PDF
Nr. 1MinisterratssitzungMittwoch, 24. September 19471 Beginn: 15 Uhr 30 Ende: 19 Uhr 15
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident Dr. Müller,2 Staatsminister des Innern Dr. Ankermüller, Staatsminister für Unterricht und Kultus Dr. Hundhammer, Staatsminister der Finanzen Dr. Kraus, Staatsminister für Wirtschaft Dr. Seidel, Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Dr. Baumgartner, Staatsminister für Arbeit und Soziale Fürsorge Krehle, Staatsminister für Sonderaufgaben Dr. Hagenauer, Staatsminister Dr. Pfeiffer, Staatssekretär Dr. Schwalber(Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Dr.Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr.Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten), Staatssekretär Sedlmayr (Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten).

Entschuldigt:

Staatsminister für Verkehrsangelegenheiten Frommknecht, Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium).

Tagesordnung:

[I. Begrüßung der Kabinettsmitglieder und programmatische Ausführungen]. [II.] Vorbesprechung der Regierungserklärung. [III. Schutz von Parteiveranstaltungen]. [IV. Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zum Mandatsverlust der Landtagsabgeordneten Hermann Strathmann und August Haußleiter]. [V. Regierungserklärung]. [VI. Schändung jüdischer Friedhöfe]. [VII. Kartoffelpreis]. [VIII. Staatsbeauftragter zur Durchführung des Art. 160 der Verfassung]. [IX. Koordination der Arbeit der Staatsregierung]. [X. Wirtschaftsrat]. [XI. Wirtschaftspolitik]. [XII. Kohlenfrage]. [XIII. Wirtschaft, Flüchtlinge und Displaced Persons]. [XIV. Grenzlandförderung]. [XV. Weitere Themen der Regierungserklärung]. [XVI. Personalangelegenheiten]. [XVII. Gemeindewahlen]. [XVIII. Präsident der Oberpostdirektion München]. [XIX. Professor Kallert]. [XX. Streik der Münchner Spruchkammervorsitzenden]. [XXI. Flüchtlingslager Hof-Moschendorf]. [XXII. Verordnung über die Wohnraumerhebung 1947]. [XXIII. Sozialversicherungsordnung]. [XXIV. Aufbau des Fremdenverkehrs]. [XXV. Staatssekretär im Staatsministerium für Arbeit und Soziale Fürsorge].

[I. Begrüßung der Kabinettsmitglieder und programmatische Ausführungen

Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die erste Sitzung des Ministerrats in seiner neuen Zusammensetzung und begrüßt die neu eingetretenen Kabinettsmitglieder3 und bittet um ihre Mitarbeit für den schweren Winter. Er begrüßt weiter die bisherigen Angehörigen des Kabinetts, dankt ihnen für ihre bisherige Tätigkeit und bittet auch sie um Zusammenarbeit. Die Arbeit sei nicht erleichtert worden durch die Ereignisse der letzten Zeit, andererseits sei die Möglichkeit gegeben, dadurch, daß man sich in allen grundsätzlichen Fragen einig sei, sich auf die sachlichen Arbeiten stärker zu konzentrieren. Es werde aber notwendig sein, daß dieses Zusammenspiel sehr gut organisiert werde. Seines Erachtens dürfe es keine Sonderaufträge und keine eigenen Tätigkeiten mehr innerhalb des Kabinetts geben. Wo irgendetwas auftauche, müßten die anderen beteiligten Minister sofort unterrichtet werden und dann wiederum der Ministerrat bezw. der Ministerpräsident.

Staatsminister Dr. Kraus benützt den Anlaß der Regierungsumbildung, um im Namen des Ministerrats dem Herrn Ministerpräsidenten den Dank dafür auszusprechen, daß er diese schwere Bürde zum Besten des Landes weiter trage. Sie versprächen, ihre ganze Kraft einzusetzen, fußend auf dem Vertrauen, das sie zu der Persönlichkeit und den großen Fähigkeiten des Ministerpräsidenten hätten. Dieser genieße wie kein anderer in Bayern das Vertrauen des ganzen Volkes. Man müsse ihm außerordentlich dankbar sein, daß er sich entschlossen habe, diese schwere Bürde weiter zu tragen. Er solle aber die Überzeugung haben, daß sie alle mit ihm gingen. Der Segen des Herrgotts werde ihre fleißige und ehrliche Arbeit begleiten.

Ministerpräsident Dr. Ehard dankt. Er sei sich der Verantwortung bewußt und habe im Laufe der letzten 8 Tage sehr stark mit sich gerungen, ob er die Verantwortung weiter tragen oder den Weg für jemand anderen freimachen solle. Er sei aber zu der Überzeugung gekommen, daß man in einem bestimmten Augenblick einer vom Schicksal gegebenen Aufgabe sich nicht entziehen könne. Er sei sich darüber klar, daß niemand unentbehrlich sei, aber eine Schicksalsaufgabe müsse man übernehmen. Deshalb habe er geglaubt, es tun zu müssen. Nachdem er diesen Weg – nicht leichten Herzens – beschritten habe, werde er ihn aber konsequent und mit zähester Energie weitergehen, er bitte nur, ihn dabei zu unterstützen. Insbesondere sei er ehrlich bemüht, unser Volk über diesen Winter hinwegzubringen und hierbei bitte er um besondere Unterstützung. Er glaube, dies werde auch nicht zum Schaden der Partei sein, die sie hier mitvertreten müßten.4

[II. Vorbesprechung der Regierungserklärung]5

Nun könne man vielleicht gleich in die erste Besprechung wegen der Regierungserklärung eintreten.6 Man müsse dem Landtag ein Regierungsprogramm vorlegen; in diesem sei natürlich eine Reihe von Problemen grundsätzlicher Art zu erörtern. Diese müsse man aber an den Rand schieben. In den Mittelpunkt müsse man beherrschend folgendes stellen: Was könnten wir jetzt mit einiger Aussicht auch nur auf einen Teilerfolg praktisch tun, um für den Winter Erleichterungen zu schaffen? Das sei die Frage, die konkret gestellt werden müsse und die so gestellt auch eine Beantwortung erfordere. Was könne man auf dem Gebiet der Ernährung, der Beheizung, der Wirtschaft usw. aus eigener Kraft oder durch Vorstellungen in Frankfurt noch zu erreichen suchen? Dies gelte auch für das Gebiet des Flüchtlingswesens. Hier brauche man sich nicht auf eine reine Fürsorge beschränken, sondern könne gleichzeitig eine gewisse Umorganisation der Verwaltung ins Auge fassen. Da Staatssekretär Jaenicke nicht anwesend sei, könne man aber dieses Thema jetzt nicht besprechen. Er ersuche nun darum, daß ihm die einzelnen Ressorts entweder schon heute stichwortartig Ideen zeigten, die man dann irgendwie formulieren könne, oder ihm diese so zeitig vor der nächsten Ministerratssitzung zugehen ließen, daß man noch vor dieser eine Rohformulierung einer Regierungserklärung zusammenstellen könne. Im übrigen solle man versuchen, die angeblich vorhandenen Gesetzesanregungen oder Gesetzesanträge der SPD zu beschaffen, damit man sie evtl. auffangen könne.

