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EinleitungD

I. Quellenlage1

Für das Kabinett Ehard II (20. September 1947 bis 18. Dezember 1950) liegen insgesamt 137 Ministerratsprotokolle vor. In diesem Band kommen die 54 Protokolle der Jahre 1947 und 1948 zum Abdruck.2

Nach dem Ausscheiden der SPD aus der Koalition gab es keine Notwendigkeit mehr für Koalitionsbesprechungen3 neben den Ministerratssitzungen. Der Charakter der Ministerratsprotokolle, in denen bis auf wenige Ausnahmen parteipolitische Erwägungen keine Rolle spielen, legt die Vermutung nahe, daß dieser Themenkreis strikt getrennt in den in ähnlicher personeller Zusammensetzung parallel tagenden Vorstandsgremien der CSU (geschäftsf. Landesvorstand und Landesvorstand) bzw. in der CSU-Landtagsfraktion beraten wurde.4 An der Geschäftsordnungsgrundlage änderte sich im Kabinett Ehard II nichts.5

Mit der Vorlage von Richtlinien für die Behandlung von Gesetzen und Verordnungen durch den Ministerrat6 hatte Ministerpräsident Ehard sich zu Beginn des Kabinetts Ehard I im Januar 1947 darum bemüht, eine straffe und ergebnisorientierte Arbeitsweise des Ministerrats durchzusetzen. Das Kabinett sollte lediglich Materien beraten, zu denen die Stellungnahmen der Ressorts vorlagen und die damit auch beschlußfähig waren7 sowie Angelegenheiten, die tatsächlich auch einen Ministerratsbeschluß erforderten.8 Die Klärung strittiger Fragen betrachtete er als Angelegenheit für die Referentenebene. Materien, die keine Probleme aufwarfen,9 gehörten seiner Meinung nach ebenfalls nicht auf die Tagesordnung. Ehards Klagen in den Protokollen belegen, daß diese Grundsätze vielfach weiterhin mißachtet wurden.10 Auch seine in den Richtlinien von 1947 formulierten Bedingungen, Entwürfe rechtzeitig den Ressorts zur Stellungnahme zuzuleiten und keinen Entwurf ohne Begründung vorzulegen, wurden nicht immer eingehalten.11 Am 17. Januar 194812 lehnte Ehard die Beratung des Baustoffnotgesetzes ab, weil den Kabinettsmitgliedern der Entwurf nicht vorlag. Im Ministerrat vom 23. Dezember 1947 bemängelte er, daß ihm keine Stellungnahmen der Ministerien zum Hochschullehrergesetz vorlägen.13 Auch wenn eine Gesetzesmaterie nicht entscheidungsreif vorbereitet war, weil sich die Ressorts im Vorfeld nicht abgesprochen und geeinigt hatten, vertagte Ehard die Beratung.14

Der Ministerpräsident berief die Sitzungen ein. Die Einladungen wurden in seinem Auftrag vom Generalsekretär des Ministerrats, Claus Leusser, oder seinen Stellvertretern gezeichnet.15 Sie enthielten vorläufige Tagesordnungen, die in den Sitzungen ergänzt wurden. Ort aller Ministerratssitzungen war der Sitzungssaal in der Bayerischen Staatskanzlei in der Prinzregentenstraße 7 in München, dem Gebäude der ehemaligen preußischen Gesandtschaft.

Mit Ausnahme der Monate Januar und Juni 1948, hier führten der Generalstreik und die Währungsreform zu einer wesentlich dichteren Abfolge der Ministerratssitzungen, galt auch für das Kabinett Ehard II (1947/1948) ein Sitzungsrhythmus von sieben bis zehn Tagen. Ein fester Wochentag bürgerte sich nicht ein, am häufigsten tagte das Kabinett montags (15 Sitzungen).

Alle Ministerratsprotokolle sind in indirekter Rede gehalten. Es handelt sich dem Charakter nach um ausführliche Verlaufsprotokolle.16 Als der Ministerrat am 23. Juni 194817 bayerische Grundsätze für eine künftige Bundesverfassung beriet, hieß es im Protokoll: „Nach einer eingehenden Aussprache, an der sich vor allem stv. Ministerpräsident Dr. Müller, Staatsminister Dr. Hundhammer und Staatsminister Dr. Pfeiffer beteiligen, wird in folgenden Punkten eine grundsätzliche Übereinstimmung erzielt.“ In diesem Einzelfall wurde offenbar bewußt darauf verzichtet, den Verlauf der Diskussion so detailliert wiederzugeben, daß mögliche verfassungspolitische Meinungsunterschiede erkennbar wären. Als das Kabinett am 6. Februar 1948 die Frage der Asylgewährung für den früheren thüringischen Ministerpräsidenten Paul besprach,18 lautete die Formulierung im Protokoll: „Nach längerer Debatte wird beschlossen.“ Auch in diesem besonderen Fall läßt das Protokoll erkennen, daß es eine Diskussion gab, ohne diese jedoch wiederzugeben.

23 Ministerratsprotokolle des Kabinetts Ehard II (1947/1948) können dem Generalsekretär des Ministerrats, Claus Leusser,19 zugeordnet werden.20 Nach der Übergabe der Frankfurter Dokumente am 1. Juli 1948 war Leusser dann intensiv in die bayerische Verfassungspolitik eingebunden, die in der Staatskanzlei entwickelt wurde. Im August nahm er am Herrenchiemsee-Konvent teil21 und mit Beginn des Tagungszeitraums des Parlamentarischen Rates ordnete ihn Ministerpräsident Ehard zur Berichterstattung nach Bonn ab. Angesichts des juristischen Sachverstands und der präzisen Protokollführung Leussers war die Entscheidung des Regierungschefs verständlich, seinen „besten Mann“ dorthin abzuordnen, damit er ihm regelmäßig und ausführlich über den Gang der Bonner Verhandlungen Bericht erstattete.22 Leusser führte daher zuletzt Anfang Juli 1948 das Protokoll des Ministerrats.23 Im zweiten Halbjahr 1948 wurde er dann regelmäßig von seinem „ersten“ Stellvertreter, dem persönlichen Referenten des Ministerpräsidenten, Oberregierungsrat, später Regierungsdirektor Levin von Gumppenberg24 bzw. in einigen Fällen auch von dem Hilfsreferenten Oberregierungsrat Wilhelm Henle25 bei der Protokollierung der Ministerratssitzungen vertreten. Dies hat zur Folge, daß Gumppenberg, der Leusser auch bereits vorher ab und an vertreten hatte,26 insgesamt 26 Protokolle verfaßte. Henle führte dreimal das Protokoll; für die Niederschrift der Sitzung vom 23. August 1948 (Nr. 40) zeichneten beide Stellvertreter verantwortlich. Bei ihnen fielen die Protokolle in den meisten Fällen merklich knapper aus als bei Leusser. Die in die Edition aufgenommene Ministerbesprechung vom 21. Januar 1948 (Nr. 14) wurde von Staatsrat Niklas protokolliert.

Die Protokollentwürfe des im Bayerischen Hauptstaatsarchiv liegenden Registraturexemplars27 tragen 1948 fast regelmäßig handschriftliche Vermerke, denen zu entnehmen ist, wann den Teilnehmern das Protokoll jeweils zugesandt wurde. Oft wurden mehrere Protokolle nach der Redaktion gemeinsam verschickt. Der zeitliche Abstand zum Sitzungstermin betrug im Durchschnitt zwei bis vier Wochen, manchmal war er auch noch größer.28 Dies hatte zur Folge, daß die Protokolle den Kabinettsmitgliedern häufig nicht bis zur nächsten Sitzung vorlagen.

Seit Ende März 194729 erhielt auch der Bevollmächtigte Bayerns beim Länderrat in Stuttgart ein Exemplar der Ministerratsprotokolle, im Zeitraum dieses Bandes regelmäßig.30 Dies war zunächst Gebhard Seelos, der allerdings ab Juni 1947 Bayern im Exekutivrat des VWG vertrat und gleichzeitig Bevollmächtigter Bayerns beim VWG in Frankfurt wurde. Der Provenienz und einigen Paraphen nach ging das Protokoll anschließend an seinen Nachfolger in Stuttgart Hans Wutzlhofer. Es erscheint allerdings folgerichtig anzunehmen, daß Seelos nach der Verschiebung des Machtzentrums von Stuttgart nach Frankfurt dort auch ein Protokoll erhielt, um die bayerische Politik auf bizonaler Ebene zu vertreten.

Dagegen ist in der Regel auszuschließen, daß die Militärregierung einen Abdruck der Protokolle erhielt, da sie in den Ministerratssitzungen teilweise offen kritisiert bzw. das Vorgehen ihr gegenüber im Rahmen einzelner Gesetzgebungsverfahren eingehend besprochen wurde.

Die Korrekturen in den Protokollentwürfen im Registraturexemplar stammen in den meisten Fällen von der Hand des Generalsekretärs Leusser oder seinen Stellvertretern. Bei ihren Berichtigungen handelt es sich in der Regel um Schreib- und Übertragungsfehler aus dem während der Sitzungen verfaßten stenographischen Protokoll. In zahlreichen Fällen – häufiger als bei Schäffer und Hoegner und deutlich häufiger als im Kabinett Ehard I – liegen auch Korrekturen von der Hand Ehards vor.31 Seine Eingriffe verfolgten zwei Zielsetzungen: Zum einen wird immer wieder das Bemühen des Juristen Ehard erkennbar, ungenaue Formulierungen sprachlich zu präzisieren.32 Die zahlreichen Korrekturen an seinen eigenen verfassungspolitischen Ausführungen im Ministerrat nach der Übergabe der Frankfurter Dokumente,33 die deren Interpretation enthalten, sind Indiz für die Bedeutung, die Ehard dieser Entwicklung im Juli 1948 für seine föderalistische Konzeption beimaß.

Ferner glättete der Ministerpräsident häufig Passagen, die sehr direkt formuliert waren, eine gewisse Schärfe, Kritik an Personen oder Institutionen enthielten bzw. Dissens zwischen den Ressorts oder im Kabinett erkennen ließen.34 Damit hatte er wesentlichen Anteil an der nüchternen und sachlichen Diktion der Protokolle.

Es ist von der Praxis auszugehen, daß Leusser die Reinschrift nach eigener Durchsicht dem Ministerpräsidenten als Vorsitzenden des Ministerrats zur Genehmigung vorlegte. Nachdem der Ministerpräsident das Protokoll durchgesehen und freigegeben hatte, konnte es vervielfältigt und verteilt werden. Es ist weiter davon auszugehen, daß den übrigen Teilnehmern an den Ministerratssitzungen kein Entwurf des Protokolls vorgelegt und in dieser Phase auch kein Einspruchsrecht35 eingeräumt wurde.36 Dem Ministerpräsidenten kam damit die letzte Entscheidung über den Protokolltext zu.

In einigen Fällen sind den hektographierten Ministerratsprotokollen Anlagen beigeheftet, die ebenfalls zum Abdruck kommen.37

Der „Bayerische Staatsanzeiger“ enthielt in unregelmäßiger Folge „Communiqués"über die Ministerratssitzungen. Seit September 1948 lautete die Überschrift „Amtliche Verlautbarung über den Ministerrat“.38 Darin veröffentlichte das Informations- und Presseamt der Bayerischen Staatsregierung in knapper Form ausgewählte Informationen über die Beratungen und Beschlüsse des Ministerrats.

Es war Aufgabe der Minister und Staatssekretäre, die Beschlüsse auf der Basis der Ministerratsprotokolle an die ihnen nachgeordneten Behörden und Referenten zur Bekanntgabe und zum Vollzug weiterzuleiten. In vielen Fällen wurden zu diesem Zweck maschinenschriftliche Auszüge angefertigt, die dem Referenten den zur Erledigung eines Beschlusses nötigen Abschnitt des Protokolls zur Kenntnis brachten.

II. Die Bayerische Staatsregierung

1. Die Bildung des Kabinetts Ehard II

Nach dem Rücktritt der sozialdemokratischen Regierungsmitglieder am 15. September 1947,1 dem der Landtag am 20. September 1947 seine Zustimmung erteilte,2 bildete Ministerpräsident Ehard3 in derselben Landtagssitzung ein reines CSU-Kabinett.4

Die SPD hatte nach ihrem Austritt aus der Regierung den Antrag gestellt, den Landtag aufzulösen und Neuwahlen abzuhalten. Dies wurde von der CSU-Mehrheit jedoch am 20. September 1947 abgelehnt.5 Auch innerhalb der CSU-Landtagsfraktion hatte es zunächst Stimmen gegeben, die nach dem Ende der CSU/SPD-Koalition eine Landtagsauflösung favorisierten und vor einer alleinigen Regierungsübernahme zurückschreckten, die angesichts der absoluten Mehrheit der CSU im Landtag nun möglich war.

Ministerpräsident Ehard lehnte jedoch den Gedanken an eine Auflösung des Parlaments am 18. September 19486 vor der CSU-Landtagsfraktion mit Nachdruck ab. Ferner erklärte er sich bereit, weiter die Verantwortung an der Spitze der Staatsregierung zu übernehmen,7 und plädierte nachdrücklich dafür, jetzt ein CSU-Kabinett zu bilden.

Vor allem aus zwei Gründen hielt Ehard eine Landtagsauflösung für bedenklich: Grundsätzlich hätte eine solche Entscheidung eine unnötige Destabilisierung der noch jungen Demokratie bedeutet. Insbesondere die vor dem Hintergrund der instabilen politischen Verhältnisse in Bayern in der Weimarer Republik in Art. 44 bewußt in die Verfassung geschriebene feste Amtszeit des Ministerpräsidenten von vier Jahren hätte sich wegen der bei einer Landtagsneubildung zwingend erforderlichen Neuwahl des Regierungschefs gleich in der ersten Legislaturperiode als wenig wirksame Verfassungsbestimmung herausgestellt.8

Ferner hielt er es für die Interessen des Landes und seine föderalistische Politik für äußerst abträglich, wenn angesichts der dynamischen bizonalen und verfassungspolitischen Entwicklung durch Neuwahlen ein mindestens zweimonatiges Machtvakuum9 entstanden wäre, in dem eine lediglich geschäftsführende Regierung keine volle parlamentarische Legitimität besessen hätte und dementsprechend die bayerischen Interessen nicht mit der erforderlichen Autorität hätte vertreten können.

Dabei belegt die für Ehard ungewohnt heftige und emotionale Diktion in der Fraktionssitzung seine Erregung in dieser für die Zukunft des Freistaates zentralen Entscheidungssituation, wenn er unter anderem ausführte: „Ich höre den Einwand, aber die Wahlen kommen doch einmal, wenn nicht jetzt, dann im Frühjahr oder Sommer. Dann doch das Ergebnis. Dieser Einwand ist sehr charakteristisch. Er denkt in der parteipolitischen Taktik. Hier fehlt das Verantwortungsbewußtsein. In dem Zeitpunkt, in dem das Volk verlangt, daß wir in die Bresche springen, müssen wir es tun, selbst auf die Gefahr hin, daß man ein Risiko eingeht. Es besteht aber auch eine ganz große Chance, die Chance für die CSU.“

Die Überzeugungsarbeit des Ministerpräsidenten, der in dieser Frage die Unterstützung von Hundhammer und Müller besaß, führte zur einstimmigen Zustimmung der Fraktion zu seiner Person und der alleinigen Regierungsübernahme durch die CSU.10 Ehard bewahrte die CSU an diesem Punkt durch seinen energischen Auftritt vor einem Rückfall in die Denkmuster der BVP während der Weimarer Republik.

Bereits vor dem 15. September 1947 hatten Ehard, Müller, Baumgartner, Horlacher und Hundhammer über die politische Lage beraten.11 Voraussetzung für die Entscheidung, alleine die Regierungsverantwortung zu übernehmen, waren Gespräche zwischen Müller und Hundhammer sowie Müller und Baumgartner gewesen, bei denen die innerparteilichen Kontrahenten einen „Burgfrieden“ verabredet hatten.12

Die Berufung des Landesvorsitzenden der CSU, Josef Müller, zum Justizminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten symbolisierte die Einbindung des Müller-Flügels der Union, der im Dezember 1946 die Bildung des Kabinetts Ehard I nicht mitgetragen hatte.13 Von der Einbindung Müllers in die Regierungsverantwortung hatte Landwirtschaftsminister Baumgartner sein Verbleiben in der Regierungsmannschaft abhängig gemacht.14 Müller wollte zunächst nur ein Ministerium mit besonderem Geschäftsbereich übernehmen, „nämlich das Interzonenministerium, das den Friedensschluß und den künftigen Aufbau Deutschlands vorbereiten solle“.15 Da auch Ehard, Pfeiffer, Hundhammer und Horlacher Müllers Einbindung um jeden Preis anstrebten, wurde schließlich eine Lösung gefunden, bei der Müller neben seinen Funktionen als stellvertretender Ministerpräsident und Justizminister die sehr allgemein formulierte Zuständigkeit für zonale und bizonale Angelegenheiten zugebilligt wurde.16 Die Presse machte daraus, er werde „also sozusagen der bayerische Außenminister, dessen Geschäftsbereich auf die außerbayerischen und gesamtdeutschen Fragen ausgedehnt wird.“17 Politisch blieb diese Funktion jedoch nahezu bedeutungslos.

Daß der Fraktionsvorsitzende Alois Hundhammer weiterhin als Kultusminister dem Kabinett angehörte, war nicht unumstritten gewesen.18 Parteifreunde hatten Ehard gedrängt, ihm das Innenministerium anzubieten, da er als Kultusminister eine Belastung für das Kabinett und mit Sicherheit die erste Angriffsfläche der zukünftigen Regierungsarbeit sein werde. Als Nachfolger wurde Alois Johannes Lippl genannt. Ehard trat jedoch energisch für den Verbleib Hundhammers auf seinem Posten ein und bezeichnete ihn als „Eckpfeiler der Union“.19

Die Hoffnung, durch die Einbindung der Kontrahenten Müller und Hundhammer in die Regierung eine Versöhnung der zerstrittenen Unionsflügel herbeizuführen, erfüllte sich jedoch nicht. Das zeigen die dramatischen Ereignisse des Jahres 1948, die fast zur Spaltung der CSU führten.20 Daß mit Müller und Hundhammer, mit Ausnahme des infolge eines politischen Tätigkeitsverbots der Militärregierung noch ausgeschalteten Fritz Schäffer, die stärksten miteinander rivalisierenden Potenzen der CSU am Kabinettstisch saßen, bedeutete keineswegs einen Machtverlust des Ministerpräsidenten. Im Gegenteil, gerade in der zentralen Frage einer künftigen Bundesverfassung gewann er durch ihre Einbindung in die Kabinettsdisziplin noch an Handlungsspielraum hinzu.21 Überhaupt trugen die zahlreichen Verhandlungen Ehards im Laufe des Jahres 1948 mit den höchsten deutschen Repräsentanten sowie der westlichen Militärregierungen erheblich zu seinem wachsenden Prestige bei.22

Mit Hanns Seidel und Willi Ankermüller als Wirtschafts- und Innenminister zogen zwei von Müllers Anhängern23 in Schlüsselressorts ein, Ankermüller avancierte vom Staatssekretär zum Minister. Neuer Staatssekretär im Innenministerium wurde der Dachauer Landrat und Klassenkamerad Hundhammers Josef Schwalber. Seidel hatte sich in einer Kampfabstimmung in der Landtagsfraktion gegen seinen Staatssekretär Hugo Geiger durchgesetzt.24 Der Berufung von Seidel kam auch deswegen besondere Bedeutung zu, weil damit zum ersten Mal in einem Land der Bizone ein Vertreter der Union und kein Sozialdemokrat an der Spitze eines Wirtschaftsministeriums stand.25

Im Arbeitsministerium rückte der Gewerkschafter Heinrich Krehle vom Staatssekretär zum Minister auf. Als Staatssekretär war als Vertreter evangelischer Kreise in der CSU der Fürther Landtagsabgeordnete Heinrich Emmert erwartet worden.26 Staatssekretär im Arbeitsministerium wurde dann jedoch einen Monat später, am 24. Oktober 1947, der bald achtzigjährige „'Nestor‘ der deutschen Sozialversicherung“27 Andreas Grieser.28 Nachdem im Arbeitsministerium der Ministerialrat Horst Schieckel lange Zeit, obwohl dies im Ministerrat kritisiert worden war, maßgeblich an einer Reform der Sozialversicherung in Richtung Einheitsversicherung mitgewirkt hatte, brachte die Staatsregierung mit Griesers Berufung in markanter Weise zum Ausdruck, daß sie die Einheitssozialversicherung ablehnte und an der traditionellen, nach Risikoarten und sozialen Gruppen mehrgliedrig strukturierten Sozialversicherung, wie sie unter Bismarck entstanden war, festhielt, die für bestimmte Berufsgruppen ferner eine freiwillige und keine Pflichtmitgliedschaft vorsah.29 Denn mit Grieser und den ehemaligen leitenden Beamten des Reichsarbeitsministeriums Sauerborn und Eckert, die er in das bayerische Arbeitsministerium mitbrachte,30 erhielten nun diejenigen, die bereits zuvor in der „Gesellschaft für Versicherungswissenschaft“ den Widerstand gegen die Einheitssozialversicherung organisiert hatten, wieder die Möglichkeit, qua Amt ihre Politik zu verfolgen, die Grieser selbst als „Kulturkampf“ bezeichnete.31

Ludwig Hagenauer blieb Sonderminister, nachdem seine Bedingung erfüllt worden war, Camille Sachs (SPD) als Stellvertreter behalten zu können. Staatssekretär Sachs hatte am 15. September 1947 mit den übrigen sozialdemokratischen Regierungsmitgliedern sein Rücktrittsgesuch eingereicht und übte die Stellvertretung im Sonderministerium nunmehr als Ministerialdirektor aus, ohne dem Kabinett anzugehören.32 Unter Berufung auf Art. 50 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung, wonach jedem Minister ausdrücklich ein Staatssekretär als Stellvertreter für einen bestimmten Geschäftsbereich zugewiesen wird, ersuchte die SPD-Fraktion den Ministerpräsidenten am 22. Oktober 1947 um Auskunft, warum die Besetzung der Stelle im Sonderministerium bisher nicht erfolgt sei.33 In seiner Antwort vom 28. November 194734 erklärte Ehard zunächst, die Personalfrage sei noch nicht gelöst. Weiter hieß es: „Im übrigen sind Zweifel darüber entstanden, ob die Bestimmung des Art. 50 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung auch für die in Art. 49 Abs. 2 erwähnten Minister für Sonderaufgaben und nicht nur für die in Art. 49 Abs. 1 aufgezählten Ministerien gilt.“ Ein Staatssekretär wurde im Sonderministerium nicht mehr berufen.

Staatssekretär für die Post35 im Verkehrsministerium wurde der ehemalige christliche Gewerkschafter der Postangestellten Lorenz Sedlmayr.36 Er wurde nicht neu zum Staatssekretär berufen; Ehard wies ihm unter Verweis auf die Befugnisse des Ministerpräsidenten nach Art. 50 Abs. 2 der Verfassung lediglich einen neuen Geschäftsbereich in einem anderen Ressort zu.37 Sedlmayrs Posten als Staatssekretär für Planung und Wiederaufbau im Innenministerium entfiel.

Im Kultusministerium gab es künftig nur noch einen Staatssekretär. Nach dem Ausscheiden von Staatssekretär Pittroff (SPD) hatte Hans Meinzolt das Angebot abgelehnt, Staatssekretär zu werden.38 Er zog es vor, als beamteter Staatsrat den evangelischen Bevölkerungsteil im Kultusministerium zu vertreten.39 Dieter Sattler, der im Kabinett Ehard I als „Staatssekretär für die Schönen Künste“ ins Kabinett berufen worden war, firmierte daher nun als Staatssekretär im Kultusministerium.40 Der Bearbeiter des „Alphabetischen Repertoriums zu den Verhandlungen des Bayerischen Landtags“ (1947/48),41 Heinrich Huber, macht darauf aufmerksam, daß eine neue Berufung Sattlers, nunmehr zum Staatssekretär im Staatsministerium für Unterricht und Kultus und Stellvertreter des Ministers – gemäß Art. 45 der Bayerischen Verfassung ist dazu die Zustimmung des Landtags erforderlich – in den Landtagsverhandlungen nicht nachzuweisen sei. Huber vermutet, die Landtagsverhandlungen über Änderungen im Personalwesen seien möglicherweise unvollständig. Wahrscheinlicher ist es, daß Ministerpräsident Ehard in Analogie zu dem Verfahren bei Sedlmayr eine erneute Berufung für überflüssig hielt und Sattler den erweiterten Geschäftsbereich im Kultusministerium ebenfalls nach Art. 50 Abs. 2 der Verfassung übertrug. Anders als bei Sedlmayr teilte er dies dem Landtag jedoch nicht in öffentlicher Sitzung mit.

Neuer Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium wurde schließlich der Präsident des Bezirksverbandes Oberfranken des BBV Adam Sühler. Nachdem die Berufung Emmerts im Arbeitsministerium und die Aufwertung Meinzolts zum Staatssekretär nicht zustande gekommen waren, galt seine Berufung in erster Linie der Befriedigung der Ansprüche evangelischer Kreise, im Kabinett vertreten zu sein.42

2. Personelle Veränderungen bis zum Ende des Jahres 1948

In den 15 Monaten, die das Kabinett Ehard II bis zum Ende des Jahres 1948 amtierte, schieden zwei Mitglieder durch Rücktritt vorzeitig aus.

Am 12. Dezember 1947 reichte Landwirtschaftsminister Baumgartner, dessen Rücktrittsangebot Ministerpräsident Ehard im Februar 1947 noch zurückgewiesen hatte,43 seinen Rücktritt ein.44 Diesmal scheiterten die Bemühungen des Ministerpräsidenten, Baumgartner umzustimmen. Der Landtag stimmte der Entlassung des Landwirtschaftsministers am 15. Januar 1948 zu. Ehard übernahm selbst das Landwirtschaftsministerium und betraute Staatssekretär Sühler mit seiner Vertretung.45 Baumgartner trat dann am 26. Januar 1948 zur Bayernpartei über, deren Vorsitzender er am 19. Juni 1948 wurde.46 Für den Aufschwung der Partei, der sich insbesondere bei den Bundestagswahlen 1949 zeigen sollte, waren sein Übertritt und politisches Talent von wesentlicher Bedeutung.47

Ersten Gerüchten zufolge sollte Staatsrat Wilhelm Niklas, der spätere Bundeslandwirtschaftsminister, Baumgartners Nachfolger werden.48 Tatsächlichhatten Ministerpräsident Ehard und Landtagspräsident Horlacher, der auch Präsidiumsmitglied des Bayerischen Bauernverbandes war, jedoch bereits am 16. Dezember 1947 die Zusage des Generalsekretärs des BBV und CSU-Landtagsabgeordneten Alois Schlögl erhalten, den Schleudersitz an der Spitze des Landwirtschaftsministeriums in der Ludwigstraße zu übernehmen.49 Gegen die Berufung Schlögls gab es allerdings erhebliche Widerstände. Der CSU-Abgeordnete des Wirtschaftsrates Hugo Karpf gab zu bedenken, daß der kommende Landwirtschaftsminister angesichts des äußerst gespannten Verhältnisses zwischen der Verwaltung für Ernährung und Landwirtschaft des VWG und dem bayerischen Landwirtschaftsressort nicht nur fachlich hervorragende Fähigkeiten, sondern auch viel Fingerspitzengefühl mitbringen sollte. Diese Eigenschaft erscheine ihm bei Schlögl nicht gegeben.50 Diese Auffassung würde auch von seinen CSU-Kollegen im Wirtschaftsrat geteilt. Kritisch wurde auch bemerkt, als Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft Bayer. Bauernverband – Bayer. Gewerkschaftsbund51 habe sich Schlögl 1947 zu sehr SPD-freundlich gezeigt.52 In der Presse wurden auch Differenzen zwischen dem katholischen und protestantischen Flügel innerhalb des BBV genannt.53 Schlögl hatte sich ferner in den CSU-internen Auseinandersetzungen als Gegner des Landesvorsitzenden Müller exponiert.54 Störmanöver waren daher gegen seine Berufung auch aus dieser Richtung zu erwarten.55 In der Presse wurde der Vorwurf erhoben, der designierte Landwirtschaftsminister habe sich vom Ernährungsamt Freising Kartoffeln ohne Bezugsschein einkellern lassen und damit gegen die Bewirtschaftungsbestimmungen verstoßen.56

Schlögl teilte daraufhin der Presse und Ministerpräsident Ehard mit, unter diesen Umständen stehe er nicht zur Verfügung. Gleichzeitig forderte er Ehard auf, die Schwierigkeiten zu beseitigen,57 womit er sein weiterhin bestehendes Interesse am Amt des Landwirtschaftsministers signalisierte. Nachdem die Pressekampagne gegen ihn, unter anderem im Magazin „Der Spiegel“,58 weitere Kreise gezogen hatte, setzte sich Schlögl in einem offenen Brief zur Wehr. Die Drahtzieher der Kampagne vermutete er innerhalb der Beamtenschaft des Landwirtschaftsministeriums: „Es ist nämlich ein einzig dastehender Fall in der neueren Geschichte Bayerns, daß übereifrige Bürokraten bei der Nominierung eines Ministers sich aktiv einschalteten, was ureigenste Aufgabe der Volksvertretung ist.“59 Ehard bemühte sich darum, den verärgerten Schlögl zu besänftigen,60 um ihn nach einem Abebben der öffentlichen Kritik möglicherweise doch noch berufen zu können. Gleichzeitig führte der Ministerpräsident jedoch auch Besprechungen über weitere Kandidaten. Der CSU-Abgeordnete Schwingenstein hatte dem Ministerpräsidenten zum Beispiel am 23. Dezember 1947 den schwäbischen Bezirksverbandspräsidenten des BBV Philipp Lichti vorgeschlagen,61 der Schwingenstein jedoch am 1. Januar 1948 absagte, da er angesichts der unlösbaren Probleme in der Ernährungsfrage für einen verantwortlichen Landwirtschaftsminister „keine Möglichkeit zu einer fruchtbringenden Arbeit“ sah.62

Die Vakanz an der Spitze des Landwirtschaftsministeriums dauerte schließlich mehr als zwei Monate und gab Anlaß zu Kritik von Seiten der SPD-Opposition.63 Bei der Militärregierung dachte man sogar über eine Intervention nach.64 Noch kurz vor Schlögls Wahl wurden in der Presse erneut Niklas die besten Chancen eingeräumt.65 Am 21. Februar beauftragte Ministerpräsident Ehard dann doch Alois Schlögl, den auch Staatssekretär Sühler als Chef favorisierte,66 mit der kommissarischen Führung des Landwirtschaftsministeriums.67 Ehard hatte mit seiner dilatorischen Linie Erfolg; ein anderer Kandidat, der die politische Verantwortung für diesen undankbaren Posten übernehmen wollte, drängte sich wohl auch nicht auf. Am 26. Februar 1948 fanden Schlögls Ernennung68 und Vereidigung im Landtag statt.69 Am 8. März nahm der neue Landwirtschaftsminister zum ersten Mal am Ministerrat teil.70

Am 23. November 1948 verlas Ehard im Ministerrat das Rücktrittsgesuch des Staatssekretärs im Justizministerium Carljörg Lacherbauer,71 dem er entsprach. Lacherbauer begründete seinen Rücktritt, den er bereits am 18. November öffentlich gemacht hatte, mit der zwiespältigen verfassungsrechtlichen Stellung als Staatssekretär.72 Dieser sei im Ressort an die Weisungen seines Ministers gebunden, gleichzeitig dem Parlament gegenüber voll verantwortlich. Ferner verfüge er wie der Minister über ein Stimmrecht im Ministerrat. Dieses sei zwar grundsätzlich frei, könne in der Praxis jedoch wohl kaum vom Votum des weisungsberechtigten Ministers abweichen. Sinnvoll, so Lacherbauer, sei die Arbeit eines Staatssekretärs nur, wenn der Minister einer anderen Partei angehöre. Solange Hoegner Justizminister gewesen sei, habe er eine echte politische Funktion ausgeübt. Hoegner und er hätten sich, da sie verschiedenen Parteien angehörten, entweder einigen oder die strittigen Angelegenheiten dem Kabinett vortragen können. Seit dem Bestehen der Ein-Parteien-Regierung der CSU erweise sich ein solches „Duumvirat“ als überflüssig. Seine Tätigkeit könne daher ebensogut von einem Spitzenbeamten ausgeführt werden. Dies habe den Vorteil, daß jener keine parlamentarische Verantwortung trage.

