabinettsmitgliedern]. [II. Ernährung]. [III. Ministerpräsidenten-Konferenz in Wiesbaden]. [IV. Flüchtlingsgesetz und zukünftige Verfassung]. [V. Zulassung sudetendeutscher Rechtsanwälte und Notare]. [VI. Stellung der Flüchtlingskommissare]. [VII. Kennkarten]. [VIII. Landespersonalamt]. [IX. Kennkarten]. [X.] Gesetz über die bayerische Staatsangehörigkeit. [XI. Verordnung über die Zusammenfassung der Staatsverwaltung]. [XII. Beförderung von Oberregierungsrat Trabert]. [XIII. Einheitlichkeit der Staatsverwaltung]. [XIV. Parteiengesetz]. [XV. Eintragung in öffentliche Register]. [XVI. Kunsthandel]. [XVII. Dienststrafordnung]. [XVIII. Richtlinien für die Wiedereinstellung der durch die Spruchkammern gegangenen Beamten]. [XIX. Entnazifizierungsgesetz]. [XX. Presseartikel über Schiebungen]. [XXI. Personalangelegenheiten]. [XXII. KZ-Ehrenmal Dachau]. [XXIII. Durchführung des Versehrtengesetzes]. [XXIV. Straßenbahn durch den Englischen Garten]. [XXV. Neugliederung der Regierungsbezirke]. [XXVI. Tragen von Parteiabzeichen im öffentlichen Dienst]. [XXVII. Gesetz über die Sicherung von Nahrungsmittellagern und anderen wesentlichen Vorräten]. [XXVIIII. Unfall von Innenminister Seifried]. [XXIX. Gesundheitsabteilung des Innenministeriums]. [XXX. Vorsitz im Verwaltungsrat der Landeszentralbank]. [XXXI. Gesetzgebung im Länderrat]. [XXXII. Verordnung zur Durchführung der Weihnachtsamnestie]. [XXXIII. Illiquidität des Post-, Spar- und Darlehensvereins bei der Postdirektion Nürnberg]. [XXXIV. Ehrentempel am Königsplatz]. [XXXV. Internierte]. [XXXVI. Weisungsbefugnis bizonaler Institutionen]. [XXXVII. Bombenanschlag in Nürnberg]. [XXXVIII. Brennstoffversorgung].

[I. Autounfälle von Kabinettsmitgliedern]

Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die Sitzung und berichtet zunächst über den Gesundheitszustand von Staatsminister Dr. Kraus und Staatssekretär Dr. Müller.2 Auch der Innenminister sei verunglückt, habe aber keine ernstlichen Verletzungen davongetragen.

[II. Ernährung]

Anschließend berichtet Ministerpräsident Dr. Ehard über die Besprechung mit Expräsident Hoover3 in Stuttgart, die gewisse Hoffnungen gegeben habe; im übrigen komme die Ernährung allmählich in ein sehr kritisches Stadium, und zwar deshalb, weil wir in Bayern systematisch ausgeplündert würden. Dagegen müsse man in der nächsten Zeit etwas unternehmen, um die Öffentlichkeit in einer entsprechenden Form aufzuklären. Wenn dazu noch das Vieh abgeschlachtet werden müsse, wie es jetzt verlangt werde,4 hätten wir bis zum Herbst überhaupt keine Fettquellen mehr. In den letzten Tagen seien verschiedene Engländer dagewesen. Diesen habe er gesagt, wenn in der englischen Zone Mangel an Brot sei, sollten sie erst einmal danach schauen, ob dort die Kontrolle so streng sei wie bei uns und daß das Transportsystem in Ordnung komme. Die Sorge für die Ernährungslage sei so groß, daß man sich überlegen müsse, ob man sich nicht hiewegen eine Interpellation im Landtag bestelle. Bei dieser Gelegenheit könne man einmal allgemein über die bizonalen Angelegenheiten sprechen und dem Landwirtschaftsminister Gelegenheit geben, mit nüchternen Zahlen aufzuwarten. Er habe seinerzeit zu Agartz gesagt: „Sie können uns zwar majorisieren, Sie dürfen dabei aber zwei Dinge nicht übersehen: 1. Wenn sie uns majorisieren, übernehmen Sie die Verantwortung auch für die Fehlschläge. 2. Wenn sie uns vom Norden aus majorisieren und von uns alles verlangen, werden wir nicht Zusehen, sondern unsere Parlamente in einer entsprechenden Form aufklären und auch die Presse mit Material versehen. Es wird nicht möglich sein, auf die Dauer an diesen Faktoren vorbeizugehen. Die politische Rückwirkung werden auch Sie verspüren“. Auf dieser Linie müsse man weitergehen. Die Interpellation, die heute noch nicht ausgereift sei, solle zu diesem Zweck vorbereitet werden.5

[III. Ministerpräsidenten-Konferenz in Wiesbaden]

Am Montag habe in Wiesbaden eine Konferenz der Ministerpräsidenten der britischen und amerikanischen Zone stattgefunden.6 Schwierigkeiten hätten sich ergeben, weil die demokratische Entwicklung in der englischen Zone noch nicht so weit sei. An die süddeutschen Länder sei die Forderung herangetragen worden, die Parteiführer der englischen Zone zu dieser Konferenz einzuladen mit der Begründung, daß der Ministerpräsident der englischen Zone nur ein halber Mann sei; die andere Hälfte sei der Parteiführer, der ihm zur Kontrolle beigegeben sei. Dagegen habe er sich gewehrt und erklärt, er komme nur unter zwei Voraussetzungen, nämlich: 1. wenn die Ministerpräsidenten der englischen Zone persönlich kämen und 2. wenn sie allein kämen.7 Der Grund hierfür sei folgender: Er halte es für notwendig, daß die Kabinette und Ministerpräsidenten unter einer politischen Kontrolle stünden. Diese sei bei uns durch den Landtag gegeben. Verfassungsrechtlich sei allein diese parlamentarisch politische Kontrolle möglich. In der englischen Zone seien die Ministerpräsidenten dem Zonenbeirat verantwortlich, der in seiner jetzigen Zusammensetzung nur eine vorläufige Körperschaft darstelle, die alles andere als demokratisch sei.8 In der englischen Zone bestehe nun das Bestreben, daß der Zonenbeirat die ehemaligen Reichszuständigkeiten übernehmen solle, während den Länderparlamenten nur die Länderzuständigkeiten gewährt werden sollten. Damit hätten die Landtage nichts mehr zu sagen. Er habe den Standpunkt eingenommen, die Ministerpräsidenten der englischen Zone mögen sich kontrollieren lassen, von wem sie wollen. Uns könnten sie jedoch dieses System nicht aufzwingen, das sich auch bei ihnen ändern werde, wenn die Parlamente gewählt seien.9 Wenn die anderen ihre Parteiführer mitbrächten, müßten wir auch etwas Ähnliches mitmachen, dadurch bekämen wir aber Schwierigkeiten mit unseren Landtagen. In anderer Beziehung scheine ein gewisser Erfolg zu verzeichnen gewesen. Auch für die Länderratsebene sei folgendes zu beachten: In Bayern werde der Standpunkt vertreten, daß einziges Gesetzgebungsorgan nach der Verfassung der Landtag sei, ganz gleich, woher der Gesetzentwurf komme. Die andere Möglichkeit der Gesetzgebung komme allein von der Militärregierung. Wenn diese der Meinung sei, daß ein Gesetz für die Zone oder beide Zonen unter Umgehung des Landtags angenommen werden müsse, dann bedürfe es aber einer ausdrücklichen Weisung. Hier habe er immer mit Maier kämpfen müssen, der verlangt habe, man müsse den Amerikanern einen Vorschlag machen, wie man auf Länderrats- oder bizonaler Ebene einen Modus finden könne. Er habe immer wieder gesagt, dazu bestehe gar keine Veranlassung. Die demokratischen Verfassungen seien von den Amerikanern genehmigt. Es bestehe gar keine Möglichkeit, von uns aus auf Länderratsebene ein Gesetzgebungsorgan einzuschalten. Dazu könne er gleich folgendes Beispiel geben:

[IV. Flüchtlingsgesetz und zukünftige Verfassung]

Das Flüchtlingsgesetz sei vor längerer Zeit vom Länderrat beschlossen und der Militärregierung vorgelegt worden. Nun sei ein Brief von OMGUS an die Ministerpräsidenten gekommen, der die Kabinette der Länder ermächtige und anweise, das Gesetz zu erlassen.10 Auch nach seiner Auffassung sei es zweckmäßig, wenn man möglichst bald, vielleicht nach Moskau,11 eine zentrale Bundesregierung anstrebe, wenn auch nur eine provisorische, bei der man von vornherein die Zuständigkeiten klar abgrenze und man ein Gesetzgebungsorgan mit klaren Zuständigkeiten habe. Dies sei viel besser als ein bizonales Gebilde z.B. ein Verwaltungsrat, der alle möglichen Zuständigkeiten in Anspruch nehme. Wenn dies noch lange dauere, erfolge nur eine Präjudizierung für die Bundesverfassung. Wir müßten unseren Standpunkt durchhalten, bis wenigstens eine provisorische Bundesregierung eingerichtet sei. In der Anweisung zum Erlaß des Flüchtlingsgesetzes sei übrigens auch vorgesehen, daß eine Abschrift dem Landtag zu übermitteln sei. Die Frage, was das Parlament mit diesem Gesetz machen solle, sei offen gelassen. Das Parlament könne davon einfach Kenntnis nehmen; es sei die Frage, ob es aber auch dazu seine Meinung sagen könne. Seiner Ansicht nach solle man dem Parlament die Möglichkeit, sich gutachtlich oder auch kritisch zu äußern, nicht nehmen, sondern diese fördern. Das Parlament brauche sich nicht in der Form eines Protestes zu äußern, könne aber wohl sachlich Wünsche auf Änderung oder Ergänzung Vorbringen.