Staatsminister Dr. Pfeiffer führt aus, am Sonntag habe die Versammlung der SPD stattgefunden, in der Knoeringen7 und Reuter8 gesprochen hätten.9 Dabei habe Reuter angeknüpft an das Bild, das der Ministerpräsident am Tag vorher in seiner Rundfunkrede10 gebraucht habe, nämlich von dem Gespann, das auf halber Höhe stehen geblieben sei. Reuter habe dann ausgeführt, es werde nun so sein, daß der große Gaul, die CSU, den Karren weiterziehen müsse, die Opposition werde als Peitsche über ihnen tätig sein. Das sei zwar kein sehr schönes Bild, werde aber zweifellos in die Tat umgesetzt werden. Ein Anfang sei gemacht durch die in Berneck ausgearbeiteten Anträge.11 Er werde sich bemühen, diese zu bekommen. Sicher sei dann noch folgendes: In den letzten Koalitionsbesprechungen habe sich die Bildung von Ausschüssen herauskristallisiert, die eine vollkommene Durchforschung unserer geistigen und materiellen Lage zum Ziel gehabt hätten.12 Die SPD sei sicher mit diesen Dingen z. Zt. stark befaßt und man werde mit einer ganzen Reihe von Anträgen und Gegenanträgen kommen. Deshalb müsse man überlegen, welche Taktik man wählen müsse. In der Regierungserklärung werde man gewisse programmatische Dinge sagen müssen. Man müsse sich aber gleichzeitig auch auf praktische Versuche verlegen. Man müsse bestimmte Anträge an den Landtag stellen und sehr präzis zu den Anträgen der SPD Stellung nehmen. Diese Arbeit müsse sehr gut, geschickt und präzis organisiert sein. Diese 2 Dinge müsse man bei der Regierungserklärung im Auge behalten. Man müsse das Programmatische und das sofort in die Tat Umzusetzende auseinanderhalten. Das Letztere müsse man als Anträge der Regierung oder der Fraktion an den Landtag bringen. Wenn man auch im Interesse einer guten Arbeit sich um die Fraktion kümmern müsse, werde diese doch ihr eigenes Gesicht wahren müssen. Für die Fraktion werde es sehr schwer sein, da 18 Mitglieder nunmehr durch die Regierung in Anspruch genommen seien, die zunächst der Ausschußarbeit entzogen seien.13 Die Regierung und die Fraktion könnten nicht ganz identisch sein, auch wenn es sich um eine CSU-Regierung handle. In der Regierung sei man doch stärker gebunden an manche Tatsachen. Die Hauptarbeit werde in den 3 Ressorts, der Wirtschaft, Ernährung und Arbeit anfallen. Hier stehe man unter einem gewissen Zeitdruck, deshalb müsse man unmittelbar anfangen. Die Regierungserklärung müsse zwischen dem 10. und 15. Oktober abgegeben werden.14 In der zweiten Hälfte der nächsten Woche müßten daher schon so viele Formulierungen vorliegen, daß man in eine präzise Diskussion eintreten könne. Es werde wohl in den allernächsten Tagen eine Spezial-konferenz dieser 3 Minister notwendig sein. Hier dürfe er noch folgendes mitteilen: Nach der Vorstellung der neuen Regierungsmitglieder heute habe General Muller15 den Ministerpräsidenten und ihn noch etwas zurückgehalten und ihnen mitgeteilt, daß ein Brief unterwegs sei wegen der Bodenreform. General Clay16 habe die Absicht, uns hier zu helfen und nicht zu schädigen. Er gebe in diesem Briefe eine große Anzahl von Anweisungen, über deren Durchführung bis zum 31. 12. 47 berichtet werden müsse, um zu verhindern, daß die sowjetischen Maßnahmen für unsere Zone in Kraft träten.17 Der Landwirtschaftsminister solle sich einen besonderen Assistenten für diese Angelegenheit suchen. Das Ganze sei eine Abbremsungsaktion von General Clay, um das Vordringen sowjetischer Pläne zu verhindern. Auch über diese Dinge müsse man in der Regierungserklärung sprechen, deswegen bitte er schon in dieser Woche eine vorbereitende Konferenz abzuhalten. Auf einer gemeinsamen Tagung der CSU und CDU18 habe der frühere Staatssekretär Binder19 eine sehr interessante Rede über Wirtschaftsfragen gehalten, die er den Regierungsmitgliedern zur Verfügung stellen werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, er rege nunmehr an, konkrete Vorschläge zu machen, die man vorerst stichwortartig zusammenstelle.

Staatsminister Dr. Baumgartner macht folgende grundsätzliche Ausführungen: Wir stünden vor der 4. Regierungserklärung in Bayern.20 Man laufe daher Gefahr, daß man wieder eine Regierungserklärung abgebe, die draußen nicht recht ernst genommen werde. Er begrüße es daher, daß die wirtschaftlichen Dinge sehr stark betont würden. Er lege größten Wert darauf, daß die Regierungserklärung sich wirklich mit den nächsten Monaten befasse. Sie müsse ganz konkret, nicht allgemein gehalten sein, sehr aktuell, schlagkräftig und kurz. Er bitte auch darum, daß man sehr klar über unser Verhältnis zu Frankfurt sich äußere, weil die Dinge sonst über uns hinweg gingen. Auch bezüglich der Ministerratssitzungen wolle er darum bitten, daß man sich mehr wie bisher Zeit nehme für wirtschaftliche Probleme. Nach seiner Meinung habe man durch die allerdings notwendigen Behandlungen von Verwaltungs-, Beamten- und Entnazifizierungsfragen sehr viel Zeit vertun müssen. Vielleicht könne man für solche Fragen einen kleinen Ausschuß bilden, damit sie im Ministerrat nicht immer in dieser Ausführlichkeit behandelt werden müßten.21 Man solle sich lieber ganz konkret mit der Wirtschaft, Ernährung usw. befassen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, hiezu wolle er gleich grundsätzlich sagen, ihm schwebe vor, daß man das Ganze in Sachgebiete aufteilen müsse z.B. Ernährung, Wirtschaft, Kulturpolitik, in denen dann ein Ministerium federführend sei, die anderen allerdings beteiligen müsse. Es sollten dann Vorbesprechungen stattfinden, die Quintessenz von diesen ihm mitgeteilt und dann im Ministerrat besprochen werden. Er habe immer dagegen gekämpft, daß im Ministerrat die „Post“ erledigt werde. Man müsse freie Hand für grundsätzliche Dinge bekommen. Man müsse jetzt auch sorgfältiger im Ministerrat die Landtagsvorlagen besprechen. Weiter müsse man dafür sorgen, daß die Vorlagen schon in den Ausschüssen des Landtags von den Ministerien vertreten würden.22

Staatsminister Dr. Kraus schließt sich an sich den Ausführungen des Landwirtschaftsministers an, bemerkt aber hiezu, daß es solange man noch im Verwaltungsaufbau begriffen sei, nicht anders gegangen sei. Im übrigen weise er darauf hin, daß wir vor einer katastrophalen Finanzlage stünden. Der Haushaltsplan 1947 habe einen Fehlbetrag von 416 Millionen ausgewiesen.23 Die Militärregierung habe uns nun gezwungen, diesen auszugleichen; das sei geschehen.24 Er werde aber trotzdem dem Landtag reinen Wein einschenken müssen.25 Man glaube zwar, der Finanzminister unke nur immer, es sei aber tatsächlich so, daß die Ausgaben gewachsen, die Einnahmen aber gleichgeblieben seien. Man werde auch in Zukunft sich vor neuen laufenden Ausgaben hüten müssen. Das müsse in die Regierungserklärung. Die Wirtschaft könne man nicht weiter belasten. Härten der Steuergesetzgebung müßten beseitigt werden, vor allem nach der sozialen Seite hin. Auch das halte er für wichtig. Klar müsse weiter herausgestellt werden, daß man dem Volk keine großen Versprechungen machen könne, weil wir die Mittel nicht dazu hätten.26

Staatssekretär Dr. Müller fügt hinzu, auf der Tagung in der letzten Woche am Chiemsee27 habe er ein Referat über die Lage der Steuern nach der Geldumstellung gehalten. Momentan hätten wir in unseren Kassen 1 Milliarde [RM], diese sei aber belastet mit allen möglichen Ausgaben, Fonds, Besatzungskosten usw. Man könne also diesen Betrag nicht als ernstliche Reserve rechnen. Nach einer Währungsumstellung werde das Steueraufkommen zunächst sehr sinken. Auch dieses gehe sehr schleppend ein. Mit einem sicheren Eingang sei nur bei der Lohn- und Umsatzsteuer zu rechnen. Beim Etat 1948 müsse man eine Kürzung von mindestens 30–40 % der Ausgaben vorsehen. Man dürfe auch nicht mit Übergangskrediten rechnen, da solche nur den Beginn einer neuen Inflation bedeuteten.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt als Stichwort für die Finanz fest: Sparsamkeit aus Gründen der Haushaltslage, Konzentrierung der Ausgaben auf wirkliche Notstände, im übrigen Einschränkung alles dessen, was vermieden werden könne.

Er bitte nun den Kultusminister, ein paar Stichworte zu geben.

Staatsminister Dr. Hundhammer schlägt vor, die Durchführung der Schulreform herauszustellen, die in einer Reihe von Einzelgesetzen verwirklicht werden solle. Hierzu gehörten u.a. das Schulpflegegesetz, welches schon vorliege.28 Dann solle die Ordnung des Lehrkörpers durchgeführt werden. Bei den Hochschulen sei man schon ziemlich weit.29 Dann sei in ein paar Sätzen zu sprechen auch über das allgemeine Kulturwesen im Sinne einer Verbreiterung des Gedankens einer bayer, und christlichen Kultur im Rahmen des gesamtdeutschen Kulturgeistes. Vielleicht könne man noch erwähnen die Errichtung der Akademie der Künste.30 Es liege weiter ein Gesetzentwurf gegen das ungebührliche Verhalten Minderjähriger in der Öffentlichkeit vor, der vom Innenministerium stamme, der aber auch das Kultusministerium berühre. Auch dieser werde in der Öffentlichkeit begrüßt werden und könne als konkrete Arbeit erwähnt werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard bittet nun den Landwirtschaftsminister um Stichworte. Die Ernährung mache uns am meisten Sorge, weil wir sie aus eigener Kraft nicht durchhalten könnten, aber versuchen müßten, aus eigener Kraft etwas zu tun und sichtbar in Erscheinung treten zu lassen, selbst wenn wir bei näherer Erwägung der Meinung seien, daß der Erfolg nicht so groß sei. Man müsse auch an die psychologische Wirkung denken. Er habe sich selbst schon einige Stichworte notiert, wolle aber nicht vorgreifen. Er habe nun gerade ein Schreiben des Bayer. Bauernverbandes bekommen, daß das Verwaltungsamt für Wirtschaft in Minden die Erzeugerpreise für Kartoffeln herabgesetzt habe und dem Bayer. Kartoffelwirtschaftsverband, der diese Herabsetzung nicht mitgemacht habe, eine Konventionalstrafe von 50 000 RM auferlegt und die Entlassung des Geschäftsführers angeordnet habe. Dagegen habe der Bauernverband Einspruch erhoben, habe aber darüber hinaus beantragt, diese Sache im Ministerrat zu besprechen und das Erforderliche zu veranlassen. Der jetzt vorgeschriebene Preis von RM 3.20 decke nicht einmal die Gestehungskosten. Er müsse schon sagen, er habe manchmal den Eindruck, als ob die Leute in Minden zwangsweise den schwarzen Markt schützen und die schwarzen Preise in die Höhe treiben wollten. Was man im übrigen aus der englischen Zone über den Schwarzhandel höre, so seien wir in Bayern dagegen Waisenknaben.

Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert, bezüglich der Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse stehe man in der Landwirtschaft auf dem Standpunkt, daß es falsch sei, daß das Verwaltungsamt für Wirtschaft allein die Preise bestimme. Das sei dadurch gekommen, daß das Reichswirtschaftsministerium seinerzeit alleinbestimmend für den Preisstop geworden sei. Damit sei aber nicht gesagt, daß diese Leute immer die Preise bestimmen müßten. Dies sei eine Sache, die für sich geregelt werden müsse. Bezüglich der anderen Dinge werde er die Stichworte in den nächsten Tagen schriftlich herübergeben.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, man müsse gleich jetzt in der Kartoffelpreis-Festsetzung eine Stellungnahme festlegen, ob der Ministerrat den Schritt des Bauernverbandes unterstütze.

Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert, er habe deswegen schon einen Brief an den Ministerpräsidenten geschrieben, mit der Bitte, beim Präsidenten des Wirtschaftsamtes in Frankfurt vorstellig zu werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt als einhellige Meinung des Ministerrats fest, daß dies getan werden müsse.

Staatsminister Dr. Pfeiffer schlägt vor, daß sich die Regierung sofort durch ein Telegramm dem Schritt des Bauernverbandes anschließen müsse.

Diese Meinung wird einstimmig gebilligt.

Staatsminister Dr. Baumgartner führt aus, in der Regierungserklärung genüge nicht mehr, allgemein vom Schutz des Eigentums, Unterstützung der Landwirtschaft usw. zu sprechen. In der bayer. Landwirtschaft sei eine neue Sachlage dadurch entstanden, daß Bayern ein Zuschußland geworden sei für Getreide, Kartoffeln, Zucker, Obst und sogar für Fett. Das müsse man zum Ausdruck bringen. Weiter müsse man sagen, was auf dem Gebiet der Erfassung geschehe, weil gerade auf diesem Gebiet Angriffe von der Verbraucherseite kämen. Dann müsse man sehr klar aussprechen, daß die bisherigen Zweizonenämter bezüglich der Versorgung der Landwirtschaft mit Gebrauchsartikeln unseren Wünschen nicht entsprochen hätten. Wenn der Bauer Lebensmittel hergebe, könne er alles haben. Also seien diese Dinge doch da, es liege nur an der Verteilung.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, ihm werde immer wieder gesagt, in Arbeiterkreisen werde immer daran Anstoß genommen, daß der Unterschied zwischen den Selbstversorger- und Normalverbraucherrationen zu groß sei. Könne man da nicht nach außen hin die Spanne etwas vermindern?

Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert, man habe die Selbstversorgerrationen bei Fett und Kartoffeln schon gekürzt. Man könne aber die Bauern nicht auf Normalration oder gleich auf Null setzen.

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt die optische Wirkung zu bedenken.

Staatsminister Dr. Baumgartner hat nichts dagegen, wenn eine vorsichtige Formulierung dahin aufgenommen werde, daß man sich bemühe, eine gerechte Lösung für die Selbstversorger und Normalverbraucher zu finden.31

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, es werde ihm auch immer wieder gesagt, es würden Lebensmittel, vor allem Kartoffeln, zur Fütterung von Tieren, insbesondere von Schweinen, verwendet. Könne man da nicht irgend etwas tun oder sagen?

Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert, es sei bereits eine Verordnung da, daß nur mehr Schweine zum Zwecke der Selbstversorgung gehalten werden dürften.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, dann müsse man betonen, daß diese Anordnung besonders sorgfältig zu beachten sei. Weiter solle man einmal erwägen, ob man die Schweinezucht in diesem Winter in Anbetracht der Viehknappheit nicht drosseln sollte.

Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert, diese sei sowieso abgestoppt. Im übrigen brauche man, nachdem sein Ministerium das einzige sei, das nichts mehr zu sagen habe und von Frankfurt nur mehr Befehle erhalte, bei der Landwirtschaft eine klare Stellungnahme über die Kompetenz in der Ernährung, in der Wirtschaft, in der Produktion und in der Erfassung. Er habe ganz bestimmte Vorgänge im Auge. So gebe z.B. der Zonenreferent für Zukker, der in Hamburg sitze, unmittelbar an die bayer. Fabriken Anweisungen.

Ministerpräsident Dr. Ehard sichert dies zu. Es sei wichtig, in diesen Dingen auch die Unterstützung des Landtags zu bekommen.

Hier trifft der Stv. Ministerpräsident Dr. Müller ein.

Ministerpräsident Dr. Ehard heißt ihn willkommen.32

[III. Schutz von Parteiveranstaltungen]

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller teilt mit, er komme gerade von der Militärregierung. Er sei dorthin gebeten worden, weil ein Jugendvertreter des Bezirksverbands München an die Junge Union33 geschrieben habe, diese möge anläßlich der Kundgebung von Staatsminister Dr. Hundhammer einen Saaldienst zum evtl. Eingreifen zur Verfügung stellen. Die Amerikaner seien von diesem Schreiben sehr betroffen gewesen und hätten gefragt, was man gedenke gegen diesen Mann und die Junge Union zu unternehmen. Sie wollten zunächst unsere Stellungnahme abwarten, bevor sie selbst eingriffen. Er habe erklärt, die Sache habe mit der Jungen Union überhaupt nichts zu tun. Es habe sich um keinen Beauftragten der Jungen Union, sondern um einen Angestellten des Bezirksverbandes München gehandelt. Die Amerikaner bräuchten nichts zu tun. Der junge Mann werde binnen 24 Stunden entlassen sein. Wenn einer einen solchen Fehler mache, müßten bestimmte Konsequenzen gezogen werden, bevor die ganze Partei leide. Die Amerikaner hätten behauptet, es sei doch ein Unding, nachdem Bayern von der CSU regiert werde, daß dann die Polizei nicht fähig sein sollte, den Versammlungsschutz zu übernehmen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, es werde nichts anderes übrig bleiben, als diesen Mann sofort zu entfernen. Die Polizei müsse in der Versammlung sichtbar in Erscheinung treten, damit die Amerikaner sähen, daß sie da sei.

Staatsminister Dr. Pfeiffer weist darauf hin, daß die Polizei städtisch sei.

Staatsminister Dr. Hundhammer erklärt, diese Aktion stelle zweifellos eine Ungeschicklichkeit dar. Ihm sei sie nicht bekannt und mit ihm sei sie nicht besprochen gewesen. Auch habe ihn Pitzer34 angerufen und habe von sich aus erklärt, daß es vor 2–3 Tagen in einer kommunistischen Versammlung zu sehr unerfreulichen Dingen gekommen sei. Die Polizei stehe bereit, um Sicherung zu gewähren.

Staatssekretär Krehle erklärt, er wisse von dem Rundschreiben auch nichts, er hätte es selbstverständlich verhindert. Er habe auch keine Weisung gegeben für Saalschutz und halte ihn nicht für notwendig.35 Den Mann könne man entlassen.

Staatsminister Dr. Hundhammer meint, ob nicht eine Suspendierung genüge.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer spricht sich auch dafür aus, da der Mann ganz harmlos sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, das sei eine reine Parteimaßnahme. Die Staatsregierung habe nur ein Interesse daran, daß die Polizei sichtbar in Erscheinung trete, damit die Amerikaner sähen, daß die Polizei den Schutz übernehme und sonst niemand.

[IV. Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zum Mandatsverlust der Landtagsabgeordneten Hermann Strathmann und August Haußleiter]

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller teilt die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in den Sachen Haußleiter36 und Strathmann37 mit.38 Bei Strathmann sei festgestellt worden, daß er die Mitgliedschaft bereits ab 3. 4. 47 verloren habe, weil er von den Amerikanern als Professor entlassen worden sei.39 Der Landtagsbeschluß sei gegenstandslos.40 Bezüglich Haußleiter sei der Beschluß des Landtags auch aufgehoben worden, das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof sei jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Spruchkammer ausgesetzt und es sei eine einstweilige Anordnung erlassen worden, daß Haußleiter bis zur endgültigen Entscheidung aus dem Landtag ausscheide. Diese einstweilige Anordnung berge manche Möglichkeiten in sich. Es könnten alle Leute, die noch keine weiße Karte hätten, ohne weiteres hinausbefördert werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, dies gehe nur auf Grund einer besonderen Anordnung.