Neben dieser öffentlich präsentierten Version liefert ein Bericht des amerikanischen Generalkonsuls in München, Sam E. Woods,73 in dem er dem Außenministerium in Washington über ein vertrauliches Gespräch mit Josef Müller berichtete,74 eine ganz andere Begründung für dessen Rücktritt, nämlich eine denunziatorische Handlung Lacherbauers als Richter in der Zeit des Nationalsozialismus. Danach mußte der Staatssekretär im Justizministerium gehen, weil mit einer Veröffentlichung dieses Falles in den Medien zu rechnen war. Der Fall war bereits 1946, nachdem Lacherbauer 3. Bürgermeister von München geworden war, an die Militärregierung, und bei der Bildung des Kabinetts Ehard II im September 1947 an den Ministerpräsidenten herangetragen worden, ohne daß dies Auswirkungen auf die Berufungen Lacherbauers gehabt hätte.75 Daß dies nun im November 1948 zu seinem Rückzug führte, ohne die Öffentlichkeit über die wahren Hintergründe zu informieren, mag darauf zurückzuführen sein, daß Justizminister Müller, der parallel durch das Verfahren gegen Karl Gaab in arge Bedrängnis geraten war,76 sich selbst schützen wollte „without providing his opponents with any political ammunition“, so Woods, welche die NS-Belastung seines Staatssekretärs sicherlich bedeutet hätte.77

Der Landtag erteilte am 1. Dezember 1948 seine Zustimmung zu Lacherbauers Rücktritt.78 Nach fast einjähriger Vakanz79 berief Ministerpräsident Ehard mit Anton Konrad den bisherigen Ministerialdirektor und Spitzenbeamten des Justizministeriums am 15. Dezember 1949 bis zum Ende der Legislaturperiode im Dezember 1950 zum Staatssekretär im Justizressort.

Die Möglichkeit eines Rücktritts des gesamten Kabinetts sprach Staatsminister Pfeiffer („non possumus“) einmal im Zusammenhang mit der Ernährungsfrage an,80 Staatsminister Müller erwähnte diese Möglichkeit angesichts des Junktims zwischen Besatzungsstatut und Verfassungsberatungen.81 Finanzminister Kraus sprach mehrfach wohl als taktisch einzustufende Rücktrittsdrohungen aus.82

Nicht behandelt wurde im Ministerrat die Bitte des Justizministers Müller vom 17. Dezember 1948, ihn für die Dauer eines Strafverfahrens von seinem Amt zu beurlauben und an seiner Stelle die Führung der Geschäfte des Justizministeriums zu übernehmen.83 Dieser Bitte entsprach Ministerpräsident Ehard (Art. 50 Abs. 1 BV). Das erste Mal fehlte Müller daraufhin im Ministerrat am 22. Dezember.84 Nach der Einstellung des Verfahrens bat Ministerpräsident Ehard Müller am 24. Januar 1949, seine Amtsgeschäfte wieder zu übernehmen.85

3. Die Mitglieder des Kabinetts

Neben Ehard als Ministerpräsident nahmen in wechselnder Zusammensetzung elf Minister und zehn Staatssekretäre 1947/1948 an den Sitzungen des Bayerischen Ministerrats teil.

Ministerpräsident:

Dr. jur. Hans Ehard (1887–1980), kath., Jurist, Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Würzburg und München, 1912 Promotion in Würzburg, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1919 BVP Mitglied, große juristische Staatsprüfung und Eintritt in das StMJu, 1923/1924 als Staatsanwalt beim Landgericht München I Untersuchungsführer und Anklagevertreter im Hitler-Prozeß, 1926 Landgerichtsrat, 1928 ORR, 1931–1933 MinRat im StMJu, 1933–1945 Senatspräsident am OLG München, 1937 Vors. des Erbhofgerichts München, 1942 Vors. des Dt. Ärztegerichtshofs, 1945 CSU-Mitglied, seit Mai 1945 durch MPr. Schäffer ohne Amt Betrauungmit dem Wiederaufbau der Justizverwaltung, 19. 10. 1945 Staatsrat im StMJu, 22. 10. 1945–21. 12. 1946 Staatssekretär im StMJu im Kabinett Hoegner I, 21. 12. 1946–14. 12. 1954 (Kabinette Ehard I-III) und 26. 1. 1960–11. 12. 1962 (Kabinett Ehard IV) Bayer. MPr., 1950 und 1961 Bundesratspräsident, 11. 12. 1962–5. 12. 1966 StMJu, 1946 Mitglied des Vorbereitenden Verfassungsausschusses, Mitglied der Bayer. Verfassunggebenden Landesversammlung und ihres Verfassungsausschusses, 1946–1966 MdL (CSU), 1954–1960 Landtagspräsident, 1949–1955 CSU-Landesvorsitzender, seit 1946 Mitglied des Landesvorstands, 1949–1965 Mitglied des geschäftsf. Landesvorstands der CSU.

Staatsminister:

Justizminister und Stellv. MPr. Dr. oec. publ. Josef Müller (1898–1979), kath., Rechtsanwalt, 1916–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1919–1923 Nationalökonomie- und Rechtswissenschaftsstudium in München, 1925 Promotion, 1927 große juristische Staatsprüfung, Wirtschaftsanwalt in München, vor 1933 BVP-Mitglied, 1933 kurzzeitig Mitglied und Stellv. Vors. des Kreistages von Oberbayern, bis 1939 als Anwalt Tätigkeit für kirchliche Einrichtungen und Klöster sowie Beteiligung an Arisierungen (vom Vorwurf der Bereicherung nach 1945 vor Gericht und im Spruchkammerverfahren entlastet), 1934 Verhaftung durch die Politische Polizei, 1939 Einberufung als Offizier zur Abwehr, bis Januar 1940 Kontaktmann eines über den Vatikan laufenden Gesprächskanals zwischen der britischen Regierung und dem militärischen Widerstand, 5. 4. 1943 Verhaftung, trotz Freispruchs von der Anklage des Hochverrats vor dem Reichskriegsgericht (3./4. 3. 1944) weiterhin in Haft (Gestapo-Gefängnis in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße, KZ Buchenwald, Flossenbürg und Dachau), 4. 5. 1945 Befreiung mit weiteren in Richtung „Alpenfestung“ evakuierten „Sonderhäftlingen“ in Südtirol durch die US-Army, 1945 mit Adam Stegerwald Gründer der CSU, 17. 12. 1945 Vors. des Vorläufigen Landesausschusses der CSU, 8. 1. 1946 vorläufiger Landesvorsitzender der CSU, 31. 3. 1946–28. 5. 1949 Landesvorsitzender der CSU, seit März 1947 Mitglied des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft der CDU/CSU Deutschlands, 1947–1949 häufige Teilnahme an den Sitzungen der CDU/CSU-Fraktion des Wirtschaftsrates, ohne ihr offiziell anzugehören, 1946 Mitglied der Bayer. Verfassunggebenden Landesversammlung sowie Mitglied von deren Verfassungsausschuß, 1946–1962 MdL (CSU), seine Bemühungen, im Herbst 1945 von der Militärregierung zum Ministerpräsidenten ernannt bzw. im Dezember 1946 vom Landtag dazu gewählt zu werden, scheiterten, 21. 9. 1947–18. 12. 1950 Stellv. Ministerpräsident und Justizminister im Kabinett Ehard II, 17. 12. 1948–24. 1. 1949 Beurlaubung als StMJu infolge eines laufenden Verfahrens, 18. 12. 1950 bis 1952 Justizminister im Kabinett Ehard III, 26. 5. 1952 Rücktritt im Zusammenhang mit der Auerbach-Affäre, 1946–1949 und 1963–1965 Mitglied des geschäftsf. Landesvorstands, 1946–1960 und 1963–1968 des Landesvorstands der CSU, 1951–1960 Vors. des CSU-Bezirksverbandes München, 1953 vergebliche Bemühungen um eine Bundestagskandidatur, 1960 erfolglose Kandidatur bei der Münchner Oberbürgermeisterwahl.

Innenminister Dr. jur. Willi Ankermüller (1901–1986), kath., Jurist, Studium in Würzburg, 1925 Promotion, 1927 große juristische Staatsprüfung, 1926–1928 Geschäftsführer Stadtjugendamt Schweinfurt, 1928–1945 Rechtsanwalt in Schweinfurt, BVP-Mitglied, 1933 Schutzhaft, Teilnahme am Zweiten Weltkrieg, 1945 Landrat Hofheim, 1946 Landrat Bad Neustadt an der Saale, Mitbegründer der CSU in Unterfranken, 10. 1.-20. 9. 1947 Staatssekretär im StMI, 20. 9. 1947–18. 12. 1950 StMI im Kabinett Ehard II, 16. 10. 1957–9. 12. 1958 StMJU im Kabinett Seidel I, 1946 Mitglied der Bayer. Verfassunggebenden Landesversammlung, 1946–1966 MdL (CSU), seit 1951 Leiter des Koordinierungsausschusses CSU-Landtags- und Bundestagsfraktion.

Kultusminister Dr. phil. Dr. oec. publ. Alois Hundhammer (1900–1974), kath., Verbandsfunktionär und Politiker, Studium von Philosophie, Geschichte und Volkswirtschaft in München und Budapest, 1. 4. 1923 Referent bei der Kreisbauernkammer Oberbayern, 1. 5. 1927 Stellv. Generalsekretär des Bayer. Christlichen Bauernvereins, 1932–14. 10. 1933 MdL (BVP), Mitte Juni 1933 verhaftet und acht Tage in Polizeigewahrsam, anschließend 21. 6–6. 7. 1933 anläßlich der Aktion gegen die BVP im KZ Dachau, nach Haftentlassung zunächst arbeitslos, 1. 10. 1933 Übernahme einer Schuhreparaturwerkstätte in München-Harlaching, später Eröffnung eines Schuhgeschäfts, wiederholte Haussuchungen und Gestapovernehmungen, 26. 8. 1939 Einberufung zur Wehrmacht, 28. 2. 1940 Entlassung aus dem Heeresdienst und Übernahme als Beamter in den Heeresverwaltungsdienst, 1. 6. 1940 Kriegsverwaltungsinspektor, 20. 12. 1940 Zahlmeister, 1. 7. 1942 Oberzahlmeister, 20. 4. – 13. 9. 1945 amerikanische Kriegsgefangenschaft, 1945 Mitbegründer der CSU, 21. 12. 1946–18. 12. 1950 StMUK in den Kabinetten Ehard I und II, 1957–1969 StMELF, 1964–1969 auch Stellv. MPr, 1946 Mitglied des Bayer. Beratenden Landesausschusses, anschließend Vors. der CSU-Fraktion in der Bayer. Verfassunggebenden Landesversammlung sowie Mitglied ihres Verfassungsausschusses, seit März 1947 Mitglied des Parlamentarischen Rats des Länderrats der US-Zone, 1946–1970 MdL (CSU), 1946–19. 6. 1951 Vors. der CSU-Fraktion, 1951–1954 Landtagspräsident, 1952–1960 Mitglied des geschäftsf. Landesvorstands der CSU, 1946–1970 mit einer kurzen Unterbrechung 1948 Vors. des CSU-Bezirksverbandes Oberbayern.

Finanzminister Dr. oec. publ. Hans Kraus (1879–1952), kath., Nationalökonom, Studium in Würzburg und München, 1903 Eintritt in die bayer. Finanzverwaltung, vor 1933 BVP-Mitglied, 1919–1932 StMF, 1924 Promotion, 1928 MinRat, 1932 Leiter der Bayer. Rechnungskammer, in den zwanziger Jahren Beteiligung an den Denkschriften des MPr. Held, die auf eine föderalistische Reichsreform zielten, 1934 u.a. mit der Erarbeitung eines Entwurfs für eine Staatshaushaltsordnung betraut, 1944 Ruhestandsversetzung, 1945 CSU-Mitglied, 16. 1. 1946 unter Wiederberufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit Ernennung zum MD in der StK, 4. 7.-21. 12. 1946 Staatssekretär und Leiter der StK, Sonderbeauftragter Bayerns im Länderratsdirektorium, in den Kabinetten Ehard I und II 10. 1. 1947–8. 2. 1950 StMF.

Wirtschaftsminister Dr. jur. Hanns Seidel (1901–1961), kath., Rechtsanwalt und Politiker, 1921–1925 Studium der Rechtswissenschaften, Germanistik und Volkswirtschaft in Jena, Freiburg und Würzburg, 1929 Promotion in Würzburg, 1929–1940 Rechtsanwalt in Aschaffenburg, 1932 BVP-Mitglied und 1933 Kandidatur für den Aschaffenburger Stadtrat, 1933 kurzzeitige Verhaftung, anschließend einige Monate Emigration nach Litauen, 1940–1945 Teilnahme am Zweiten Weltkrieg, kurze amerikanische Kriegsgefangenschaft, Mitbegründer der CSU in Aschaffenburg, 11. 10. 1945–20. 9. 1947 Landrat Aschaffenburg, 20. 9. 1947–14. 12. 1954 StMWi in den Kabinetten Ehard II und III, 22. 1. 1955–16. 2. 1961 Landesvorsitzender der CSU, 16. 10. 1957–26. 1. 1960 Bayer. MPr, 1946 Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung, 1946–1961 MdL (CSU), 1954–1957 Sprecher der CSU-Landtagsfraktion und Oppositionsführer während der Viererkoalition, 1949 erfolglose Bewerbung um ein Bundestagsmandat, 1947–1961 Mitglied des Landesvorstands, 1955–1961 des geschäftsf. Landesvorstands der CSU. Landwirtschaftsminister Prof. Dr. rer. pol. Joseph Baumgartner (1904–1964), kath., Verbandsfunktionär und Politiker, 1925–1929 Studium der Geschichte, Philosophie und Nationalökonomie in München, 1928 Diplom-Volkswirt, 1929 Promotion bei Adolf Weber, 1929–1933 2. Stellv. Generalsekretär des Bayer. Christlichen Bauernvereins, BVP-Mitglied, Ende 1933 Angestellter der Allianz-Versicherung, 1938 Versetzung zur Wiener Allianz nach Graz, 1942 wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz verhaftet, 8 Wochen Landgerichtsgefängnis Graz, 1942–1945 Teilnahme am Zweiten Weltkrieg, 1945 Personalreferent beim Bayer. Landesamt für Ernährung und Landwirtschaft, 1945 Mitbegründer der CSU und des Bayer. Bauernverbandes (BBV), seit 1949 Präsidiumsmitglied des BBV, 22. 10. 1945–15. 1. 1948 StMELF in den Kabinetten Hoegner I, Ehard I und II bis zum Rücktritt am 15. 1. 1948, 26. 1. 1948 Übertritt zur BP, 19. 6. 1948–1952 und 1953–1959 Vors. der BP, im Kabinett Hoegner II 14. 12. 1954–16. 10. 1957 erneut StMELF und Stellv. MPr., 1946 Mitglied der Bayer. Verfassunggebenden Landesversammlung (CSU), 1946–1962 MdL (1946–1948 CSU, anschließend fraktionslos bzw. Freie Parlamentarische Vereinigung und Freie Fraktionsgemeinschaft, seit 1950 BP), 1949–1950 MdB (BP), 1950–1959 Honorarprofessor für Agrarpolitik an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Weihenstephan, 1959 zunächst im sog. „Spielbankenprozeß“ Verurteilung zu zwei Jahren Zuchthaus und Verhaftung im Gerichtssaal, später Aufhebung der Urteile durch den Bundesgerichtshof und Verweisung zur neuerlichen Verhandlung an das Münchner Gericht.

Landwirtschaftsminister Dr. rer. pol. Alois Schlögl (1893–1957), kath., Journalist, Verbandsfunktionär und Politiker, 1913/1914 Philosophiestudium an der theol. Hochschule Passau, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, nach Kriegsende Nationalökonomiestudium in München, 1920 Promotion in Erlangen, ab 1920 Journalistentätigkeit, zunächst in der Redaktion der „Bayer. Volkszeitung“, 1925 Direktor des Niederbayer. Christlichen Bauernvereins und Hg. des „Niederbayer. Bauern“, Gründer des Mittelstandsbundes in Landshut, 1932/1933 MdL (BVP) (Schriftführer), Juni 1933 von SA-Leuten schwer verletzt, nach Wiederherstellung und Ausweisung aus Landshut Eröffnung einer betriebswirtschaftlichen Kanzlei in München, 1941–1945 Teilnahme am Zweiten Weltkrieg und anschließend amerikanische Kriegsgefangenschaft, 1945–1948 Generalsekretär des Bayer. Bauernverbandes, 26. 2. 1948–14. 12. 1954 StMELF in den Kabinetten Ehard II und III, Mitbegründer der CSU, 1946 Mitglied des Bayer. Beratenden Landesausschusses sowie der Verfassunggebenden Landesversammlung, 1946–1957 MdL (CSU), 1948–1954 Mitglied des Landesvorstands der CSU.

Arbeitsminister Heinrich Krehle (1892–1969), kath., Gewerkschaftsfunktionär, Schreinerlehre, seit 1909 in der christlichen Gewerkschaftsbewegung, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1918–1920 in britischer Kriegsgefangenschaft in Ägypten, 1920–1922 Schreinergehilfe in München, Besuch sozialpolitischer und volkswirtschaftlicher Lehrgänge, Volkshochschule, 1922–1930 hauptamtlicher Geschäftsführer des Zentralverbandes Christlicher Holzarbeiter in München, 1930–1933 Landessekretär der Christlichen Gewerkschaften in Bayern, 1933 stellungslos, dann tätig im katholischen Kirchensteueramt, seit 1935 in der Reichsfinanzverwaltung, 1939–1945 Teilnahme am Zweiten Weltkrieg, 1945 Mitbegründer des Bayer. Gewerkschaftsbundes und der CSU, 1947–1958 Vors. der Christlich-Sozialen Arbeitnehmerschaft (CSA), 1945/1946 Stadtrat in München, im Kabinett Hoegner I und Kabinett Ehard I 22. 10. 1945–20. 9. 1947 Staatssekretär im StMArb, im Kabinett Ehard II 20. 9. 1947–18. 12. 1950 StMArb, im Kabinett Ehard III 18. 12. 1950–14. 12. 1954 wieder Staatssekretär im StMArb, 1946 Mitglied des Vorbereitenden Verfassungsausschusses (in Vertretung Roßhaupters) und Mitglied der Bayer. Verfassunggebenden Landesversammlung sowie Stellv. Mitglied ihres Verfassungsausschusses, 1948–1958 MdL (CSU), 1946–1949 Vors. des CSU-Bezirksverbandes München, 1952–1955 Mitglied des geschäftsf. Landesvorstands der CSU.

Staatsminister für Verkehrsangelegenheiten Dipl.-Ing. Otto Frommknecht (1881–1969), kath., Ingenieur, 1901–1905 TH München, 1908 Ablegung der techn. Staatsprüfung, 1909 Eintritt in den Dienst der bayer. Staatsbahnen, 1912 Eisenbahn-Assessor, Teilnahme am Ersten Weltkrieg (u.a. als Führer einer Eisenbahnbaukolonne, als Vorstand eines Militärbauamtes in Belgien und als Fahrplan- und Militärtransport-Dezernent in Warschau), Oktober 1917 Rückberufung nach München und Betrauung mit der Oberleitung über den Gesamtverkehr München – Laim und alle angeschlossenen militärischen Anlagen, seit 1919 bei der Deutschen Reichsbahn, ebenfalls seit 1919 Mitglied der BVP, Mitglied ihres Wirtschaftsbeirates, 1920–1922 Beurlaubung zum StMI, dort als Landesleiter Aufbau der Technischen Nothilfe, 1923 Rückkehr zur Reichsbahndirektion München, 1919–1924 Bürgermeister von Obermenzing, bis 1930 dort Gemeinderat, 1925 Oberreichsbahnrat, 1933 auf eine weniger zentrale Funktion als Leiter des Betriebsamtes München I abgeschoben, 1937 Erzwingung der Rückkehr zur Reichsbahndirektion als streckenbautechnischer Dezernent, 16. 4. 1938 des Dienstes enthoben, 2. 7. 1938 Verhaftung, 4. 2. 1939 vom Volksgerichtshof Berlin wegen versuchten Landesverrats zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt, 4. 7. 1939 Entlassung aus dem Zuchthaus Amberg, arbeitslos, 1940–1945 bei der Firma Brown&Boveri, Juli 1945 Rückkehr als Abteilungsleiter (Reichsbahn-Baustab) zur Reichsbahndirektion München, auf dem Wege der Wiedergutmachung rückwirkend zum Abteilungspräsidenten befördert, 1946 Mitglied der CSU, 10. 1. 1947–18. 12. 1950 StMVerkehr in den Kabinetten Ehard I und II.

Staatsminister für Sonderaufgaben Dr. jur. et rer. pol. Ludwig Hagenauer (1883–1949), kath., Jurist, Studium in Würzburg, 1912 Promotion, Rechtsanwalt in Würzburg, 1919–1945 Staatsanwalt und Richter, 1918–1933 BVP-Mitglied, Mai bis September 1945 kommissarischer Vizepräsident der Polizeidirektion München, Oktober bis Dezember 1945 kommissarischer Präsident des Landgerichts München, Dezember 1945 bis Januar 1947 Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht München, 10. 1.-15. 7. 1947 Staatssekretär im StMJu im Kabinett Ehard I, 15. 7. 1947–20. 7. 1949 StMSo in den Kabinetten Ehard I und II, 1946–1948 Vors. des Landesschiedsgerichts und 1947–1949 des Landesvorstands der CSU.

Staatsminister und Leiter der Staatskanzlei Dr. phil. Anton Pfeiffer (1888–1957), kath., Lehrer, Anglistik- und Romanistikstudium in München und Erlangen, 1910/1911 Lehramtsprüfung in engl, und franz. Philologie, 1913 Promotion, Tätigkeit im höheren Schuldienst, zuletzt Oberstudienrat, 1918–1933 Generalsekretär der BVP, 1928–1933 MdL (BVP), 29. 4. 1933 Stellv. Fraktionsvorsitzender, 28. 6.-7. 7. 1933 verhaftet, 1934–1945 Schuldienst, 1945 Mitbegründer der CSU, seit 10. 7. 1945 leitende Tätigkeit in der StK unter Schäffer, 22. 10. 1945–3. 7. 1946 Staatssekretär und Leiter der StK, anschließend 4. 7.-21. 12. 1946 StMSo im Kabinett Hoegner I, in den Kabinetten Ehard I und II erneut Leiter der StK, seit 10. 1. 1947 im Range eines Staatsministers, als Leiter der StK auch Sonderbeauftragter Bayerns im Länderratsdirektorium, 1946 Mitglied des Vorbereitenden Verfassungsausschusses und der Bayer. Verfassunggebenden Landesversammlung, seit April 1947 Mitglied des Verwaltungsrats des Deutschen Büros für Friedensfragen, Mitinitiator des Ellwanger Kreises, 10.-23. 8. 1948 Vors. des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee, 1948/1949 MdPR und Vors. der CDU/CSU-Fraktion, 1946–1950 MdL (CSU), 1946–1950 Mitglied des Landesvorstands der CSU, 1949 erfolglose Bewerbung um ein Bundestagsmandat, 1950/1951 Generalkonsul in Brüssel, 1951–1954 Botschafter in Belgien.

Staatssekretäre:

Staatssekretär im Innenministerium Dr. oec. publ. Josef Schwalber (1902–1969), kath., Jurist, Studium der Rechts- und Staatswissenschaften und der Volkswirtschaft in München, 1927 Promotion, 1928 große juristische Staatsprüfung, seit 1929 Rechtsanwalt in Dachau und Mitglied der BVP, Frühjahr 1933 Mitglied des Gemeinderates und Bezirkstages Dachau (BVP), Juni 1933 Schutzhaft, 1943–1945 Teilnahme am Zweiten Weltkrieg, 8. 5.-15. 8. 1945 Ernennung zum Stellv. Landrat von Dachau durch die Militärregierung, Mitbegründer der CSU, 15. 8. 1945–9. 2. 1947 1. Rechtskundiger Bürgermeister Dachau, 27. 1.-20. 9. 1947 Landrat des LKr. Dachau, 20. 9. 1947–18. 12. 1950 Staatssekretär im StMI, im Kabinett Ehard III 3. 1. 1951–14. 12. 1954 StMUK, 1957–1963 erneut Landrat in Dachau, 1946 Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung, 1946–1950 MdL (CSU), 10. – 23. 8. 1948 Teilnahme am Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, 1948/1949 MdPR, 1947–1952 Mitglied des Landesvorstands der CSU.

Staatssekretär für das Bauwesen und Leiter der OBB im StMI Dipl.-Ing. Franz Fischer (1889–1962), kath., Ingenieur, 1913 Diplomhauptprüfung TH München, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1918 große Staatsprüfung als Jahrgangsbester, Kulturbauamt Ingolstadt, vor 1933 Mitglied der BVP, 1920–1945, seit 1937 als Regierungsbaurat I. Klasse beim Kulturbauamt München, am 12. 5. 1945 von Oberbürgermeister Karl Scharnagl im Auftrag der Militärregierung kommissarisch mit der Leitung des staatlichen Bauwesens betraut, 1. 7. 1945 MinRat und Leiter der Abteilung IV für öffentliche Arbeiten (Bauabteilung) im StMI, in den Kabinetten Ehard I und II 10. 1. 1947–18. 12. 1950 Staatssekretär für das Bauwesen und Leiter der zum 1. 4. 1948 wiedererrichteten Obersten Baubehörde im StMI, anschließendbis zur Ruhestandsversetzung am 30. 6. 1954 als MD Leiter der Obersten Baubehörde im StMI, 1947–1950 Mitglied des Landesvorstands der CSU.86

Staatssekretär für das Flüchtlingswesen im Innenministerium Wolfgang Jaenicke (1881–1968), ev., Jurist, 1919–1928 Regierungspräsident Breslau, 1928/29 im Sonderauftrag der Reichsregierung in Britisch-Indien, Burma und Holländisch-Indien, 1930 Regierungspräsident Potsdam, 1930–1932 MdR (Deutsche Staatspartei), 1933 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand (,nicht-arische‘ Herkunft, da die Mutter einer jüdischen Arztfamilie entstammte) bzw. Rücktritt, 1933–1935 vom Völkerbund als Berater für die Verwaltungsreform zur chinesischen Nationalregierung (Tschiang Kai-schek) entsandt, 9. 12. 1935 Ruhestandsversetzung, 1936 Übersiedlung nach Lenggries, dort u.a. im Auftrag der Militärgeschichtlichen Forschungsstelle wiss. tätig, 1945–1947 Bayer. Staatskommissar für das Flüchtlingswesen, 31. 1. 1947–18. 12. 1950 Staatssekretär für das Flüchtlingswesen im StMI in den Kabinetten Ehard I und II, 1952–1954 Botschafter in Pakistan, 19541957 Botschafter beim Heiligen Stuhl.