Staatsminister Dr. Hundhammer hält es für eine zwingende Notwendigkeit, wenn der Landtag sowohl über die Methode als auch über die Materie sprechen kann. Es handle sich hier nicht um das Flüchtlingsgesetz als solches, sondern um das Prinzip.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, dann müsse man überlegen, ob man beim Begleitschreiben an den Landtag hinzufügen solle, daß der Landtagspräsident dem Landtag von dem Gesetz Kenntnis geben solle und falls der Landtag den Wunsch habe, zu der Materie Stellung zu nehmen, bitte er, ihn vorher davon zu unterrichten.

Staatssekretär Höltermann erklärt hierzu, ein ähnlicher Fall werde bald bei der Denazifizierung eintreten, es seien einige tiefgreifende Gesetzesänderungen zu erwarten, bei denen das Parlament ausgeschaltet werden solle.12

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, Stellung könne das Parlament dazu aber nehmen, das könne man nicht aufhalten; es sei aber dann besser, die Sache so zu steuern, daß keine Demonstration dabei herauskomme, sondern sachliche Kritik. Dies könne man mit einem Satz anklingen lassen. Die Militärregierung könne der Landtag nicht kritisieren. Unser Bestreben, die Zuständigkeit des Landtags unter allen Umständen weitgehend zu wahren, würde dadurch nur erschwert. Er bitte um das grundsätzliche Einverständnis, daß in das Begleitschreiben eine leichte Bemerkung, deren Formulierung er sich noch Vorbehalten werden müsse, aufgenommen werde, die etwa laute: Wenn der Landtag etwas dazu zu sagen habe, solle er es einmal der Regierung sagen. Was den Inhalt des Flüchtlingsgesetzes anlange, so sei dieser sehr eingehend im Ministerrat,13 im Länderrat und seinen Ausschüssen beraten und von den Amerikanern mit kleinen Änderungen genehmigt worden. Ministerpräsident Dr. Ehard verliest hierauf den Text des Flüchtlingsgesetzes. Zu § 7 weist er darauf hin, daß die Flüchtlingskommissare ein unmittelbares Beschlagnahmerecht nicht haben, sondern Beschlagnahme nur bei den ordentlichen Verwaltungsbehörden beantragen können. Bemerkenswert sei weiter, daß die Flüchtlinge den bevorzugten Einheimischen gleich zu stellen seien. Er glaube, daß diese Bestimmung wesentlich dazu beitrage, die Angleichung und Eingliederung zu fördern. Im übrigen ergäben sich noch einige zwangsläufig technische Ergänzungen; schließlich müsse man noch das Datum des Inkrafttretens einsetzen. Er schlage hiefür den 1. März 1947 vor.14 Dies bedeute eine Vorverlegung gegenüber dem vorgeschlagenen Entwurf. Die Ausführungsbestimmungen solle das Staatsministerium des Innern im Benehmen mit dem Staatsministerium der Justiz erlassen.

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, daß die Leiter der Dienststellen für das Flüchtlingswesen durch das Staatsministerium des Innern ernannt werden sollten. Hierzu sei die Zustimmung des Ministerrats notwendig, soweit es sich um unmittelbar dem Ministerium unterstellte Behörden handle.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, hier handle es sich nur um eine interne Abmachung; in das Gesetz brauche diese Bestimmung nicht aufgenommen zu werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard bittet um die Ermächtigung, das Gesetz noch in technischer Beziehung abstimmen zu können, bereits jetzt aber die Zustimmung zu erteilen. Die Eingangsformel solle nach der Weisung der Militärregierung lauten: „Dieses Gesetz ist vom Ministerrat des Freistaates Bayern erlassen auf Grund der Autoritätsanordnung der Militärregierung auf Grund deren Schreiben vom 24. Januar 1947“.15 Es erhebe sich noch die Frage, ob man dieses Schreiben wenigstens im Auszug mitveröffentlichen solle. Er halte dies aber, wenn die Eingangsformel so gewählt werde, nicht für notwendig. Das Schreiben der Militärregierung müsse im Archiv zusammen mit dem Gesetz verwahrt werden. Auch dem Landtagspräsidenten werde ein Abdruck übersandt.

Das Kabinett gibt einstimmig seine Zustimmung zum Erlaß des Flüchtlingsgesetzes.

[V. Zulassung sudetendeutscher Rechtsanwälte und Notare]

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner weist auf einen praktischen Anwendungsfall des Flüchtlingsgesetzes hin, über den er wegen seiner Bedeutung nicht selbst entscheiden wolle, sondern um die Meinung des Ministerrats bitte. Es handle sich um die Zulassung sudetendeutscher Rechtsanwälte.16 Durch 2 Verordnungen aus den Jahren 1938/39 sei den sudetendeutschen Richtern, Rechtsanwälten und Notaren die Befähigung zum Richteramt für das gesamte Reichsgebiet zuerkannt worden.17 Diese Verordnungen seien nie außer Kraft gesetzt worden. Sie widersprächen auch nicht den Richtlinien der Militärregierung. Eine entsprechende Anfrage sei von der Militärregierung bis heute noch nicht beantwortet worden. Auf Grund des neuen Gesetzes seien die Flüchtlinge bei der Zulassung zu den freien Berufen völlig den Einheimischen gleichgestellt. Die ursprüngliche Absicht der Justizverwaltung, von den sudetendeutschen Rechtsanwälten und Notaren die Ableistung eines Vorbereitungsdienstes und einer Ergänzungsprüfung zu verlangen, könne deshalb seiner Meinung nach nicht aufrecht erhalten werden. Er schlage deshalb vor, sudetendeutsche Rechtsanwälte und Notare ohne Vorbereitungsdienst und ohne Ergänzungsprüfung zuzulassen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, man solle diese Regelung aber auf die Leute beschränken, die unter die Verordnungen der Jahre 1938/39 fielen; von einer weiteren Ausdehnung bitte er dringend abzusehen.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, dies sei auch nicht die Absicht. Was im übrigen die Zulassung zur Beamtenschaft anbelange, so gelte auch hier das Beamtengesetz.

Der Standpunkt von stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner wird vom Ministerrat einstimmig gebilligt.

Staatssekretär Jaenicke fragt in diesem Zusammenhang nach dem Entwurf des Justizministeriums an, worin auch für die Richter, die schon Richter gewesen seien, eine Reihe von Prüfungen, Probezeit usw. vorgesehen sei.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, diese Regelung für Beamte beruhe auf dem neuen Beamtengesetz.18 Auch die Einheimischen müßten sich einer Probezeit bis zu drei Jahren unterziehen. Man könne dies zwar abkürzen, eine Probezeit müsse aber von allen abgeleistet werden.

[VI. Stellung der Flüchtlingskommissare]

Ministerpräsident Dr. Ehard kommt im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsgesetz noch auf die beantragte Verlängerung der gemeinsamen Entschließung des Innen- und Arbeitsministeriums vom 16.4. 1946 über das Verfahren bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu sprechen. Hier handle es sich vor allem darum, daß den Flüchtlingskommissaren ein Beschlagnahmerecht für Wohnräume übertragen worden sei.19 Er persönlich sei ein starker Gegner einer Erneuerung dieses bereits abgelaufenen Rechtes; 1. hätten sich die Flüchtlingskommissare dadurch nicht sehr beliebt gemacht, und dies sei auch für die Flüchtlinge nicht sehr günstig gewesen; 2. wenn man jetzt schon eine Neuorganisation und Zusammenfassung der Verwaltung plane, dürfe man sie nicht gleich wieder aufsplittern, sondern die Verantwortung sichtbar und deutlich bei der Stelle lassen, der sie zukomme. Er sei der Meinung, daß man es bei der Regelung des Flüchtlingsgesetzes lassen solle.20

Staatssekretär Jaenicke erwidert, dieser Antrag sei schon überholt, da zwischen Innen- und Arbeitsministerium eine Vereinbarung getroffen worden sei, daß die Regierungsflüchtlingskommissare das Referat Wohnungswesen bei den Landessiedlungsämtern übernehmen sollten. Für die unterste Instanz sei bis jetzt noch keine Regelung getroffen worden; es sei aber ein Entwurf vorbereitet, wonach die Flüchtlingskommissare unter den Landrat treten und unter seiner Verantwortung das Wohnungsamt übernehmen sollten. Damit werde die Einheitlichkeit der Verwaltung wieder hergestellt. Er bitte, daß diese Vereinbarung zwischen Arbeits- und Innenministerium unter allen Umständen heute noch zustandekomme, damit endlich klare Richtlinien auch in der untersten Instanz bestünden.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet es als entscheidend, daß der Landrat und der Regierungspräsident verantwortlich seien für eine Maßnahme, die der Flüchtlingskommissar treffe. Das wolle er erreichen. Der Landrat und der Regierungspräsident könnten natürlich nicht alles selber machen, sie müßten sich der Hilfe anderer, hier des Flüchtlingskommissars bedienen.