Staatsminister Dr. Ankermüller fragt, wie es mit Ersatzleuten sei. Bei Strathmann sei es wohl klar.41

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erwidert, auch für Haußleiter sei ein Ersatzmann einzuberufen.42

Staatsminister Dr. Hundhammer fügt hinzu, dieser müsse aber dann wieder ausscheiden, wenn festgestellt sei, daß das Mandat Haußleiter zu Recht bestehe.43

[V. Regierungserklärung]

Ministerpräsident Dr. Ehard faßt noch einmal das Ergebnis der Diskussion über die Punkte der Regierungserklärung zusammen. Zuletzt habe man die Stichworte für die Landwirtschaft festgestellt.

Staatsminister Dr. Baumgartner fügt hinzu, man müsse zum Schluß auch noch die Bodenreform erwähnen und in der Regierungserklärung ganz positiv dazu Stellung nehmen, was besonders jetzt getan und was in den nächsten Wochen und Monaten getan werden könne. Es kämen sehr rasche und scharfe Maßnahmen.44

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, daß in dieser Sache ein Brief von General Muller unterwegs sei mit einer Weisung von General Clay.45 Materiell wolle er sagen, daß schon mit Rücksicht auf diese Siedlungssache Römerweg etwas gesagt werden müsse,46 daß etwas geschehen solle für die Flüchtlinge, etwas über praktische Ergebnisse, Siedlungsversuche, Anlauf von Siedlungsgeschichten, Unterbringung von Flüchtlingen.47 Dies solle mit der Flüchtlingsabteilung des Innenministeriums besprochen werden.

Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert, er habe sehr viel Material vorliegen, das man hier sehr gut verwerten könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard möchte hier auch gleich die Justiz einschalten wegen des Schwarzhandels und sonstiger Geschichten. Er wisse, daß man den Schwarzhandel mit Justizmaßnahmen nicht bekämpfen könne. Man solle aber versuchen, im Zusammenwirken mit der Polizei ein paar wirklich markante Fälle herauszustellen. Es bestehe dabei nur die Gefahr, daß man dann suche und doch wieder nicht die Richtigen erwische, an denen man ein Exempel statuiere. Man müsse versuchen, wirklich eine Schwarzhändlerzentrale oder eine große Schieberbande zu erwischen. Man müsse aber auch dafür sorgen, daß diese dann nicht 2 Tage später gegen Erlegung einer Kaution herausgelassen würden.

Staatssekretär Fischer erklärt, er habe seit einigen Tagen einen ganz großen Fall, in dem Unmengen von Mauersteinen, Dieselöl, Benzin, Dachpappe usw. verschoben worden seien. Es erhebe sich die Frage, ob man noch länger zuwarten oder den Mann hinter Schloß und Riegel setzen solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt anheim, die Sache mit den zuständigen Stellen zu erledigen.

Staatssekretär Dr. Müller bittet, auch das Finanzministerium zu verständigen, damit er den Steuerfahndungsdiensteinsetzen könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet als akute Frage des Wirtschaftsministeriums die Kohlen- und Brennstoffversorgung. Was könne man hier noch machen? Was sei mit dem Kohlendiktator?48

Staatssekretär Dr. Müller erwidert, Höltermann49 habe 2mal mit ihm verhandelt. Er verlange eine Dienststelle mit 32 Leuten, darunter 8 hauptamtliche Referenten. Die Finanz sei der Ansicht, daß man keine neuen Stellen mit neuen Leuten schaffen solle. Er solle zwar an Personal bekommen, was er notwendig brauche, aber man solle versuchen, mit den bisherigen Stellen auszukommen.

Staatsminister Dr. Seidel bezeichnet es auch als sehr gefährlich, einen neuen Apparat zu schaffen. Er werde in den nächsten Tagen eine ganz klare Abgrenzung des Auftrags Höltermann herbeiführen. Im übrigen habe er noch nichts von dessen Vorschlägen gesehen. Er kenne nur das Rundschreiben, das er an sämtliche Abgeordnete geschickt habe.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet die Vorschläge zum Teil als ganz gut, aber für diesen Winter nützen sie nichts mehr. Es sei notwendig, daß man sie weiter verfolge. Zusätzlich ergebe sich aber die Frage, ob jetzt noch etwas geschehen könne. Die Brennstoffversorgung sei auch ein Verkehrsproblem.

Staatsminister Dr. Seidel erklärt hiezu, in den Wäldern liege noch sehr viel Holz, das nicht abtransportiert werden könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard bemerkt zur Transportfrage, General Muller habe ihm wiederholt zugesichert, wenn wir Schwierigkeiten mit Brennstoff- und Lebensmitteltransporten hätten, werde er sein möglichstes tun, daß wir Reifen, Treibstoff und auch Fahrzeuge bekämen. Man müsse also eine Zusammenstellung machen und diese dem General übermitteln. Er glaube, daß hier Aussichten beständen, man müsse aber rasch handeln.

Staatssekretär Dr. Schwalber glaubt, daß die Frage weniger ein Transportproblem sei, sondern daß es mehr an Arbeitskräften fehle.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, dann solle dieses Problem im Zusammenwirken der beteiligten Ministerien untersucht werden. Wenn es sich um ein Arbeitsproblem handle, müsse man sich überlegen, ob nicht irgend etwas geschehen könne, um der Arbeitsmoral mit sanfter Gewalt nachzuhelfen. Er wisse nicht, ob es zweckmäßig und durchführbar sei – jedenfalls erhoffe er sich eine starke psychologische Wirkung – daß man den Erhalt von Lebensmittelkarten stärker mit wirklich getaner Arbeit verknüpfen könne, konkreter ausgedrückt: daß man dem Beschäftigungsnachweis einen Nachweis über bezahlte Einkommen- oder Lohnsteuer beilegen könne. Die bloße Vorlage der Lohntüten genüge wohl nicht. Eine Lohntüte stellten viele Arbeitgeber auch für Scheinarbeitsverhältnisse aus, aber Lohnsteuer zahlen sie sicher dafür nicht. Er bitte, auch diese Frage zu erwägen.

Staatsminister Dr. Seidel gibt eine Anregung aus den Waldgebieten. Dort machten zahllose Betriebe aus Holz nur Talmizeug. Diese Leute hätten früher bei den Forstämtern als Waldarbeiter gearbeitet. Es müsse möglich sein, solche Betriebe den Winter über stillzulegen und die Leute wieder den Forstbehörden zur Verfügung zu stellen.

Ministerpräsident Dr. Ehard bittet auch den Gedanken weiter zu verfolgen, daß man Leute, die den Nachweis für eine Arbeit unter besonders schwierigen Verhältnissen liefern, bevorzugt mit Brennstoff versorgen solle. Für alte Leute und Kinder könne man Wärmestuben einrichten. Man solle diese Dinge aber nicht nur unter dem Begriff der Brennstoffversorgung behandeln. Nicht bloß unter dem Gesichtspunkt „wo kriege ich Kohlen und Holz her“, sondern auch die Frage der Arbeitsbeschaffung, des Transports und einer vernünftigen Verteilung berücksichtigen.

Staatssekretär Sühler möchte den letzten Gesichtspunkt selbst unterstreichen. Den Leuten, die mit der Holzaufbereitung beschäftigt seien, solle man eine Zulage an Brennholz geben. Die Praxis habe gezeigt, daß hiermit ein Erfolg zu erzielen sei. Im übrigen würden immer noch zu viel Arbeitsbescheinigungen für Scheinarbeitsverhältnisse ausgestellt.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, dem wolle er ja beikommen dadurch, daß man neben der Arbeitsbescheinigung noch etwas dazu verlange. Dabei müsse man keineswegs schematisch verfahren. Den Begriff der Arbeit müsse man stärker sichtbar machen und mit konkreten Vorschlägen hervortreten.

Staatsminister Krehle führt aus, aufgrund des Kontrollratsbefehls50 habe man ja die Registrierung der Bevölkerung bei den Arbeitsämtern durchgeführt. Es werde immer wieder festgestellt, daß eine ganze Menge von Leuten Lebensmittelkarten auf Grund von Scheinarbeitsverhältnissen bezögen. Seit Monaten sei man bemüht, diesen Dingen auf die Spur zu kommen. Es sei aber außerordentlich schwer, die konkreten Unterlagen zu bekommen. Es werde eine wesentliche Erschwerung bedeuten, wenn die Finanzbehörden jeden Monat eine Bescheinigung über bezahlte Lohnsteuern ausstellen sollten. Die Arbeitsämter täten sowieso schon alles, was sie tun könnten. In den letzten Wochen seien verschiedene Leute entlassen worden, die zu Unrecht Stempel über Arbeitsverhältnisse gegeben hätten. Er werde auch in Zukunft jeden entlassen.