Staatssekretär im Justizministerium Dr. jur. Carljörg Lacherbauer 87 (1902–1967), kath., Jurist, Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, der Volkswirtschaft und Geschichte in München, 1928 Promotion, 1929 große juristische Staatsprüfung, 1929–1945 Gerichtsassessor, Staatsanwalt und Amtsgerichtsrat in München, Stadtrat in München, seit 1. 12. 1945 kommissarischer 3. Bürgermeister von München, 18. 7. 1947–1. 12. 1948 Staatssekretär im StMJu in den Kabinetten Ehard I und Ehard II, 1945 Mitbegründer der CSU, 1946 Mitglied der Bayer. Verfassunggebenden Landesversammlung, 1946–1958 MdL (bis 1953 CSU, anschließend BP), 1954–19. 6. 1957 Vors. der BP-Fraktion, seit 1949 Notar in Bad Tölz, 1953 erfolglose Bewerbung um ein Bundestagsmandat für die BP, 1947/1948 Mitglied des Landesvorstands der CSU, 1954–1956 Stellv. Landesvorsitzender der BP.

Staatssekretär im Kultusministerium Dr.-Ing. Dieter Sattler (1906–1968), ev., seit 1932 kath., Architekt, seit 1924 Studium der Architektur an der TH München, 1929 Diplom, 1931 Promotion, 1929–1939 freischaffender Architekt in München, nach kurzem Wehrdienst ab 1940 mit der Betreuung kriegswichtiger Bauten betraut (Münchner Elektrizitätswerke), 1945–1947 erneut freier Architekt, beteiligt an den Planungen zum Wiederaufbau Münchens, u.a. der Neugestaltung des Königsplatzes, 1946 Mitglied der CSU, im Kabinett Ehard 1 10. 1.-20. 9. 1947 Staatssekretär für die Schönen Künste im StMUK, im Kabinett Ehard II 20. 9. 1947–18. 12. 1950 Staatssekretär im StMUK, 1949 erfolglose Bewerbung um ein Bundestagsmandat,88 1950 Präsident des Deutschen Bühnenvereins, später Vorsitzender des Rundfunkrates des BR, Juli 1952 Kulturreferent im Range eines Botschaftsrats an der deutschen Botschaft in Rom, 1959 MD und Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt, 1966–1968 Botschafter beim Heiligen Stuhl.

Staatssekretär im Finanzministerium Dr. jur. et rer. pol. Hans Müller (1884–1961), kath., Jurist, Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in München, Freiburg und Bonn, 1910 Promotion in Würzburg, 1911–1913 Assessor beim Amtsgericht und bei der Stadtverwaltung in Mülheim a.d. Ruhr, 1913–1918 Regierungsassessor bei der preußischen Finanzverwaltung, 1919/1920 RR und Vorsteher des Finanzamts in Mülheim a.d. Ruhr, 1921–1926 in Düsseldorf, 1923 ORR, seit 1927 Finanzpräsident beim Oberfinanzpräsidium Karlsruhe, 1932 Oberfinanzpräsident, ab September 1933 Verwendung in niedrigerer Stellung als Richter am Reichsfinanzhof, da er der NSDAP nicht beitrat, ab Juni 1945 Staatsrat im StMF, November 1945 verhaftet, 22. 10.-20. 12. 1945 und 24. 7.-21. 12. 1946 Staatssekretär im StMF im Kabinett Hoegner I, 21. 12. 1946–18. 12. 1950 in gleicher Funktion in den Kabinetten Ehard I und II (zunächst parteilos, ab Kabinett Ehard I der CSU zugerechnet), 16. 6.-31. 8. 1948 gleichzeitig Staatsbeauftragter für die Währungsreform,89 1951–1955 Präsident des Bundesfinanzhofs in München.

Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Hugo Geiger (1901–1984), kath., nach Studium der Mathematik, Physik, Pädagogik und Nationalökonomie in München, Würzburg, Erlangen und Berlin, Staatsexamen in Mathematik und Physik und Diplom-Volkswirt, 1927/1928 Lehrer für Mathematik und Physik in Würzburg, anschließend Anstellung beim Bankhaus Jacob Low Feuchtwanger, München (Rentabilitätsrechnungen etc.), 1929 Eintritt in die Allianz-Lebensversicherungs-AG, Stuttgart, 1933–1945 in der Zentrale in Berlin, zuletzt als Vorstandsmitglied, nach Kriegsende 1945 Leiter des Wirtschaftsamtes in seiner Heimatstadt Furth i.W., 1946 bei der Reorganisation des Allianzkonzerns in München, später in Stuttgart tätig, 10. 1. 1947–18. 12. 1950 Staatssekretär im StMWi in den Kabinetten Ehard I und II, 1946 Mitglied des Bayer. Beratenden Landesausschusses und der Verfassunggebenden Landesversammlung, 1950–1953 MdL und Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, 1953–1961 MdB (CSU), 1953 Stellv. Vors. des Ausschusses gemäß Art. 15 GG, 1956 Vors. des Ausschusses für Atomfragen bzw. des Ausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft, 1949–1950 Vors. des CSU-Bezirksverbandes München, 1952–1959 als Landesschatzmeister Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstands der CSU, im März 1949 Gründer und bis Ende 1951 Senatsvorsitzender der Fraunhofer-Gesellschaft, 1949 Präsident des Beirats der Dt. Zentrale für Fremdenverkehr in Frankfurt, 1958–1961 Mitglied des Europäischen Parlaments, 1959–1961 Vors. des Ausschusses für Fragen der wissenschaftlichen und technischen Forschung bzw. des Forschungs- und Kulturausschusses.90

Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium Adam Sühler (1889–1964), ev., Landwirt, Verbandsfunktionär und Politiker, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1919–1952 Landwirt, 1919 stellv. Vors. des Bayer. Landbundes, 1928–1932 MdL (Bayer. Landbund; Mitglied der Landtagsfraktion der DNVP), 1925 1. Bürgermeister Lindau/Ofr., Mitglied der Kreisbauernkammer Oberfranken, 1922–1928 Sachverständiger der Steuerkommission der Bayer. Landesbauernkammer, Mitglied des Dt. Landwirtschaftsrates, 1933 Enthebung von allen Ämtern, 1945 CSU-Mitglied, erneut 1. Bürgermeister Lindau/Ofr. und Mitbegründer des Bayer. Bauernverbandes (BBV), 1946–1958 Präsident des Bezirksverbandes Oberfranken des BBV, 25. 1.-20. 9. 1947 Landrat des Lkr. Kulmbach, 1946 Mitglied des Bayer. Beratenden Landesausschusses und der Verfassunggebenden Landesversammlung, 1946–31. 12. 1949 MdL (CSU), 20. 9. 1947–18. 12. 1950 Staatssekretär im StMELF im Kabinett Ehard II, 1. 1. 1950–31. 12. 1963 Mitglied des Bayer. Senats,91 1946–1950 Mitglied des Landesvorstands der CSU.

Staatssekretär im Arbeitsministerium Dr. h. c. Andreas Grieser (1868–1955), kath., Jurist und Sozialpolitiker, Studium der Philosophie, Theologie und Rechtswissenschaften in München, 1898 große juristische Staatsprüfung, 1900 als Amtsrichter im StMJu, anschließend II. Staatsanwalt beim Landgericht München I und Oberamtsrichter, 1909–1918 Rechtsrat der Stadt München (Referat VI: Armenpflege, Wohlfahrt, Volksspeisung, Gemeindewaisenrat und Fürsorgeerziehung), 1917 bei der Wahl zum 2. Bürgermeister Münchens als Zentrumskandidat gescheitert, 1918–1920 1. Bürgermeister in Würzburg, 1920–1933 Reichsarbeitsministerium, seit 1922 Leiter der Abteilung II (Sozialversicherung), zuletzt im Range eines MD, 1932/1933 Staatssekretär im Reichsarbeitsministerium, maßgebliche Beteiligung an der Entstehung der Reichsversicherungsordnung (RVO) sowie des Reichsknappschaftsgesetzes, 1933 Ruhestandsversetzung, Rückzug in die Landwirtschaft seines Heimatortes Bliesdalheim (Saar), 31. 3. 1945 Ernennung durch die Amerikaner zum Landrat von St. Ingbert/Saarpfalz, 1. 9. 1945 Übernahme der Kriegssachschadenfeststellungsbehörde im Landkreis St. Ingbert, 24. 10. 1947–18. 12. 1950 Staatssekretär im StMArb im Kabinett Ehard II, 1947 CSU-Mitglied, 1947–1950 Mitglied des Landesvorstands der CSU.

Staatssekretär für die Post im Verkehrsministerium Lorenz Sedlmayr (1887–1971), kath., Gewerkschaftsfunktionär, Buchbinderlehre Fürstenfeldbruck, 1904 Gesellenprüfung und Eintritt in den Kath. Gesellenverein, 1904–1911 Buchbindergehilfe, 1907–1908 Handwerker- und Kunstgewerbeschule Elberfeld, 1907 Mitglied der Christlichen Gewerkschaften und der Zentrumspartei, 1911–1919 Verbandssekretär und Schriftleiter des Graphischen Zentral-Verbandes in Köln, 1916–1919 auch Stadtverordneter in Köln (Zentrum), ab Juni 1919 in München tätig, 1921 Schriftleiter der Verbandszeitung des Bayer. Postverbandes, 1927 nach dessen Eingliederung in den Reichsverband Deutscher Post- und Telegraphenbeamter in Berlin Schriftleiter der Verbandszeitung „Deutsche Post“, 1927–1933 Vorsitzender einer Ortsgruppe und Vorstandsmitglied des Reichsbeamtenbeirats des Zentrums, kurzzeitig auch BVP-Mitglied, 1933 Entlassung, 1934–1944 Betreiber eines Tabakwarenladens in München-Giesing, 1942 bis März 1946 Sachbearbeiter und seit November 1945 auch Betriebsobmann bei den Bayer. Uniformwerken (Bulag) in München, seit Juli 1945 Mitglied des Wirtschafts- und Finanzausschusses der Münchener Gewerkschaften, April 1946 Gewerkschaftssekretär der Gruppe Bahn-Post der Allgemeinen Freien Münchener Gewerkschaften, 1946 Mitglied der Bayer. Verfassunggebenden Landesversammlung und deren 2. Vizepräsident, in dieser Funktion auch Teilnahme an den Sitzungen des Verfassungsausschusses der Landesversammlung, bei der Wahl zum Bayer. Landtag im Dezember 1946 gescheitert, im Kabinett Ehard I 10. 1.-20. 9. 1947 Staatssekretär für die besonderen Aufgaben der Planung und des Wiederaufbaus im StMWi, im Kabinett Ehard II 20. 9. 1947–18. 12. 1950 Staatssekretär für die Post im StMVerkehr, seit 1945 Mitglied, dann auch Vorstandsmitglied des CSU-Bezirksverbandes München, 1946–1950 Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstands der CSU, 1948 Mitbegründer des Wirtschaftsbeirats der Union.

Neben den Kabinettsmitgliedern nahm der Generalsekretär des Ministerrats, Ministerialrat Leusser, an den Ministerratssitzungen teil. Im Falle seiner Abwesenheit, seit seiner Bestellung zum Sonderbeauftragten Ministerpräsident Ehards beim Parlamentarischen Rat war dies regelmäßig der Fall, nahmen seine Aufgabe seine Stellvertreter Regierungsdirektor Gumppenberg oder Oberregierungsrat Henle wahr.92 Noch häufiger als im Kabinett Ehard I wurden Fachleute oder Referenten zu den Sitzungen hinzugezogen. Es ist damit ein Trend zu erkennen, zu Sachfragen und vor allem komplizierteren Gesetzgebungsmaterien den jeweiligen Fachmann hinzuzuziehen. Landeslastverteiler Wolf berichtete über die Energieversorgung,93 Landeszentralbankpräsident Grasmann zweimal über die Vorbereitung bzw. die Auswirkungen der Währungsreform.94 Ministerialdirektor Ringelmann aus dem Finanzministerium berichtete über Stromverhandlungen mit Österreich,95 zu Beamtenrecht,96 Sozialisierung,97 Wiedergutmachungsgesetz98 und Einziehungsverordnung,99 Ministerialdirektor von Lex (StMI), Ringelmann und Ministerialrat Roemer (StMJu) trugen gemeinsam über die Umstrukturierung der Wiedergutmachungsverwaltung vor.100 Regierungsdirektor Barbarino (StMF) nahm in seiner Eigenschaft als Haushaltsreferent teil,101 Oberforstmeister Klietsch102 und der Referent der Preisbildungsstelle des Wirtschaftsministeriums Nagengast103 berichteten über die Brennholzpreise, Oberregierungsrat Schultheiß (StMWi) über das Sachleistungsgesetz und Medizinaldirektor Aub über den Stand der Gesetzgebung im Gesundheitsausschuß des Länderrats,104 Ministerialrat von Miller von der Obersten Baubehörde über das Trümmergesetz,105 Oberregierungsrat Wagenhöfer (StMF) über das Erste Lastenausgleichsgesetz,106 Ministerialrat Sauerborn (StMArb) machte Ausführungen über die Reform der Sozialversicherung107 und Ministerialdirigent Brunner (StMVerkehr) über den Entwurf eines Gesetzes über die Bereinigung von Kraftfahrzeugzuweisungen.108

Besonders häufig trugen Beamte der Staatskanzlei zu einzelnen Gesetzgebungsverfahren vor. Sie referierten insbesondere über den Gang der Verhandlungen auf der Ebene des Länderrats der US-Zone. Ministerialrat Baer, der neben den Protokollanten insgesamt am häufigsten am Ministerrat teilnahm, berichtete auch über die Sitzungen des Länderratsdirektoriums.109 In einem Fall informierte Oberregierungsrat Kellner über die Beratungen des Rückerstattungsgesetzes in Stuttgart.110 Regierungsdirektor Gumppenberg machte in einem anderen Fall Mitteilungen über den Stand der Besprechungen mit den Gewerkschaften nach den Januarstreiks111 und Kurt Pfister über den Entwurf des Gesetzes über den BR.112 Oberregierungsrat Henle fungierte einmal neben der Protokollführung als Berichterstatter zum Gesetzentwurf über die Bildung des Parlamentarischen Rates.113

Die Anwesenheit der Referenten beschränkte sich auf den zu ihrem Sachgebiet zählenden Tagesordnungspunkt. Lediglich bei Baer kann nicht ausgeschlossen werden, daß er möglicherweise während der ganzen Sitzungen anwesend war. Angesichts seiner sehr häufigen Teilnahme taucht die Frage auf, ob er nicht generell neben dem Protokollführer an den Ministerratssitzungen teilnahm, das Protokoll dies jedoch nur verzeichnet, wenn er auch das Wort ergriff.

Bei den Beratungen des Ministerrats über den Generalstreik und die Neuordnung des Wirtschaftsrates im Januar sowie über die Reaktion auf das Verfassungsangebot der Westalliierten Anfang Juli 1948 wurde Landtagspräsident Michael Horlacher114 zu den Ministerratssitzungen hinzugezogen.115 Zur Koordinierung der Bemühungen um die Ansiedlung des bizonalen Patentamtes in München nahmen Oberbürgermeister Scharnagl,116 sein Stellvertreter Wimmer und der Münchner Stadtbaurat Helmut Fischer an der Beratung dieses Tagesordnungspunktes in der Ministerratssitzung am 16. April 1948 teil;117 dazu wurde auch Ministerialrat Berndt von der Obersten Baubehörde hinzugezogen. In der Ministerratssitzung am 3. Oktober 1947118 berichtete der Landtagsabgeordnete Schlögl (CSU)119 über seine Eindrücke beim Wirtschaftsrat in Frankfurt. Dies ist der einzige Fall, in dem ein Abgeordneter zu den Sitzungen hinzugezogen wurde.120

Obwohl er erst am 24. Oktober 1947 im Landtag vereidigt wurde, nahm Staatssekretär Grieser bereits erstmals am Ministerrat vom 20. Oktober 1947 teil.121

Vollzählig versammelt war das Kabinett wohl nur in der Sitzung am 16. Dezember 1947.122 Grundsätzlich fehlten stets einige Kabinettsmitglieder, häufig wegen zonaler oder bizonaler Konferenzen. Landwirtschaftsminister Baumgartner nahm vor seinem Rücktritt nur an vier von neun Sitzungen des Kabinetts Ehard II teil. Dies belegt seine zeitliche Beanspruchung durch die Ernährungskrise. Längere Zeit infolge Krankheit fehlte Minister Frommknecht.123 Besonders häufig abwesend waren ferner die Staatssekretäre Jaenicke, Grieser und Sühler. Mit Beginn des Tagungszeitraums des Parlamentarischen Rates in Bonn im September 1948 nahmen Pfeiffer124 und Schwalber vorübergehend nicht mehr an den Kabinettssitzungen teil. Grundsätzlich ist eine markant höhere Präsenz der Minister festzustellen. Im Ministerrat vom 23. April125 und vom 13. Dezember 1948126 hatten die Staatssekretäre jedoch eine Stimmenmehrheit gegenüber den anwesenden Ministern zuzüglich Ministerpräsident. In der Sitzung vom 13. Dezember waren nur zehn der nach dem Rücktritt Lacherbauers noch 20 Kabinettsmitglieder anwesend. Die Beschlußunfähigkeit des Kabinetts stellte Ministerpräsident Ehard jedoch nicht fest.127

Grundsätzlich wurde darauf geachtet, daß jedes Ressort in den Ministerratssitzungen mindestens mit einem Kabinettsmitglied (Minister oder Staatssekretär) vertreten war. In den Ausnahmefällen, in denen ein Ressort von keinem Kabinettsmitglied Vertretern werden konnte, bürgerte sich die Praxis ein, daß stellvertretend der jeweils ranghöchste Beamte des Ressorts an den Ministerratssitzungen teilnahm, ohne stimmberechtigt zu sein. So vertrat in der Sitzung vom 13. September 1948128 Geheimrat Ernst Karl Hepp im Kabinett Ehard II erneut129 das Staatsministerium der Finanzen. Staatsrat Niklas vertrat mehrfach das Landwirtschaftsministerium.130 Am 23. August 1948131 wurde die Beratung eines Tagesordnungspunktes zurückgestellt, weil das Wirtschaftsministerium in der Sitzung gar nicht vertreten war. Dies blieb ein Einzelfall.

Ministerpräsident Ehard fehlte zweimal im Januar 1948: bei der Ministerbesprechung vom 21. Januar 1948 und dem Ministerrat vom folgenden Tag, weil er zu Besprechungen über die Reform der Bizone nach Frankfurt gereist war.132 Am 21. und 22. Januar 1948133 vertrat ihn in der Sitzungsleitung der Stellv. Ministerpräsident Josef Müller. Zum Ministerrat am 8. November 1947134 traf Ministerpräsident Ehard erst während der Beratung des ersten Tagesordnungspunktes ein. Da der Stellv. Ministerpräsident Müller in dieser Sitzung entschuldigt fehlte, wurde die Sitzung zunächst vertretungsweise vom Leiter der Staatskanzlei, Staatsminister Pfeiffer, eröffnet. Im Verlauf des Tagesordnungspunktes VI verließ der Ministerpräsident die Sitzung und Finanzminister Kraus übernahm als ältester Minister den Vorsitz. Zur Beratung des Rückerstattungsgesetzes (TOP X) kehrte Ehard zurück und übernahm erneut die Sitzungsleitung. Als er nach diesem Tagesordnungspunkt die Sitzung schließlich endgültig wegen anderweitiger Verpflichtungen vorzeitig verließ, übernahm erneut Finanzminister Kraus den Vorsitz. Nachdem am 19. Februar 1948 zunächst der Stellv. Ministerpräsident Müller und anschließend Ehard die Sitzung verlassen hatten, übernahm schließlich Staatsminister Krehle den Vorsitz.135 Auch in einigen anderen Fällen nahmen Kabinettsmitglieder nicht an der ganzen Sitzung teil.136 In der Sitzung am 2. Juni 1948137 schlug Ehard beim Tagesordnungspunkt Personalangelegenheiten die Zurückstellung einer strittigen Beförderungsangelegenheit vor, weil „nur mehr wenig Mitglieder anwesend seien“. Unklar bleibt, ob angesichts des vorzeitigen Aufbruchs vieler Kabinettsmitglieder die Beschlußunfähigkeit hätte festgestellt werden müssen, oder ob Ehard für einen Beschluß in dieser Frage eine deutlichere Mehrheit und die Anwesenheit des Finanzministers für erforderlich hielt.

Das Durchschnittsalter des Kabinetts lag 1948 bei 56,4 Jahren. Erneut waren acht Kabinettsmitglieder jünger als fünfzig Jahre, darunter die Minister Ankermüller (47), Hundhammer (48), Seidel (47) und bis zu seinem Ausscheiden Baumgartner (44). Das jüngste Mitglied war Staatssekretär Sattler (42), die ältesten Grieser (80),138 Kraus (69), Frommknecht (67), Hagenauer (65) sowie Staatssekretär Müller (64).

Die meisten Mitglieder hatten die Revolution von 1918 bewußt erlebt und mehr als die Hälfte von ihnen war bereits in der Weimarer Republik in Parteien und Verbänden aktiv gewesen.139 Ehard, Müller, Schlögl, Krehle, Frommknecht, Fischer und Sühler hatten aktiv am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Hundhammer, Pfeiffer, Schlögl und Sühler hatten vor 1933 dem Bayerischen Landtag angehört. Jaenicke war Mitglied des Reichstags gewesen. Grieser, als Staatssekretär im Reichsarbeitsministerium 1932/1933 Mitglied der Reichsregierung (Kabinette von Papen und von Schleicher), verfügte als einziger über Regierungserfahrung vor 1945.

In der Einparteienregierung des Kabinetts Ehard II gehörten alle Kabinettsmitglieder mit Ausnahme des Staatssekretärs Jaenicke der CSU an oder wurden ihr wie Staatssekretär Hans Müller zumindest zugerechnet. Von ihnen hatte mehr als die Hälfte zuvor der BVP angehört. Die Minister mit Ausnahme von Krehle – für den eine Mitgliedschaft zwar naheliegt, aber nicht nachweisbar ist – waren alle BVP-Mitglieder gewesen. Staatssekretär Sedlmayr, der kurzfristig auch der BVP angehört hatte, war Mitglied des Zentrums gewesen. Staatssekretär Jaenicke hatte der Deutschen Staatspartei angehört und Staatssekretär Sühler, seit 1919 stellv. Vorsitzender des Bayer. Landbundes, der Interessenvertretung protestantischer Bauern in Oberfranken, hatte für den Landbund als Mitglied der Landtagsfraktion der DNVP vor 1933 im Bayerischen Landtag gesessen. Kein Kabinettsmitglied hatte der NSDAP angehört.

Hundhammer, Schlögl, Geiger und Sühler waren 1946 Mitglieder des Bayerischen Beratenden Landesausschusses gewesen. Der Verfassunggebenden Landes Versammlung (1946) hatten 13 Kabinettsmitglieder angehört. Von den 22 Kabinettsmitgliedern (Ministerpräsident, Minister und Staatssekretäre) gehörten dem im Dezember 1946 gewählten Bayerischen Landtag zwölf an: Ehard, die Minister Müller, Ankermüller, Hundhammer, Seidel, Baumgartner, Schlögl, Pfeiffer und als Nachrücker seit dem 28. November 1948 Krehle sowie die Staatssekretäre Schwalber, Lacherbauer und Sühler. Hundhammer war in Personalunion Vorsitzender der CSU-Fraktion. Neben ihm gehörte mit Adam Sühler (1946–1949) ein weiteres Mitglied des Fraktionsvorstands dem Kabinett an. Insgesamt besaß das Kabinett Ehard II eine stärkere Verankerung in der Regierungsfraktion als das Kabinett Ehard I. Aus einer Anlage zu den Fraktionsprotokollen der CSU, die eine Entschuldigung Staatssekretär Müllers vom 21. Oktober 1947 enthält, geht hervor, daß auch diejenigen Mitglieder der Staatsregierung zu den Sitzungen der CSU-Fraktion eingeladen wurden, die ihr selbst nicht angehörten. Mit Pfeiffer und Schwalber gehörten 1948/1949 zwei Kabinettsmitglieder der CDU/ CSU-Fraktion des Parlamentarischen Rates an; Pfeiffer wurde ihr Vorsitzender. Staatssekretär Sühler wurde Anfang 1950 Mitglied des Bayerischen Senats. Er ist das einzige Kabinettsmitglied, das damit gleichzeitig dem Senat angehörte. In den Deutschen Bundestag wurden später Baumgartner (BP) und Geiger (CSU) gewählt.

Bemerkenswert ist noch, daß mit Pfeiffer, Jaenicke und Sattler drei Kabinettsmitglieder in den fünfziger und sechziger Jahren der Bundesrepublik Deutschland als Botschafter dienten.

Ministerpräsident Ehard und Staatssekretär Hans Müller hatten bereits 1945 dem Kabinett Schaff er angehört; sie sowie Baumgartner, Pfeiffer, Kraus und Krehle dem Kabinett Hoegner I. Nach dem Austritt der SPD aus der Regierung Ehard I schied zusätzlich nur Hans Schuberth (CSU) aus dem Kabinett aus und wechselte an die Spitze der Verwaltung für Post- und Fernmeldewesen des VWG; 1949 wurde er Bundespostminister im ersten Kabinett Adenauer. Das Kabinett Ehard II war in großen Teilen mit dem Kabinett Ehard I identisch und wurde nur auf den freigewordenen Positionen ergänzt. Die hohe personelle Kontinuität stellt ein Charakteristikum der bayerischen Nachkriegskabinette dar.

Wie im Kabinett Ehard I übten die aus der bayerischen Ministerialbürokratie stammenden Minister und Staatssekretäre infolge ihrer juristischen Vorbildung und Verwaltungserfahrung eine gewisse Meinungsführerschaft aus. Dazu zählten neben Ministerpräsident Ehard selbst Finanzminister Kraus, Staatssekretär Fischer, der aus der Reichsfinanzverwaltung hervorgegangene Staatssekretär Müller im Finanzministerium – er war zusätzlich vom 16. Juni bis 31. August 1948 Staatsbeauftragter für die Währungsreform – und der aus der Reichsbahnverwaltung kommende Verkehrsminister Frommknecht.140 Staatssekretär Jaenicke verfügte über Verwaltungserfahrung aus der preußischen, Staatssekretär Grieser aus der Reichsverwaltung. In gleichem Maße galt dies auch für die dem Kabinett angehörenden Richter, neben Ehard waren dies Hagenauer, Grieser und Lacherbauer sowie die früheren Landräte Ankermüller, Seidel und Staatssekretär Schwalber; auch die Staatssekretäre Grieser und Sühler hatten 1945 und 1947 kurzzeitig als Landräte fungiert.

Im Kabinett Ehard II war im Unterschied zum Kabinett Ehard I141 nun auch der Landesvorsitzende der Regierungspartei CSU Josef Müller vertreten. Aus dem Leitungsgremium der CSU, dem geschäftsführenden Landesvorstand, gehörte ferner Sedlmayr dem Kabinett an. Mit Hundhammer und Krehle saßen weiterhin zwei aktuelle CSU-Bezirksverbandsvorsitzende in der Regierung.142 Mit Hundhammer nahm, wie erwähnt, zudem der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion an den Ministerratssitzungen teil, mit Arbeitsminister Krehle der Vorsitzende der Christlich-Sozialen Arbeitnehmerschaft (CSA). Mit marginalen Ausnahmen hatte diese stärkere Repräsentation von Personen mit herausragenden Parteiämtern jedoch keine Auswirkungen auf den weiterhin von Ministerpräsident Ehard geprägten, parteifernen und sachlichen Regierungsstil seiner von verwaltungserfahrenen Männern dominierten Beamtenkabinette.

Kommunalpolitische Erfahrungen besaßen Verkehrsminister Frommknecht als Bürgermeister von Obermenzing, Staatssekretär Sühler als Bürgermeister von Lindau/Ofr. und Staatssekretär Grieser als Rechtsrat der Stadt München und 1. Bürgermeister von Würzburg; Minister Krehle und Staatssekretär Lacherbauer als Mitglieder des Münchner Stadtrats, Lacherbauer auch als 3. Bürgermeister der Landeshauptstadt sowie Staatssekretär Sedlmayr als Stadtverordneter in Köln. Hagenauer war Vizepräsident der Polizeidirektion München gewesen. Geiger leitete nach Kriegsende kurze Zeit das Wirtschaftsamt in seiner Heimatstadt Furth i.W. Auffällig ist, daß fast alle Kabinettsmitglieder nach 1945 in der Verwaltung, Verbänden oder Parteien auf verschiedenen Ebenen Leitungsfunktionen übernommen hatten. Nur Staatssekretär Sattler hatte nach dem Krieg zunächst freiberuflich als Architekt gearbeitet.