Staatssekretär Jaenicke möchte gerne, daß der Ministerrat dieser Regelung heute schon zustimme, den Wortlaut werde er noch nachbringen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt demgegenüber, diese Sache könne man jetzt nicht endgültig regeln. Wenn eine Abmachung zwischen Arbeitsund Innenministerium in der Richtung erfolge, daß der Flüchtlingskommissar Beschlagnahmen vornehmen könne unter der Voraussetzung, daß er dem Landrat oder Regierungspräsidenten unterstellt und an dessen Weisungen gebunden sei, habe er persönlich nichts dagegen. Dies müsse aber erreicht werden, sonst komme es niemals zu der angestrebten Einheitlichkeit der Verwaltung.21

Staatsminister Roßhaupter begrüßt ebenfalls diese Regelung.

Staatssekretär Dr. Ankermüller erklärt aus seinen Erfahrungen in der Praxis,22 daß die Zustände nur dort befriedigend gewesen seien, wo zwischen Landrat und Flüchtlingskommissar ein Kontakt bestanden habe. Auch vom Standpunkt der Praxis aus müsse es verlangt werden, wenn der Landrat oder Regierungspräsident Weisungsbefugnis habe.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend fest, daß diese Regelung allgemein gebilligt werde.23

[VII. Kennkarten]

Staatssekretär Dr. Ankermüller erklärt, daß die Militärregierung auf die Lochung der Kennkarten hindränge.24

[VIII. Landespersonalamt]

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht den Wirtschaftsminister, für das Landespersonalamt einige Räume zur Verfügung zu stellen.

Staatsminister Dr. Zorn bezeichnet dies als unmöglich, da er die Räume, insbesondere für die Außenhandelsstellen, selber brauche.

Staatssekretär Höltermann erklärt, das Sonderministerium habe am Maria-Hilf-Platz einige Räume freigegeben.

[IX. Kennkarten]25

Staatssekretär Dr. Ankermüller setzt seine Ausführungen bezüglich der Kennkartenlochung fort. Im Sonderministerium stehe man jetzt auf dem Standpunkt, daß nur noch die Gruppen I und II gelocht werden sollten.26 Es müsse dann aber auch eine entsprechende Regelung erfolgen, zumindest eine Weisung ergehen, daß die Lochung vorerst eingestellt werde.

Staatssekretär Höltermann erwidert, die 14. Durchführungsverordnung sei die bisher umstrittenste. Minister Kamm habe sie überhaupt nicht unterschrieben. Auch wir hätten dauernd dagegen Stellung genommen. Nun liegt ein neuer Befehl der Militärregierung vor, daß nur noch die Gruppen I bis III27 zu lochen seien. Professor Dorn habe neuerdings zugesagt, daß er noch einmal mit Clay sprechen werde, um eine neue Regelung zu erzielen. Nach seiner Meinung werde sich die Militärregierung mit einer Lochung für die Gruppen I und II zufrieden geben. Es habe natürlich keinen Sinn, wenn in Bayern gelocht werde, in Württemberg nicht und in Hessen nur die Gruppen I bis III.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, bei der letzten internen Länderratstagung habe man Clay auch darauf angesprochen. Dieser habe erwidert, daß man zu einer Regelung kommen werde, indem die Lochung nur für die Klassen I bis III vorgenommen würde.28

Staatssekretär Höltermann hält es für richtiger, wenn die Lochung überhaupt nach Rechtskraft des Urteils von den öffentlichen Klägern durchgeführt wird.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend fest, daß man in dieser Angelegenheit noch etwas zuwarten und sich darauf beschränken solle, die Klassen I und II zu lochen. In Zweifelsfällen solle die Polizeibehörde beim öffentlichen Kläger anfragen.29

[X. Gesetz über die bayerische Staatsangehörigkeit]

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, dieser Entwurf sei schon einmal dem Ministerrat Vorgelegen30 und vom Verfassungsausschuß und von der Verfassunggebenden Landesversammlung begutachtet worden.31

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner beantragt, bei Art. 11 einen neuen Absatz 2 auf Grund des Art. 6 Abs. 2 der Verfassung einzufügen.32 Nach kurzer Diskussion erhält Art. 11 folgenden Wortlaut: (1) Die bayer. Staatsangehörigkeit kann nicht aberkannt werden (Art. 6 Abs. 2 der Verfassung). (2) Sie geht verloren: 1. durch den Erwerb einer nichtbayerischen Staatsangehörigkeit; 2. für ein uneheliches Kind durch eine von einem Nichtbayern bewirkte und nach den in Bayern geltenden Gesetzen wirksame Legitimation; 3. für eine Bayerin durch Eheschließung mit einem Nichtbayern.

Mit dieser Abänderung wird das Gesetz einstimmig angenommen.33

[XI. Verordnung über die Zusammenfassung der Staatsverwaltung]34

Ministerpräsident Dr. Ehard wird abberufen; Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner übernimmt den Vorsitz. Er erklärt, dieser Entwurf entspreche nicht mehr der heutigen Rechtslage. Die einzelnen Ministerien müßten sich zunächst dazu äußern. Der Entwurf gehe auf einen Wunsch der Militärregierung zurück, daß die Staatsverwaltung mehr zusammengefaßt werde.35 Es sei dieser vor einem Jahr übersandt worden und ruhe dort seitdem.36

Staatssekretär Dr. Ankermüller führt aus, die Notwendigkeit einer Zusammenfassung der Staatsverwaltung werde in der Praxis noch mehr empfunden. Deswegen eile die Sache sehr.37

[XII. Beförderung von Oberregierungsrat Trabert]

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner kommt auf einen früheren Beschluß des Ministerrats zurück, durch den festgelegt worden sei, daß Oberregierungsrat Trabert zum Ministerialrat befördert werden solle.38 Zunächst habe sich das Sonderministerium geweigert, diesen Beschluß zu vollziehen; dann habe das Finanzministerium erklärt, es sei keine Planstelle vorhanden. Dabei begehe es aber den Fehler, daß es die Angestellten des Sonderministeriums mit dem Titel Ministerialrat als Planstelleninhaber rechne. In Wirklichkeit sei die Planstelle unbesetzt. Bei der Justiz sei keine Stelle frei.

Staatssekretär Höltermann erwidert, Trabert werde aber nicht mehr im Sonderministerium verwendet; die Stelle gehe dann für dieses verloren.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, dafür könne Trabert nichts; er sei durch einen schweren Unfall, den er im Dienste des Sonderministeriums erlitten habe, zum Ausscheiden gezwungen. Der Beschluß des Ministerrats39 müsse durchgeführt werden. Er bitte, sich der Sache anzunehmen.

[XIII. Einheitlichkeit der Staatsverwaltung]

Ministerpräsident Dr. Ehard kehrt zurück und greift noch einmal Punkt II [XI] der Tagesordnung auf. Der Entwurf sei überholt. Er habe ihn auch nicht zu dem Zweck auf die Tagesordnung gesetzt, um ihn normal zu behandeln. Wenn man eine Zusammenfassung und Neuorganisation der Staatsverwaltung vornehmen wolle, müsse man erst einmal feststellen, wie jetzt die Rechtslage sei.40 Dann müsse man überlegen, welche Ämter man unter dem Landrat und dem Regierungspräsidenten zusammenfassen könne. Als Drittes müsse man erwägen, welche Zuständigkeiten man von den Zentralstellen an die Mittelstellen abgeben könne, wobei man von vornherein aber beachten müsse, daß dadurch nicht an Stelle eines Ministeriums sieben entstünden. Weiter müsse man in Rechnung setzen, daß bei diesen etwa vermehrten Zuständigkeiten der Kreisregierung und der Landräte auch die Bezirksverbandstage und die Kreistage in entsprechender Form herangezogen werden müßten. Wenn man von Zentralstellen Zuständigkeiten an die Mittelstellen abgebe, dürfe man auch nicht übersehen, daß von diesen Mittelstellen die Zuständigkeiten zu den obersten Instanzen ausstrahlten. Die Mittelinstanzen empfingen von den verschiedensten Ministerien Weisungen. Man müsse daher eine Koordination der Zentralstellen herbeiführen, sonst bestehe Gefahr, daß namentlich ein politisierter Regierungspräsident einen Minister gegen den anderen ausspiele. Zur Vorbereitung schlage er deshalb vor, daß die beteiligten Ministerien zunächst innerhalb ihres Ressorts Vorarbeiten beginnen, dann Referentenbesprechungen abhalten und eine Denkschrift ausarbeiten sollten über die jetzt bestehenden Zuständigkeiten. Dann solle man konkrete Vorschläge machen, die man an den Landtag herantragen könne. So grundlegende Dinge müsse man in dieser Form vorbereiten, das Material werde wohl bereit liegen. Gleichzeitig müsse man an die Geschäftsordnung für die Ministerien herangehen, damit hier eine Koordination erzielt werde.41

Staatsminister Roßhaupter erklärt, hinsichtlich des Arbeitsministeriums werde es wohl keine besonderen Schwierigkeiten geben außer der Abteilung Bauwesen. Diese Zuständigkeiten beruhten aber auf einem amerikanischen Gesetz.42 Wenn man sie wegnehme, so sei eine Verständigung mit der Militärregierung notwendig.43 Das Arbeitsministerium könne keine Vorschläge machen. Es sei vielmehr notwendig, daß der Ministerpräsident hiewegen bei der Militärregierung vorfühle. Er habe selbst einmal den Vorschlag gemacht, daß das Bauwesen zusammengefaßt werden solle, sei damit aber bei der Militärregierung auf entschiedenen Widerstand gestoßen.