Ministerpräsident Dr. Ehard wirft dazwischen, das müsse man aber deutlich sagen.

Staatsminister Krehle fährt fort, bezüglich der Holzzufuhr müsse man es ähnlich machen wie in München, wo man ehem. Parteigenossen heranziehe, die noch keine Arbeit hätten. Die Arbeitsämter täten alles, um solche Kräfte nachzuweisen, diese müßten aber dann auch herangezogen und gemeldet werden, wenn sie von der Arbeit wegblieben. Die Demoralisierung liege bei den Arbeitsbescheinigungen viel mehr auf der Arbeitgeberseite.

Staatssekretär Dr. Schwalber erklärt, viele Bürgermeister gäben auch ohne Arbeitsbescheinigungen Lebensmittelkarten aus. Hier sei es Sache der inneren Verwaltung einzugreifen.

Staatsminister Krehle bemerkt hiezu, die Arbeitsämter kontrollierten durchschnittlich 1/4 jährlich jede Gemeinde bei der Kartenausgabe anhand ihrer Register.

Staatssekretär Dr. Müller erklärt, viele Leute arbeiteten nur 3 Tage, bis sie ihre Lebensmittelkarten hätten, dann verschwänden sie wieder.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, auch dem müsse man einen Riegel vorschieben. Die zuständigen Referenten sollten sich das überlegen. Es müsse etwas geschehen, da die Arbeitsmoral unerhört sinke.

Staatssekretär Dr. Schwalber schlägt vor, da man über die Strafjustiz zu keinem Ergebnis komme, nicht bei den Arbeitsscheuen einzusetzen, sondern bei den Unternehmern und diesen die Lizenz zu entziehen. Dies habe er bei Schwarzbauen und Schwarzhandel gemacht und damit die besten Erfahrungen erzielt. Unternehmer, die Scheinarbeitsbescheinigungen ausstellten, seien nicht zuverlässig, diesen könne man die Lizenz entziehen.

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt an, wer in dieser wichtigen Frage die Federführung in die Hand nehme und stellt fest, daß dies das Arbeitsministerium übernimmt und das Wirtschafts-, Ernährungs- und Innenministerium zuzieht. Die Federführung in der Ernährungsfrage solle das Landwirtschaftsministerium übernehmen, in der Kohlenfrage das Wirtschaftsministerium. Die anderen beteiligten Ministerien seien heranzuziehen. Nun habe er noch eine andere Sache: Solle man einen Notaufruf zur Sammlung von Hausrat erlassen? Er sei kein großer Freund von solchen Dingen, bitte aber um Äußerung dazu. Gäbe es kein anderes Mittel, um zu etwas zu kommen, was man an besonders Bedürftige verteilen könne?

Staatsminister Dr. Ankermüller hält einen solchen Aufruf schon für richtig. Er bitte, hier die caritativen Organisationen einzuschalten. Es komme sowieso ein Gesetz, daß man nötigenfalls zwangsweise Hausrat erfassen könne.51 Aber auch ohne das Gesetz solle man zunächst an die Freiwilligkeit appellieren. Er glaube, daß in manchen Gebieten schon ein gewisser Erfolg zu erzielen sei, weil die Leute doch mit diesem Gesetz rechneten und lieber vorher etwas abgäben.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erwidert, wenn die Leute wüßten, daß ein Gesetz käme, gäben sie lieber nichts ab.

Staatsminister Dr. Baumgartner schließt sich dieser Ansicht an. Er halte überhaupt nichts davon, wenn der Staat so etwas mache. Man solle das den Kirchen überlassen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, man müsse aber den Anstoß geben. Eine andere Sache sei es, wie man es durchführe und das Gesammelte verteile.

Staatsminister Dr. Baumgartner meint, es werde sich aber in der Regierungserklärung schon sehr gut machen, wenn man sagen könne, daß angesichts des Notwinters die Kirchen und die Wohlfahrtsorganisationen sich bereit erklärt hätten, eine solche Sammlung zu machen.

Staatsminister Dr. Ankermüller erklärt, daß vom Innenministerium aus ein entsprechender Schritt unternommen werde.

Staatssekretär Dr. Müller schlägt vor, im Hinblick auf das Hausraterfassungsgesetz zu sagen, daß eine Anerkennung des bereits Gegebenen erfolge.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller meint, das könne man später machen.

Ministerpräsident Dr. Ehard bricht die Debatte ab, da man sich nicht in Einzeldiskussionen verlieren könne.52

[VI. Schändung jüdischer Friedhöfe]

Als weiteren Punkt müsse er auf die fortgesetzte Zunahme von Grabschändungen, in erster Linie von jüdischen Friedhöfen, hinweisen.53 Nun habe er aus Aschaffenburg eine Mitteilung bekommen, wonach jüdische Grabmäler angeblich von Leuten geschändet worden seien, die aus dem Interniertenlager in Hammelburg beurlaubt worden seien, um ihre Entnazifizierung vorzubereiten.54 Das sei besonders übel. An dieser Sache könne man nicht vorbeigehen. In der Achtung und Ehrfurcht vor dem Tode sollten sich alle einig sein. Man müsse erwägen, wie man hierauf reagiere. Er habe einen Aufruf der Landesregierung Nordrhein-Westfalen,55 daraus sei zu ersehen, daß die Dinge nicht nur bei uns vorkämen, sondern auch woanders.

Staatsminister Dr. Ankermüller setzt hinzu, in Aschaffenburg seien es nach einem Bericht von Auerbach56 ein Kreisleiter, HJ-Führer usw. gewesen. 57 Es seien auch noch andere Vorfälle gemeldet.58 Es müsse wirklich etwas geschehen und er überlege, ob und was man in die Regierungserklärung bringen könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, die Regierungserklärung brauche man nicht abzuwarten, sondern solle sich vorher schlüssig werden. Die Sache habe 2 Seiten:

1. eine stark antisemitische, der man entgegentreten müsse,

2. sei die Ehrfurcht vor dem Tode auch ein christlicher Gedanke. Wer übernehme nun die Federführung?

Staatsminister Dr. Ankermüller erwidert, das Innenministerium werde die Sache erledigen.59

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erkundigt sich, was mit den aus den Lagern Beurlaubten geschehe, die in Aschaffenburg diese Dinge gemacht hätten.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, Staatsminister Dr. Hagenauer solle sich deswegen mit dem Innenministerium in Verbindung setzen. Auch das Justizministerium solle man zuziehen, wenn ein Nachweis strafbarer Handlungen vorliege.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller schlägt vor, auch Schritte zu unternehmen bezüglich der Klärung der Staatsangehörigkeit der Juden. Wenn diese die deutsche Staatsangehörigkeit hätten, unterstünden sie den deutschen Gesetzen, wenn nicht, müsse man jede Verantwortung für sie ablehnen.

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt, ob man so etwas in die Regierungserklärung aufnehmen solle.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller hält eine Andeutung wenigstens für notwendig.

Staatsminister Dr. Ankermüller hält es für notwendig, auch mit Dr. Auerbach60 darüber zu reden, daß er auf seine Leute in den Lagern einwirke.61

[VII. Kartoffelpreis]

Staatsminister Dr. Pfeiffer verliest den Entwurf eines Telegramms an Minden wegen der Herabsetzung des Kartoffelpreises: „Der Bayerische Ministerrat vom 24. Sept. hält die angeordnete Herabsetzung der Erzeugerpreise für Kartoffeln für denkbar schwerste Gefährdung einer zuverlässigen Erfassung der geringen Kartoffelernte. Kann Durchführung nur zustimmen, wenn Ihr Amt ausdrücklich die Verantwortung für die unbedingte Schädigung der Verbraucherinteressen unserer Staatsregierung gegenüber schriftlich übernimmt.

Dr. Hans Ehard
Bayerischer Ministerpräsident“

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller bemerkt, es müsse dafür gesorgt werden, daß so rasch wie möglich ein Vertrauensmann zum Wirtschaftsrat nach Frankfurt gesetzt werde.

Staatsminister Dr. Baumgartner schlägt vor, das Telegramm zu genehmigen, so habe man dann für die nächsten 8–14 Tage eine Rückendeckung.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor zu sagen „alleinige Verantwortung“.

Mit diesem Zusatz wird das Telegramm allgemein gebilligt.