Die Minister Baumgartner, Schlögl sowie Staatssekretär Sühler gehörten zu den Gründern des BBV Hundhammer, Baumgartner, Schlögl und Sühler waren in der Weimarer Republik Spitzenfunktionäre der konfessionell geprägten Vorgängerorganisationen gewesen. Die bäuerliche Standesorganisation war mit Landwirtschaftsminister Schlögl, bis zu seinem Eintritt ins Kabinett Generalsekretär des BBV, und Staatssekretär Sühler als Präsident des Bezirksverbandes Oberfranken stark im Kabinett vertreten. Einen gewerkschaftlichen Hintergrund hatten Arbeitsminister Krehle und Staatssekretär Sedlmayr.

Müller (Abwehr), Ankermüller, Hundhammer (Heeresverwaltungsdienst), Seidel, Schlögl, Krehle und Schwalber nahmen aktiv am Zweiten Weltkrieg teil; Hundhammer, Seidel und Schlögl gerieten für kurze Zeit in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

19 Kabinettsmitglieder konnten ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorweisen (14 waren promoviert,143 Grieser Dr. h.c.), dabei dominierten die Juristen (10); vertreten waren ferner Volkswirte, Ingenieure, ein Philologe und ein Mathematiker. Arbeitsminister Krehle hatte eine Schreinerlehre, Staatssekretär Sedlmayr eine Buchbinderlehre gemacht und Staatssekretär Sühler war Landwirt.

Im Unterschied zur Regierung Ehard I gehörte dem Kabinett Ehard II kein Minister oder Staatssekretär mehr an, der Erfahrungen aus der Emigration mitbrachte.144

Von den 22 Kabinettsmitgliedern waren 20 katholisch und zwei evangelisch (Sühler und Jaenicke). Nach Herkunft und Schwerpunkt ihrer politischen Tätigkeit wurde Altbayern im Kabinett vor allem von Kultusminister Hundhammer, den Landwirtschaftsministern Baumgartner und Schlögl sowie Staatssekretär Schwalber repräsentiert, weniger von dem wie Hundhammer in München geborenen Arbeitsminister Krehle. Auch Staatssekretär Lacherbauer war Münchner. Die Interessen der Oberpfälzer Grenzregion vertrat der Further Staatssekretär Geiger. Allerdings kann man anders als beim Kabinett Ehard I145 nicht von einem altbayerischen Übergewicht sprechen. Vielmehr gaben die Franken den Ton an. Ministerpräsident Ehard, der seinen Wahlkreis in Bamberg hatte, stammte wie Justizminister Müller aus Oberfranken. Die bäuerlichen Interessen des protestantischen Oberfranken vertrat Staatssekretär Sühler. Mit Ankermüller, Kraus, Seidel und Hagenauer kamen gleich vier Minister aus Unterfranken. Nicht vertreten waren hingegen die protestantische und sozialdemokratische Hochburg Mittelfranken sowie Schwaben nur nominell mit dem in Grünenbach/Schwaben geborenen, allerdings in München beruflich sozialisierten Verkehrsminister Frommknecht. Für die traditionell starke Repräsentation der Pfalz in der bayerischen Exekutive standen der in Rheinzabern geborene Staatsminister Pfeiffer sowie Staatssekretär Grieser, beide Absolventen des Gymnasiums in Speyer.

In der ersten Ministerratssitzung warb Ehard für ein sachliches und offenes Klima in den Beratungen146 seines Einparteienkabinetts, dessen formale Homogenität nicht die tiefen Gräben widerspiegelt, die angesichts der scharf geführten persönlichen Auseinandersetzungen in der CSU zwischen den Kabinettsmitgliedern bestanden. Ein Konsens stiftendes Element war die gemeinsame „totalitäre Erfahrung“,147 die häufig mit der politischen Sozialisation in der BVP zusammenhing. Josef Müller und Alois Hundhammer waren im Konzentrationslager gewesen, Pfeiffer, Ankermüller, Seidel und Schwalber 1933 kurzzeitig in Schutzhaft genommen worden; Frommknecht war im Zuchthaus und Baumgartner im Gerichtsgefängnis inhaftiert gewesen. Schlögl hatten SA-Leute im Juni 1933 brutal mißhandelt.148 Andere hatten Stellung und zeitweise auch Gehalt verloren oder ihre gewerkschaftliche bzw. parteipolitische Tätigkeit war im öffentlichen Dienst mit Ruhestandsversetzung, Zurückstufung oder ausbleibenden Beförderungen „honoriert“ worden. Für die weitaus meisten Kabinettsmitglieder hatten die politischen Veränderungen des Jahres 1933 jedenfalls Auswirkungen auf ihre persönlichen und beruflichen Verhältnisse gehabt.149

Ministerpräsident Ehard strukturierte in der Regel die Verhandlungen klar. Er genoß den Respekt des Kabinetts,150 und wurde wegen seiner Verwaltungserfahrung, juristischen Kenntnisse und seiner Erfolge bei der souveränen Außenvertretung Bayerns auf bizonaler Ebene sowie gegenüber der Militärregierung als Autorität anerkannt.151 Im Jahr 1948 erwies sich im übrigen zunehmend die kleine Gruppe hochqualifizierter und loyaler Beamter der Staatskanzlei als wesentliche Stütze seines politischen Erfolgs.152 Erneut prägte auch seine konziliante, vornehme und ausgleichende Art den Stil der Beratungen.153 Argerlich wurde der Ministerpräsident nur, wenn durch vermeidbare Nachlässigkeiten,154 mangelnde Koordination155 oder Ressortrivalitäten156 Verzögerungen auftraten und darunter die Effizienz der Sitzungen beziehungsweise der Gesetzgebung oder Verwaltung insgesamt litten.157 Die nüchterne, sehr auf Disziplin achtende, vor allem juristischen und verwaltungspraktischen Erwägungen folgende Vorstellung des Ministerpräsidenten vom Charakter der Sitzungen stieß jedoch auch auf Kritik. Staatsminister Baumgartner kritisierte, im Kabinett würde viel Zeit mit der Beratung von Verwaltungs-, Beamten- und Entnazifizierungsfragen vertan, man solle sich lieber mehr Zeit für Wirtschafts- und Ernährungsfragen nehmen.158 Auch in einigen weiteren Fällen werden Führungsdefizite des Ministerpräsidenten und Kritik an seiner Amtsführung erkennbar. Diese artikulierte vor allem Wirtschaftsminister Seidel, der als „Aufsteiger“ unter den Neuen im Kabinett bezeichnet werden muß. Im September 1948159 fand er deutliche Worte zu Ehards sehr zurückhaltender Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,160 die bereits im März 1948 Anlaß für öffentliche Kritik gewesen war.161 Im Februar 1948 forderte er eine bessere Koordinierung der Arbeit der Planungsabteilungen in den verschiedenen Ressorts.162 Als Anfang August 1948 Fragen der Bauwirtschaft beraten wurden, forderte Seidel Ministerpräsident Ehard unmißverständlich auf, gegenüber dem Leiter der Obersten Baubehörde, Staatssekretär Fischer, von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen.163 Seidel erreichte eine stärkere Berücksichtigung von Wirtschaftsfragen im Kabinett und traf auch zu allgemein föderalistischen Fragen grundsätzliche Aussagen. Die Entwicklung des späteren Ministerpräsidenten (1957–1960) zum „Kronprinzen“ läßt sich im Grunde bei genauer Lektüre bereits 1948 erkennen. Im übrigen war Seidel neben Ehard der politische Vertreter Bayerns im Länderrat des VWG, nicht der Stellv. Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Müller, der CSU-Fraktionsvorsitzende Hundhammer oder der Finanzminister.164

Starkes Profil im Kabinett zeigte auch der konservative, pointiert föderalistische und streitbare Finanzminister Kraus.165 Als Finanzminister in einer Sondersituation, scheute er sich nicht, im Zusammenhang mit dem Staatshaushalt und nach der Neuordnung der Bizone im Januar 1948 mit Rücktritt zu drohen166 und das Kabinett bei der Übernahme höherer Personalkosten zu – ansonsten unüblichen – Mehrheitsentscheidungen zu zwingen.167 Eine besonders scharfe Position nahm Kraus, der als Finanzminister auch „Beamtenminister“ war,168 in der Frage eines Streikrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes ein.169 Ebenso energisch wandte er sich aus fiskalischen Erwägungen zunächst gegen die Wiederherstellung der früheren Regierungsbezirke170 sowie gegen das Gesetz über die Schulgeldfreiheit171 und lehnte aus christlichen Motiven die Errichtung von Spielbanken ab.172

Kein seiner Stellung als Kultusminister und Fraktionsvorsitzender entsprechendes Profil zeigte 1948 erneut Alois Hundhammer. Da er im Grunde nie als Sprecher der CSU-Landtagsfraktion auftrat, ist davon auszugehen, daß er strikt zwischen seinen Ämtern trennte. Auffällig sind seine Beiträge lediglich bei der Beratung von Begnadigungen173 sowie bei Belangen der katholischen Kirche.174 Für die Kulturhoheit der Länder175 trat er ebenso entschieden ein wie für die Kunst, als Finanzminister Kraus die Schließung des Staatsschauspiels zum Symbol der bayerischen Finanzmisere machen wollte.176

Auch Josef Müller, Justizminister, Stellv. Ministerpräsident und CSU-Landesvorsitzender, spielte analog zu Hundhammer – in den Beratungen des Ministerrats keine Haupt-, sondern eher eine Nebenrolle. Auffällig an seinen Wortbeiträgen ist, daß darin häufig allgemein politische oder parteipolitische Erwägungen177 im Vordergrund standen.178 Einmal, bei der Beratung des Landeswahlgesetzes,179 kam es zwischen ihm und dem CSU-Fraktionsvorsitzenden Hundhammer zum Streit, weil Müller forderte, den Entwurf neben der Fraktion auch dem Landesvorstand der CSU vorzulegen. Häufig brachte Müller im Kabinett auch sein Wissen aus der Gesetzgebungsarbeit des Frankfurter Wirtschaftsrates ein, das er als häufiger Gast der Sitzungen der CDU/CSU-Fraktion des Frankfurter Wirtschaftsrates gewonnen hatte.180 An der Sach- und Fachargumentation beteiligte er sich hingegen kaum. Mit seinen Versuchen, den extrem nüchternen, auf exekutive und legislative Materien konzentrierten Beratungen einen anderen, stärker politischen Charakter zu geben, stieß er jedoch auf keine Resonanz.181 Interessant sind sowohl seine als auch Hundhammers Reaktionen nach Übergabe der Frankfurter Dokumente im Sommer 1948.182

Bemerkenswert war ferner das im Vergleich zu den vorangehenden Kabinetten geringe Gewicht des Leiters der Staatskanzlei Pfeiffer, das sich nicht nur durch seine Abwesenheit seit August 1948 erklären läßt. Auffällig war auch, daß Landwirtschaftsminister Schlögl mit seinen Vorschlägen im Kabinett häufiger auf Widerstände stieß, weil sein Vorgehen offenbar zu undiplomatisch war.183

Nur in seltenen Fällen fielen Beschlüsse in diesem Einparteienkabinett nicht einstimmig. Bei einigen Kostensteigerungen versagte sich der Finanzminister und erzwang eine Mehrheitsentscheidung gegen sich,184 in einem Fall auch zu seinen Gunsten.185 Mehrheitsentscheidungen gab es ferner bei der Beschlußfassung über die Artikel des Landeswahlgesetzes186 sowie bei den zahlreichen Begnadigungen.187

III. Der Land Director des Office of Military Government for Bavaria, Murray D. Van Wagoner

Mit Murray D. [Delos] Van Wagoner, der am 20. November 1947 die Geschäfte des Direktors des Office of Military Government for Bavaria (OMGB) von Brigadier General Walter J. Muller1 übernahm,2 stand zweieinhalb Jahre nach Kriegsende ein Zivilist an der Spitze der bayerischen Militärregierung.3 Seit Ende November 1947 führte der 49jährige den Titel: Landesdirektor des Amtes der Militärregierung für Bayern (Land Director, Office of Military Government for Bavaria).4 Van Wagoner war bis zum 21. September 1949 Land Director.

Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland änderten sich Charakter und Bezeichnung der Militärregierung. Auf der Grundlage des Besatzungsstatuts5 trat an die Stelle von OMGUS (Berlin) die United States High Commission for Germany (HICOG) in Bonn,6 in Bayern an die Stelle von OMGB das Office of the Land Commissioner for Bavaria, das bis zum 30. Juni 1952 bestand.7 Van Wagoner trug infolgedessen vom 21. September 1949 bis zu seinem offiziellen Ausscheiden am 27. Oktober 1949 noch den Titel Land Commissioner for Bavaria. Insgesamt war er damit fast zwei Jahre der höchste Repräsentant der Amerikaner in Bayern. Eine Aufforderung des Hohen Kommissars McCloy, weitere zwei Jahre als Landeskommissar für Bayern im Dienst der US-Verwaltung für Deutschland zu bleiben, lehnte Van Wagoner unter anderem aus finanziellen Gründen ab.8

Van Wagoner, 1898 auf einer Farm in der Nähe von Kingston (Michigan) geboren,9 besaß englische und niederländische Vorfahren. Nach einem Ingenieurstudium an der Universität von Michigan mit Schwerpunkt Autobahnbau war er zunächst von 1921 bis 1924 beim State Highway Department beschäftigt („resident construction and division bridge engineer“), ehe er für zwei Jahre zu einer Ingenieurfirma wechselte (McGaughan & Ranson, Pontiac, Michigan) und später in Pontiac ein eigenes Ingenieurbüro eröffnete. 1933 wurde er als Kandidat der Demokraten zum Michigan State Highway Commissioner gewählt und 1937 in diesem Amt bestätigt. Daneben war Van Wagoner 1938–1940 Präsident der American Road Builder’s Association.10 1938 bestellte ihn Präsident Roosevelt zum offiziellen Delegierten des internationalen Straßenbaukongresses in Den Haag. Diese Europareise nutzte der Autobahnfachmann auch zu einem Besuch des Deutschen Reiches, um sich einen persönlichen Eindruck von dessen Autobahnen zu verschaffen.

1941/1942 war er Gouverneur des Industriestaates Michigan (Demokrat).11 In seiner Amtszeit bewährte er sich bei der Beilegung von Arbeitskämpfen unter anderem in der Autostadt Detroit und bei der Umstellung der Industrie auf Kriegsproduktion. Weitere Schwerpunkte waren die Senkung des Haushaltsdefizits sowie die Verbesserung der teilweise korrupten Verwaltungsstrukturen. Seine Wiederwahl zum Gouverneur scheiterte im November 1942. In den Jahren 1943–1947 arbeitete er als „Consulting engineer“ in Detroit. Nachdem er ein erstes Mal im September 1947 in Deutschland gewesen war, traf er am 12. November 1947 gemeinsam mit seiner Frau und einer Tochter in Frankfurt am Main ein.12 Anschließend flog er nach Berlin und am 13. November 1947 nachmittags konnte ihn General Muller auf dem Flughafen München-Riem begrüßen.13 Die Tage bis zur Übernahme seines Amtes am 20. November nutzte Van Wagoner zur Einarbeitung.

Aus einem Brief General Clays geht indirekt hervor, daß Van Wagoner im Februar 1948 erwogen haben mußte, vorzeitig in die USA zurückzukehren. Warum er seine Meinung dann doch änderte, war nicht zu klären.14 Nach seinem zweijährigen Dienst in Bayern kehrte er nach Birmingham in Michigan zurück und trat im 15 km entfernten Detroit als Vizepräsident in eine Hoch- und Tiefbaufirma ein und war Direktor der City Bank in Detroit. Weiterhin gehörte er seit 1950 der Mackinac Bridge Authority an, die für die bedeutende Hängebrücke zuständig ist, welche die Halbinseln des Staates Michigan verknüpft. Van Wagoner verstarb im Jahre 1986 im Alter von 88 Jahren in Farmington (Michigan).15

Welchen Hintergrund der Eintritt Van Wagoners in die Militärregierung hatte, ist nicht genau festzustellen. Nach seiner Wahlniederlage stand Van Wagoner vor einer Neuorientierung. Es gibt Hinweise, daß bei seiner Berufung in die Militärregierung offensichtlich General Clay, mit dem er persönlich befreundet war,16 eine Rolle spielte.17

Der Personalwechsel an der Spitze des OMGB fiel zusammen mit dem Wechsel in der Strategie der Militärregierung insgesamt von der Militärverwaltung eines besetzten Gebietes zur Schritt für Schritt reduzierten Begleitung des parlamentarisch-demokratischen Neuanfangs. Diese neue Politik stand unter dem Schlagwort „Reorientation“.18 Bei der Amtsübergabe hatte Van Wagoner noch die Unterstützung der Exportanstrengungen Bayerns sowie die Ernährungsfrage als wichtigste Aufgaben bezeichnet.19 Tatsächlich sollte dann die Reorientation-Politik seine Amtszeit dominieren, eine Aufgabe, der er sich leidenschaftlich widmete.

Der neue Mann an der Spitze des OMGB war von Anfang an in ganz anderem Maße öffentlich präsent als seine Vorgänger. Dazu brachte Van Wagoner, als Verwaltungsfachmann und Politiker in praktischer Politik und öffentlichem Auftreten erfahren,20 ganz andere Voraussetzungen mit als sein unmittelbarer Vorgänger, der Berufsoffizier gewesen war. Verschiedene Entwürfe für kurze Ansprachen belegen, daß er direkt nach seinem Amtsantritt bei den Vertretern der christlichen Kirchen Kardinal Faulhaber und Weihbischof Neuhäusler, dem evangelischen Landesbischof Meiser21 und dem Landesrabbiner des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden Aron Ohrenstein22 Besuche machte, unter anderem, um die Kirchen für eine Zusammenarbeit bei der Erziehung zu demokratischem Denken und Handeln zu gewinnen.23 Im Unterschied zu seinen Vorgängern Keegan und Muller war Van Wagoner nicht katholisch. Er gehörte der Episkopalkirche (The Protestant Episcopal Church) an, die sich in den USA aus der anglikanischen Kirche entwickelt hatte. Wie hoch Van Wagoner die Entwicklung guter Beziehungen gerade zur katholischen Kirche für das Gelingen seiner Mission in Bayern einschätzte, belegt seine sorgfältige Vorbereitung des ersten Kontakts mit Kardinal Faulhaber. So hatte Van Wagoner vom New Yorker Kardinal Francis J. Spellman und dem Detroiter Kardinal Edward F. Mooney24 Empfehlungsschreiben erbeten.25 Anschließend konnte er ihnen berichten, daß gleich bei der ersten Begegnung mit Faulhaber ein Klima entstanden sei, das eine verständnisvolle Zusammenarbeit erwarten lasse. Dazu hätten die Empfehlungen einen wichtigen Beitrag geleistet.26 Auf das erste Treffen mit dem evangelischen Landesbischof Meiser hatte sich Van Wagoner durch den Exekutive Director des National Lutheran Council in New York, Ralph H. Long, in den USA vorbereiten lassen.27

Am 26. November 1947 machte Van Wagoner dem Ältestenrat des Landtags seine Aufwartung.28 Am 4. Dezember 1947 hielt er die Eröffnungsansprache in der konstituierenden Sitzung des Bayerischen Senats.29 Bereits zwei Tage nach seinem Amtsantritt hatte er am 22. November 1947 die Konferenz des Bayerischen Landesjugendrings in Dachau eröffnet.30

Auch später absolvierte Van Wagoner ein ähnlich dichtes Repräsentationsprogramm wie der Ministerpräsident – häufig gemeinsam mit ihm oder Mitgliedern der Bayerischen Staatsregierung. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sei eine repräsentative Auswahl an Auftritten (1947/1948) genannt,31 bei denen er kurze Ansprachen oder Vorträge hielt: In Nürnberg sprach er vor dem American-German Youth Club, gemeinsam mit Ehard eröffnete er am Mai 1948 die Presse-Ausstellung in München. Er eröffnete ferner das Hotel Vier Jahreszeiten in München,32 wohnte erneut mit dem Ministerpräsidenten und dieses Mal auch mit Kardinal Faulhaber der Indienststellung des Motorschiffes Bayern in Starnberg bei33 und weihte, meist gemeinsam mit dem Innenminister und dem Leiter der Obersten Baubehörde Fischer, zahlreiche Brücken in Bayern ein. Wie seine Ansprache zur Einweihung der Autobahnbrücke über die Donau bei Leipheim vom 15. September 1948 belegt, war dies für den Straßenbauingenieur Van Wagoner immer wieder Anlaß zu echter Freude („To me a bridge is a thing of beauty and a joy forever“).34 Am 6. August 1948 sprach Van Wagoner gemeinsam mit Wirtschaftsminister Seidel anläßlich des 2. Jahrestages der Exportschau München.35

Das Verständnis seines Auftrages in Bayern kam insbesondere in den zahlreichen Reden in Bürgerversammlungen und vor Jugendlichen36 zum Ausdruck. So wandte er sich z.B. am 17. März 1948 in einer Versammlung mit den wichtigsten Repräsentanten von Stadt und Landkreis Passau an die dortigen Bürger.37 Im Sinne der amerikanischen Demokratisierungspolitik warb er bei diesen Auftritten im Lande – die eine neue Qualität im Tätigkeitsspektrum des Chefs der Landesmilitärregierung bedeuteten – für eine stärkere Anteilnahme und aktive, auch kritische und kontrollierende Beteiligung der Bevölkerung an der Verwaltungstätigkeit auf kommunaler Ebene in ihren Städten und Kreisen.38 Inwieweit diese „Regionalkonferenzen“ einem Plan folgten und alle Teile des Landes erfaßten, muß überprüft werden. Im Sommer 1948 sprach er ferner bei den Zeremonien zur Eröffnung bzw. dem Neubau der Amerikahäuser in München (gemeinsam mit Ehard)39 und Würzburg.40 Nicht alle Aktivitäten entwickelten sich gleichmäßig positiv, so bewertete er zum Beispiel Mitte 1949 den Erfolg der German-American-Clubs in Bayern als sehr mäßig, vor allem, da nur wenige Amerikaner dafür zu interessieren seien.41

Van Wagoner ging seine Aufgabe 1947/1948 mit großem Elan an. Dazu zählten auch seine Reden, mit denen er sich an verschiedene Gruppen des Militärregierungspersonals wandte, um seine Mitarbeiter für die Demokratisierungsaufgaben zu motivieren.42 Ein Höhepunkt dieser internen Bemühungen waren zwei jeweils zweitägige Konferenzen (Field Operations Division Seminars) am 4./5. und 11./12. August 1948 in Berchtesgaden,43 auf denen Van Wagoner gemeinsam mit den Abteilungsleitern des OMGB die vor Ort tätigen Military Government Officers auf das demokratische Reorientation-Program einschwor. Seine Eröffnungsansprache, die er am 4. und 11. August hielt, ist ein Schlüsseldokument dafür, wie er seine eigene Aufgabe in Bayern interpretierte. Darin hieß es u.a.: „Reorientation cannot be carried out on an eight hour a day basis. It calls for action at all hours, whenever the democratic spirit manifests itself. You may find it at discussion forums you attend when you would rather be out hunting. You may be instrumental in fanning it by showing reorientation films on your fishing time. You will certainly find it among the youth, if you lay the groundwork. You have to contact the customer if you want to make sales. Democracy is your product.“44 Indem er selbst immer wieder auch in kleineren Orten in „town hall meetings“ sprach, blieb dies für die vor Ort eingesetzten Military Government Officers der Field Operations Division45 kein bloßer Appell. Permanente Präsenz, aber auch Diplomatie waren das Credo Van Wagoners, der mehr darauf setzte, das Vertrauen zu gewinnen und durch „friendly advice, persuasion and education“ zu wirken, als über Befehle. Sein Stil wird sehr schön durch die Bitte um zusätzliche Zuteilungen von Zigaretten, Zigarren und Pfeifentabak für die Offiziere der Militärregierung illustriert, um bei den zahlreichen längeren Konferenzen mit deutschen Beamten davon anbieten und eine entspannte Atmosphäre herstellen zu können.46

Auch im Jahr 1949 war Van Wagoner unermüdlich in Sachen Reorientation unterwegs. Am 11. Januar 1949 sprach er beim Festakt aus Anlaß der Eröffnung der Sitzungen des Bayerischen Landtags im Maximilianeum,47 am 25. Januar bei der feierlichen Übergabe des Senders der Militärregierung „Radio München“ als Bayerischer Rundfunk in deutsche Hände.48 Zu weiteren repräsentativen Anlässen, an denen Van Wagoner häufig neben Ehard oder Vertretern der Staatsregierung in erster Reihe teilnahm, zählten im Jahr 1949 die Eröffnung der ERP-Ausstellung im Haus der Kunst am 7. September 194949 sowie das Oktoberfest und das gleichzeitig eröffnete Zentral-Landwirtschaftsfest, die erstmals nach elf Jahren wieder in vorkriegsmäßiger Form stattfanden.50 Im September 1949 sprach er ferner auf der Jahrestagung des Bayerischen Gewerkschaftsbundes. Die Gewerkschaften betrachtete er wie die Kirchen als wichtigen Partner für die Demokratisierung der bayerischen Gesellschaft.51

Seine öffentlichen Reden waren nur ein Medium, für das amerikanische Reorientierungsprogramm zu werben. Van Wagoner hatte auch ein ausgezeichnetes Verhältnis zur Presse,52 gab häufig Interviews,53 auch in Lokalzeitungen und stellte sich den Fragen der Journalisten auf zahlreichen Pressekonferenzen. Anders als für seine Vorgänger stand Öffentlichkeitsarbeit für ihn im Zentrum der nunmehr ganz auf Reorientation zugeschnittenen Politik der Besatzungsmacht.54

Von Anfang an war Van Wagoner auch um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ministerpräsident Ehard bemüht.55 Die Möglichkeit zum Kontakt gab es zwischen ihnen 1948 vermehrt56 am Rande zahlreicher offizieller Anlässe, teilweise auch heiteren Charakters (Oktoberfest, Bälle etc.). Van Wagoner hatte sich bereits unmittelbar nach seinem Amtsantritt darum bemüht, einen entkrampften und persönlichen Umgang mit Ehard und den Mitgliedern der Staatsregierung herzustellen. So lud er den Ministerpräsidenten und seine Minister mit ihren Frauen am 22. Dezember 1947 zum Weihnachts-Tee in seine Privatwohnung57 ein.58 Ministerpräsident Ehard erwiderte dies ebenso höflich.59

Politische Angelegenheiten besprach Van Wagoner am liebsten mit dem Ministerpräsidenten und Herren der Staatsregierung sowie seinen Abteilungsleitern bei Bedarf – also nicht regelmäßig60 – im Rahmen zwangloser Frühstücke oder Mittagessen. Diese Praxis, so der Land Director im Frühjahr 1949, habe sich sehr bewährt; der Ministerpräsident könne jederzeit die Initiative zu einer solchen Unterredung ergreifen.61 Ein Einzelfall, in dem Van Wagoner Ministerpräsident Ehard einen an ihn direkt gerichteten Brief eines Ressorts zurückleitete, der nicht den üblichen Weg über die Staatskanzlei genommen hatte, belegt, daß Van Wagoner an der bereits unter seinen Vorgängern etablierten Praxis festhielt, den Verkehr mit der Staatsregierung ausschließlich über den Ministerpräsidenten zu führen. Dieser exklusive Gesprächs- und Korrespondenzkanal bestand fort.62

Ein weiteres Mittel der Politik Van Wagoners, das allerdings nicht unbedingt für das Licht der Öffentlichkeit gedacht war, war seine rege Korrespondenz, in der er – stets höflich und verbindlich in der Form – Kritik äußerte, sich häufig aber auch bemühte, zwischen der schärfer ausfallenden Kritik der Legal Division von OMGUS (Berlin) und der Staatsregierung zu vermitteln, ihr andererseits nun jedoch auch auffällig häufig für bestimmte Maßnahmen seine Anerkennung aussprach.63

Aus den Akten ist insgesamt zu erkennen, daß auf der Ebene von OMGB der Leiter der Civil Administration Division, Schweizer, den Part des Chefkritikers der Staatsregierung übernahm, während Van Wagoner sich überwiegend darauf beschränkte, durch „positive Verstärkung“ erzieherisch auf die Staatsregierung einzuwirken. Selbst in der Frage der 1948 höchst umstrittenen Schulreform bemühte sich Van Wagoner darum, auszugleichen und wieder einen sachlichen Ton in die Debatte zu bringen.

Eine Ausnahme war lediglich seine scharfe Kritik am Bayerischen Beamtengesetz vom 28. Oktober 1946,64 das eine demokratische Reform des öffentlichen Dienstes verhindere.65 Weil Staatsregierung und Landtag der Aufforderung zur Reform des Gesetzes nur sehr zögerlich nachkamen und dabei inhaltlich auch noch weit von den amerikanischen Vorgaben entfernt blieben, bat Van Wagoner den Hohen Kommissar McCloy schließlich im August 1949 darum, dem Vorgehen der amerikanischen und britischen Militärregierungen auf bizonaler Ebene – hier war am 15. März 1949 ein Beamtengesetz als Militärregierungsgesetz verkündet und damit oktroyiert worden66 – in Bayern zu folgen und bestimmte Änderungen des Bayerischen Beamtengesetzes per Befehl zu dekretieren.67 Offenbar entsprach jedoch ein Vorgehen in dieser scharfen Form in den Ländern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes nicht mehr den Vorstellungen der Vorgesetzten Van Wagoners, weshalb ein Befehl zur Änderung des Bayerischen Beamtengesetzes unterblieb.