Ministerpräsident Dr. Ehard, erwidert, man wisse noch nicht genau, welchen Standpunkt die Militärregierung in der Frage der Genehmigung von Gesetzen einnehme; heute sei es noch so, daß sie die Gesetze genehmige und Wünsche äußere. Wir müßten die Entwürfe aber in erster Linie an den Landtag geben. Nun habe er gehört, daß bereits in allernächster Zeit eine Entschließung der Militärregierung ergehen solle, in der diese Dinge geregelt würden.44 General Clay befindet sich auf einer Rundreise, um seine Offiziere davon zu unterrichten, daß nunmehr, nachdem die Verfassungen in Kraft seien, sich die Sachlage geändert habe. Was das Arbeitsministerium anlange, so wisse er, daß ein Gesetz der Militärregierung vorliege. Das werde ihn aber keineswegs hindern, dem Landtag einen entsprechenden Vorschlag zu machen. Bei der Militärregierung bestünden bei verschiedenen Abteilungen auch verschiedene Auffassungen.45 Im Bauwesen herrsche zur Zeit ein Zustand, der völlig untragbar sei. Es sei unmöglich, daß Bayern in einem Ausschuß des Länderrats für Bauwesen zwei Vertreter sitzen habe, die uneinig seien, und von denen der eine noch erkläre, daß ihn der Ministerrat nichts angehe und Vorlagen mache, von denen der andere Vertreter erst in dieser Sitzung etwas höre.46 Man müsse sofort festlegen, daß Bayern für das Bauwesen nur durch den Vertreter eines Ministeriums repräsentiert würde, der andere könne dann beratend teilnehmen. Er sei der Meinung, man müsse beschließen, daß Bayern im Bauausschuß durch das Innenministerium entscheidend vertreten werde.

Staatssekretär Fischer hält diese Regelung für unbedingt notwendig. So gingen die Dinge in Stuttgart nicht weiter. Auch die Ministerien der anderen Länder hätten erklärt, sie würden es begrüßen, wenn das Bauwesen in einer Hand zusammengefaßt werde und zwar nach dem früheren bayerischen Vorbild. In der britischen Zone bereiteten sich ebenfalls ähnliche Dinge vor. Es gehe für ihn nicht um Zuständigkeitsfragen, sondern um die Wichtigkeit des Bauwesens. Es sei gleich, welches Ministerium das Bauwesen betreue, aber in einer Hand müsse es zusammengefaßt werden. Er sei gerne bereit, sich mit den anderen Kollegen zu besprechen, damit man zu einer vernünftigen Arbeit komme.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt als übereinstimmende Meinung fest, daß Bayern im Ausschuß für das Bauwesen durch das Innenministerium vertreten wird, das sich in entsprechender Form mit dem Arbeitsministerium in Verbindung setzt. Was die Organisation des Bauwesens überhaupt anlange, so sei er der Meinung, daß man das technische Bauwesen und die Baupolizei dem Innenministerium zuteilen solle, daß dagegen das Arbeitsministerium die Betreuung und Finanzierung der gemeinnützigen Bauunternehmungen und Genossenschaften behalten solle, sonst hätte man das Staatssekretariat für das Bauwesen gar nicht einzurichten brauchen. Mit dieser Sache könne man sich heute aber nicht befassen.47

[XIV. Parteiengesetz]48

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt bezüglich des Entwurfs des Gesetzes über politische Parteien mit, daß im letzten Ministerrat beschlossen worden sei, dieses Gesetz sei noch nicht dem Landtag und auch noch nicht offiziell der Militärregierung vorgelegt worden. Diese habe aber davon schon Kenntnis. Nun sei dieser Entwurf in der Neuen Zeitung schon angegriffen worden unter dem Gesichtspunkt, wie man dazu komme, überhaupt eine Genehmigung vorzusehen.49 Nun müsse er dazu sagen, daß die Militärregierung sich bis heute noch nicht habe entschließen können, die Vereinsfreiheit tatsächlich anzuerkennen. Der Zusammenschluß zu einer Partei bedürfe noch einer Genehmigung. Er sei der Meinung, solange die Militärregierung eine Genehmigung vorschreibe, müsse man versuchen, diese Genehmigung zunächst in deutsche Hand zu bekommen. Erst wenn die Vereinsfreiheit zugestanden sei, müßten wir uns überlegen, ob die Bestimmungen des Parteiengesetzes aufrecht erhalten werden könnten. Es sei vielleicht zu überlegen, daß man dieses Gesetz noch einmal überarbeiten und die Genehmigungsvorschriften als Übergangsbestimmungen kennzeichnen solle. Wenn schon eine Genehmigung verlangt werde, dann solle man diese einer möglichst neutralen Stelle, eben dem Verfassungsgerichtshof übertragen.

[XV. Eintragung in öffentliche Register]

Diese Frage werde uns übrigens noch in einem anderen Zusammenhang beschäftigen: die Eintragungen in die öffentlichen Register seien bisher nur mit Genehmigung der Militärregierung zulässig gewesen. Nunmehr seien gewisse Lockerungen eingetreten; der Ministerpräsident sei ermächtigt, diese Eintragungen allgemein zu genehmigen und diese Befugnis auch zu übertragen. Hier kämen auch die Eintragungen ins Vereinsregister in Frage. Wenn ein Verein auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sei, so bedürfe er der Genehmigung. Wenn dies nicht der Fall und der Verein auch nicht politisch sei, bedürfe er an sich keiner Genehmigung, wohl aber die Eintragung ins Register. Wenn nun insoweit dem Ministerpräsidenten ein Ermessen zugeschoben werde, erhebe sich die Frage, ob man nicht sagen könne, daß er seine Genehmigungsbefugnis übertragen könne und, wenn eine Genehmigung für die Gründung nicht erforderlich sei, daß auch die Eintragung nicht genehmigungspflichtig sei. Wenn man einen entsprechenden Entwurf den Amerikanern vorlege, werde man gleich sehen, ob sie nunmehr die Vereinsfreiheit anerkennen. Im übrigen ersuche er um die Zustimmung, daß die Vorlage des Parteiengesetzes an den Landtag zurückgestellt und der Entwurf noch einmal überarbeitet werden solle.

[XVI. Kunsthandel]

Staatssekretär Dr. Sattler weist in diesem Zusammenhang daraufhin, daß die Lizenzierung des Kunsthandels besonders eilig sei.50

[XVII. Dienststrafordnung]51

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, daß die Militärregierung hinsichtlich der ihr durch den Länderrat vorgelegten Dienststrafordnung52 verfügt habe, daß diese von den einzelnen Ländern im Rahmen ihrer Verfassungen erlassen werden solle. Die Dienststrafordnung sei zwar von Ministerpräsident Dr. Hoegner noch am 6. Dezember vor Inkrafttreten der Verfassung unterzeichnet worden. Man könne sich nun auf den Standpunkt stellen, daß sie damit rechtsgültig erlassen sei und man nur noch die Genehmigung der Militärregierung einholen müsse. Man könne sie aber auch dem Landtag zur Beschlußfassung vorlegen. Er halte es für zweifelhaft, daß die Militärregierung den 1. Standpunkt billigen werde; er halte es aber auch politisch nicht für möglich, bei einer so bedeutungsvollen Sache den Landtag zu umgehen.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner hat nichts dagegen; weist aber darauf hin, daß die Dienststrafordnung in engstem Zusammenhang mit dem Beamtengesetz stehe, das nicht vom Landtag verabschiedet worden sei. Insofern könnten sich gewisse Schwierigkeiten ergeben. Aber auch er sei der Meinung, daß die Dienststrafordnung dem Landtag vorzulegen sei, die Sache eile aber.

Der Ministerrat erklärt sich einstimmig damit einverstanden, daß die Dienststrafordnung dem Landtag vorgelegt und er um möglichste Beschleunigung ersucht werden solle.53

[XVIII. Richtlinien für die Wiedereinstellung der durch die Spruchkammern gegangenen Beamten]54

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, daß die Richtlinien für die Wiedereinstellung der Beamten in der nächsten Zeit genehmigt würden.55 Er glaube, daß durch diese Richtlinien die Sonderentschließung von Ministerpräsident Dr. Hoegner, wonach in den Ministerien ehemalige Parteigenossen nicht beschäftigt werden dürften, überholt sei,56 ohne daß man sie besonders aufhebe. Selbstverständlich müsse man nach wie vor davon ausgehen, daß man sehr zurückhaltend sein müsse und diese Leute nicht in irgend einer hervorgehobenen Position verwenden dürfe; aber grundsätzlich müsse man diesen Standpunkt einnehmen, weil wir sonst in große Verlegenheit mit der Besetzung der bizonalen Ämter kämen. Wir seien der englischen Zone gegenüber sowieso schon ins Hintertreffen geraten.