[VIII. Staatsbeauftragter zur Durchführung des Art. 160 der Verfassung]

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt, ob Staatssekretär Sedlmayr nach seinem Ausscheiden aus dem Wirtschaftsministerium62 sein Amt als Staatskommissar nach dem Gesetz zur Ausführung des Art. 16063 weiterführen könne.64

Staatssekretär Sedlmayr verneint dies und bittet, daß man aus dem Wirtschaftsministerium dieses Amt übernehme.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß diese Angelegenheit vom Wirtschaftsministerium weiterbetrieben wird.65

[IX. Koordination der Arbeit der Staatsregierung]

Er betont anschließend, wie notwendig es sei, daß man hier eine sehr starke Koordinierung schaffe. Man müsse sich auch einmal sehr ernstlich darüber unterhalten, wie man eine stärkere Koordinierung unserer Arbeit gegenüber Frankfurt erreichen könne und wie man vor allen Dingen eine bessere Information haben könne. Nicht nur die einzelnen Minister müßten sich koordinieren, sondern sämtliche Beteiligten, daß man sich dann hier verständigen könne. Es sei notwendig, daß die Staatskanzlei über alles, was vorgehe, unterrichtet werde, damit der Ministerpräsident und sein Stellvertreter ihre Informationen bekämen. Er denke daran, Sondergebiete aufzustellen, z.B. Ernährung, das dann vom Ernährungsministerium in ständiger Koordinierung mit den anderen beteiligten Ministerien bearbeitet würde. Die Quintessenz solle dann dem Ministerrat mitgeteilt werden, der sich nur mehr mit grundlegenden Fragen befassen solle.

[X. Wirtschaftsrat]

Es ergebe sich dann noch ein weiteres Problem. Wie kämen wir von uns aus an den Wirtschaftsrat, bezw. an dessen bayer. Mitglieder heran? Jetzt sei es doch so, daß alles in Parteien aufgespalten sei,66 die keineswegs Bayerns Interessen verfolgten. Die Leute, die von uns hinaufgeschickt worden seien, wüßten oft garnicht, wie sie überfahren würden. Wie könne man nun erreichen, daß alles Material hier zusammenlaufe und jederzeit parat sei. Wie könne man es an die Wirtschaftsratsmitglieder herantragen, ohne daß man ihnen eine Richtung anzuweisen brauche, damit wir wenigstens wüßten, um was es sich handle.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erwidert, er habe die Absicht, einen Mann zum Wirtschaftsrat nach Frankfurt zu setzen, der ihn hier fortlaufend orientiere und der auch an sämtlichen Fraktionssitzungen teilnehmen dürfe.67 Es handle sich um eine Persönlichkeitsfrage. Der Mann müsse dort Vertrauen haben und auch für uns zuverlässig sein. Er glaube dies aber durchsetzen zu können. Im übrigen habe er sowieso schon die Absicht gehabt vorzuschlagen, daß man, bevor man die Regierungserklärung abgebe, mit Semler68 und den anderen maßgebenden Leuten spreche, damit keine gegeneinander stehenden Erklärungen abgegeben würden. Wenn wir das nicht täten, bestehe die Gefahr, daß wir Erklärungen abgäben, die wir nicht durchstehen könnten. Die von Semler beabsichtigte Stillegungsaktion der Industrie, um die Hausbrandversorgung zu sichern, müsse in der Regierungserklärung zumindest angedeutet werden.69

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, man müsse aber auch sagen, was wir als Grenze bezeichneten, wo wir nicht mehr mitkönnten. Man müsse weiter sagen, daß, bevor die Landesregierungen angewiesen würden, zumindest vorher die zuständigen Ministerien gehört werden müßten, ob diese Anweisungen auch durchgeführt werden könnten. Die Durchführung müsse auf jeden Fall bei uns bleiben, weil sonst alles durcheinander gehe.

[XI. Wirtschaftspolitik]

Staatsminister Dr. Seidel bezeichnet die Fragen der Wirtschaft als besondere Klippe in der Regierungserklärung. Programmatische Auslassungen über die Wirtschaftspolitik werde man wohl vermeiden müssen. Auf der anderen Seite müsse man aber dem Volk etwas Praktisches an die Hand geben. Über Brennholz und Kohle habe man schon gesprochen. Was die Leute aber drücke, seien noch ganz andere Dinge z.B. Kompensationen, Wirtschaftsbürokratie, Landesstellen. Über diese grundsätzlichen Fragen müsse man sich aber ganz eingehend unterhalten und nicht leichtfertig irgendetwas hinausgeben, was man dann nicht einhalten könne. Deshalb erscheine es ihm wesentlich, bald mit Semler eine Besprechung zu halten. Im Wirtschaftsrat seien sicher in den einzelnen Fraktionen bestimmte Gesetzesvorschläge in Vorbereitung. Auch der Exekutivrat und die Direktoren seien daran beteiligt. Hier müsse eine Klärung geschaffen werden, damit nicht in die Regierungserklärung etwas geschrieben werde, was einige Tage später überholt sei. In Bayern habe man die ehem. Reichsstellen70 in der Form der Landesstellen übernommen. 71 Bayern sei das zentralistischste Land der Bizone. Man könne aber darüber nichts sagen, bevor nicht die neue Warenverkehrsordnung beschlossen sei, die wahrscheinlich darüber etwas bringen werde.72

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, bei dieser Wirtschaftsorganisation fühle er sich nicht wohl. Es scheine ein Bürokratismus da zu sein, der vollkommen undurchsichtig sei. Wenn hier eine Vereinfachung möglich sei, wäre dies ein Segen. Man könne aber mit Rücksicht auf die im Gange befindliche Entwicklung in Frankfurt darüber nichts sagen. Was habe man dort eigentlich wirtschaftsorganisatorisch vor?

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erwidert, man wolle den großen Apparat von Minden abbauen.

Staatsminister Dr. Seidel führt an, in Bayern sei die Organisation klar.

Staatssekretär Dr. Müller schlägt vor, daß das Wirtschaftsministerium sich wegen der Verwaltungsorganisation nochmals mit Professor Dr. Guido Fischer73 in Verbindung setze, der anläßlich der Etatverhandlungen sehr gute Vorschläge gemacht habe.

Staatssekretär Geiger führt aus, seit 3/4 Jahren plage man sich mit diesen Verwaltungsfragen herum und sei noch zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen. Man müsse diese Frage nochmals genau durchbesprechen. Bis zur Fertigstellung der Regierungserklärung sei man aber noch nicht so weit, daß man endgültiges sagen könne. Was Staatsminister Dr. Zorn74 bezüglich der Auflösung des Landeswirtschaftsamtes gesagt habe, habe sich auch nicht als durchführbar erwiesen.75 Die Sache stecke noch in den Kinderschuhen. Das sei auch kein Wunder, weil es zu schwierig sei, eine gelenkte Wirtschaft zu führen ohne funktionierendes Geld. Wenn man in diesem Punkt überhaupt zu einer Lösung komme, so könne es nur eine Notlösung sein. Es wäre sehr gut, wenn man sich darüber mit Semler unterhalten könnte. Man könne nicht in Bayern eine andere Wirtschaftsverwaltung haben wie in den anderen Ländern.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, in der Regierungserklärung keine präzisen Vorschläge zu machen, aber auf die Verhandlungen mit Frankfurt hinzuweisen.

Staatsminister Dr. Ankermüller meint, unter dem Gesichtspunkt der Ersparnis und der Einheit der Verwaltung wäre es sehr zu überlegen, ob nicht die Regierungswirtschaftsämter und die Wirtschaftsämter76 in die innere Verwaltung einzufügen seien.77 Es werde immer wieder zu Unrecht angenommen, die Kreisregierungen, die Landräte und Bürgermeister seien nur Außenstellen des Innenministeriums, während sie doch Vollzugsorgane sämtlicher anderer Ministerien mit Ausnahme der Finanz, Justiz und Arbeit seien. Die Sonderverwaltungen müßten einmal aufhören.

Staatssekretär Dr. Müller bezeichnet dies auch als Forderung des Finanzministeriums. Dies gelte auch für die Flüchtlingskommissare.78

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet dies an sich als klar, aber in dem Spezialfall der Wirtschaftsverwaltung könne man nur Hieb- und Stichfestes sagen und nichts, wo wir vielleicht morgen durch den Wirtschaftsrat desavouiert würden. Man müsse sich in der Regierungserklärung allgemein gegen Wirtschaftsbürokratie und deren Hypertrophie wenden. Wenn man sonst nichts sagen könne, dann wenigstens sagen, daß man das Zusammenspiel mit Frankfurt aufgenommen habe.79

[XII. Kohlenfrage]

Zur Kohlenfrage habe er am Rande zu bemerken, daß die Zentralstellen und die anderen Behörden noch keine Kohlen hätten. Wenn die Zentralstellen in München aber nicht arbeiten könnten, könne man den ganzen Betrieb einstellen. Er bitte das Wirtschaftsministerium, sich dieser Angelegenheit anzunehmen. Was sei nun zur Regierungserklärung noch zu sagen?