Wie zuvor setzte sich OMGB auch unter seiner Leitung für die Belange Bayerns ein, etwa angesichts der Aufforderung vom November 1947, größere Mengen Kartoffeln an die beiden anderen Länder der US-Zone abzuliefern. Die Bemerkung von Staatsminister Pfeiffer in diesem Zusammenhang: – „Die Bayer. Militärregierung verstehe zwar unsere Lage, sei aber reiner Befehlsempfänger.“68 – macht jedoch auch den begrenzten Einfluß von OMGB als „Mittelbehörde“ der amerikanischen Militärregierung deutlich. Nachweislich setzte sich Van Wagoner ferner bei OMGUS dafür ein, Teile des von der US-Army genutzten Truppenübungsplatzes Grafenwöhr in der Oberpfalz für die landwirtschaftliche Besiedlung freizugeben.69 Dieses Ziel erreichte er jedoch nicht. Vielmehr mußten im Laufe des Jahres 1948 auf Anordnung der Militärregierung, die damit auf Anforderungen der US-Army reagierte, Flüchtlingssiedlungen am Rande des Truppenübungsplatzes geräumt werden.70 Ebenso bemühte er sich 1948 gegenüber General Adcock um die Berücksichtigung eines bayerischen Vertreters in der Deutschen Kohlenbergbauleitung.71 Auch beim Bau der Rißbachüberleitung unterstützte die bayerische Militärregierung die Staatsregierung.72 1949 setzte sich Van Wagoner für die von dieser gewünschte Rückgängigmachung der wieder eingeführten Sommerzeit ein.73

Als ehemaliger Politiker des Staates Michigan nutzte Van Wagoner seine Kontakte, um Hilfen insbesondere aus seinem Heimatstaat für Bayern zu organisieren. Gleich im Dezember 1947 entstand auf Anregung eines guten Freundes von Van Wagoner, des Geschäftsmannes Jack Schafer aus Detroit, die Idee zu einem umfassenden Programm unter dem Titel „Michigan adopts Bavaria“.74 Dabei betonte Van Wagoner gegenüber General Clay neben dem humanitären den politischen Wert des Projekts, das Initiative und Dynamik der amerikanischen Zivilgesellschaft praktisch unter Beweis stelle und außerordentlich dabei helfen könne, „in making democracy a success in Bavaria“.75 Eine erste große Aktion war die Spende von Fruchtkörben vor allem an Kinderheime und Kinderkrankenhäuser zu Weihnachten 1947. Erfolgreich war Van Wagoner z. B. auch dabei, Geigen für die Münchner Philharmoniker zu organisieren. Sie wurden von Henry H. Reinhold, President of the Detroit Symphony, finanziert.76 Als er vom 7.-20. Oktober 1948 in die USA reiste, gab er in seiner Rede zum goldenen Jubiläum der „Convention of the Detroit Chapter of Columbus“ (Kolumbusritter)77 die Bitte Kardinal Faulhabers weiter, bei der Finanzierung eines farbigen Fensters für eine Münchner Kirche zu helfen.78 Verschiedene weitere Hilfsaktionen, auch Patenschaften zwischen einzelnen Städten Michigans und bayerischen Städten, kamen zwar in der Folgezeit zustande. Der große Wurf, den der Titel „Michigan adopts Bavaria“ symbolisieren sollte, so Van Wagoner später, gelang jedoch nicht.79

Erschwert wurde die Arbeit Van Wagoners durch die permanente Personalreduzierung bei OMGB,80 der unter anderem Mitte 1948 die Economics Division, die Finance Division, die Manpower sowie die Personnel and Administration Division zum Opfer fielen. Mit spöttischem bis resignativem Unterton formulierte er im April 1949 „Military Government's prime mission is to get itself out of business“.81

Im Juni 1949 wurde auch die Information Services Division aufgehoben. Mit der Auflösung dieser Abteilungen verlor Van Wagoner auch das dort seit Jahren tätige unersetzliche Fachpersonal.82 Verärgert reagierte er weiterhin darauf, daß in wachsendem Maße Dienststellen von OMGUS sowie des Bipartite Control Office direkt mit bayerischen Dienststellen verhandelten, ohne OMGB einzuschalten, was im Widerspruch zu bestehenden Direktiven stand.83

Als sich abzeichnete, daß mit Beginn der HICOG-Phase im Herbst 1949 Kompetenzen und Personal in einer Weise auf Länderebene reduziert werden sollten, die es dem Land Commissioner und seinen Mitarbeitern unmöglich machen würden, zukünftig noch einen substantiellen Beitrag im Rahmen der Reorientation zu leisten, war das Maß für Van Wagoner voll. In einem zornigen Brief schrieb er dem United States High Commissioner McCloy (seit 6. 6. 1949), wenn er die Land Commissioners nicht mit entsprechender Autorität in ihren Ländern ausstatte, dann sei es wohl besser, diese Ebene ganz abzuschaffen.84 Wörtlich heißt es dort weiter: „It seems strange to me that on one hand we talk about the dangers of centralism in our political reorientation program, and on the other, in our organization, practice the ultimate in centralism with all its evils. „ Diese Perspektive einer in seinen Augen verfehlten Politik, die für ihn auch einen persönlichen Statusverlust bedeutet hätte, gab vermutlich neben den finanziellen Gründen bei ihm den Ausschlag dafür, nachdem auch sein Mentor General Clay bereits am 15. Mai 1949 in die USA zurückgekehrt war,85 keine Fortsetzung seiner Tätigkeit in Bayern anzustreben.

Am Abend des 26. Oktober 1949 gab er ein Abschiedsbankett für 300 Gäste, an dem neben Ehard und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Müller auch der amerikanische Hohe Kommissar John J. McCloy teilnahm.86 Am Vormittag des 27. Oktober (Donnerstag) 1949 verabschiedete er sich offiziell von Ministerpräsident Ehard und den Mitgliedern der Staatsregierung. Bereits einige Tage zuvor hatte er dem Ministerpräsidenten in einem offiziellen Abschiedsschreiben vor allem dafür gedankt, daß er auch die zahlreichen kontroversen Dinge jederzeit mit ihm „on a rational basis"habe besprechen können.87 Van Wagoner lud Ehard ausdrücklich ein, ihn zu besuchen, sollte er einmal in die USA reisen.88 Auch nach seiner Rückkehr in die USA hielten Ehard und Van Wagoner brieflich Kontakt; ein persönliches Verhältnis hatte der Land Director auch zum Leiter der Obersten Baubehörde, Franz Fischer, entwickelt.89

Van Wagoner hatte seinen Reorientierungsauftrag in Bayern mit großem Engagement begonnen. Ein halbes Jahr nach Amtsantritt noch optimistisch,90 besaß sein Fazit Ende Oktober 1949 eine eindeutig pessimistische Grundierung, was den Erfolg der amerikanischen Demokratisierungsbemühungen betraf, für die er sich auf zahlreichen Bürgerversammlungen auch persönlich eingesetzt hatte.91 Es sei nicht in dem beabsichtigten Maße gelungen, so Van Wagoner in einem Abschiedsinterview für die Neue Zeitung „die deutsche Bevölkerung politisch verantwortungsbewußt zu machen“.92 Kritisch äußerte er sich auch zu der großen Zahl ehemaliger Parteimitglieder in einflußreichen Stellen der Staatsverwaltung.93 In seiner herzlich gehaltenen Abschiedsansprache über den Bayerischen Rundfunk, die mit den Worten „Auf Wiedersehen, Pfüat Euch Gott! „94 schloß, rief er die Bevölkerung ein letztes Mal dazu auf, „eifrig über ihre verfassungsmäßigen Rechte zu wachen und sich stets der Tatsache bewußt zu sein, daß sie die Macht über die Regierung in den Händen halte. „95 Neben dem unattraktiven Salär und den immer unbefriedigenderen Arbeitsbedingungen bei OMGB wird auch die Enttäuschung über das Erreichte mit ausschlaggebend dafür gewesen sein, daß der Land Commissioner mit Auslaufen seines Vertrages Bayern nach zwei Jahren wieder verließ.

IV. Schwerpunkte der Regierungstätigkeit

Rechtlicher Rahmen

Der staatsrechtliche Rahmen, in dem sich das Kabinett Ehard II 1947/1948 bewegte, war erneut von dynamischem Wandel gekennzeichnet.1 Dabei ergibt sich folgendes grob gerastertes Bild:

Die Bedeutung der Gesetzgebung des Kontrollrats, der 1948 durch den Rückzug der Sowjetunion seine wichtige Funktion verlor, ist nur noch an wenigen Stellen spürbar.2

Nur in wenigen jedoch zentralen Einzelfällen griff die amerikanische Militärregierung zu dem Mittel, Materien in ihrer Besatzungszone durch Militärregierungsgesetze bzw. -verordnungen zu regeln, die wichtigste davon war 1948 die Währungsreform.3

Die amerikanische Militärregierung behielt die letztinstanzliche Kontrolle über das legislative und exekutive Handeln der Staatsregierung sowie des Bayerischen Landtags und Senats.

Dem Bedeutungsverlust des Länderrats der US-Zone in Stuttgart und seiner Rechtsetzungstätigkeit steht der Bedeutungszuwachs der Legislativfunktion des Frankfurter Wirtschaftsrats für die Länder der Bizone gegenüber. An der Gesetzgebung auf bizonaler Ebene wirkte Bayern durch Abgeordnete im Wirtschaftsrat sowie durch Vertreter der Staatsregierung zunächst im Exekutivrat und seit Februar 1948 schließlich durch Mitglieder der Staatsregierung im Länderrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes mit.4 Auf dieser Ebene waren die amerikanische und die britische Militärregierung durch das Bipartite Control Office (BICO) an der Gesetzgebung beteiligt.5

Nachdem sich der Bayerische Senat am 4. Dezember 1947 als zweites an der Legislative beteiligtes Verfassungsorgan neben dem Bayerischen Landtag konstituiert hatte,6 hätte man eine stärkere Berücksichtigung dieser beiden Institutionen in den nach wie vor von normativen Materien dominierten Beratungen des Kabinetts erwartet. Im Ministerrat, der im übrigen von Anfang an ganz überwiegend die Gesetzesinitiative ausübte,7 spielten Landtag – hier verfügte die CSU über eine sichere Mehrheit – und Senat jedoch nur in wenigen Fällen als Faktor eine Rolle.

Dies galt mit Ausnahme der Beratung der Regierungserklärung 8 sowie des Themas Wohnungsbau9 im übrigen auch für die SPD-Opposition, der die Presse, bis zur Vorlage ihres Wohnungsbauprogramms (Plan A) Mitte 1948, das fieberhafte Aktivitäten auf Seiten der Regierung auslöste,10 durch einen Regierungsbauplan die Initiative auf diesem Gebiet zu behalten, bis dahin insgesamt eine „lahme Opposition“ attestierte.11 Nur beim politisch äußerst bedeutsamen Landeswahlgesetz referierte Kultusminister Hundhammer im Ministerrat auch die Position der SPD-Landtagsfraktion.12 Im Sommer 1948 beriet man ferner auf Anregung von Staatssekretär Lacherbauer darüber, die SPD in die Verantwortung für die Währungsreform einzubinden.13 Die am 29. März 1948 lizenzierte Bayernpartei und ihre Konkurrenz gegenüber der Regierungspartei CSU spielten angesichts ihres guten Abschneidens bei den Kommunalwahlen14 für die Haltung des Kabinetts Ehard II zur zweiten Neuordnung der Bizone15 sowie bei der Beratung über die Verteilung der bayerischen Sitze im Parlamentarischen Rat eine Rolle,16 SPD und BP ferner noch einmal im Zusammenhang mit einer Reaktion des Landtags auf die Frankfurter Dokumente.17

Das von der Verfassung vorgesehene Element der Volksgesetzgebung blieb stumpf, weil die rechtliche Grundlage für die Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheid nach Art. 72 und 74 der Bayerischen Verfassung bis zum Erlaß des Landeswahlgesetzes 1949 fehlte. KPD und SPD wiesen zwar mehrfach auf diesen Mißstand hin, der die staatsbürgerlichen Rechte der Gesamtbevölkerung empfindlich schmälere, ohne damit jedoch durchzudringen.18

Der Einfluß der Militärregierung auf die Landesgesetzgebung blieb auch 1948 unvermindert intensiv und konnte sich auf alle Stadien der Gesetzgebung erstrecken. Ein von der Staatsregierung beschlossener Gesetzentwurf wurde in jedem Fall OMGB, hier der Governmental Structures Branch bzw. der Legislation Branch,19 gleichzeitig mit der Vorlage an den Landtag zur Kenntnisnahme zugeleitet.20 In Einzelfällen – z.B. beim Rundfunkgesetz – wünschte die Militärregierung zunächst eine Vorlage des Entwurfs nur bei ihr. Erst danach und nach der grundsätzlichen Zustimmung von OMGUS, sollte dieser Entwurf dem Landtag zugeleitet werden.21

Dabei variierte die Einflußnahme auf Gesetze und Verordnungen von Fall zu Fall. Je nach ihrem Stellenwert auf der politischen Prioritätenliste der Amerikaner war auch der Verhandlungsspielraum der bayerischen Seite größer und in anderen Fällen geringer; dies galt 1948 zum Beispiel bei der Schulreform, konkret beim Erlaß des Gesetzes über die Schulgeldfreiheit.22 Zu Grad und Form der amerikanischen Einflußnahme hier einige Beispiele, die das Spektrum der Praxis erkennen lassen:

Das Rückerstattungsgesetz erließ OMGUS im November 1947 als Militärregierungsgesetz Nr. 59. Ehard hatte sich gemeinsam mit seinen Kollegen im Länderrat erfolgreich geweigert, für die Auswirkungen dieser gesetzlichen Regelung die Verantwortung zu übernehmen.23 Besonders hoch war der Druck ferner – wie erwähnt – bei den Gesetzentwürfen über die Schulgeldfreiheit sowie über die Lehr- und Lernmittelfreiheit,24 zentralen Elementen des amerikanischen Demokratisierungs- und Reformkonzepts. Ihre Vorlage ging auf einen Befehl der Militärregierung (OMGUS) zurück, der vor allem wegen seiner schroffen Form25 das Verhältnis zwischen Staatsregierung und Militärregierung stark belastete. In einem persönlichen Gespräch zwischen Clay und Ehard konzedierte der Chef von OMGUS angesichts des engen finanziellen Spielraums der Staatsregierung eine zeitlich gestreckte Umsetzung,26 ohne jedoch grundsätzliche inhaltliche Abstriche zu machen und Staatsregierung sowie Landtag27 den Erlaß der Gesetze zu ersparen, die eine Durchführung allein auf Basis eines amerikanischen Befehls vorgezogen hätten, damit die Verantwortlichkeit deutlicher erkennbar wäre.

Bei dem vom Landtag bereits verabschiedeten Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden für das Rechnungsjahr 194728 verlangte die Militärregierung substantielle Änderungen und Ergänzungen, unter anderem die Rückübertragung der Gewerbesteuer auf die Gemeinden zum 1. Januar 1948. Dieser Forderung verdankte das Gesetz über die Rückübertragung der Gewerbesteuer seine Entstehung.29 Der Erlaß einer Durchführungsverordnung zum Kontrollratsgesetz Nr. 51 (Kraftfahrzeugsteuer) erfolgte nur auf Verlangen der Militärregierung,30 deren Regelungsbedarf wohl generell über dem der Staatsregierung lag.

Beim Rundfunkgesetz hatte OMGB inhaltliche und zeitliche Vorgaben gemacht. Der Entwurf war im einzelnen mit der Militärregierung ausgehandelt worden. Hier schaltete sich OMGB sogar in die Ausschußberatungen des Landtags ein.31

Beim Haushaltsplan zwang die Militärregierung die Staatsregierung, diesen auszugleichen und setzte auch nach der Währungsreform rigorose Fristen für dessen Vorlage.32 Im Oktober 1948 schickte sie wegen der nicht fristgerechten Vorlage des Nachtragshaushalts – was bis dahin nicht üblich gewesen war – sogar einen Vertreter in den Haushaltsausschuß.33 Im November verzichtete sie dann mit Blick auf die Schwierigkeiten der Staatsregierung nach der Währungsreform auf die Vorlage des Nachtragshaushalts.34 In massiver Weise nahm OMGB auch Einfluß auf die Formulierung des Wahlsystems, wobei die Militärregierung die Persönlichkeitswahl besonders förderte: So ging die Einführung des Kumulierens und Panaschierens im bayerischen Kommunalwahlrecht auf ihren Wunsch zurück.35 Während der Beratung des Landeswahlgesetzes forderte der Leiter der Civil Administration Division, Albert C. Schweizer, ebenfalls eine Betonung der Persönlichkeitswahl und eo ipso des Mehrheitswahlrechts. Da dies jedoch im Widerspruch zu dem in der Verfassung fixierten Verhältniswahlgrundsatz stand,36 konnte sich die Militärregierung damit nicht durchsetzen.

Dem Interesse der Militärregierung an einem raschen Abschluß der Entnazifizierung im Jahr 1948 entsprach eine hohe Motivation der Mitarbeiter des Spruchkammerapparats. Das Gesetz zur Überführung der bei der politischen Befreiung tätigen Personen in andere Beschäftigungen, das die Übernahme der Mitarbeiter in den öffentlichen Dienst schließlich großzügiger regelte, als dies die Staatsregierung ursprünglich beabsichtigt hatte, stand daher von Anfang an unter erheblichem Zeitdruck und der Drohung, bei einem Scheitern die Übernahme durch amerikanischen Erlaß zu regeln.37 Beim Gesetzentwurf über die Wiedereinführung der Schwurgerichte drängte die Militärregierung darauf, die Sache in der US-Zone einheitlich zu regeln38 und infolgedessen den Bayerischen Landtag, das zunächst von ihm beschlossene abweichende Verfahren zu korrigieren.39 Mehrfach setzte die Militärregierung der Staatsregierung Fristen für die Vorlage von Gesetzen und Verordnungen.40

Die Reaktion der Staatsregierung auf die amerikanischen Einwände und Wünsche hing davon ab, von welcher Ebene sie kamen und welchen Stellenwert sie auf der politischen Prioritätenskala der Amerikaner einnahmen. Einer kritischen Bemerkung Ehards über den vorauseilenden Gehorsam der Verwaltungen und Gesetzgebungsorgane des Vereinigten Wirtschaftsgebietes gegenüber den Wünschen der britischen und amerikanischen Militärregierung41 ist zu entnehmen, daß die Staatsregierung 1948 selbstbewußter abwägte, inwieweit ein Entgegenkommen zwingend war.

„Ultima Ratio“ der amerikanischen Interventionen war die Aufhebung vom Landtag beschlossener und im Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlichter und damit in Kraft getretener Gesetze. 1947 waren diese massiven Interventionen von OMGB sichtlich von dem Bemühen geprägt gewesen, nach Möglichkeit verdeckt vorzugehen, um die junge bayerische Demokratie nicht öffentlich zu desavouieren. Nur in Ausnahmefällen hatte OMGB durch die Ablehnung eines Gesetzentwurfs oder den Befehl zur Aufhebung einer bereits in Kraft getretenen gesetzlichen Regelung zum Mittel der öffentlichen Maßregelung gegriffen.42

Eine ganze Reihe von Befehlen zur Aufhebung von Gesetzen und Verordnungen43 belegt, daß sie dieses Instrument 1948 wesentlich häufiger anwandte. Aufgehoben wurden von OMGB oft im Auftrag von OMGUS, aber auch in eigener Verantwortung vor allem Regelungen, die im Gegensatz zum strikten amerikanischen Verständnis von Gewaltenteilung standen und Körperschaften staatliche Funktionen44 beziehungsweise Exekutivorganen legislative Funktionen übertrugen.45 Ebenfalls Einwände erhob sie, wenn die Zuständigkeiten eines Organs der Exekutive – z.B. des Staatsbeauftragten für die Brennstoffversorgung46 – nicht eindeutig abgegrenzt waren.

Ferner schritt OMGB in Fällen ein, in denen die Staatsregierung Sachverhalte im Verordnungswege regelte, um damit eine Beteiligung des Landtags zu umgehen, die bei einer gesetzlichen Regelung notwendig gewesen wäre,47 beziehungsweise in Fällen, in denen zwar ein Gesetz erlassen wurde, jedoch die Regelung substantieller Dinge einer Durchführungsverordnung vorbehalten und auf diese Weise wesentliche gesetzgeberische Befugnisse – im Widerspruch zu Art. 70 (3) der Bayerischen Verfassung – der Exekutive übertragen wurden. Dies war z.B. beim Gesetz zur Ahndung der Schulversäumnisse der Fall.48 Nach Meinung der Militärregierung machte die Staatsregierung von diesen Möglichkeiten exzessiven Gebrauch und mißachtete damit die Legislative. Dies war mit ihrem Demokratieverständnis nicht vereinbar.

Eine zweite Kategorie waren Regelungen, die mit der amerikanischen Auffassung von Gewerbefreiheit kollidierten und die durch ihre abschließende Wirkung besonders die Flüchtlinge und Evakuierten benachteiligten. Dazu zählten die von der Militärregierung angeordnete Aufhebung des Gewerbelizenzierungsgesetzes (Gesetz Nr. 42)49 und der Niederlassungsordnung für Ärzte.50

Auch 1947/1948 wird in den Protokollen der überragende Einfluß des Militärgouverneurs der US-Zone, General Lucius D. Clay, auch für die bayerischen Verhältnisse deutlich.51 Seine Stimmungen, Auffassungen und Entscheidungen, seine Kritik und Fürsprache bestimmten die Entwicklung auf allen Ebenen.52 Wesentlich für die Stellung Ministerpräsident Ehards blieb sein privilegierter regelmäßiger Zugang zu Clay gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der US-Zone bzw. der Bizone. Ganz deutlich wird, daß man sich vor allem bemühte, bei Clay nicht den Eindruck entstehen zu lassen, Bayern verhalte sich gegenüber den Zielen der Militärregierungspolitik, zum Beispiel die Bizone effizienter zu gestalten, destruktiv.53 Auf der Kippe stand das Verhältnis zu Clay nach der Wahl des von der Militärregierung als Direktor der Verwaltung für Wirtschaft entlassenen Johannes Semler durch die CSU-Landtagsfraktion zum Abgeordneten des Wirtschaftsrats (18. 2. 1948), die der Chef von OMGUS als Provokation betrachtete. Daraufhin zitierte er – in seiner Dramatik ein Einzelfall – am darauffolgenden Tag Ehard, den CSU-Vorsitzenden Müller und Van Wagoner per Flugzeug nach Berlin. Dort forderte Clay, einen Ersatzmann für Semler zu wählen und drohte andernfalls mit Sanktionen. Staatsregierung und Landtagsmehrheit mußten nachgeben.54

Positiv vor allem für die von Ehard verfolgte föderalistische Politik war die frühzeitige Information der Ministerpräsidenten durch Clay über die nächsten Schritte der alliierten Verfassungspolitik, die den Regierungschefs der Länder einen Informationsvorsprung verschaffte.55 In der Frage der Lehrmittel- und Schulgeldfreiheit brachte das erwähnte persönliche Gespräch zwischen Ehard, der offenbar den richtigen Ton gegenüber dem General fand, und Clay einen Kompromiß. Dasselbe galt für die individuelle Regelung der Beurlaubung von Internierten für die Feier der Erstkommunion und Konfirmation.56 Andererseits bremste Ehard Erwartungen des Kabinetts, bei Clay etwas in der Ernährungsfrage erreichen zu können, da dieser hier stets sehr wenig zugänglich sei.57

Das Verhältnis zwischen Staatsregierung und Landtag war auch 1947/1948 von Spannungen gekennzeichnet. Dies betraf zunächst organisatorische Dinge wie Sitzungssäle für den Landtag in Ministerien,58 da die Unterbringung des Parlaments bis zum Bezug des Maximilianeums im Januar 1949 weiter von Provisorien geprägt war. Was die im Jahr 1948 anhaltenden Auseinandersetzungen mit der Stiftung Maximiliane um über eine vertragliche Fixierung der Nutzung des Gebäudes durch das Parlament betraf,59 setzte sich die Staatsregierung jedoch nachdrücklich für die Interessen des Landtags ein.60

Grundsätzlich bestimmt wurde das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive durch den Stil, mit dem die Staatsregierung gegenüber dem Landtag auftrat. Typisch dafür war die häufig unzureichende Präsenz der Ministerien in den Plenar- und Ausschußsitzungen, die dort als Geringschätzung des Parlaments interpretiert wurde.61 Diesen Mißstand nahm Ministerpräsident Ehard zum Anlaß, die Bestellung von Landtagsreferenten in den Staatsministerien anzuregen.

Eine Vormerkung der Landtagsreferentin des Wirtschaftsministeriums, Sieglinde Odörfer,62 über eine Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Landtags wirft ein bezeichnendes Licht auf die Verhältnisse:63 So beklagte der Vorsitzende Otto Schefbeck (CSU), zur Gründungssitzung des Aufbaurates64 sei der Landtag nicht eingeladen gewesen, „wie es ja überhaupt so gehandhabt würde, daß man über die Stromlage verhandle, nach Österreich fahre65 und Entscheidungen über Marshallplan-Mittel fälle,66 ohne daß der Landtag davon erfahre. (Zuruf aus dem Kreis der Abgeordneten: ‚Das haben sie noch von der Nazizeit her!‘) In anderen Ländern nähmen die Ministerpräsidenten zu wichtigen Besprechungen auch Abgeordnete der Parlamente mit, während bei uns der Landtag nur Ja und Amen sagen und die Mittel bewilligen dürfe.“

Im Mai 1948 entlud sich der aufgestaute Zorn des Parlaments gegenüber Regierung und Ministerialbürokratie, als auf der Regierungsbank nur ein Ministerialbeamter des Innenministeriums anwesend war, obwohl die Tagesordnung Vertreter mehrerer Ressorts erfordert hätte. Landtagspräsident Horlacher erinnerte an die parlamentarische Tradition vor 1933, vor jeder Sitzung durch die Staatskanzlei67 beim Landtagsamt und Landtagspräsidenten eine Liste der „bevollmächtigten Ministerialvertreter“ einzureichen, die, wenn ein Gegenstand aus ihrem Ressort verhandelt wurde, im Landtag anwesend zu sein hatten. Er forderte die Staatsregierung auf, hier wieder ein geordnetes Verfahren zu etablieren. Bei dieser Gelegenheit kritisierte Horlacher auch die generelle Behandlung der Volksvertretung durch die Bürokratie und protestierte dagegen, „daß bei öffentlichen Veranstaltungen das Landtagspräsidium nicht die Beachtung findet, die ihm als gleichrangige Stelle neben dem Ministerpräsidenten zukommt.“68

Einer Bemerkung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Stock war zu entnehmen, daß der Ältestenrat des Landtags bei seiner letzten Sitzung zu dem Ergebnis gelangt sei, in Zukunft werde es sich der Landtag nicht mehr gefallen lassen, „von der Staatsregierung so brüskiert zu werden.“69 Im September 1948 bemerkte der Berliner Tagesspiegel, der die bayerische Politik stets kritisch begleitete, der Landtag habe noch nie eine Diskussion über die großen Linien der bayerischen Politik geführt. Dies sei jedoch nicht auf einen Mangel an Köpfen zurückzuführen, sondern „ebensosehr auf die geschickte Taktik der Regierung, den Landtag bei allen wirklichen Entscheidungen auszuschalten“.70

Nur im September 1948 lautete ein Tagesordnungspunkt des Ministerrats ganz grundsätzlich „Vorbereitung der neuen Landtagssession“. Ehard schlug dort vor, bei der Wiedereröffnung des Landtags nach der Sommerpause die Leistungen in der Flüchtlingspolitik zu präsentieren und Stellung zur Schulreform, der Ernährungsfrage sowie zur Lohn- und Preisentwicklung zu nehmen, also den Landtag als öffentliches Forum zu nutzen.71 Dasselbe Motiv stand hinter seinem Appell an die Kabinettsmitglieder, bei der Etatrede des Finanzministers möglichst vollzählig im Landtag vertreten zu sein.72 Daß sich das Kabinett regelmäßig und strukturiert auf die jeweils nächste Landtagssitzung vorbereitete, war hingegen nicht der Fall.