Geheimrat Hepp teilt mit, bei ihm sei vor einigen Tagen ein Herr der Militärregierung in Berlin gewesen und habe über die Besetzung der bizonalen Ämter gesprochen. Es werde ein bizonaler Prüfungsausschuß gebildet, welcher die leitenden Personen prüfen solle; die nachgeordneten Beamten sollten dann von den Leitern geprüft werden. Dies gelte nicht nur für die Schaffung neuer, sondern auch für die Übernahme bestehender Ämter. Auch er habe darauf hingewiesen, daß die Denazifizierung in der englischen Zone ganz anders gehandhabt werde.57 Darauf sei der Amerikaner aber nicht eingegangen, sondern habe behauptet, daß dies in der englischen Zone nachgeholt werde. Wenn wir nicht genügend Beamte hätten, sollten wir Leute aus der freien Wirtschaft suchen. Dies sei jedoch unmöglich. Darauf hin habe er sich mit Schweizer58 in Verbindung gesetzt. Dieser erwarte von Bayern zweierlei: Bei der Besetzung bizonaler Ämter sollten wir Protest einlegen, wenn aus der englischen Zone Leute benannt würden, die bei uns politisch untragbar wären. Außerdem habe er den Finanzminister schon um eine Liste von leitenden Persönlichkeiten der englischen Zone gebeten, die politisch so belastet seien, daß sie in der amerikanischen Zone schon längst entlassen worden wären. Als man auf den eventuellen Denunziationscharakter einer solchen Liste hingewiesen habe, sei dies von der Militärregierung strikt abgelehnt worden. Es handle sich nur um eine berechtigte Notwehr der süddeutschen Länder. Der springende Punkt sei der, daß die Denazifizierung von geeigneten Leuten möglichst rasch durchgeführt werden müsse. Vielleicht könnten die denazifizierten Beamten wenigstens an einer anderen Stelle verwendet werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, diese Dinge höre er seit einem halben Jahr. Alle diese Vorhalte habe er einer Reihe von Amerikanern, erst vor kurzem Clay persönlich gemacht. Er habe immer die Antwort erhalten, daß eine Angleichung erfolgen werde. Daraufhin habe er bemerkt, dies scheine ihm nicht so, die Engländer gingen ihre eigenen Wege. Eine Antwort habe er nicht mehr bekommen. Man habe sich zu sehr daran gewöhnt, die Mängel zu sehen und zu kritisieren, aber konkretes Material bringe man nicht auf, entweder, weil man die Erhebungen nicht machen wolle oder nicht machen könne. Diese Hemmungen müsse man einmal überwinden. In den bizonalen Stellen säßen eine Reihe von Ministerialdirektoren, die bei uns nicht einmal Hilfspolizisten sein können. Das sei keine Denunziation, sondern Notwehr. Wir wollten nicht, daß diese entfernt werden müßten, wir wollten aber dasselbe für uns. Von einer Vereinbarung zwischen Engländern und Amerikanern verspreche er sich nicht viel. Vielmehr müsse man hieb- und stichfestes Material liefern. Vielleicht könne man über den Beamtenrat, der die bizonalen Besetzungen nachprüfen solle, etwas erreichen. Unsere Vertreter müßten dort die Fragebogen verlangen, schließlich müsse man auch einmal die Öffentlichkeit mit Material wie auf dem Ernährungssektor versorgen. Es helfe nichts, wenn man bloß Obstruktion zu treiben scheine, wenn man nicht die Öffentlichkeit überzeugen könne.

Staatssekretär Schuberth teilt mit, daß bei der Post bereits eine gewisse Auflockerung festzustellen sei mit Rücksicht auf den englischen Standpunkt. Man müsse aber hier um jeden einzelnen Fall kämpfen.

Ministerpräsident Dr. Ehard befürchtet aber, daß dann dem betreffenden Minister der Vorwurf gemacht würde, daß er das Gesetz nicht durchführe.

[XIX. Entnazifizierungsgesetz]

Staatsminister Loritz führt aus, er glaube, daß jetzt der entscheidende Schlag gegen die falschen Bestimmungen des Befreiungsgesetzes geglückt sei. Endlich sei man dort, wo man schon vor einem Jahr habe stehen müssen. Das Schlimmste sei der Artikel 58 gewesen,59 neben den berüchtigten automatischen Bestimmungen. Dieser Artikel habe sich zu einem Hemmschuh für die ganze Wirtschaft ausgewirkt.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt hiezu, dieses automatische Beschäftigungsverbot habe sich nicht nur auf die Klassen I und II, sondern auch auf sonstige Parteimitglieder bezogen. Es habe sich deshalb besonders schwerwiegend ausgewirkt, weil die Genehmigung nach Art. 59 im August zurückgezogen worden sei.60

Staatsminister Loritz fährt fort, nunmehr sei der bayerische Antrag angenommen worden, Dorn habe die Formulierung bereits unterzeichnet.61 Er glaube nicht, daß Clay noch Schwierigkeiten machen werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt die Neufassung des Art. 58 Abs. 1 bekannt.62 Dieser beschränke sich jetzt nur noch auf die Klassen I und II und den vom Nürnberger Urteil betroffenen Personenkreis. Es handle sich um eine starke Einschränkung des automatischen Beschäftigungsverbotes, außerdem würden noch zahlreiche Personen der Klasse II ausgenommen, die damit aufgeteilt sei.63 Praktisch fielen alle heraus, die unter dem Ortsgruppenleiter gestanden seien oder in einer Gliederung keinen höheren Rang als den eines Unteroffiziers bekleidet hätten. Wenn der Ministerrat seine Zustimmung zu dieser Änderung gebe, müsse sie vom Ministerpräsidenten unterzeichnet und durch den Generalsekretär des Länderrats Clay vorgelegt werden. Auch zu Art. 33 komme eine wichtige Ergänzung. Dieser habe den Zwang zur Anklage in einer bestimmten Gruppe enthalten, der nunmehr weggefallen sei.64 Auch dieser Änderung müßten wir zustimmen, da endlich ein Ergebnis erreicht sei, das man immer angestrebt habe, sonst könne man das Gesetz niemals durchführen. Eine Amnestie in dem Umfang, wie sie notwendig und gerecht sei, werde man schwer bekommen. Nun könne der kleine Pg, der heute schon praktisch weit mehr gelitten habe als die großen Nazis, wieder vorläufig in eine Tätigkeit gebracht werden. Dadurch könne man ihn erstens besser beaufsichtigen, zweitens ihm die Möglichkeit geben, sich zu bewähren. Außerdem werde der ganze Apparat entlastet, da man nicht mehr gezwungen sei, eine Unmenge von kleinen und kleinsten Fällen zu erledigen. Wenn diese Leute wieder ihre Beschäftigung hätten und verdienen könnten, könnten sie den Spruchkammerbescheid abwarten. Der Apparat werde frei für die wirklich großen Nazis. Dies sei das Wesentliche und Entscheidende. Er begrüße daher diese Regelung. Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend fest, daß der Ministerrat mit der Unterzeichnung und Weiterleitung an die Militärregierung einstimmig einverstanden ist.65

Staatsminister Loritz teilt noch den Wunsch von Professor Dorn mit, daß über diese Angelegenheit nichts an die Öffentlichkeit dringen solle, bis General Clay unterzeichnen solle.

[XX. Presseartikel über Schiebungen]

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, in der Hofer Frankenpost sei ein Artikel „Millionen-Schiebungen vor der Enthüllung“ gestanden, welcher das Verkehrsministerium angehe.

Staatsminister Frommknecht fragt, ob es sich hier um das Kompensationsgeschäft des Wirtschaftsministeriums mit Röchling handle. Er frage, ob er dazu in der Presse Stellung nehmen solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard verneint dies. Man solle die Sache herankommen lassen, aber Material bereitlegen, entweder für den Landtag oder die Pressekonferenz; man werde ohnehin in der nächsten Zeit eine Pressekonferenz halten.66 Es sei dann zweckmäßig, wenn die einzelnen Ministerien sich auf gewisse Fragen einstellten und auch selber gewisse Fragen an die Presse herantrügen. Auch er bitte um Material, das er dann zusammenfassend verwerten könne.

[XXI. Personalangelegenheiten]

Ministerpräsident Dr. Ehard bringt anschließend einige Personalsachen zur Sprache:

Besonders dränge der Präsident der Landeszentralbank.67 Der Finanzminister, der nach dem Gesetz das Vorschlagsrecht habe, habe Dr. Max Grasmann68 als Präsidenten und Hartlieb69 als Vizepräsidenten benannt. Grasmann habe sich zur Annahme in einem Schreiben bereit erklärt, das er zur Verlesung bringe. Auch Hartlieb sei mit seiner Ernennung einverstanden. Er bitte um Stellungnahme zu diesem Vorschlag.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner beantragt, die Sache zurückzustellen, da der Wirtschaftsminister nicht mehr anwesend sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard bittet, die Sache im Auge zu behalten. Vielleicht könne man dem Wirtschaftsminister die vorläufige Stellungnahme des Ministerrats zuleiten. Staatssekretär Geiger solle ihn persönlich unterrichten. Im nächsten Ministerrat müsse dann die Sache endgültig erledigt werden.70 Weiter werde vom Innenministerium der bisherige kommissarische Leiter des Statistischen Landesamtes Dr. Karl Wagner71 zum Präsidenten dieses Amtes vorgeschlagen. Mit der Besetzung dieser Stelle müsse sich der Ministerrat befassen. Nun habe aber auch das Landespersonalamt seine Tätigkeit aufgenommen,72 ohne allerdings, wie es im Beamtengesetz vorgesehen sei, für die nächste Zeit Vorschläge für die Besetzung von Stellen machen zu können. Es erhebe sich aber die Frage, ob man das Landespersonalamt nicht doch einschalten solle, indem man anfrage, ob gegen eine Ernennung eine Erinnerung bestehe. Die Möglichkeit einer gutachtlichen Stellungnahme habe das Landespersonalamt eigentlich nicht. Andererseits gehöre es aber zu seinen Aufgaben, sich bei der Besetzung von Stellen einzuschalten. Es sei vielleicht aus politischen Gründen zweckmäßig, wenn man ihm Gelegenheit zur Äußerung gebe.73 Man könne sich aber auch auf den Standpunkt stellen, solange es noch nicht in der vom Gesetz vorgesehenen Weise funktioniere, habe man keine Veranlassung, es überhaupt zu fragen.74

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner glaubt, daß das Landespersonalamt sich Vorbehalten habe, alle Ernennungen seit Inkrafttreten des Beamtengesetzes nachzuprüfen.75 Infolgedessen sei es zweckmäßig, vorher dessen Meinung einzuholen. Zunächst sei das Personalamt aber noch nicht darauf eingerichtet; man solle sich vorher noch einmal mit dem Vorsitzenden in Verbindung setzen.76

Staatssekretär Fischer teilt mit, der Innenminister bitte, die Sache Dr. Wagner noch nicht zu entscheiden, da er nicht anwesend sei.