[XIII. Wirtschaft, Flüchtlinge und Displaced Persons]

Staatssekretär Geiger hat vom Standpunkt des Wirtschaftsministeriums aus folgendes vorzubringen: Bestimmend sei die Flüchtlingsfrage für unsere heutige bayerische Wirtschaft. In Bayern hätten wir 30% Flüchtlinge, in Württemberg und Hessen nur 15%. Übertroffen würden wir nur von Schleswig-Holstein mit 65%. Er sei nun der Sache auf den Grund gegangen und habe festgestellt, daß die Belegung der Wohnräume in Bayern 1, 8 Personen betrage, in Schleswig-Holstein nur 1, 5 Personen. Bayern habe also die stärkste Wohndichte.

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt, wie man diese Tatsache plastisch herausstellen könne und welche Folgerungen man daraus ziehen könne.

Staatssekretär Geiger fährt fort, von den Ausländern der Bizone seien 46% in Bayern. Wenn er die Juden erwähnen dürfte, so seien heute in Bayern 10200080 gegenüber 40000 im Jahre 1933.81 Das habe alles wirtschaftliche Folgen; sowohl Ausländer wie Juden bekämen gesonderte Kontingente und Lizenzen.

Staatsminister Dr. Baumgartner teilt hierzu mit, ab 1. Oktober müßten die Ausländer wieder von uns verpflegt werden. Bisher hätten sie 70% von den Amerikanern bekommen. Selbstverständlich erfolge die Verpflegung nach erhöhten Sätzen trotz unserer furchtbaren Ernährungslage.

Staatssekretär Geiger fährt fort, aus dem von ihm vorgetragenen Material müsse man die Folgerung ziehen und in diesem Sinne habe er unsere Ländervertreter für die letzte bizonale Sitzung schon instruiert, daß die bayerische Industrie stärker mit Rohstoffen versorgt und wir mehr Produktionsgüter bekommen müssen. Das sei von Minden und Frankfurt glatt abgelehnt worden. Er sei der Meinung, daß, was z.Zt. unsere Schwäche sei, nämlich die Überbelegung mit Flüchtlingen, nun unsere Stärke werden müsse. Bayern müsse stärker aus der Gesamtproduktion und mit Rohstoffen berücksichtigt werden. An dieser Forderung könne man letzten Endes nicht vorübergehen. Damit hänge auch der Wiederaufbau unseres Fremdenverkehrs zusammen.82 Die Betten des Fremdenverkehrs würden angesehen wie die Betten für den gewöhnlichen Hausgebrauch.83 In Wirklichkeit seien sie zu vergleichen mit Produktionsstätten, wie Fabrikhallen. Diese könne man auch nicht mit Flüchtlingen belegen und die Maschinen stillegen.

Staatsminister Dr. Kraus weist darauf hin, daß auch die staatlichen Bäder mit Flüchtlingen belegt worden seien.

Staatssekretär Geiger fährt fort, vorhin sei gesagt worden, daß Produktionsstätten, die sich nicht rentierten, eingestellt würden zu Gunsten solcher, die sich besser rentierten. Auch dagegen müsse man Front machen, weil vor allem die bayerische Industrie dadurch betroffen werde. Unsere Industrie müsse stärker laufen als die in weniger mit Flüchtlingen belegten Betrieben. Die Flüchtlingsfrage sei der Angelpunkt, aus ihm müsse man herausholen, was man könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt dem zu. Die Flüchtlinge seien nun einmal da, ihnen müßten wir helfen.

Staatssekretär Dr. Schwalber meint, man müsse auch gewerbliche Räume beschlagnahmen können. In seinem Landkreis84 seien viele Läden und Produktionsstätten seit 6 oder 7 Jahren geschlossen. Daran scheitere die Unterbringung der Industrien.

Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß für solche Beschlagnahmen keine gesetzlichen Grundlagen vorhanden seien. Im übrigen fasse er das Ergebnis der letzten Besprechungen dahin zusammen, daß das Wirtschaftsministerium die Dinge im Zusammenhang mit der Flüchtlingsverwaltung zusammenstelle unter dem Gesichtspunkt, daß wir für die Leute, die einmal da seien, etwas beibringen und wir für sie sorgen müßten. Auch die Frage der Flüchtlingsorganisation müsse man einmal eingehend besprechen. So gehe es nicht, daß man im Flüchtlingsamt einen Staat im Staate gründe. Man müsse endlich einmal die Flüchtlingsverwaltung in die ordentliche Verwaltung eingliedern,85 darüber könne man sich aber jetzt nicht unterhalten, weil Staatssekretär Jaenicke nicht da sei und zunächst noch Vorbesprechungen stattfinden müßten.

Staatsminister Dr. Pfeiffer bemerkt dazu, daß die SPD den von Staatssekretär Geiger aufgeworfenen Problemen die größte Aufmerksamkeit angedeihen lasse. Es würden dort Untersuchungen über die Strukturwandlung Bayerns angestellt.86

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, das könne man doch auffangen. Dazu müsse man sich aber mit dem Flüchtlingsstaatssekretär ins Benehmen setzen. Bezüglich der Umorganisation müsse man aber vorsichtig sein und könne höchstens sagen, daß eine Überprüfung notwendig sei. Eine Konkretisierung sei bis zur Regierungserklärung nicht möglich.

[XIV. Grenzlandförderung]

Staatssekretär Geiger weist noch auf die Grenzlandförderung hin. Die Gebiete gegenüber der russischen Zone und gegenüber Österreich seien praktisch Grenzland. Diese dürften nicht das Gefühl haben, daß sie von uns vollständig übersehen würden. Diese Gebiete müßten aber besonders berücksichtigt werden, nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in kultureller Hinsicht. Auch den Gegensatz zwischen Nord- und Südbayern müsse man verschwinden lassen. Gerade in Franken fühlten sich die Leute vernachlässigt. Wenn man ein solches Programm bekannt gebe, könne man bei einem Großteil der Bevölkerung eine gute Wirkung erzielen.

Staatsminister Dr. Ankermüller meint, diesen Gesichtspunkt solle man auch beim Ausbau der Selbstverwaltung betonen.

[XV. Weitere Themen der Regierungserklärung]

Staatsminister Krehle erklärt, auch über die soziale Frage müsse man natürlich etwas sagen.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, diese Vorbesprechungen heute abzuschließen. Damit solle nicht gesagt sein, daß alles schon erschöpfend besprochen sei. Er bitte dringend, die besonders akuten Themen, die heute aufgeworfen seien, zu besprechen, darüber hinaus auch die soziale Frage, die Entnazifizierung und Fragen der inneren Verwaltung. Er bitte, daß er bis spätestens nächste Woche Skizzen bekomme.

Staatsminister Dr. Ankermüller bringt als weitere Stichworte: Stärkung der Polizei, Aufenthalts- und Ausweisungsgesetze, Meldevorschriften und Seuchenbekämpfung.

[XVI. Personalangelegenheiten]

Ministerpräsident Dr. Ehard geht nunmehr auf die Besprechung einiger Personalsachen über. Das Finanzministerium sei einverstanden, daß Staatssekretär Sachs,87 wenn das Justizministerium zustimme, für seine Person zum Ministerialdirektor im Sonderministerium ernannt werde.

Staatsminister Dr. Hagenauer meint, Sachs solle doch Staatsrat werden.88

Ministerpräsident Dr. Ehard hält dies nicht für notwendig. Dies könne u. U. politische und Haushaltsschwierigkeiten geben.

Staatsminister Dr. Hagenauer sieht praktische Schwierigkeiten bei der Ernennung zum Ministerialdirektor, weil doch Dr. Hertle89 schon Ministerialdirektor werden solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezweifelt dies. Sachs solle doch nur für seine Person Ministerialdirektor werden, werde selbständig und nur dem Minister unterstellt sein. Sachs solle ein abgeschlossenes Gebiet bearbeiten und werde Hertle nicht unterstellt sein. Das müsse sich doch machen lassen.

Staatsminister Dr. Hagenauer stimmt zu, wenn Sachs damit einverstanden sei. Für den Fall seiner Verhinderung solle Sachs sein Stellvertreter sein.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt die grundsätzliche Zustimmung des Ministerrats zu seinem Vorschlag fest. Wenn die Sache abgeschlossen sei, solle sie dem Ministerrat nochmals vorgelegt werden.90 Ministerpräsident Dr. Ehard bringt den Antrag des Kultusministeriums vor, den ehemaligen Amtsgerichtsrat Jaeger91 zum Regierungsrat im Kultusministerium zu ernennen. Jaeger sei bei der SA92 gewesen, sei aber nunmehr entlastet.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer weist darauf hin, daß auf Wunsch von stv. Ministerpräsident Dr. Müller Dr. Griessinger93 von der Generalstaatsanwaltschaft ins Justizministerium versetzt werden solle. Griessinger sei Mitläufer; dann sei hiefür aber auch die Zustimmung des Ministerrats notwendig.

Staatsminister Dr. Hagenauer erklärt, Griessinger sei noch nicht entnazifiziert.

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, hier gebe es zwei Möglichkeiten: Entweder die Abkommandierung, dann sei keine Zustimmung erforderlich, wenn er aber ins Ministerium übernommen werden solle, müsse der Ministerrat zustimmen.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer meint, dann solle man Griessinger nur abkommandieren.