Im September 1947 hatte der Ministerrat über den Mandatsverlust der Abgeordneten Strathmann und Haußleiter beraten.73 Nur einmal befaßte er sich mit einem Dringlichkeitsantrag,74 einmal mit der Reaktion auf einen Antrag der SPD (Wiederaufbauministerium)75, zweimal waren Anfragen von SPD bzw. CSU ausdrücklich Gegenstand der Beratung76 und in einem Fall die Beantwortung einer Interpellation (Rißbachüberleitung).77 Ferner ging die Behandlung der räumlichen Unterbringung der Kriegsbeschädigtenabteilungen der Bayerischen Landesversicherungsanstalten auf einen Antrag des Landtags, die Rehabilitierung des 1947 im Sonderministerium entlassenen Ministerialrats Messmer auf eine Eingabe von Landtagsabgeordneten zurück.78

Diese Ausnahmen belegen, daß der gute Vorsatz von Ministerpräsident Ehard in der ersten Sitzung dieser Regierung, „Man müsse jetzt auch sorgfältiger im Ministerrat die Landtagsvorlagen besprechen“,79 generell nicht beherzigt wurde. Ein Einzelfall war es auch, daß bei der Formulierung eines Gesetzes, hier zur Regelung des Jahresurlaubs der Arbeitnehmer, die zu erwartende Reaktion des Landtags auf einen bestimmten Passus eine wesentliche Rolle in den Überlegungen des Ministerrats spielte.80 Ebenso erstaunlich ist es, daß die Tätigkeit der zahlreichen parlamentarischen Untersuchungsausschüsse kein Thema der Beratungen war.81

Da es sich beim Kabinett Ehard II um eine CSU-Regierung handelte und Staatsminister Pfeiffer bei der Beratung der Regierungserklärung eine enge Koordination mit der CSU-Fraktion betont hatte,82 ist es ebenfalls verwunderlich, daß davon im Verlauf der Beratungen so gut wie gar nichts erkennbar wird. Als sich im Mai 1948 der CSU-Fraktionsvorsitzende Hundhammer und der Landesvorsitzende Müller darüber stritten, ob das Landeswahlgesetz vor der Zuleitung an den Landtag in der Fraktion oder im Landesvorstand der Partei zur Sprache kommen solle,83 war dies weniger eine Frage der Koordinierung als eine Machtfrage zwischen den innerparteilichen Kontrahenten. Bei der Beratung über die Auflösung des Verkehrsministeriums regte Ministerpräsident Ehard an, vor einer Beschlußfassung „die Meinung der Landtagsfraktion zu erforschen“.84

Hingegen verbat sich der Ministerrat ausdrücklich Eingriffe in die Exekutive85 bzw. die Übertragung von Exekutivfunktionen durch ein Gesetz auf den Landtag.86 Die Zuziehung von Landtagspräsident Horlacher zu den Sitzungen des Ministerrats bei den Themen Generalstreik, Neuordnung des Wirtschaftsrates und Reaktion auf das Verfassungsangebot der Westalliierten87 wird man weniger als Wertschätzung, denn als Instrumentalisierung des Parlaments interpretieren dürfen. Ganz deutlich war dies bei den Themen Wirtschaftsrat und Generalstreik: Ein Beschluß des Länderratsausschusses des Landtags sollte die Politik des Ministerpräsidenten gegenüber den Frankfurter Zentralisierungstendenzen unterstützen,88 eine Ernährungsdebatte im Landtag die durch das Ultimatum der Gewerkschaften geschaffene Krisensituation entspannen.89 Ehards Anregung, die Absetzung der Entwürfe über Sterilisierung und Refertilisierung sowie über Schwangerschaftsunterbrechung von der Tagesordung des Stuttgarter Länderrats zu beantragen, da man solche Materien nicht beraten könne, ohne die Volksvertretung zu beteiligen,90 war ebenfalls eher taktisch motiviert, da Bayern in diesen Fällen an einer Länderratsgesetzgebung nicht interessiert war.

Tatsächlich war die Bedeutung des Landtags im Vergleich zur Militärregierung für die Staatsregierung nur zweitrangig. Es stellt sich allerdings die Frage, ob ihre geringe Aufmerksamkeit, die sicher darauf beruhte, daß die Staatsregierung ihrem Selbstverständnis nach eher agierte als reagierte und teilweise sicher auch schlechter Stil war, wirklich insgesamt als Geringschätzung zu interpretieren ist. Vielleicht ergab sich eine Vernachlässigung vielmehr zwangsläufig aus der Dominanz der Entscheidungsebenen Militärregierung und Bizone.

Nach seiner Konstituierung am 4. Dezember 1947 hatte der Senat sich zunächst mit der Frage von nicht unerheblicher Tragweite zu befassen, ob die bis dahin vom Landtag beschlossenen Gesetze ohne seine Beteiligung überhaupt rechtswirksam zustande gekommen waren.91 Am 13. Januar 1948 beseitigte der Senat die bestehende Rechtsunsicherheit und attestierte den vor seiner Konstituierung beschlossenen Gesetzen Rechtswirksamkeit. Im Ministerrat wird diese wichtige Senatsentscheidung nicht erwähnt.

Von Anfang an wurde der Senat von der Staatsregierung nicht in dem von der Verfassung vorgesehenen – sehr begrenzten – Maße in die Gesetzgebungsarbeit einbezogen. Ehards Vorschlag Anfang März 1948, zum Rundfunkgesetz ein Gutachten des Senats nach Art. 40 BV einzuholen, stieß bei Kultusminister Hundhammer und Innenminister Ankermüller auf Widerspruch.92 Mit dem Entwurf des Schulorganisationsgesetzes93 lag dem Senat dann erstmals ein bedeutendes Gesetz vor der Weiterleitung an den Landtag zur gutachtlichen Stellungnahme vor.94 Seine Änderungsvorschläge wurden in diesem Fall vom Kultusministerium berücksichtigt. Die Kritik von Senatspräsident Singer an der insgesamt geringen Einbeziehung, die dieser von Beginn an und kontinuierlich erhob,95 verhallte ohne Resonanz. Es bleibt ein Paradoxon, daß gerade Ministerpräsident Ehard als einer der Väter des Senats bei den bayerischen Verfassungsberatungen keine besonderen Anstrengungen machte, diesen – wozu die Staatsregierung über Art. 40 der Verfassung die Möglichkeit besaß – in stärkerem Umfang am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen.

In einem gewissen Widerspruch zur generellen Praxis der Staatsregierung stand jedoch die Vehemenz, mit der er Landtagspräsident Horlacher zurechtwies, als dieser die verfassungsrechtlich zwingend vorgesehene Beteiligung des Senats an einem Gesetzgebungsverfahren nicht beachtet hatte.96 Ehard ging es hier jedoch offenbar darum, den Landtagspräsidenten in die Schranken zu weisen und um die peinlich genaue Beachtung der noch jungen Verfassung, wohl weniger um eine tatsächliche Stärkung der Rolle des Senats.

Über die Gesetzgebungstätigkeit im Stuttgarter Länderrat wurde verschiedentlich berichtet. Wie 1947 die Errichtung eines Kulturpolitischen Ausschusses, 97 lehnte Bayern im März 1948 die Bildung eines Polizeiausschusses in Stuttgart aus föderalistischer Überzeugung ab, da man Koordinierungssitzungen der Innenminister für ausreichend hielt.98 Trotz des Bedeutungsverlusts hielt Bayern an der Existenz des Länderrats fest, den man als föderalistisches Modell betrachtete.99

Ganz anders war dies in Bezug auf die Bizone. Die Länder waren zwar in deren zweite Neuordnung durch die Proklamation Nr. 7 (9. 2. 1948) von der amerikanischen und der britischen Militärregierung beratend einbezogen, jedoch auch diesmal weitgehend vor vollendete Tatsachen gestellt worden.100 Die Aufwertung des Gesandtengremiums Exekutivrat zu einer Repräsentation der politisch verantwortlichen Kabinettsmitglieder (Ehard und Seidel) war zwar ein Erfolg und ein Präjudiz für die Zusammensetzung eines künftigen Bundesrats aus weisungsgebundenen Mitgliedern der Landesregierungen. Ehard begrüßte dies auch, weil er mit der eigenwilligen Politik des bayerischen Bevollmächtigten Seelos unzufrieden war.101 Die keineswegs gleichberechtigte Beteiligung des Länderrats an der Gesetzgebung (suspensives Veto) bewertete er jedoch als unzureichend für ein echtes föderalistisches Organ.102 Außerdem betrachtete Ehard die institutionelle Verfestigung der zentralistischen Frankfurter Verwaltungen kritisch, die mit dem Verwaltungsrat103 „praktisch ein Kabinett“ darstellten,104 dem mit dem Oberdirektor ein Regierungschef vorstehe. Eine ebenso bedenkliche Entwicklung waren aus Sicht der Staatsregierung die Zubilligung eines Haushaltsrechts an den Wirtschaftsrat, ferner dessen Kompetenz, Unterbehörden zu errichten (Ehard: „Reichsvögte und Reichskommissare“).105 Als Motor der Zentralisierung und stärksten Feind des Föderalismus betrachtete die Staatsregierung die in den Frankfurter Verwaltungen stark vertretene ehemalige Reichsbürokratie 106 Bei der Neugestaltung entpuppten sich nicht nur der Wirtschaftsrat als Gegner Bayerns, sondern teilweise auch die vom Parteivorstand der SPD instruierten sozialdemokratischen Ministerpräsidenten.107

Die Aufwertung der bizonalen Organe führte insbesondere zu einer gesteigerten Gesetzgebungsaktivität des Wirtschaftsrats im Jahr 1948. Bereits im September 1947 wurde bemängelt, daß die CSU es versäumt habe, gute Leute als Abgeordnete dorthin zu entsenden – im Unterschied zur SPD – und daß der Kontakt zu den CSU-Abgeordneten und deren Einbindung in die Politik der Staatsregierung mangelhaft sei.108 Im Januar 1948 war dann davon die Rede, einen Teil der bayerischen Vertreter auszuwechseln gegen Personen, die über fundierte juristische, politische und fiskalische Kenntnisse verfügten.109 Die CDU, so hieß es ferner mehrfach, sei als Partner bei der Vertretung von Länderinteressen im Wirtschaftsrat ein Totalausfall.110 Am 30. Januar 1948 bezeichnete sie Minister Pfeiffer als „Wortführer des Zentralismus“ und erklärte, wenn man den von der CDU gestellten Vorsitzenden des Wirtschaftsrats Köhler nicht absetze, „gebe das Wasser auf die Mühlen der Bayernpartei und zwar einen riesigen Strom“.111

Auch auf der Ebene des Wirtschaftsrates spielten die Wünsche der Briten und Amerikaner für die Gesetzgebung eine wesentliche Rolle. So ging unter anderem der Erlaß des bizonalen Nothilfegesetzes zur Ermittlung, Erfassung und Verteilung von Lebensmittelbeständen vom 23. Januar 1948 (sog. Speisekammergesetz) auf den politischen Druck General Clays zurück.112 Bayern stellte vor und nach dem Inkrafttreten der Proklamation Nr. 7 die Zuständigkeit des Wirtschaftsrats,113 insbesondere dessen Gesetzgebungskompetenz für Sachgebiete, die über den für die Wirtschaftsverwaltung unmittelbar notwendigen Bereich hinausgingen, immer wieder gezielt in Frage, um kein Präjudiz zuungunsten der Länder entstehen zu lassen.114 Angesichts unklarer Abgrenzung der Kompetenzen lag die Entscheidung dann bei der Militärregierung (hier OMGUS).115 Der Ministerrat beriet in diesem Zusammenhang verschiedentlich über den Einsatz des suspensiven Vetos116 durch Ministerpräsident Ehard bzw. Wirtschaftsminister Seidel im Länderrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes. Wenn, wie im Falle der Kreditanstalt für Wiederaufbau, föderalistische Grundsätze mit den Interessen der Militärregierung kollidierten, verzichtete man pragmatisch auf einen Einsatz des Vetos.117

Im September 1948 wurde mit der Verwaltung für Arbeit des VWG die sechste bizonale Verwaltung errichtet. Gegen die unausweichliche Errichtung einer neuen Zentralverwaltung erhob sich kein Protest.118 Hingegen thematisierte das Kabinett erhebliche Bedenken gegenüber dem designierten Direktor, Anton Storch (CDU), der als Anhänger der Einheitssozialversicherung galt.119 Als Anfang Dezember 1948 die Errichtung eines bizonalen Preisamtes diskutiert wurde, lehnte Bayern dies ab.120

Aus Prestigegründen bemühte sich Ministerpräsident Ehard gemeinsam mit Vertretern der Stadt München erfolgreich um die Ansiedlung des bizonalen Patentamtes an der Isar.121 Dies geschah im übrigen gegen das Votum einiger Spitzenbeamter, die der Errichtung des Patentamtes in München keine politische Bedeutung attestierten.

Schwerpunkte

Die Regierung Ehard II hatte sich in den 15 Monaten bis Ende 1948 teilweise mit denselben aber auch mit ganz anderen Schwerpunkten zu befassen als ihre Vorgängerinnen. Themen erster Kategorie nach ihrer Bedeutung und ihrem Anteil an den Beratungen blieben das Verhältnis zur Militärregierung, die Lebensmittel- und Energieversorgung sowie die Flüchtlingsproblematik. Neu hinzu kamen zu dieser Gruppe der Umgang mit Streiks als Folge der Versorgungsengpässe, die Währungsreform – diese beiden Themen finden ihren Niederschlag in zahlreichen außerordentlichen Sitzungen, die auch Ausdruck der Krisensituation des Jahres 1948 sind – und die föderalistische Verfassungsdiskussion im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, der Übergabe der Frankfurter Dokumente sowie dem Beginn der Bonner Grundgesetzberatungen durch den Parlamentarischen Rat. Der Stellenwert der Entnazifizierung sank zugunsten des Themenkomplexes Wiedergutmachung.

Grundsätzlich änderte sich nichts am Klima im Verhältnis zwischen Staatsregierung und Office of Military Government for Bavaria 1947/1948, das von gegenseitigem Respekt geprägt blieb und weiterhin auf pragmatische Kooperation zum Besten des Landes setzte.122

Der bei der Gesetzgebung 1948 deutlicher erkennbare Konfrontationskurs von OMGB stellte eine Reaktion auf die selbstbewußter gewordene Staatsregierung dar, die in der Gewißheit, die Besatzungsmacht werde ihre Präsenz mehr und mehr reduzieren, begann, sich wieder direkter an deutschen Traditionen und den Interessen der einheimischen Bevölkerung zu orientieren anstatt an deren Vorgaben. Andererseits wurde im Wissen um die bisher begrenzten Erfolge amerikanischer Reformpolitik und die knapper werdende Zeit für zumindest punktuelle Erfolge auch das Vorgehen der Militärregierung deutlich ruppiger.123 Der daher entstehende Eindruck, die Militärregierung habe 1948 massiver in die Gesetzgebung eingegriffen als zuvor, täuscht jedoch möglicherweise und entsteht dadurch, daß die Meinungsverschiedenheiten offener ausgetragen wurden.

Ministerpräsident Ehard ärgerte wie schon 1947 der Zustand, als gewählte Regierung Landtag und Wählern gegenüber für Dinge verantwortlich zu sein, die auf Befehl der Militärregierung zurückgingen, ohne daß dies nach außen hin erkennbar war.124 Als Ehard das Kabinett über das Junktim zwischen Frankfurter Dokumenten und Besatzungsstatut informierte, bezeichnete er den Charakter der Militärregierung Mitte 1948 – angesichts seiner ansonsten maßvollen Art und zurückhaltenden Wortwahl erstaunlich drastisch – als „mehr oder weniger verschleierte Militärdiktatur“.125

Kritik am häufigen Eingreifen der Militärregierung im Jahr 1948 in die Gesetzgebung,126 durch das Abgeordnete, darunter der frühere Ministerpräsident Hoegner, die Autorität des Landtags beeinträchtigt sahen,127 mündete in einen Beschluß vom 23. Februar 1949128, Landtagspräsidium und Staatsregierung zu beauftragen, mit der Militärregierung Verhandlungen zu führen, um die nachträgliche Aufhebung bereits veröffentlichter Gesetze zukünftig zu vermeiden.

Land Director Van Wagoner rückte daraufhin Anfang März 1949 in einem SZ-Interview129 die Zahlen zurecht: von 325 Gesetzen, die der Landtag beschlossen habe, sei die Militärregierung lediglich in sechs Fällen gezwungen gewesen, sie ganz oder teilweise zu suspendieren: „In fast allen diesen Fällen war die Militärregierung zum Eingreifen gezwungen, weil der Landtag unberechtigterweise seine gesetzgeberischen Vollmachten an die Exekutive der Regierung abgab.“

Objekt der Kritik des OMGB war jedoch nicht nur die Gesetzgebung. Auch die Durchführung gesetzlicher Regelungen gab Anlaß zu Beanstandungen. Dies betraf zum Beispiel die Bodenreform. 130 Ferner zählten hierzu die Praxis des Beamtengesetzes vom 28. Oktober 1946,131 durch die, im Widerspruch zum Inhalt des Gesetzes, die Reform des Berufsbeamtentums nicht vorankomme, sowie erneut die mangelnde Unterstützung des Landespersonalamtes durch die Staatsregierung.132

Chefkritiker war der Leiter der Abteilung für politische Angelegenheiten, der Civil Administration Division (CAD), Albert C. Schweizer, der mächtigste und einflußreichste Mitarbeiter der bayerischen Militärregierung bis zu ihrer Auflösung 1949,133 der insgesamt die Linien der amerikanischen Demokratisierungspolitik in Bayern bestimmte,134 in der 1948 der Strategiewechsel von Re-education zu Re-orientation erkennbar wurde.135 Damit standen gleichberechtigt neben Kritik auch Maßnahmen zur positiven Verstärkung. Schweizer suchte dazu 1948 vermehrt das Forum der Öffentlichkeit und hielt von Presse und Öffentlichkeit vielbeachtete Radioansprachen, in denen er undemokratische Praktiken auf allen politischen Ebenen scharf kritisierte und die Bevölkerung zur Ausschöpfung ihrer demokratischen Rechte aufrief. Im November 1948 kritisierte er unter dem Titel „Heimlichkeiten in Regierung und Politik“ das intransparente Vorgehen bei der Wahl der bayerischen Delegierten zum Parlamentarischen Rat. 136 Positiv kommentierte er hingegen das neue Gemeindewahlrecht. 137

Auf einem Vortragsabend des Berufsverbandes der Architekten und Ingenieure setzte sich Schweizer, von Beruf Stadtplaner und in den USA Mitglied des für Raumplanungen verantwortlichen National Ressources Planning Board (NRPB), im Dezember 1948 ferner äußerst kritisch mit dem Zustand der Landesplanung in Bayern auseinander,138 die ausschließlich in staatlicher Regie liege, sich nicht um das Verständnis der Bevölkerung für die Planungen bemühe und die er als konzeptlos und Stückwerk bezeichnete.139

Land Director Van Wagoner war, wie bereits erwähnt, neben dem meist tadelnden Schweizer für die Abteilung Lob und Motivation zuständig. Dazu sprach er in zahlreichen Schreiben der Staatsregierung oder einzelnen Ressorts für bestimmte Leistungen ausdrücklich seine Anerkennung aus, so z.B. zur Vorbereitung der Gemeinde- und Kreiswahlordnungen,140 zur rechtzeitigen Vorlage des Staatshaushaltsplanes 1948,141 für Fortschritte bei der bayerischen Filmförderung142 oder die zahlreiche Teilnahme von Mitgliedern der Staatsregierung und Beamten am Jugendparlament in Hof.143

Wie schon 1947 beschäftigte auch 1948 die Krise der Lebensmittel- und Energieversorgung das Kabinett vielfach. Im Herbst 1947 beschloß der Ministerrat die Übernahme gewisser Haftungen, weil zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung erneut die Absenkung des Wasserspiegels des Walchensees über das eigentlich vertretbare Maß hinaus notwendig war.144 Im Mai 1948 drohte angesichts eines Streiks im Großkraftwerk Franken der Zusammenbruch der Landesversorgung.145 Der Energiemangel zwang zu Stromabschaltungen 146 und hemmte ab Oktober 1948 auch die industrielle Produktion.

Der Bau der Rißbachüberleitung 147 zur Steigerung der Stromerzeugung des Walchensee-Kraftwerks war 1948 durch die prekäre finanzielle Situation nach der Währungsreform148 und durch die Ansprüche Österreichs auf die Nutzung des Rißbachwassers bedroht. Die Klärung strittiger Punkte mit Österreich wurde dadurch erschwert, daß die Militärregierung selbst indirekte Kontakte zwischen Staatsregierung und österreichischen Stellen nicht zuließ.149 Anfang Juli 1948 konnte schließlich Ministerialdirektor Ringelmann den Verzicht Österreichs auf die Nutzung des Rißbachs im Ministerrat bekanntgeben.150

Das Kabinett beschäftigte ferner die Frage, durch welche Maßnahmen in Zukunft der weiter wachsende Strombedarf gedeckt werden sollte. Hinter der Kritik Wirtschaftsminister Seidels und Staatssekretär Fischers von der Obersten Baubehörde an der Stellung des Landeslastverteilers Leonhard Wolf,151 der in Personalunion auch Vorstandsvorsitzender des Bayernwerkes war, standen Konkurrenzdenken und grundsätzliche Auffassungsunterschiede über den einzuschlagenden Kurs in der Energiepolitik. Die Baubehörde setzte allein auf den Wasserkraftausbau. Das Konzept von Landeslastverteiler Wolf bestand aus mehreren Säulen: Wasserkraft, dem Bau von Dampfkraftwerken (Kohle) sowie dem Kauf von Strom im Rahmen der überregionalen und internationalen Verbundwirtschaft.152 Mit der Frage, in welcher Form der Kraftwerksausbau erfolgen und wie er finanziert werden sollte,153 hing ferner diejenige nach der Struktur der Elektrizitätsversorgung insgesamt zusammen. Die Vertreter der Exekutive orientierten sich auch nach Kriegsende am Ideal einer auf die Wasserkraft gestützten möglichst autarken Landeselektrizitätsversorgung, die der Federführung der Obersten Baubehörde unterstehen sollte, was auch föderalistischen Vorstellungen entsprach. Hier liegt der eigentliche Grund für den Dissens mit dem Vorstandsvorsitzenden des Bayernwerks, dessen Konzept wesentlich stärker privatwirtschaftlich orientiert war. Aus diesem Grund standen die Vertreter der Exekutive auch weiterhin den Aktivitäten des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerks (RWE) in Bayern skeptisch gegenüber.154 Ferner übten sie heftige Kritik an der Verhandlungsaufnahme der Innwerk AG mit Österreich ohne Erlaubnis der Staatsregierung, die sie als Eigenmächtigkeit bezeichneten.155

Im Jahr 1948 erreichte die Ernährungskrise ihren Höhepunkt. Bayern lag im Dauerstreit mit dem Direktor der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Hans Schlange-Schöningen, und dessen engstem Mitarbeiter Hans Carl Podeyn (SPD) – er galt an der Isar als Inkarnation der zentralistischen Ernährungspolitik der Bizone – über die Ablieferungsverpflichtungen an die übrigen Länder („Kartoffelkrieg“ im Winter 1947), die man als ungerecht und zu hoch empfand und denen keine entsprechenden Kompensationen z.B. in Form von Kohle gegenüberstanden.156 Mit dieser Frage hing auch der Rücktritt von Landwirtschaftsminister Baumgartner zusammen.157 Weil die Militärregierung die Weigerung, den als diktatorisch empfundenen Anordnungen Schlange-Schöningens nachzukommen, als Sabotage der Bizone betrachtete, hatte die Staatsregierung zwar wenig Spielraum. Da sie andererseits unter dem Druck der bayerischen Bauern stand und die Versorgung der einheimischen Bevölkerung zu gewährleisten hatte, sah sie sich trotzdem immer wieder zu taktischem Vorgehen gezwungen. Im Januar 1948 führte der Engpaß bei der Fettversorgung zum Generalstreik.158 Auch anschließend blieb vor allem die Fett- und Fleischversorgung kritisch; andererseits hatte Bayern hohe Viehlieferungen zu erfüllen.159 Als die Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als Reaktion auf angeblich zu niedrige Ablieferungen Bayerns (Brotgetreide) Anfang Dezember 1948 Weizen- und Zuckerlieferungen sperrte, ordnete Landwirtschaftsminister Schlögl Freigaben aus der Landesreserve an.160 Besondere emotionale Bedeutung besaß die Einschränkung der Bierversorgung durch ein erneutes Brauverbot beziehungsweise durch die Schieflage der Brauwirtschaft nach der Währungsreform.161

Verschärft wurde die Ernährungslage nach der Währungsreform durch die zeitweilig völlige Aufhebung der Bewirtschaftung auch für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Als eine Folge der zeitweisen Freigabe befürchtete Staatsminister Schlögl z.B. im Frühjahr 1949 eine erhebliche Lücke beim Saatgut.162 Wegen der starken Preissteigerungen und des daraufhin entstehenden öffentlichen Drucks (Streiks) ersetzte Schlögl den völlig freien Markt für bestimmte Produkte (z.B. Eier) sehr schnell durch sogenannte Marktregelungen163 (Marktordnungsgesetz)164 und kehrte zur Sicherstellung der Versorgung ab Oktober 1948 für bestimmte Nahrungsmittel auch wieder zur Bewirtschaftung zurück. Dies durchzuführen und zu kontrollieren erwies sich jedoch als äußerst problematisch165 und führte zu Protesten der Bauern.166 Unterschiedlicher Meinung war das Kabinett über die Notwendigkeit, zur Wiedereinführung der Bewirtschaftung einen Aufruf vor allem an die Bauern zu erlassen. Ministerpräsident Ehard hielt zunächst staatliche Anordnungen für ausreichend. Schließlich wurde doch ein Aufruf erlassen.167

Hamsterkäufe aus der britischen Zone in Bayern stellten ebenfalls ein Problem dar.168 Angesichts der Not beriet die Staatsregierung auch über Fett-Importe aus dem Ausland.169 Die Militärregierung machte ihre Importe von der Erfüllung der Ablieferungen und des bayerischen Erntesolls abhängig.170 Obwohl sich der Kostenanteil der Länder für Zubereitung, Lagerung, und Transport der unentgeltlich für die Schulspeisung zur Verfügung gestellten Lebensmittel erhöhte, hielt die Staatsregierung daran fest.171 Begleiterscheinungen der Lebensmittelnot waren 1948 in erster Linie Streiks, ferner die Fälschung von Lebensmittelmarken, 172 die sogenannten Schlemmerlokale, gegen die die Staatsregierung vorging,173 der Schwarzmarkt174 sowie rechtliche Maßnahmen gegen Wirtschaftsverbrechen.175

Flüchtlingsfragen blieben 1948 ein thematischer Schwerpunkt. Mit der Verordnung über die behördliche Organisation der Wohnraumbewirtschaftung und des Flüchtlingswesens vom 12. Oktober 1948 machte die Staatsregierung den ersten Schritt zur Auflösung der Flüchtlingssonderverwaltung und ihrer Integration in die allgemeine innere Verwaltung.176 Die Stellung Jaenikkes, auch sein Kabinettsrang, blieben erhalten. Die Regierungsflüchtlingskommissare verschwanden jedoch und auf der unteren Verwaltungsebene traten an die Stelle der bis dahin mächtigen und bei der Bevölkerung unbeliebten Flüchtlingskommissare Flüchtlingsämter, die integraler Bestandteil der Landratsämter wurden.

Im Staatssekretariat für das Flüchtlingswesen wurde Jaenickes 2. Stellvertreter Ziegler wegen Verletzung seiner Dienstpflichten entlassen.177 Sein 1. Stellvertreter Reitzner, der gleichzeitig stellvertretender SPD-Landesvorsitzender war, mußte aus politischen Gründen ausscheiden.178 Der Ministerrat hob die aus der Zeit der Koalitionsregierung stammende politische Stellvertretung im Flüchtlingswesen auf. Stellvertreter Jaenickes wurde nun mit Ministerialdirigent Adam ein Beamter.179

Insgesamt stieg die Zahl der Flüchtlinge 1948 noch einmal um 80000180 auf 1883000 an. Eine krisenhafte Situation entstand durch die neue große Ausweisungswelle von Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei.181 Von dort gelangten ferner nach der kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948 auch mehrere tausend als "Nationaltschechen“ bezeichnete Emigranten nach Bayern.182 Auch Flüchtlinge aus der Ostzone kamen weiterhin als sogenannte illegale Grenzgänger in nennenswerter Zahl.183 Kleinere Gruppen von Flüchtlingen kamen z.B. aus Dänemark.184 Die Bemühungen um einen Flüchtlingsausgleich185 innerhalb der US-Zone zur Entlastung Bayerns blieben erfolglos.