Hierauf wird diese Angelegenheit zurückgestellt.77

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, das Innenministerium habe beantragt, zum Chef der Landpolizei im Regierungsbezirk Unterfranken Mathern78 zu ernennen, der bisher nur Beamter auf Widerruf gewesen sei. Das Finanzministerium sei einverstanden.

Hiergegen wird keine Erinnerung erhoben.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt weiter, die gleiche Ernennung sei für Stiller, den Chef der Landpolizei im Regierungsbezirk Schwaben, beantragt. Auch hier sei das Finanzministerium einverstanden.

Staatsminister Loritz fragt, ob man hier nicht besser einen Einheimischen nehmen könne. Außerdem sei Stiller seit 1942 Chef des Luftschutzes gewesen.79

Staatsminister Dr. Hundhammer beantragt, die Sache zurückzustellen, um Informationen einholen zu können.

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.80

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt weiter mit, das Arbeitsministerium habe beantragt, den Regierungsrat Kaulfers zum Leiter der Versicherungsanstalt Mittelfranken in Bayreuth zu ernennen. Er solle zunächst als Regierungsrat übernommen werden.

Staatsminister Dr. Hundhammer stellt mit Rücksicht auf die Qualitäten von Kaulfers seine Bedenken gegen die serienmäßige Besetzung von Spitzenstellen durch Herren aus dem Norden zurück.

Staatsminister Dr. Roßhaupter weist darauf hin, daß es sich um einen Flüchtling aus der Ostzone handle, der nicht zurück könne. Diese Leute müßten wir unterbringen. Im übrigen sei es sehr schwer, geeignete Leute zu finden.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß keine Erinnerung gegen diese Ernennung besteht. Man müsse die Personalangelegenheiten aber einmal etwas systematischer zusammenfassen.

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, der Landtag habe am 29. Januar das Gesetz über die Vergütung der Lohnausfälle wegen Kohlen-, Strom- und Gasmangels beschlossen.81 Dieses habe nur bis 31. Januar Gültigkeit, könne aber von der Staatsregierung jeweils um einen Monat, bis zum 31. März verlängert werden. Die Notlage daure nun an, deshalb habe das Arbeitsministerium beantragt, die Gültigkeitsdauer des Gesetzes bis zum 28. Februar 1947 zu verlängern.

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis. Die Verlängerung soll schon bei der Veröffentlichung des Gesetzes bekannt gemacht werden.82

Staatsminister Frommknecht teilt mit, die Reichsbahndirektion Regensburg sei verwaist; von Bielefeld werde Abteilungspräsident Burger83 benannt.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, die Gewerkschaften setzten sich aber für Scharnagl84 ein; man solle daher die Sache zurückstellen.

Staatsminister Frommknecht erklärt, die Gewerkschaften hätten sich letztes Jahr für Burger entschieden, zum Teil seien sie von Scharnagl schon wieder abgerückt.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, die Sache müsse zurückgestellt werden. Zunächst müsse man einmal die Akten sehen. Grundsätzlich empfehle er, alle Personalsachen in einem entsprechend zusammengesetzten kleineren Kreis zu besprechen. Sonst müsse man das unbehagliche Gefühl haben, einer Sache zuzustimmen, die man nicht genau kenne. Diese Regelung müsse man im Zusammenhang mit der Geschäftsordnung treffen.85 Über die Sache Burger bitte er den Verkehrsminister, zunächst einmal mit ihm zu sprechen.86

[XXII. KZ-Ehrenmal Dachau]

Staatssekretär Dr. Sattler bringt den Wettbewerb für das Dachauer KZ-Ehrenmal zur Sprache.87 Es seien hierfür Preise in Aussicht gestellt worden. Der Wettbewerb sei nun entschieden, die Leute hätten aber noch keine Benachrichtigung und kein Geld erhalten.

Ministerpräsident Dr. Ehard bittet, für diese Angelegenheit zunächst noch Grundlagen zu beschaffen, damit man sich damit näher befassen könne.88

[XXIII. Durchführung des Versehrtengesetzes]

Weiter teilt er mit, das Arbeitsministerium habe den Antrag gestellt, daß ehemalige Beamte der Versorgungsbehörden auf Anfordern des Arbeitsministeriums zur Durchführung des Versehrtengesetzes89 von den Behörden, bei denen sie beschäftigt seien, freigegeben werden sollten.90 Grundsätzlich sei er der Meinung, daß man diesen Antrag unterstützen solle. Man solle nur eine kleine Einschränkung machen in der Richtung, daß sie nur abgegeben zu werden brauchen, soweit sie irgend entbehrt werden können.

Staatsminister Roßhaupter gibt gerne zu, daß in einzelnen Fällen Ausnahmen gemacht werden können.

Dem zufolge wird entsprechend dem Antrag des Arbeitsministeriums mit der von Ministerpräsident Dr. Ehard vorgeschlagenen Einschränkung beschlossen.

[XXIV. Straßenbahn durch den Englischen Garten]

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert daran, daß man sich schon einmal über die Straßenbahnverbindung durch den Englischen Garten unterhalten habe.91 Es habe sich darum gehandelt, ob diese quer durch den Englischen Garten oder nördlich des Klein-Hesseloher-Sees verlaufen solle. Das Finanzministerium habe sich eingehend geäußert.92 Nun habe sich herausgestellt, daß dieses Projekt von der städtischen Verkehrsabteilung vorgelegt worden sei, während die Städtische Planungsstelle davon überhaupt nichts gewußt habe.93 Zunächst werde man dieser einmal davon Kenntnis geben müssen.94

[XXV. Neugliederung der Regierungsbezirke]

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt weiter mit, er habe von Landshut einen Brief bekommen, wonach für die wieder zu errichtende Kreisregierung nicht mehr das frühere Gebäude, sondern die Höhnkaserne in Betracht käme.95 Diese Kaserne sei aber noch mit DP's belegt. Die Stadt Landshut wolle sich deswegen mit der Militärregierung wegen der Räumung in Verbindung setzen, bitte aber um die Unterstützung des Ministerrats. Er halte eine solche Aktion jetzt nicht für zweckmäßig.96 Zunächst müsse man einmal die Frage der Wiedererrichtung der Kreisregierung aufgreifen und diese mit der heute schon besprochenen Organisationsfrage in Angriff nehmen.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, er halte eine Neueinteilung der Kreise aus geschichtlichen und staatspolitischen Gründen für erforderlich; die verfehlte Einteilung von Ludwig I. könne man nicht beibehalten.97

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, über Grenzberichtigungen könne man ohne weiteres reden. Wenn man aber eine umstürzende Neueinteilung plane, komme man in 6 bis 8 Jahren über den Streit darüber noch nicht hinaus. Man müsse an diese Sache mit einer gewissen Vorsicht herangehen, sie aber doch irgendwie aufgreifen, vielleicht im Zusammenhang mit den Organisationsfragen.

Staatsminister Dr. Hundhammer meint, man solle die Neuregelung der Kreisregierungen schon vorbereiten und zumindest jemand beauftragen, Unterlagen zu sammeln.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, das Staatsministerium des Innern zu ersuchen, eine Vorlage mit den nötigen Denkschriften und Unterlagen vorzubereiten.

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.98

[XXVI. Tragen von Parteiabzeichen im öffentlichen Dienst]99

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest eine Note des Innenministers vom 21.1.47 über das Tragen von Parteiabzeichen oder Sympathieabzeichen durch Arbeiter, Angestellte und Beamte im öffentlichen Dienst. Das Innenministerium halte dies mit Rücksicht auf Art. 96 der Verfassung für unzulässig.100

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner schließt sich dieser Meinung an. Parteiabzeichen hätten in den Amtsstuben nichts zu suchen. Von 1926 bis 33 habe es eine gewisse Bedeutung gehabt, wenn Beamte sich zu einer antinationalsozialistischen Partei bekannt hätten. Heute befänden wir uns aber in keiner solchen Kampfzeit. Es solle eine allgemeine Anweisung herausgegeben werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt, welches Ministerium diese Anweisung herausgeben solle. An sich komme hierfür das Finanzministerium als Beamtenministerium in Betracht.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, darüber werde man sich einigen. Er schlage folgenden Beschluß des Ministerrats vor: „Den Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes wird im Dienst das Tragen von Parteiabzeichen mit Rücksicht auf Art. 96 der Verfassung verboten“.

Dieser Antrag wird einstimmig angenommen.

Ministerpräsident Dr. Ehard behält sich noch eine nähere Formulierung vor, die er noch vorlegen werde.101

[XXVII. Gesetz über die Sicherung von Nahrungsmittellagern und anderen wesentlichen Vorräten]

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, kürzlich sei das Gesetz über Sicherung von Nahrungsmittellagern und anderen wesentlichen Vorräten vom Ministerrat genehmigt102 und dem Landtag und der Militärregierung zugeleitet worden. Diese Vorlage sei erfolgt, weil seinerzeit die Militärregierung es gewünscht habe. Nun habe die Militärregierung in der Zwischenzeit den gegenteiligen Wunsch geäußert. Während das Gesetz jetzt dem Landtag vorliege, habe das Innenministerium einen neuen Verordnungsentwurf vorgelegt, den er hiermit bekannt gebe.103 An diesem Entwurf habe er vor allem die darin enthaltene Strafbestimmung zu bemängeln. Außerdem gehe es nicht, daß, wenn schon ein Gesetzentwurf beim Landtag vorliege, man daneben eine Verordnung über den gleichen Gegenstand laufen lasse. Wenn die Militärregierung ihren früheren Wunsch widerrufen habe, so müsse man zunächst das Gesetz beim Landtag stoppen. Man dürfe aber nicht einfach eine neue Verordnung machen und mit anderen Ministerien und der Militärregierung darüber verhandeln. Er bitte um die Ermächtigung, dem Landtag mitzuteilen, daß dieser Entwurf mit Rücksicht auf einen Wunsch der Militärregierung zurückgestellt werden solle.104 Außerdem müsse auch noch das Justizministerium eingeschaltet werden.105

[XXVIIII. Unfall von Innenminister Seifried]106

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, daß sich die Verletzungen des Innenministers doch als schwerer herausgestellt hätten. Er werde zumindest 8 bis 14 Tage arbeitsunfähig sein. Er dürfe im Auftrag des Ministerrats ihm das Bedauern über den Unfall aussprechen und ihm gute Besserung wünschen.

[XXIX. Gesundheitsabteilung des Innenministeriums]

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt weiter, er habe die Mitteilung des Innenministeriums erhalten, wonach die Zustände bei der Gesundheitsabteilung unhaltbar geworden seien, besonders infolge Fehlens von Heizmaterial. Es werde deswegen um Unterstützung gebeten.

Es wird festgestellt, daß hiezu keine Möglichkeit besteht.

[XXX. Vorsitz im Verwaltungsrat der Landeszentralbank]

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt weiter mit, daß bezüglich des Präsidenten der Staatsbank107 die Lage nunmehr so weit geklärt sei, daß er Vorsitzender des Verwaltungsrats der Landeszentralbank werden könne.108

[XXXI. Gesetzgebung im Länderrat]

Ministerpräsident Dr. Ehard behandelt die Gesetzgebungsarbeit im Länderrat. Es sei mitgeteilt worden, daß in einem Unterausschuß des Länderrats von einem Referenten des Arbeitsministeriums ein wichtiger Gesetzentwurf als „bayerischer Entwurf“ eingereicht wurde, der sogar Zonengesetz werden solle, ohne daß dieser Entwurf vorher dem Kabinett vorgelegt oder auch nur mit den übrigen beteiligten Ministerien abgestimmt worden wäre. Ein solches Verfahren sei schon mit Rücksicht auf die Entschließung vom 23. Januar 1947 unzulässig.109 Auch solche Entwürfe müßten vorher im Ministerrat zur Kenntnis gebracht werden.

[XXXII. Verordnung zur Durchführung der Weihnachtsamnestie]

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert daran, daß im letzten Ministerrat die Durchführungsverordnung zur Weihnachtsamnestie zurückgestellt worden sei.110 Nunmehr sei die Neufassung da, die nur kleine Änderungen enthalte.111 Neu sei, daß die Minderbelasteten nicht mehr unter die Amnestie fielen. Sie sei bereits von den drei Entnazifizierungsministern unterzeichnet. Wenn der Ministerrat zustimme, könne sie der Militärregierung vorgelegt werden.

Die Zustimmung wird einstimmig erteilt.112

[XXXIII. Illiquidität des Post-, Spar- und Darlehensvereins bei der Postdirektion Nürnberg]

Staatssekretär Schuberth führt aus, der Post-, Spar- und Darlehensverein bei der Postdirektion Nürnberg, eine Institution der Beamten, sei illiquid geworden. Die Reichsbank habe ein Darlehen abgelehnt. Er bitte das Finanzministerium, die Sache zu prüfen. Die Postbeamten bräuchten die Spargelder, um ihre Sühnebeträge zu bezahlen. Wenn sie ihre Spargelder nicht mehr abheben könnten, kämen sie auch sonst in Not. Außerdem werde sich die Sache finanzpolitisch nicht sehr günstig auswirken. Es handle sich um einen relativ kleinen Betrag. In Regensburg seien neue Spargelder hinzugekommen. Wenn jetzt eine Auflockerung des § 58 komme, so werde sich das wohl auch günstig auswirken.113

Ministerpräsident Dr. Ehard hat Bedenken, auch hier wieder einen Vorschuß zu geben, der vielleicht verloren sein könne, vor allem wenn sich so etwas einbürgere.

Staatsminister Loritz meint, am Schluß zahle dann noch der Staat die Sühnegelder.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, man müsse vielleicht einmal in kleinerem Kreis über diese Sache reden. Jetzt könne sie nicht entschieden werden. Er bitte, ihn jetzt zu entschuldigen, da er eine Besprechung mit Mr. Pollock114 habe.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner übernimmt den Vorsitz.

[XXXIV. Ehrentempel am Königsplatz]115

Staatssekretär Fischer führt aus, die Ehrentempel seien nun gesprengt;116 man müsse an deren Stelle aber etwas anderes setzen. Es sei ein Preisausschreiben vorgeschlagen worden. Davon wolle er aber absehen, sondern nur etwa 20 unbelastete Architekten einladen, Ideenskizzen vorzulegen, aus denen man dann im Benehmen mit dem Kultusministerium die besten heraussuchen werde. Er bitte um die Ermächtigung, den beteiligten Architekten eine kleine Summe als Entschädigung zu bieten.

Staatsminister Dr. Hundhammer erklärt sich hiermit einverstanden.117

[XXXV. Internierte]

Staatssekretär Fischer hat eine Bitte an Staatsminister Loritz: Von den Moosburger Internierten, die beim Landtagsbau beschäftigt gewesen seien,118 seien drei entflohen. Die Militärregierung stimme einer Weiterbeschäftigung nur zu, wenn einer von uns die persönliche Haftung übernehme. Dies könne er aber nicht machen.

Staatsminister Loritz erwidert, dies liege an den Wachmannschaften. Die Wachmannschaften seien schlechter verpflegt als die Internierten. Im übrigen habe man die Verhältnisse in den Interniertenlagern jetzt in die Hand bekommen. Sie seien jetzt durchaus normalisiert. Die Razzia in Regensburg119 habe nichts ergeben. Was in den Zeitungen gestanden sei, habe nicht gestimmt. Diese Aktion habe Tausende von Litern Benzin gekostet, während die Ärzte kein Benzin hätten, um ihre Kranken zu besuchen. Das Ganze komme daher, weil Auerbach eine seiner berühmten Escapaden gemacht habe.

Staatsminister Frommknecht erklärt, nun werde ein Beamter der Verkehrsabteilung München beschuldigt, daß er diese Aktion vorher verraten habe.120 Untersuchung sei eingeleitet.

Staatsminister Loritz erklärt, die Aktion sei nicht verraten worden. Er protestiere dagegen, daß eine Nachaktion gemacht worden sei, ohne daß er hiervon etwas erfahren habe.

Diese Mitteilungen werden zur Kenntnis genommen.

[XXXVI. Weisungsbefugnis bizonaler Institutionen]