Das größte Problem war die Unterbringung der Flüchtlinge. Der Bau neuer Unterkünfte 186 und von Flüchtlingssiedlungen 187 kam nur äußerst schleppend voran. Ansprüchen der US-Army auf den Truppenübungsplatz Grafenwöhr mußten dort untergebrachte Flüchtlinge weichen.188 Angesichts der problematischen Unterbringung in den Flüchtlingslagern bemühte sich die Staatsregierung bei der Militärregierung auch um die Freigabe von Kasernen.189

Die Verschlechterung der Lage der Flüchtlinge nach der Währungsreform, von denen zehntausende in völlig überbelegten großen Grenzdurchgangslagern 190 und vielen kleinen Flüchtlingslagern untergebracht waren,191 führte zu Hungerstreiks.192 Diese Entwicklung hatte insgesamt eine Politisierung der Flüchtlinge zur Folge. An der Spitze von Aktivitäten, die der Ministerrat als „demagogisch“193 bezeichnete, stand der Vorsitzende des Lagerausschusses Dachau, Egon Herrmann,194 der den Versuch unternahm, sich über den Dachauer Lagerausschuß als Sprecher aller bayerischen Flüchtlingslager zu etablieren. Dieser Vertretungsanspruch wurde von der Staatsregierung unterbunden, gegen Herrmann ein Redeverbot verhängt und ein Strafverfahren eingeleitet. Die Flüchtlinge forderten im Herbst 1948 den Rücktritt von Staatssekretär Jaenicke. Unbeeindruckt von den Attacken aus Flüchtlingskreisen, der Nivellierung seiner Verwaltung und auch häufiger Isolierung in Sachfragen im Kabinett übte er jedoch sein schwieriges Amt weiter aus, ohne 1948 Zeichen von Resignation erkennen zu lassen.195

Die Wahl eines Notparlaments der Flüchtlinge,196 das sich neben dem von Parteienvertretern beschickten Hauptausschuß der Flüchtlinge und Ausgewiesenen konstituierte, durch den sich zahlreiche Flüchtlinge offenbar nicht vertreten fühlten, konnte die Staatsregierung dann jedoch nicht verhindern. Sie war allerdings nicht bereit, das Gremium, das Finanzminister Kraus als „Staat im Staate“ bezeichnete, als legitime Vertretung der Flüchtlinge anzuerkennen und verweigerte ihm zunächst auch finanzielle Unterstützung.197 Das Notparlament war auch eine Reaktion auf die Kommunalwahlen mit dem großen Erfolg der Flüchtlingslisten,198 dem keine entsprechende Repräsentation der Flüchtlinge im Landtag gegenüberstand, da die Militärregierung Flüchtlingsparteien auf Landesebene bis zur Gründung der Bundesrepublik nicht zuließ. Zum Ausgleich beabsichtigte das Notparlament, sich in Flüchtlingsangelegenheiten künftig direkt an die entsprechenden Landtagsausschüsse zu wenden.

Mit der Niederlassungsordnung für Ärzte beschränkte die Staatsregierung weiterhin die beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten der Flüchtlinge zugunsten der Einheimischen, stieß dabei jedoch auf den Widerstand der Militärregierung. Deren Vorwurf, sich gegen eine Tätigkeit der Flüchtlinge zu stemmen, bemühte sich die Staatsregierung mit Zahlen zur Beschäftigung der Flüchtlingslehrer und ihrer überproportionalen Verwendung in Behörden zu entkräften.199 Die Flüchtlingsbetriebe 200 – Motor der Flüchtlingsintegration und für den wirtschaftlichen Aufschwung insgesamt – hatten nach der Währungsreform in besonderer Weise mit Finanzierungsschwierigkeiten zu kämpfen.201 Die Staatsregierung half hier, indem sie eine staatliche Ausfallbürgschaft für Flüchtlingsproduktivkredite einräumte.202 Auf das Verlangen der tschechischen Regierung, den in Kaufbeuren ansässigen Firmen der Gablonzer Schmuckindustrie die Verwendung dieser Herkunftsangabe im Firmennamen zu untersagen, reagierte die Staatsregierung, indem sie ein völkerrechtliches Gutachten einholte.203

Ferner beriet die Staatsregierung über die Rückkehr der über 200000 nichtbayerischen Evakuierten in ihre Heimat.204 Auch die kritische Bewertung des auf bizonaler Ebene beratenen Ersten Gesetzes zum Ausgleich von Kriegs- und Kriegsfolgeschäden (Erstes Lastenausgleichsgeset) 205 durch die Staatsregierung gehört zu diesem Komplex. Zu Weihnachten rief Ministerpräsident Ehard die Bevölkerung zur Sammlung für die Flüchtlinge, Heimatvertriebenen, Heimkehrer aus der Gefangenschaft und die Ausgebombten auf.206 Die Frage der bayerischen Kriegsgefangenen in Frankreich kam auf die Tagesordnung, als ehemalige Kriegsgefangene, die sich in Frankreich freiwillig zur Arbeit verpflichtet hatten, vom Heimaturlaub in Bayern nicht mehr zurückkehrten und damit ihren Kameraden in den Gefangenenlagern schadeten.207 Die noch zu erwartende Zahl von über 200000 Heimkehrern aus der Kriegsgefangenschaft spielte im Kontext der Flüchtlingsproblematik eine wichtige Rolle.208 Sollte die Sowjetunion sie rasch in großer Zahl entlassen, fürchtete Ehard eine Katastrophe. Aber auch geringe Zahlen hatten bereits Auswirkungen auf die Belegung der Grenzdurchgangslager.209

Das Jahr 1948 brachte mit der Währungsreform und der daran gekoppelten Aufhebung der Bewirtschaftung210 die schärfste wirtschaftspolitische Zäsur der Nachkriegsjahre. Im März 1948 hatte das Kabinett darüber beraten, ob und in welcher Weise vor der Währungsreform noch ein Vorgehen gegen Warenhortung sinnvoll sei.211 Intensiv beschäftigte sich der Ministerrat mit der praktischen Durchführung der Währungsreform – Staatssekretär Müller wurde zum Staatsbeauftragten für die Währungsreform ernannt212 – und zog anschließend eine erste Bilanz.213 Gegen den Willen der Militärregierung setzte Ministerpräsident Ehard mit Rückendeckung des Kabinetts die Auszahlung der Kopfquote auch an Mittellose durch.214 Die Währungsreform veränderte die wirtschaftspolitischen Koordinaten grundlegend. Das galt auch für den Arbeitsmarkt: Statt Arbeitskräftemangel gab es nun Arbeitslosigkeit. 215 Die weitere Beratung von Zwangsmaßnahmen, um die Arbeitsmoral zu erhöhen und Arbeitsunwillige einer Tätigkeit zuzuführen, die ohne konkretes Ergebnis geblieben war, erübrigte sich nun.216 Angesichts der neuen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt schloß die Staatsregierung auch eine Lücke im Arbeitsrecht durch den Erlaß des Gesetzes gegen mißbräuchliche Massenentlassungen und Betriebsstillegungen. 217 Die Aufhebung der Bewirtschaftung führte zu einem rasanten Anstieg der Preise.218 Um dies auszugleichen, kam es nach Aufhebung des Lohnstopps219 auch zu einem deutlichen Anstieg der Löhne.220

Die schwere Mangellage im ganzen Jahr 1948 und die drastischen Preissteigerungen nach der Währungsreform führten 1948 zu einer starken Zunahme von Streiks. 221 Höhepunkt war der Generalstreik im Januar 1948, der eine ernste Existenzkrise für das Kabinett darstellte.222 Die Gewerkschaften warfen dem Kabinett Ehard II im Januar 1948 angesichts der erneuten Kürzung der Fettration grundsätzliches Versagen vor, verließen damit ihren bisherigen Solidaritätskurs gemeinsam mit Staatsregierung und Bauernverband,223 präsentierten einen Maßnahmenkatalog und verbanden diesen mit einem Ultimatum.224 Für Kultusminister Hundhammer waren ihre Forderungen ein revolutionärer Angriff auf die staatliche Autorität.225 In ihrer Antwort auf die Forderungen der Gewerkschaften wies die Staatsregierung vor allem das Ultimatum als unannehmbar zurück.226 Die Gewerkschaften riefen daraufhin, wohl auch um Herr der um sich greifenden Radikalisierung (wilde Streiks) zu bleiben und innerhalb der Arbeiterbewegung die Führung zu behalten, für den 23. Januar 1948 zu einem 24-stündigen Generalstreik auf.227 Bei den Beratungen des Kabinetts über die direkte Reaktion darauf spielte die Frage des Streikrechts der Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Beamte und Angestellte) eine besondere Rolle, das Finanzminister Kraus als Verstoß gegen ihren Diensteid228 bezeichnete und bei dessen Mißachtung er scharfe Sanktionen androhte. Ferner erörterte der Ministerrat die Kosten und Folgen des Streiks für die bayerische Wirtschaft.229 Dazu aufzurufen, den Streikaufruf nicht zu befolgen, hatte die Staatsregierung nicht den Mut. Stattdessen wies sie in ihrer Erklärung den Gewerkschaften die Verantwortung dafür zu, durch den Streik die wirtschaftliche Lage weiter zu verschlechtern, und schloß mit dem Appell: „Bewahrt Ruhe! Wer in dieser Notstunde arbeitet, dient dem Volke.“230 Bereits am Tage des Generalstreiks fand zwischen Vertretern der Staatsregierung unter Führung Ehards und der Gewerkschaftsspitze ein Treffen statt, bei dem weitgehender Konsens erzielt wurde.231 Diese Gespräche wurden fortgesetzt.232 Umstritten war, ob und in welcher Weise streikende Angehörige des öffentlichen Dienstes tatsächlich sanktioniert werden sollten. Ferner wurden verschiedene weitere Streikfolgen erörtert.233

Der bedeutende Anteil des bayerischen Ministerpräsidenten Ehard an der föderalistischen Gestalt des Grundgesetzes ist bekannt.234 Die Edition bestätigt die Aussage, daß er diese Politik relativ unabhängig und nur gestützt auf seine Staatskanzlei betrieben hat. Das Kabinett informierte er.235 Am Anfang des Verfassungsprozesses, nach der Übergabe der Frankfurter Dokumente (1. 7. 1948) und nachdem Ehard in der folgenden Kabinettssitzung seine Überlegungen für das Vorgehen auf der Rittersturzkonferenz der Ministerpräsidenten (8. – 10. 7. 1948) dargelegt hatte, kam es im Ministerrat zu ausführlichen Beratungen, die vom Protokoll wiedergegeben werden.236 Im Kabinett herrschte Konsens über die Bewertung des Ministerpräsidenten, daß trotz verschiedener Vorbehalte, von denen der Hinweis auf die Auswirkungen auf die Ostzone der bedeutendste war, Zeitpunkt und Bedingungen ideale Voraussetzungen boten, zu einer föderalistischen Bundesverfassung zu gelangen. Die Protokolle lassen hier auch einen detaillierten Einblick in die in Nuancen unterschiedlichen Auffassungen der politischen Protagonisten des Kabinetts, der Minister Hundhammer, Müller, Seidel, Pfeiffer und Kraus, zu. Anschließend informierte der Ministerpräsident den Ministerrat über den Ausgang der Koblenzer Beratungen.237 Bei der Behandlung des Gesetzes über den Parlamentarischen Rat herrschte Dissens darüber, ob es nicht taktisch klüger sei, die Bayernpartei bei der Vergabe der Sitze im Parlamentarischen Rat zu berücksichtigen, was schließlich abgelehnt wurde.238 Am 8. September 1948239 informierte der Ministerpräsident das Kabinett über den Beginn der Arbeit des Parlamentarischen Rates in Bonn. Dabei bewertete er die Vorarbeit des Herrenchiemsee-Konvents positiv, nahm zur Errichtung einer Dienststelle der Staatskanzlei in Bonn Stellung, die kritisiert worden war, und unterstrich das Monopol des Ministerpräsidenten gegenüber der Verfassunggebenden Versammlung – nach Rücksprache mit dem Ministerrat, woran Ehard sich jedoch nicht hielt240 – den Standpunkt Bayerns zu artikulieren.

Dem CSU-Landesvorsitzenden Josef Müller, der mit außenpolitischen Ambitionen in das Kabinett eingetreten war241 und der zuvor auf der Ebene des Wirtschaftsrates – ohne diesem selbst anzugehören – Wirksamkeit entfaltet hatte, gelang es nicht, Ehard während der Beratungen des Parlamentarischen Rates seine unangefochtene Stellung streitig zu machen. Es sieht so aus, als hätten die entschiedenen Vertreter des Föderalismus darauf geachtet, daß Müller, der in diesen Fragen eine weniger dogmatische Position vertrat, ihre Ziele durch öffentlichte Äußerungen nicht gefährdete. Darauf deutet ein Brief von Finanzminister Kraus an Ehard vom 6. September 1948, nachdem sich Müller in der „Abendzeitung“ am 28. August zur Regelung der Finanzhoheit in einer künftigen Bundesverfassung geäußert hatte.242 Kraus bat Ehard darin, die Angelegenheit, die er als unzulässige Einmischung in den Kompetenzbereich des Finanzministers betrachtete, zum Gegenstand einer Aussprache im Kabinett zu machen. Dem kam Ehard jedoch nicht nach. Der Ministerpräsident vermied es wohl insgesamt, den Ministerrat allzu häufig während des Verfassungsprozesses mit diesen Fragen zu befassen. Damit verhinderte er eine breitere Diskussion sowie einen stärkeren Einfluß der Kabinettsmitglieder auf sein Konzept und sein Vorgehen.

Insofern und weil nun mit Claus Leusser der beste Protokollant von Ehard zur ausführlichen Berichterstattung über den Gang der Verhandlungen des Parlamentarischen Rates nach Bonn geschickt worden war, sind die Aufschlüsse, die die Protokolle über den bayerischen Anteil an den Bonner Grundgesetzberatungen enthalten, selten und fallen dann recht knapp aus.243 Nur in der Sitzung vom 6. November 1948244 beteiligte der Ministerpräsident den Ministerrat 1948 noch einmal, indem er ihn einen Entwurf beraten ließ, der die Position Bayerns zur Gestaltung der Finanzverfassung des Grundgesetzes bestimmte.

Zu Beginn dieses Kabinetts dominierten im Rahmen der Entnazifizierung noch wie 1947245 die Schwierigkeiten bei der Besetzung der Spruchkammern mit juristisch vorgebildetem Personal.246 Beraten wurde ferner über die Nacherhebung von Gebühren für die Weihnachtsamnestie. 247 Nach der abrupten Kehrtwendung der Militärregierung in der Entnazifizierungsfrage im Frühjahr 1948, von der die Staatsregierung überrascht wurde, stand das Thema dann unter dem Schlagwort: beschleunigte Abwicklung.248 Dazu wurden Bestimmungen das Befreiungsgesetzes (BefrG) drastisch gelockert, unter anderem das Beschäftigungsverbot.249 Der Abbau betraf insbesondere die Spruchkammern und ihr Personal, das durch das Gesetz zur Überführung der bei der politischen Befreiung tätigen Personen in andere Beschäftigungen ganz überwiegend die Garantie auf Übernahme in den öffentlichen Dienst erhielt.250 Auch die Auflösung des Sonderministeriums stand bereits zur Debatte, wurde jedoch vertagt.251 Die Militärregierung hatte bereits Ende August 1948 die Entnazifizierungsabteilung (Special Branch) von OMGB mit sämtlichen Außenstellen aufgelöst. Zur Verbindung mit dem Sonderministerium bestand nur noch ein Büro des „Beraters in Entnazifizierungsangelegenheiten“, William E. Griffith, der zuvor an der Spitze von Special Branch gestanden hatte.252

Nachdem die Militärregierung noch im Februar 1948 die Verhaftung bestimmter nationalsozialistischer Personengruppen und ihre Einweisung in die Internierungslager ultimativ verlangt hatte,253 konnten im Laufe des Jahres 1948 die meisten Internierten entlassen254 und die Mehrzahl der Internierungslager bis zum 1. Oktober geschlossen werden. Ihre Wiederbelegung mit Flüchtlingen wurde durch Plünderungen erschwert.255

Bei der Formulierung des Gemeinde- und des Landkreiswahlgesetzes beriet der Ministerrat Anfang 1948 darüber, ob und für welches Amt Mitläufern das passive Wahlrecht zugebilligt werden könne. Das Ergebnis war, ihre Wahl zum Bürgermeister zuzulassen, jedoch nicht zum Landrat.256 Nach der Wahl gab es mehrfach Klagen, daß Personen mit höherer Einstufung doch zu Bürgermeistern und sogar zu Landräten gewählt worden waren.257

Auch die besonders große Zahl von Wiedereinstellungen von Beamten des höheren Dienstes, die das Kabinett Ehard II 1947/1948 behandelte,258 steht im Zusammenhang mit dem nahen Abschluß der Entnazifizierung. Nach der Lockerung der Grundsätze war nun auch wieder die Hereinnahme einer großen Zahl von Mitläufern möglich, für die ein Jahr zuvor der Status eines Beamten auf Lebenszeit noch unerreichbar gewesen war.259 Finanzminister Kraus brachte die mehrheitliche Auffassung der Staatsregierung zum Ausdruck, als er feststellte: „wenn man die Verwaltung aufbauen wolle, müsse man allmählich die Mitläufer wieder herein nehmen.260 Was man an Unbelasteten habe zusammenkratzen können, habe man schon hereingenommen.“261 Uneinig war man sich im Kabinett vor der Wende der Militärregierung in der Entnazifizierung darüber, was man ihr an Mitläufern zumuten konnte, ohne ihren grundsätzlichen Widerwillen zu erregen. Daher erhielt auch ein Antrag der Obersten Baubehörde, Beamte, die aufgrund des Hoegnerschen Erlasses vom 9. November 1945 als NSDAP-Mitglieder aus dem Ministerialdienst entlassen worden waren, generell wieder verwenden zu können, also eine Generalklausel, keine Zustimmung.262 Einige Kabinettsmitglieder sprachen sich ferner dafür aus, Mitläufer bei der Wiedereinstellung zunächst zurückzustufen.263 Die SPD versuchte diese Entwicklung („Renazifizierung“) politisch zu instrumentalisieren.264 In diesen Zusammenhang gehört weiterhin die Rehabilitierung des Regierungspräsidenten Stock. 265 Auch die finanzielle Regelung für Warte- oder Ruhestandsbeamte und deren Hinterbliebene sowie die Versorgung der entfernten Beamten und ihrer Hinterbliebenen,266 die zunächst ohne jegliche Bezüge geblieben waren, ist Teil dieses Komplexes.267

In dem Maße, in dem der Stellenwert der Entnazifizierung sank, stieg die Bedeutung der Wiedergutmachung. 268 Dies betraf verschiedene Regelungen: das von der Militärregierung erlassene Rückerstattungsgesetz,269 das Entschädigungsgesetz,270 ein Gesetz über vorläufige Entschädigung für politische Haft,271 das im Mai 1948 vom Landtag angenommene Gesetz über Gewährung eines bezahlten zusätzlichen Urlaubs für Opfer des Faschismus,272 die Beseitigung nationalsozialistischen Unrechts an Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienst, die vom Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (7. 4. 1933) etc. betroffen waren, analog zu der bereits 1946 getroffenen Regelung für Beamte,273 und die Frage der Verwendung des Lagers Dachau,274 seines Inventars275 sowie insbesondere des sogenannten Kräutergartens des ehemaligen Konzentrationslagers.276 Vertreter der VVN277 und Staatskommissar Auerbach forderten den Betrieb dieser Anlage in Regie der ehemaligen Häftlinge, denen sowie ihren Hinterbliebenen auch die Erträge zugute kommen sollten. Kultusminister Hundhammer setzte sich mit der pachtweisen Zuweisung der Einrichtung für Forschungs- und Lehrzwecke an die Universität München durch. Auch die Beseitigung der nationalsozialistischen Hinterlassenschaft im Bereich des Rechts kam mit der Auflösung des Reichsnährstandes voran.278

Organisatorisch beschloß der Ministerrat zunächst Ende 1947 die Unterstellung des bisher der Staatskanzlei nachgeordneten Bayerischen Landesamtes für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung unter das Finanzministerium.279

Die Anfang November 1948 mit der Verordnung über die Organisation der Wiedergutmachung 280 erlassenen organisatorischen Veränderungen zielten darauf, das Staatskommissariat für die rassisch, religiös und politisch Verfolgten 281 aufzulösen und die Wiedergutmachung in die reguläre Staatsverwaltung einzufügen.Staatskommissar Philipp Auerbach, künftig mit der Bezeichnung Generalanwalt, sollte ferner insofern entmachtet werden,282 als die Vergabe von Geldern künftig lediglich von ihm beantragt, jedoch von der Regelungs- und Verwaltungsabteilung bewilligt werden sollte, an deren Spitze ein Staatsbeamter stand. Kritik an dieser „Degradierung“ Auerbachs kam von Seiten der Opferverbände und der Militärregierung, die daher Anfang Juni 1949 die Verordnung über die Organisation der Wiedergutmachung wieder aufhob.283

Das Motiv, Auerbach Ende 1948 an die kurze Leine zu nehmen und ihn in seiner neuen Funktion auch dem Disziplinarrecht zu unterstellen,284 liegt zum einen in seiner unorthodoxen Amtsführung. Häufig hielt er sich nicht an die in der Staatsverwaltung geltenden formalen Regeln (z.B. Umgehung des Dienstweges285 ) und geriet dadurch bei der Staatsregierung und auch der Militärregierung zunehmend in Mißkredit.286 In wesentlich stärkerem Maße für Reibungsflächen sorgte jedoch, daß er das Aufgabenspektrum des Staatskommissariats, dessen Rechtsstellung von Anfang an nicht präzise bestimmt worden war,287 sehr weit definiert hatte,288 daher vielfach mit Ansprüchen und Forderungen an die Staatsregierung herantrat und dabei auch nicht mit Kritik sparte. Problematisch waren hier im Grunde weniger die Inhalte, als die Form, in der er – Auerbach war in Personalunion seit Ende 1946 auch Präsident des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und SPD- sowie zeitweise prominentes VVN-Mitglied289 – äußerst selbst- und machtbewußt agierte und, so Ministerpräsident Ehard wörtlich, eine selbständige Politik machte.290 Dies entsprach in keiner Weise dem Bild, das Ehard und die Mitglieder seines Kabinetts von einem nachgeordneten Behördenleiter besaßen, als den sie ihn betrachteten.291

Auerbachs Anspruch auf Lager und Kräutergarten Dachau wurde schon erwähnt. Selbstverständlich meldete er sich zur Schändung jüdischer Friedhöfe zu Wort, da eine Abteilung des Staatskommissariats für deren Pflege zuständig war.292 Nach Auffassung der Staatsregierung zog er dabei jedoch nicht mit ihr an einem Strang, vielmehr hatte er sich „bereits an General Clay gewandt und Stimmung gegen Bayern gemacht“.293 Seine Stellung zeichnete sich dadurch aus, daß er wie der Ministerpräsident direkten Zugang zu Clay besaß.294 Da er sich in Entnazifizierungsfragen ganz allgemein für zuständig erklärt hatte, intervenierte er in Einzelfällen auch bei Beamtenernennungen, sehr zum Unwillen von Wirtschaftsminister Seidel und Ministerpräsident Ehard.295 Natürlich nahm Auerbach qua Amt auch zu allen gesetzlichen Regelungen im Rahmen der Wiedergutmachung Stellung; an der Entstehung des Entschädigungsgesetzes wirkte er in einem Sonderausschuß des Stuttgarter Länderrats mit.296 Als dort der Entwurf über vorläufige Entschädigung für politische Haft beraten wurde, brachte er die Staatsregierung zu deren Ärger durch seine Informationspolitik in Zugzwang.297 Zur Einziehungsverordnung (Verordnung über Einziehung, Verwaltung und Verwertung von Vermögen und Vermögenswerten nach dem Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus) unterbreitete Auerbach dem Ministerrat unter Hinweis darauf, bisher zu deren Formulierung nicht herangezogen worden zu sein, in schroffem Ton die Forderung, die Wiedergutmachungsbehörden stärker an der Durchführung zu beteiligen.298 Nachdem bei den bayerischen Kommunalwahlen zahlreiche ehemalige Nationalsozialisten gewählt worden waren, legte er der Staatsregierung einen eigenen Gesetzentwurf „zur Sicherung der demokratischen Verwaltung“ vor.299 In diesem Fall griff die Staatsregierung, die selbst über Maßnahmen nachdachte, auf welchem Wege die Wahl von Nationalsozialisten rückgängig gemacht werden könnte, Auerbachs Initiative zwar auf. Die Vorlage eines eigenen Gesetzentwurfs, ein Privileg der Verfassungsorgane, zeigt jedoch erneut seine mit dem Bild der Staatsregierung nicht auf einen Nenner zu bringende Selbsteinschätzung mit dem Anspruch auf einen den Kabinettsmitgliedern ebenbürtigen Rang.

Der Unterhalt der in Lagern untergebrachten Displaced Persons ging zum 1. Oktober 1947 auf die Staatsregierung über.300 Sie führte deren bevorzugte Versorgung allerdings nur auf Druck der Militärregierung aus.301 Mehrfach war die Schändung jüdischer Friedhöfe 302 Thema im Ministerrat. Ein Beschluß, nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens, einen Aufruf an die Bevölkerung zu erlassen, kam nicht zustande. Ministerpräsident Ehard erklärte, dadurch würde antisemitischen Strömungen zu großes Gewicht gegeben. Wirtschaftsminister Seidel vertrat die Auffassung, die Zerstörungen seien kein Anzeichen für Antisemitismus,303 sondern provokatorische Akte terroristischer Kreise. In diesem Zusammenhang muß auch die Absicht von Landwirtschaftsminister Schlögl erwähnt werden, im Oktober 1948 gegen jüdische Viehhändler und Metzger vorzugehen, die er als Urheber der Krise in der Fleischversorgung betrachtete.304

Eine neue Qualität erhielt die krisenhafte Situation im Herbst 1948 durch die nun sehr deutlich werdende Haushalts- und Finanzkrise, welche die Energieund Ernährungskrise sowie die Flüchtlingsproblematik verschärfte.305 Finanzminister Kraus ließ an Drastik bei der Beschreibung der dramatischen Situation nichts zu wünschen übrig.306 Nach der Währungsreform war das Geld der öffentlichen Haushalte knapp. Die Steuereinnahmen gingen zurück und insbesondere die Besatzungskosten,307 die nach unterschiedlichen Berechnungen (Kriegsfolgelasten insgesamt bzw. reine Besatzungskosten) zwischen 30 und 40% des Gesamtetats ausmachten,308 drohten die Handlungsfähigkeit des Staates zum Erliegen zu bringen und zum Kollaps zu führen. Es verwundert daher nicht, daß Haushaltsfragen die Staatsregierung 1947/1948 intensiv beschäftigten.309 Die Militärregierung machte weiterhin rigide zeitliche und inhaltliche Vorgaben und forderte ausgeglichene Haushalte.310 Nach der Währungsreform – der letzte Haushaltsplan war auf RM-Grundlage aufgestellt worden-, arbeitete die Staatsregierung übergangsweise für das 3. und 4. Rechnungsvierteljahr 1948 mit Betriebsmittelplänen. 311 Die Antwort des Finanzministers auf die Krise war ein rigider Sparkurs, der unter anderem den Spielbetrieb des Münchner Staatsschauspiels in Frage stellte,312 und öffentlich sowie auch im Kabinett auf Widerstand stieß. Aber auch Fälle, wie das Pensionskürzungsgesetz, das aus politischen Rücksichten zurückgestellt wurde,313 oder die Ernennung von Schulräten,314 hier beschloß die Ministerratsmehrheit gegen sein entschieden vorgetragenes Votum Mehrausgaben, brachten ihn nicht von seiner monetären Linie ab.

Vor und nach der Währungsreform fielen ebenfalls für die langfristige ökonomische Entwicklung bedeutsame Entscheidungen auf dem Bank- und Kreditsektor. Der Ministerrat beriet über den Sitz der Bank Deutscher Länder 315 und die Struktur der Kreditanstalt für Wiederaufbau 316 sowie die Auswirkungen, die deren Existenz auf den bayerischen Kapitalmarkt haben würde, ferner über die bayerische Vertretung im Verwaltungsrat der Kreditanstalt.317 Weiterhin genehmigte das Kabinett den Hypothekenbanken wieder die Emission von Pfandbriefen318 und beriet ferner über die Genehmigung zur Errichtung der Bayerischen Warenbörse in München.319

Seit der Formulierung der Regierungserklärung 320 prägte Wirtschaftsminister Seidel den wirtschaftspolitischen Kurs. Zur Umsetzung des Marshall Planes äußerte er die ernste Besorgnis, daß sie von Frankfurt aus ohne Fühlungnahme mit den Ländern geplant werde und der Beitrag der deutschen Wirtschaft lediglich darin bestehe, die Industrie der anderen europäischen Länder mit Rohstoffen zu versorgen.321 Im Herbst 1948 formulierte er die Vorbehalte der Staatsregierung gegenüber dem vom Direktor der Verwaltung für Wirtschaft Ludwig Erhard betriebenen stufenlosen Übergang zur Marktwirtschaft,322 insbesondere weil die freien Marktpreise massive Preiserhöhungen nach sich gezogen hatten.323 Eine Gegenmaßnahme stellte die Verbesserung der Marktversorgung mit STEG-Waren dar,324 die die Besatzungsmächte den Ländern überlassen hatten.

Auch die von der Militärregierung im Dezember 1948 im Zusammenhang mit dem Übergang zur Marktwirtschaft angeordnete Gewerbefreiheit durch die Aufhebung des Gesetzes Nr. 42325 war der Staatsregierung viel zu radikal; besonders bedroht sah man davon das Handwerk. Ähnlich wie der Wirtschaftsrat mit seinem Gewerbezulassungsgesetz, das von BICO zurückgewiesen wurde, bemühte sich der Ministerrat mit dem Entwurf eines vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Gewerbelockerungsgesetzes vergeblich darum, der Militärregierung entgegenzukommen,326 um eine vollständige Gewerbefreiheit zu verhindern.

Auf Vorschlag Seidels beschloß der Ministerrat Maßnahmen zur Förderung des Handwerks. Dazu wurden vor allem die Kompetenzen in einer Abteilung des Wirtschaftsministeriums zusammengefaßt.327 Ende September legte der Wirtschaftsminister den Entwurf eines Handwerksgesetzes vor, der allerdings durch die Anordnung der Gewerbefreiheit überholt wurde.328

Demontagen und Restitutionen (Rücklieferung während des Krieges nach Deutschland verbrachter Maschinen etc.)329 stellten auch 1948 eine nennenswerte Belastung der bayerischen Wirtschaft dar. Mit Spannung wurde vom Kabinett Ehard II kurz nach Amtsantritt die endgültige Liste der 88 Demontagebetriebe erwartet.330 Zur besseren Koordination setzte die Staatsregierung auf Verlangen der Amerikaner im Februar 1948 einen Staatsbeauftragten für Reparationsangelegenheiten ein.331 Zu diesem Komplex gehörte auch das Holzexportprogramm (vor allem Grubenholz nach Großbritannien).332 Ein besonderer Aspekt war die rechtlich zweifelhafte Rückerstattung von Kunstwerken nach Italien.333

Nach dem Wechsel von Staatssekretär Sedlmayr vom Wirtschafts- in das Verkehrsministerium übernahm auf Vorschlag Seidels der Landtagsabgeordnete Heinrich Emmert334 das von Sedlmayr bis dahin versehene Amt des Staatsbeauftragten zur Durchführung des Art. 160 der Verfassung (Sozialisierung). Das Gesetz zur Sicherung der Brennstoffversorgung und zur Förderung der Braunkohlenwirtschaft (Zweites Gesetz zur Durchführung des Art. 160 der Bayerischen Verfassung),335 das sich zwar vom Sozialisierungsartikel ableitete, wurde jedoch in erster Linie zur Behebung der aktuellen Brennstoffnot erlassen. Angesichts der Errichtung der Deutschen Kohlenbergbauleitung durch Amerikaner und Briten und deren unscharf formulierten Kompetenzen hatte sich die Beratung dieses Entwurfs zunächst verzögert.336 Die Stoßrichtung des vom Ministerrat beratenen Dritten Gesetzes zur Durchführung des Art. 160 der Bayer. Verfassung 337 zielte vor allem darauf, Unternehmen wie dem RWE und der BAWAG im Sinne des bayerischen Landeselektrizitätsversorgungskonzepts338 die in den Jahren des Nationalsozialismus erteilten Vorkonzessionen zum Bau von Wasserkraftwerken wieder zu entziehen. Ein ideologisches Interesse an der Umsetzung des Sozialisierungspostulats der Verfassung339 hatte das Kabinett Ehard II nach dem Austritt der SPD nicht mehr.

Die Frage der Beibehaltung einer eigenen Industrie- und Handelskammer in Aschaffenburg,340 die von Würzburg aus heftig bekämpft worden war, wurde unter anderem nach dem energischen Einsatz des ehemaligen Aschaffenburger Landrates und jetzigen Wirtschaftsministers Seidel 1948 positiv entschieden.341 Über die Zuordnung des Landkreises Miltenberg zu einer der beiden unterfränkischen Kammern entschied eine Abstimmung, die eine Mehrheit zugunsten der IHK Aschaffenburg ergab.

Zum Wiederaufleben des Fremdenverkehrs 342 gehörte auch die erstmalige Beratung des Ministerrats über die Errichtung von Spielkasinos. 343

Aus dem Arbeitsbereich des Staatsministeriums des Innern nahm die Schaffung der rechtlichen Grundlagen für Wahlen auf allen Ebenen besonders viel Raum ein.344 Besonderes Gewicht besaß die Behandlung des Landeswahlgesetzes. 345 Dessen Beratung ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, daß sich die politische Dimension eines Gesetzgebungsverfahrens kaum aus den von juristischen Erwägungen geprägten Erörterungen des Ministerrats herauslesen läßt. Die SPD hatte nämlich Anfang Oktober 1948 beschlossen, sofort nach der Verabschiedung des Gesetzes eine Landtagsauflösung – die sie damit zum dritten Mal im Laufe von zwölf Monaten anpeilte346 – per Volksentscheid herbeizuführen.347 Die SZ attestierte dieser Absicht wegen der Wirtschafts- und Ernährungspolitik der Frankfurter Verwaltungen, für die die CSU als Frankfurter „Regierungspartei“ von weiten Kreisen in Bayern mitverantwortlich gemacht wurde, gute Erfolgsaussichten.348 Auch die Zurückweisung der von SPD und BP in diesem Zusammenhang im Oktober 1948 gegenüber Ehard erhobenen Rücktrittsforderung wird ebensowenig erwähnt349 wie die inhaltlichen Forderungen der Militärregierung.350 Die Regelung verschiedener rechtlicher Materien im Zusammenhang mit den Gemeinde- und Kreistagswahlen 351 nimmt ebenfalls breiten Raum ein.

Die finanziellen Verhältnisse zwischen Freistaat und Gemeinden spielten beim Gesetz über die Schulgeldfreiheit,352 beim Trümmergesetz 353 sowie bei der Regelung des kommunalen Finanzausgleichs eine Rolle.354 Dabei zeigte die Staatsregierung wenig Verständnis für die ebenfalls kritische finanzielle Situation der Gemeinden. Auf Weisung der Militärregierung wurde den Gemeinden durch das Gesetz über die Rückübertragung der Gewerbesteuer zum 1. Januar 1948 diese wichtige Einnahmequelle jedoch wieder zugewiesen.355

Bereits im Mai 1947 hatte der Ministerrat einen Gesetzentwurf verabschiedet,356 durch den die behördliche Organisation des Bau- und Wohnungswesens, wofür bislang mehrere Ressorts zuständig waren, wieder in der Obersten Baubehörde (OBB) zusammengefaßt werden sollte. Gegen die Konzentration der Baukompetenzen in der OBB gab es jedoch weiterhin Widerstände.357 Ihre Errichtung im Bayerischen Staatsministerium des Innern kam erst durch das Gesetz Nr. 112 über die behördliche Organisation des Bauwesens und des Wohnungswesens vom 9. April 1948 zustande. Sie trug die Verantwortung für den dringend notwendigen Wohnungsbau und den Wiederaufbau in der Industrie.358 Geprägt wurde das Jahr 1948 vor allem vom Mangel an Baustoffen. Hier bemühte sich der Leiter der OBB, Staatssekretär Fischer, durch ein Baustoffnotgesetz, das auch einen Hebel gegen Schwarzbauten bieten sollte, um Abhilfe.359 Das Gesetz kam jedoch nicht zustande. Die als zu bürokratisch empfundene Inangriffnahme der politischen Kernaufgabe Wohnungsbau, bei der die Staatsregierung am stärksten die Konkurrenz der SPD spürte (Plan A), durch die OBB und ihren Chef Fischer stieß im Kabinett auf die Kritik des Wirtschaftsministers.360 Seidel schlug stattdessen einen interministeriellen Bauplan vor. Um in der Öffentlichkeit Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, wurde am 16. September 1948 ein Bayerischer Aufbaurat unter Vorsitz von Innenminister Ankermüller gegründet. Die Kritik aus dem Kreis des Kabinetts an Staatssekretär Fischer und der OBB wurde gleichzeitig noch heftiger: Wirtschaftsminister Seidel warf ihr vor, sich in Kompetenzstreitigkeiten zu erschöpfen und forderte den Ministerpräsidenten auf, Fischer ein Ultimatum zu stellen, andernfalls die Konsequenzen zu ziehen, sprich ihn zu entlassen.361 In der folgenden Sitzung verteidigte Staatsminister Ankermüller Fischer und seine Behörde und erklärte das Bauproblem zur Folge der Finanzkrise.362

Zum Aufgabenbereich der inneren Verwaltung zählten ferner Angelegenheiten der Polizei 363 sowie Gesundheitsfragen; hier dominierte die Perspektive der Gesundheitsaufsicht (Gesundheitszeugnis bei Eheschließung, Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten, Gesetz über Sterilisierung und Refertilisierung).364 Als auf der Ebene des Länderrats der US-Zone ein Gesetz über Schwangerschaftsunterbrechung beraten wurde, setzte der bayerische Vertreter im Gesundheitsausschuß die Streichung der „Sozial- und Notzuchtsindikation“ durch.365

Die Parteien spielten in den Ministerratsprotokollen erneut eine untergeordnete Rolle. In der ersten Sitzung366 wurde der Schutz von Parteiveranstaltungen erörtert, weil ein Mitglied der Jungen Union die Sicherung einer CSU-Kundgebung mit Kultusminister Hundhammer durch einen Saaldienst angeregt hatte. Im Zusammenhang mit dem Generalstreik vom Januar 1948 diskutierte das Kabinett über die Absage der geplanten Landesversammlung der CSU in Marktredwitz, entschied sich dann jedoch dafür, um Normalität zu demonstrieren.367 Ferner waren die Parteien im Zusammenhang mit Wahlen ein Thema und zwar in Form der Zuteilung von Reifen und Benzin für den Wahlkampf.368

Aus dem Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz wurde erneut die Struktur der Schwurgerichte beraten.369 Den bereits dem Landtag vorliegenden Gesetzentwurf über die Einsetzung von Friedensrichtern zog die Staatsregierung zurück.370

Durch verschiedene rechtliche Regelungen bemühte sich die Staatsregierung, Kompetenzen, die durch Reichsrecht früher beim Reich lagen, vor einer verfassungsrechtlichen Festlegung auf den Freistaat zu übertragen. Dies galt für das Gesetz über die Straßenbaulast an Autobahnen und Reichsstraßen371 ebenso wie für die Verordnung über die Zuständigkeit des Staatsministeriums des Innern auf dem Gebiet des Naturschutzes. 372

Noch häufiger als 1947373 beriet der Ministerrat – teilweise sehr ausführlich – über die Begnadigung zum Tode Verurteilter.374 Dabei kam es einige Male zu Mehrheitsentscheidungen. Bei zwei Mördern sprach sich eine Mehrheit für den Vollzug der Todesstrafe aus,375 deren entschiedenster Befürworter Kultusminister Hundhammer war.376 Auch in diesen Fällen wandelte Ministerpräsident Ehard die Todesstrafe jedoch in lebenslängliches Zuchthaus um. Die Mehrheitsentscheidung des Ministerrats band den Ministerpräsidenten nicht,377 der das Begnadigungsrecht (Art. 47 (4) BV) allein ausübte.378 Nur um den Vollzug der Todesstrafe anzuordnen, benötigte er die Bestätigung der Staatsregierung.

Die Frage der Kompetenzverteilung 379 zwischen den Ressorts, die immer auch eine Machtfrage darstellt, war ein regelmäßiger Gegenstand der Beratungen. Wie bereits erwähnt, bemühte sich das Arbeitsministerium auch nach dem Beschluß des Ministerrats vom Mai 1947, das Bauwesen im Innenministerium zusammenzufassen, weiter um Zuständigkeiten beim Wohnungswesen, sehr zum Ärger Ministerpräsident Ehards.380 Hierzu gehört auch die bereits erwähnte Kritik von Oberster Baubehörde und Wirtschaftsministerium an den Kompetenzen des Landeslastverteilers, da ihrer Ansicht nach die Federführung für die Landeselektrizitätsversorgung auf Seiten der Exekutive zu liegen hatte.

Protagonist der meisten Zuständigkeitsauseinandersetzungen war Finanzminister Kraus, der insbesondere mit Argusaugen über den Rang des Finanzressorts als Beamtenministerium wachte. Der Anspruch des Finanzministeriums auf eine Koordinierungsfunktion bei Beamtenernennungen wurde zwar zunächst vom Innenministerium bestritten, jedoch grundsätzlich vom Ministerrat akzeptiert.381 Eine Stärkung des Finanzministeriums zu Lasten des Landespersonalamtes bedeutete auch die Verordnung über die Altersgrenze der Beamten. 382 Im Zusammenhang mit der Dienstanweisung zur Beseitigung nationalsozialistischen Unrechts an Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienst erklärte sich Kraus mit dem Erlaß durch das Arbeitsministerium zwar einverstanden, erhob jedoch grundsätzlich den Anspruch, die Angelegenheiten der Beamten, Angestellten und Arbeiter des Staates durch das Finanzministerium zu regeln.383 Bei dem 1948 erlassenen Gesetz über die staatliche Rechnungsprüfung in Bayern verhinderte Kraus die vom Präsidenten des Rechnungshofs betriebene Ausgliederung der Rechnungsprüfungsämter aus der Finanzverwaltung.384

Ministerpräsident Ehard drängte stets darauf, für jede Angelegenheit ein federführendes Ressort zu bestimmen.385 Bei der Betreuung der Kriegsheimkehrer, hier erhob Arbeitsminister Krehle auf Grund der Haushaltsberatungen einen Zuständigkeitsanspruch, sah Ehard eine gewisse „Ressort-Eifersucht“.386 Rangeleien gab es auch um Liegenschaften, die aus der Vermögensverwaltung freikamen. Hier wandte sich Wirtschaftsminister Seidel gegen einen Automatismus des Finanzministeriums, diese stets der Flüchtlingsverwaltung zur Wohnraumnutzung zur Verfügung zu stellen. Grundsätzlich forderte Seidel in diesem Zusammenhang eine Koordination der Planungsabteilungen in den verschiedenen Ressorts, die bislang ohne Kontakt vor sich hinarbeiteten.387 Ministerpräsident Ehard war sich bewußt, daß die Koordination der Ressorts untereinander,388 die Information des Ministerpräsidenten durch sie sowie der abgestimmte Auftritt bayerischer Instanzen gegenüber der Bizone generell verbessert werden mußte.389

Die größte Veränderung im Bereich der Staatsverwaltung war die Wiederherstellung der Regierungsbezirke Niederbayern, Oberpfalz, Oberfranken und Mittelfranken.390 Trotz fiskalischer Bedenken kam die Staatsregierung dem Auftrag in Artikel 185 BV nach und teilte zum 1. April 1948 die Regierungsbezirke Niederbayern und Oberpfalz sowie Oberfranken und Mittelfranken wieder auf.391

Weitere Veränderungen der Verwaltungsgliederung ergaben sich aus der Wiederverleihung der Kreisunmittelbarkeit an weitere 15 bayerische Städte, die diesen Status in der Regierungszeit des Nationalsozialismus verloren hatten.392 Ein Antrag der Stadt Eichstätt war erst 1949 erfolgreich.393 Eine gesetzliche Grundlage erhielt 1948 auch wieder die Finanzgerichtsbarkeit. 394

Der weitgehende Abbau der Bewirtschaftung nach der Währungsreform machte einen beträchtlichen Personalabbau in der Wirtschaftsverwaltung (Regierungswirtschaftsämter und Wirtschaftsämter) möglich.395 Das Gesetz über die Wirtschaftsverwaltung in Bayern396 bestimmte die Auflösung des in der Spitze für die Bewirtschaftung zuständigen Bayerischen Landeswirtschaftsamtes zum 30. September 1949.397

Neben der abzusehenden Auflösung des Sonderministeriums mit Abschluß der Entnazifizierung stand nach der Währungsreform mit dem Ziel der Kostenreduzierung vor allem die Auflösung des Verkehrsministeriums zur Debatte, die Verkehrsminister Frommknecht jedoch noch einmal abwehren konnte.398 Die von Landwirtschaftsminister Schlögl angekündigte Zusammenlegung der Ernährungsämter A und Bfand vorerst nicht statt.399

Weiterhin war die Tätigkeit der Staatsverwaltung, ganz besonders in München, von materiellen Schwierigkeiten geprägt, z.B. der Versorgung mit Kohle,400 vor allem aber durch Raumnot.401 Um hier Abhilfe zu schaffen, beschloß der Ministerrat die Bildung einer Raumbeschaffungskommission. 402 Die räumliche Unterbringung der Kriegsbeschädigtenabteilung der Landesversicherungsanstalt Oberbayern403 kam unter anderem deshalb auf die Tagesordnung, weil sich die Bearbeitung der Anträge nach dem Kriegsbeschädigten-Leistungsgesetz infolge der mangelhaften Unterbringung der Abteilung verzögert hatte.

Auch im Kabinett Ehard II wurde im Zusammenhang mit der Eingliederung der Flüchtlingsverwaltung in die innere Verwaltung erneut die Frage diskutiert, ob es nach der Verfassung zulässig sei, mehr als einen Staatssekretär in einem Ressort zu bestellen.404

Aus dem Amtsbereich des Kultusministeriums standen die begrenzt konfrontativ geführte Auseinandersetzung mit der Militärregierung über die Schulreform, 1948 vor allem in Gestalt der Gesetzentwürfe über die Schulgeldfreiheit sowie über die Lehr- und Lernmittelfreiheit,405 und die Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für den Betrieb des Bayerischen Rundfunks (Rundfunkgesetz und Durchführungsverordnung) im Mittelpunkt.406 Mit der Lehr- und Lernmittelfreiheit erklärte sich Kultusminister Hundhammer grundsätzlich einverstanden. Widerstand gegenüber der Schulgeldfreiheit leistete die Staatsregierung vor allem aus Kostengründen und erreichte schließlich einen Kompromiß mit den Amerikanern über eine stufenweise Einführung.407 Ministerpräsident Ehard befürwortete ein Entgegenkommen bei den beiden Schulgesetzen in der Hoffnung, daß, wenn die USA hier sichtbare Erfolge erzielten, sie künftig eher auf andere Aspekte ihrer Schulreform verzichten würden.408 Beim Rundfunkgesetz waren die Stellung des Intendanten und die Zusammensetzung des Rundfunkrates umstritten, ferner spielte die Verwendung der erwarteten Überschüsse aus dem Rundfunkbetrieb eine Rolle. Staatssekretär Sattler, der gemeinsam mit Kurt Pfister aus der Staatskanzlei die Verhandlungen mit der Militärregierung über das Rundfunkgesetz geführt hatte, berief der Ministerrat als Regierungsmitglied in den Rundfunkrat.409 Im November 1948 beriet der Ministerrat auch den Entwurf des Schulorganisationsgesetzes. 410 Bei der Wiedereinführung der von den Nationalsozialisten 1938 abgeschafften Schulpflegschaften an Volksschulen beriet das Kabinett vor allem darüber, ob eine Beteiligung von Frauen ausdrücklich im Gesetz erwähnt werden sollte.411 Das ebenfalls beratene Gesetz über die Ahndung der Schulversäumnisse konnte wegen Einwänden der Militärregierung vorerst nicht in Kraft treten.412

Unter der Überschrift Restitutionen stand die Behandlung der Rückführung von Kunstwerken nach Italien.413 Anläßlich einer Wanderausstellung mit Bildern aus dem Berliner Kaiser-Friedrich-Museum, die 1945 in die USA gebracht worden waren, beriet man darüber, die angekündigte Rückgabe der Bilder durch die Amerikaner eventuell abzulehnen, um sie nicht einem möglichen Anspruch der Sowjetunion auszusetzen.414 Der Ministerrat beschloß ferner ein neues Hochschullehrergesetz. 415 Auch die Debatte über die Verwendung des Kräutergartens Dachau besaß eine hochschulpolitische Komponente.416 Mit der Verordnung über die Errichtung einer Akademie der Schönen Künste setzte die Staatsregierung eine Ankündigung aus der Regierungserklärung Ehards um, reagierte auf Bestrebungen in anderen Ländern und gab ein Zeichen für das Selbstverständnis Bayerns als Kulturstaat.417 Einrichtungen wie die Akademie der Wissenschaften waren durch die nach der Währungsreform entstandene Haushaltskrise in ihrer Existenz bedroht.418 Gegen die Ankündigung, das Staatsschauspiel aus haushaltspolitischen Gründen zu schließen, protestierte Kultusminister Hundhammer. 419 Die freiwillige Selbstkontrolle der deutschen Filmindustrie befürwortete er.420

Von großer Bedeutung im Ministerrat waren erneut Fragen aus dem Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik. Nicht nur bei den zahlreichen Streiks421 gewannen die Gewerkschaften in diesem Band noch deutlich schärfere Konturen als zuvor.422 Sie intervenierten häufig gegenüber der Staatsregierung, beim Thema Ernährung genauso wie bei der Arbeitszeit in den Behörden423 oder dem nach der Währungsreform aus den Fugen geratenen Verhältnis zwischen Löhnen und Preisen.424 Den Antrag des Bayerischen Gewerkschaftsbundes (BGB) auf eine Vertretung im Verwaltungsrat des Landesamts für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung lehnte der Ministerrat ab.425 Ebenso wies Finanzminister Kraus den Anspruch der Betriebsräte zurück, außer bei der Wiedereinstellung entnazifizierter Beamter, an der Personalpolitik der Behörden beteiligt zu werden.426

Dauerthemen blieben die Versorgung der Kriegs- und Körperbeschädigten 427 und die Sozialversicherung. 428 Erstmals nahm das Arbeitsministerium wieder an Schlichtungsverhandlungen teil und wurde damit wieder in der Tarifpolitik aktiv.429 Die häufige Beratung über die Arbeitszeit hing unmittelbar mit den Engpässen bei der Strom- und Lebensmittelversorgung zusammen.430 Da wegen des Strommangels Industriebetriebe weiterhin Kurzarbeit431 machten oder vorübergehend stillgelegt waren, verlängerte der Ministerrat die gesetzlichen Regelungen zur Vergütung von Lohnausfällen.432 Das Gesetz zur Regelung des Jahresurlaubs der Arbeitnehmer sollte deren Anspruch auf einen gesetzlichen Mindesturlaub sichern, wie er in Artikel 174 der BV postuliert worden war.433 Wirtschaftsminister Seidel mahnte im Zusammenhang mit der Beratung des Urlaubsgesetzes die Regelung der Feiertagsfrage in Bayern an, da der jetzige Zustand, bei dem Bayern mehr bezahlte Feiertage habe als die übrigen Länder, die Wirtschaft zusätzlich belaste.434

Der Ministerrat befaßte sich erneut mehrfach mit der Versorgung der Kabinettsmitglieder. 435 Hierzu gehört auch die umstrittene Frage nach der Zuweisung von Theaterfreiplätzen. 436 Auf die Beleidigung von Mitgliedern der Staatsregierung reagierte Ministerpräsident Ehard in einem Fall mit der Stellung eines Strafantrags.437 Staatsminister Schlögl und Staatssekretär Schwalber mußten sich gegenüber Korruptionsvorwürfen verteidigen, die den Kabinettsmitgliedern eine bevorzugte und gegen die Bewirtschaftungsbestimmungen verstoßende Lebensmittelversorgung unterstellten.438 Zu einem Tagesordnungspunkt mit noch mehr Gewicht entwickelte sich die Koordination der Repräsentationsverpflichtungen der Staatsregierung. 439 Dabei waren die Einladungen zur Feier der Märzrevolution von 1848 durch die Stadtverwaltung Berlin und den Volkskongreß440 sowie zur Leipziger Messe hochpolitisch.441

Die Repräsentanten der beiden christlichen Kirchen richteten im Frühjahr 1948 die Bitte an das Sonderministerium, Internierte für die Feier von Erstkommunion und Konfirmation zu beurlauben.442 Die evangelische Kirche spielte im Ministerrat bei dem Aufruf von Landesbischof Niemöller eine Rolle, die Entnazifizierung zu boykottieren.443 Kardinal Faulhaber wandte sich wegen der Beleidigung des Heiligen Vaters im Simpl an den Ministerpräsidenten. Auf Grund der Pressefreiheit sah sich der Ministerrat nicht in der Lage, im Sinne Faulhabers gegen die Zeitschrift vorzugehen.444

Die Beziehungen zum Nachbarland Österreich spielten im Zusammenhang mit der Stromerzeugung aus Wasserkraft eine Rolle.445 Im Verhältnis zur Tschechoslowakei war die Behandlung der sogenannten Nationaltschechen von Bedeutung.446 Das Thema Pfalz wurde im Rahmen der Verfassungsberatungen aktuell,447 da die Frankfurter Dokumente auch den Auftrag zur Länderneugliederung enthielten.

Noch mehr als bei den früheren Regierungen dominierten in den Sitzungen des Ministerrats normative Materien, sprich die Beratung von Gesetzen und Verordnungen. Einige Beispiele zeigen, daß dies jedoch nach der Etablierung von Landtag und Senat keine Gewähr mehr dafür bietet, daß in den Ministerratsprotokollen auch jedes Gesetz behandelt wurde. Ging nämlich die Gesetzesinitiative wie zum Beispiel bei dem in der Öffentlichkeit heftig kritisierten448 und am 1. August 1948 in Kraft getretenen Gesetz über die Zahlung von Unterhaltsbeiträgen an berufsmäßige Wehrmachtsangehörige und ihre Hinterbliebenen 449 vom Landtag aus (Fraktionen CSU, FDP und WAV),450 mußte die Staatsregierung dazu keine Stellungnahme abgeben. Das Marktordnungsgesetz, ebenfalls ein Initiativgesetz des Landtags, wurde in den Protokollen nur erwähnt, weil die Staatsregierung über eine Ausführungsverordnung beriet.451

Nur in Ausnahmefällen gelangten aktuelle Ereignisse auf die Tagesordnung: So beriet der Ministerrat erneut über die Wildschweinplage,452 über den Brand im Haus der Kunst,453 die Aufenthaltsgenehmigung für den ehemaligen Ministerpräsidenten von Thüringen Rudolf Paul,454 den Besuch von Eleanor Roosevelt als Vertreterin der UN in der US-Zone455 oder die Einladung bayerischer Kinder zu einem Ferienaufenthalt durch die spanische Regierung.456

Ansonsten blieb für das aktuelle Tagesgeschehen, auch für zentrale landes- und allgemein politische Entwicklungen, von denen Bayern und die Staatsregierung durchaus erheblich berührt wurden, kein Platz im Ministerrat. Dies gilt in erster Linie natürlich für die am 24. Juni 1948 begonnene Berlin-Blokkade 457 und die existentielle Krise der CSU, die wegen des Streits zwischen Josef Müller und Fritz Schäffer 1948 kurz vor der Spaltung stand.458 Auch die Tatsache, daß Joseph Baumgartner nach seinem Rücktritt als Landwirtschaftsminister im Januar 1948 zur Bayernpartei ging und im Juni ihr Vorsitzender wurde, wird nicht thematisiert.

Der starke Stimmenrückgang der CSU bei den Kommunalwahlen im April und Mai 1948, der lokal erdrutschartig ausfiel,459 wurde im Ministerrat nur kurz angesprochen, ohne die Dramatik der Situation erkennen zu lassen.460 Insbesondere bei den Stadtratswahlen in den kreisfreien Städten kam die CSU landesweit nur auf 18, 5% (in München fiel sie hinter SPD (27,9%) und BP 24, 6% auf den dritten Platz (18%) zurück, vor der KPD mit 11, 4%).461 Die SPD forderte daraufhin die Auflösung des Landtags, da er nicht mehr der politischen Einstellung der Bevölkerung entspreche,462 und Neuwahlen.463 Ministerpräsident Ehard wies dies zurück.464

Aber auch andere Dinge, die 1948 in der Presse große Beachtung fanden, wie der "Abraxas-Skandal“,465 die mehrfachen Massenhinrichtungen nationalsozialistischer Kriegsverbrecher (aus den Dachauer Kriegsverbrecherprozessen 466 ) im Gefängnis in Landsberg am Lech,467 die an die Zuteilungen für Schwerarbeiter heranreichenden Lebensmittelzulagen für Kabinettsmitglieder, die im Mai 1948 durch die Presse gingen und Ministerpräsident Ehard eine öffentliche Rechtfertigung abverlangten,468 die Wiederherstellung der Frauenkirche in München,469 das Spruchkammerverfahren gegen Adolf Hitler,470 der Besuch des Exekutivrats des VWG am 26. November 1947 zu einem Meinungsaustausch mit Mitgliedern der Staatsregierung471 sowie der des Präsidenten des Parlamentarischen Rates Konrad Adenauer in der CSU-Landtagsfraktion in München am 8. November 1948472 und das Alliierte Memorandum vom 22. November 1948, durch welches das Ergebnis der Arbeit des Parlamentarischen Rates grundsätzlich in Frage gestellt und eine Krise in Bonn ausgelöst wurde,473 Ehards Besuch in Begleitung von Staatskanzleichef Pfeiffer im französisch besetzten und von Bayern beanspruchten Lindau474 sowie die durch den Apostolischen Visitator für Deutschland, Aloysius Muench, vorgelegte Praenotificatio officiosa zu den vom Papst für die Bischofsstühle in Eichstätt und Würzburg vorgesehenen Kandidaten Schroffer und Döpfner sowie deren Beantwortung „seitens der bayerischen Staatsregierung“ durch Ehard im Juli und seinen Stellvertreter Müller im August 1948 waren kein Thema im Ministerrat.475 Ebenso wenig kommentierte das Kabinett den Wahlausgang in den USA.476 Auf die Explosionskatastrophe bei BASF in Ludwigshafen am 28. Juli 1948, die mehrere hundert Tote gefordert hatte, reagierte der Landtag mit einer Trauerkundgebung. Sprecher waren der Landtagspräsident und Ministerpräsident Ehard, der die Gelegenheit nutzte, die Verpflichtung Bayerns zu helfen, mit der besonderen Verbundenheit mit der Pfalz zu begründen.477 Einen Niederschlag im Ministerrat fand das Ereignis nicht. Ferner erstaunt, daß Ehard das Kabinett im Dezember auch nicht von der Aufhebung der Immunität des Justizministers und seiner Beurlaubung für die Dauer des gegen ihn eingeleiteten Verfahrens informierte.478