Staatssekretär Fischer teilt folgendes mit: In Minden beim Verwaltungsrat für Wirtschaft sei ihm plötzlich ein Organisationsplan vorgelegt worden, von dem er vorher keine Kenntnis gehabt habe. In diesem sei eine Hauptabteilung für Energie- und Wasserwirtschaft vorgesehen.121 In der vorläufigen Vereinbarung sei nach seiner Kenntnis wohl von Energie die Rede, aber nicht von Wasserwirtschaft.122 Er habe auch einen am gleichen Tage vorgelegten Entwurf über die Errichtung eines Zentrallastverteilers, welcher die Energiewirtschaft in die Hand von einigen Elektrizitätsbaronen gespielt hätte, zu Fall bringen können. Allerdings habe er zwei Tage kämpfen müssen.123 Bezüglich der Hauptabteilung Wasserwirtschaft124 erhebe sich die Frage, was der Wirtschaftsrat in Minden überhaupt mit der Wasserwirtschaft zu tun habe. Es seien Abteilungen für Trinkwasser, Abwässer, Deichbauten, Talsperren, Meliorationen- und Wasserverbände vorgesehen. Angelegenheiten, die mit der Wirtschaft gar nichts zu tun hätten. Er habe schärfstens Einspruch eingelegt und durchgedrückt, daß diese Sache von der Tagesordnung der nächsten Tagung der Wirtschaftsminister abgesetzt worden sei. Bevor sie zur Sprache kommen, müßten die entsprechenden Entwürfe zuerst uns zugeleitet werden, damit sich die Kabinette dazu äußern könnten. So ohne Weiteres könne man sich nicht überfahren lassen, selbst wenn das von den Engländern gebilligt werde. Es bestehe beim Zonenbeirat der englischen Zone eine solche Abteilung. Diese solle uns jetzt aufoktroyiert werden. Mit dem Landwirtschaftsminister habe er deswegen schon gesprochen. Er wolle aber auch dem Ministerrat davon Kenntnis geben. Etwas Ähnliches sei am Montag und Dienstag in Bielefeld125 passiert. Bei seinem Eintreffen sei ihm eine Verordnung über Reichsstraßen126 vorgelegt worden, wonach die ganzen Reichsstraßen und Autobahnen auf die bizonale Vereinigung übergehen und von dieser bis zum letzten Straßendurchlaß hätten gesteuert werden sollen. Er habe sich scharf dagegen gewendet; es sei aber nicht einfach gewesen, auch nur die süddeutschen Länder unter eine Decke zu bringen. Württemberg habe sich nicht auf die staatshoheitliche, sondern auf die finanzielle Seite verlegt. Dagegen habe er den Standpunkt vertreten, die finanzielle Seite spiele für ihn keine Rolle, sondern nur das Hoheitsrecht. Die Straßen in Bayern müßten nach bayerischen Gesichtspunkten verwaltet werden. Infolgedessen sei die Verordnung zurückgestellt worden; der § 3, nach dem die Baulast eine bizonale Angelegenheit sein solle, sei gestrichen worden. Träger der Baulast sei das Land. Damit habe man auch Einfluß auf die Personalsachen. Der nächste Verkehrsrat werde sich erneut mit dieser Sache zu befassen haben. Er glaube, das Richtige getan zu haben, wenn er diesen scharfen Standpunkt vertreten habe. Hervorgerufen sei die ganze Sache durch die Unklarheit in dem Abkommen, vor allem durch den Ausdruck „Weisungen“.127 Droben stehe man auf dem Standpunkt, „Weisungen“ seien Anordnungen mit Gesetzeskraft. Dies habe er abgelehnt. Zuerst müsse eine Einigung der Ministerpräsidenten der amerikanischen Zone herbeigeführt werden. Am Abend sei ihm noch gesagt worden, er solle nicht immer das Prinzip „amerikanische Zone“ herauskehren, es gebe nur mehr Länder in der amerikanischen Zone; man wolle eben die amerikanische Zone nicht geschlossen haben, obwohl man in der englischen Zone genau das Gegenteil finde. In einer anderen Sache sei ein fait accompli auf den Tisch gelegt worden, nämlich eine Weisung des Bipartite Board:128 Die bayerischen Wasserstraßen, um deren Belassung auf Länderbasis man seit l 1/2 Jahren in Anlehnung an den Staatsvertrag von 1921129 gekämpft habe, seien nunmehr in die Verwaltung des Verkehrsrats überführt worden,130 was nicht einmal im Dritten Reich der Fall gewesen sei. Alle Hauptflüsse, die in die Nordsee mündeten und das ganze Kanalsystem sollten als ein Wasserstraßennetz betrachtet werden, das ohne Beziehung auf die Landesgrenzen von einer Sonderverwaltung des Verwaltungsrats geführt werde. Auch die Donau sei einbezogen worden. Er habe wenigstens verlangt, daß nach Bayern die Wasserstraßendirektionen gelegt würden, die für den Main nach Würzburg und die für die Donau nach Regensburg,131 damit wenigstens eine engere Verbindung geschaffen sei. Die bisher von Bayern geführten Wasserstraßenämter müßten wir also abgeben. Wo die Finanzen herkämen, sei noch absolut ungeklärt. Dem Finanzministerium habe er bereits eine entsprechende Mitteilung gemacht. Die Meinung der Hauptverwaltung der Wasserstraßen, daß die Gebühren ausreichten, sei abwegig. Die Wasserstraßen seien immer ein Zuschußbetrieb gewesen.

Staatsminister Loritz fragt, ob hier nichts mehr zu machen sei.

Staatssekretär Fischer erwidert, dies sei leider nicht der Fall, nur bei der Frage der Bezahlung könne man vielleicht noch einhaken.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner ist der Meinung, daß dort, wo die Staatsregierung ohnmächtig sei, das Parlament eingeschaltet werden müsse. Dem Landtag solle ein Bericht zugeleitet werden. Diese Dinge könne man sich nicht gefallen lassen. Grundsätzlich müsse sein, daß, wenn auch die Gesetzgebung auf vielen Gebieten einheitlich sein müsse, die Verwaltung aber unter allen Umständen den Ländern erhalten bleiben müsse, unter Umständen als Auftragsverwaltung. Reichsverwaltungen solle man so wenig wie möglich einführen, dann aber dort auch die Länder einschalten.

Staatssekretär Fischer teilt weiter mit, bezüglich der Frage der Abwässer, des Trinkwassers und der Meliorationen bestehe in der englischen Zone selber Streit und zwar zwischen Minden, Hamburg und Bielefeld. Er habe es abgelehnt, hier zentrale Bindungen einzugehen.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt als einstimmige Meinung des Ministerrats fest, daß über diese Angelegenheit dem Landtag eine kurze Denkschrift zugeleitet werden solle, damit dieser Gelegenheit habe, sich über diese Zentralisierungswut offen auszusprechen.132

Staatssekretär Fischer bemerkt, dies gelte aber nicht nur für seinen Sektor.

Staatsminister Roßhaupter fügt hinzu, auch in seinem Bereich sei dies der Fall. In Lemgo bestehe eine Zentralstelle für Arbeit, die einen Haufen Leute beschäftige.133 Bisher habe er Beobachter hingeschickt. In Zukunft werde er diese Tagungen aber nicht mehr beschicken. Vor allem solle dort das ganze Bauwesen zentralisiert werden.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, in der britischen Zone habe man für die früheren Reichszuständigkeiten Zentralämter geschaffen, die sich aber noch mehr Zuständigkeiten anmaßten als früher die Reichsministerien. Man werde uns vorübergehend vielleicht zwingen können. Damit fördere man aber nur Eines: die Reichsverdrossenheit.

Staatsminister Loritz schlägt vor, den Amerikanern immer wieder zu sagen, daß wir hier nicht mitmachten. Auch bei den Amerikanern gebe es offenbar viele Leute, die unseren föderalistischen Standpunkt verstünden und teilten. Wenn einmal eine Verordnung da sei, heiße es doch nicht, daß diese nicht wieder geändert werden könne. Man dürfe den Leuten auch nicht den kleinen Finger geben, sonst gehe diese Entwicklung wieder an.

[XXXVII. Bombenanschlag in Nürnberg]134

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt Zuschriften der Gewerkschaften und des Stadtrats Nürnberg bekannt, die anläßlich des Bombenattentats Maßnahmen verlangten, die eine Abänderung des Gesetzes vom 5. März 1946 bedeuten.135 Er schlage vor, diese Eingaben zunächst dem Sonderministerium zur Stellungnahme zuzuleiten.

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.

Staatsminister Loritz bemerkt hierzu, vielleicht könne man schon von Seiten des Ministerrats aussprechen, daß eine Abänderung des Gesetzes keineswegs so leicht sei, wie es sich die Gewerkschaften vorstellten. Dies gehe über den Länderrat und erfordere das Einverständnis der Militärregierung. Das könne man vielleicht jetzt den Gewerkschaften schon sagen.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, es gebe vielleicht noch einen zweiten Weg, indem man nämlich die Eingaben dem Landtag als Material zuschicke, wenn dies dem Sonderministerium lieber sei.136

[XXXVIII. Brennstoff Versorgung]

Staatsminister Roßhaupter führt aus, man müsse schon jetzt alles vorbereiten, um eine derartige Brennstoffkatastrophe, wie sie jetzt bestehe, für den nächsten Winter hintanzuhalten. Die Kohlenlage werde im nächsten Winter keineswegs besser sein. Man müsse daher alles an die Torfgewinnung setzen.137 1920 seien ähnliche Verhältnisse gewesen. Das in diesem Jahr erlassene Torfgesetz habe eine Zeitlang ganz wohltätig gewirkt. Das Landwirtschaftsministerium als zuständige Stelle solle sofort alles einleiten, um, insbesondere im Zusammenhang mit dem Bodenreformgesetz, größere Torfflächen zu enteignen und in den Betrieb einer Gesellschaft oder des Staates zu übergeben. Notwendig sei vor allem auch, daß Maschinen beschafft würden. Wenn wir 100 bis 150 Maschinen hätten, ließen sich zweifellos 100000 t Torf gewinnen. Von Seiten des Arbeitsministeriums seien 250 Arbeiter bereitgestellt. Es werde sich aber auch darum handeln, für diese Arbeiter Gummistiefel zur Verfügung zu stellen. Die Regelung der Einzelheiten sei Sache des Landwirtschaftsministeriums. Das Torfgesetz von 1920, das heute noch in Kraft sei, könne die Grundlage bilden.138 Er bitte um die Ermächtigung des Ministerrats, sich mit dem Landwirtschaftsministerium hiewegen in Verbindung setzen zu können.

Stellv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, dem Landtag liege bereits ein entsprechender Antrag der SPD vor.139 In diesem Zusammenhang könne die Angelegenheit behandelt werden.

Staatssekretär Sedlmayr erklärt, im Wirtschaftsministerium hätten auch bereits Besprechungen stattgefunden. Er habe sich vorgenommen, eine Besprechung aller an der Torfgewinnung Beteiligten abzuhalten.140

Staatssekretär Fischer meint, es werde möglich sein, etwa 40 Torfpressen einzusetzen. Mehr könne man nicht bekommen, weil die Erzeugungsstätten dieser Maschinen zum Teil im russischen Gebiet lägen. Es sei dies auch eine Frage der Eisenkontingente.

Der Bayerische Ministerpräsident:
gez. Dr. Hans Ehard
Der Sekretär des Ministerrats:
gez. Claus Leusser
Ministerialrat