Staatsminister Dr. Kraus rät ebenfalls zur Vorsicht.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, für eine Abkommandierung sei nur der Ressortminister verantwortlich. Vielleicht sei es für Griessinger besser, wenn man ihn vorerst nur abstelle.

Staatsminister Dr. Kraus meint auch, man solle nicht das Mißtrauen der Militärregierung erwecken.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erklärt, für diesen Fall übernehme er die Verantwortung.

Staatsminister Dr. Pfeiffer warnt davor, daß das neue Kabinett gleich am Anfang solche Dinge vollziehe. Als CSU-Regierung werde man sehr rasch angeschossen werden. Er kenne Griessinger sehr gut, er glaube aber, daß man ihm einen schlechten Dienst erweise, wenn man ihn versetze. Dadurch bekomme man nur Schwierigkeiten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erklärt, dann müsse man eben die Entnazifizierung beschleunigt durchführen. Er übernehme die Verantwortung.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, bis jetzt sei der Ministerrat formell noch nicht angegangen. Vorerst handle es sich um eine Sache des Ressortministers. Er empfehle aber, gerade bei so zuverlässigen Leuten wie Griessinger nichts zu riskieren.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer befürchtet, daß ein paar Leute im Justizministerium seien, die sofort Schwierigkeiten machen könnten.

Mit der Einberufung des Amtsgerichtsrats Dr. Jaeger als Regierungsrat ins Kultusministerium herrscht allgemeines Einverständnis.

Ministerpräsident Dr. Ehard bringt den Antrag des Obersten Rechnungshofes vor, den dort bereits im Angestelltenverhältnis beschäftigten Dr. Franz Schneider zum Ministerialrat zu ernennen.

Staatsminister Dr. Kraus unterstützt diesen Antrag, der Rechnungshof brauche dringend Leute.

Staatsminister Dr. Pfeiffer erhebt auch hier wieder die politische Frage, ob es für diese Ernennung nicht zu früh sei.

Staatsminister Dr. Kraus erwidert, wenn man die Verwaltung aufbauen wolle, müsse man allmählich die Mitläufer wieder herein nehmen.94 Was man an Unbelasteten habe zusammenkratzen können, habe man schon hereingenommen.

Staatsminister Dr. Baumgartner schließt sich den Ausführungen von Staatsminister Dr. Pfeiffer an. Er halte es für sehr bedauerlich, wenn eine reine CSU-Regierung solche Dinge wie Griessinger und Schneider mache. Sie werde dann im ganzen Land sofort bekämpft werden. Man solle Schneider zum Oberregierungsrat machen; er müsse dafür bestraft werden, daß er Pg. geworden sei. Die anderen seien auch nicht zur Partei gegangen. Die Sache habe doch auch Folgen. Er könne dann sofort mit 3 Dtzd. solcher Fälle kommen. Warum könne jemand, wenn er Pg. gewesen sei, nicht wieder als Oberregierungsrat anfangen? Dann könne man sich damit verteidigen, daß man ihn zurückgestuft habe. Eine Ernennung zum Ministerialrat müßte er dringend widerraten.

Staatsminister Dr. Kraus erwidert, er unterschreibe jeden Tag ein Dutzend von Einstellungen von Mitläufern in den verschiedensten Stellen, weil wir dazu gezwungen seien, um unsere Verwaltung langsam wieder aufzubauen. Wenn er das nicht mache, blieben die Geschäfte liegen. Man komme tatsächlich ohne die Mitläufer nicht durch. Bis jetzt habe man den Grundsatz verfolgt, daß man die Mitläufer in ihre alten Stellungen mit ihren alten Dienstbezeichnungen wieder hereinnehme. Er rede bestimmt keiner laxen Praxis das Wort. So habe er eine Entschließung herausgegeben, daß man sich jeden Einzelfall nochmal ansehen müsse, ob man unsere Stellungnahme mit dem Spruchkammerbescheid in Einklang bringen könne. Die Spruchkammerbescheide seien manchmal sehr lax. Es sei auch der Vorschlag gemacht worden, die Beamten in ihre Eingangsstufe zurückzusetzen. Dies würde aber zu den größten Ungerechtigkeiten führen. Es ergebe sich die grundsätzliche Frage, ob man bei Ministerialräten, Regierungsdirektoren und Oberregierungsräten eine Zurückstufung vornehmen solle. Gestern habe er den Fall des früheren Staatsbankpräsidenten Gorter95 gehabt. Dieser habe verlangt, daß er jetzt wieder Präsident werde. Dem habe er jedoch erklärt, er solle froh sein, wenn er wieder Ministerialrat werde. Er bekomme dann zwar ein Gehalt, das niedriger sei als seine bereits erdiente Pension, daran könne man aber in diesem Falle nichts ändern. Er frage auch, ob man in allen Fällen eine Degradierung vornehmen solle.

Staatsminister Dr. Baumgartner spricht sich hierfür aus.

Staatsminister Dr. Kraus widerspricht. Wenn keine Stellung da sei, müsse sich der Betreffende mit einer niedrigeren begnügen, sonst aber nicht. Inspektoren und Obersekretäre rückten auch in ihre frühere Stelle wieder ein.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet dies als eine grundsätzliche Frage, ob Ministerialräte zurückgestuft werden sollen. Im übrigen sei es eine taktische Frage, ob man gerade im ersten Ministerrat der neuen Regierung eine solche Ernennung vornehmen solle. Die Vorbereitungen für den Fall Schneider gingen zwar schon auf Juli zurück, er schlage aber doch vor, die Sache zurückzustellen.

Staatssekretär Dr. Müller schließt sich diesem Vorschlag an. Ernennungen vom Ministerialrat aufwärts solle man zurückstellen.

Staatsminister Dr. Kraus ist ebenfalls dieser Meinung. Er verweist auf den Fall Schwarzmaier,96 der auch zurückgestellt worden sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard bemerkt hiezu, die Sache Schwarzmaier solle dem Landespersonalamt zugeleitet werden.

Staatsminister Dr. Kraus hält dies nicht für zweckmäßig. Es herrscht allgemeines Einverständnis, daß die Sache Schneider zurückgestellt wird.97

Ministerpräsident Dr. Ehard bringt den Antrag des Wirtschaftsministeriums auf Ernennung des Dr. Kratzer98 zum Regierungsdirektor auf Probe in diesem Ministerium vor. Es handle sich hier allerdings um einen ähnlichen Fall.

Staatssekretär Geiger unterstützt diesen Antrag, da Dr. Kratzer ein wirklich wertvoller Mitarbeiter sei. Außerdem handle es sich nur um eine Ernennung auf Probe.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer hält eine Ernennung zum Oberregierungsrat auf Lebenszeit für zweckmäßiger.

Staatsminister Dr. Kraus widerspricht diesem Vorschlag.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer erwidert, wer nicht bei der Partei gewesen sei, sei von jeder Beförderung ausgeschlossen gewesen. Nur wer bei der Partei gewesen sei, sei befördert worden.99

Staatssekretär Dr. Sattler hat Bedenken, wenn das neue Kabinett solche Ernennungen sofort vornehme.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt als übereinstimmende Meinung des Ministerrats fest, daß auch diese Sache vorläufig zurückgestellt werden solle.

Staatsminister Dr. Kraus verlangt, daß aber dann der Ministerrat allgemeingültige Grundsätze aufstelle.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, der bisherige Sachbearbeiter des Landwirtschaftsministeriums Dr. Endres100 solle zum stv. Präsidenten des Landesamts für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung ernannt werden.

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt sich damit einverstanden. Dr. Endres könne sich dort bedeutend verbessern; er müsse deshalb wohl oder übel zustimmen.

Staatssekretär Dr. Schwalber möchte sich nicht dafür aussprechen. Er habe bisher keinerlei lobende Äußerungen über seine bisherige Tätigkeit gehört.

Staatsminister Dr. Baumgartner bezeichnet Endres als eine umstrittene Persönlichkeit. Er sei ein sehr guter Jurist; er habe nichts beobachtet in den zwei Jahren seiner Tätigkeit, was ihn disqualifizieren könnte.

Staatsminister Dr. Kraus bezeichnet Endres ebenfalls als ausgezeichneten Juristen. Seine charakterlichen Eigenschaften kenne er nicht. Die Stelle im Landesamt müsse sehr bald besetzt werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, die angemeldeten Bedenken seien durch Tatsachen nicht belegt.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erklärt, er kenne Endres und halte ihn für tüchtig.

Der Ministerrat ist mit der Ernennung von Dr. Endres einverstanden.

Ministerpräsident Dr. Ehard bringt die Angelegenheit Dr. Wutzlhofer101 vor. Nachdem Seelos in Stuttgart ausgeschieden sei,102 sei Wutzlhofer als dessen Nachfolger vorgeschlagen worden. Dieser sei planmäßiger Oberregierungsrat in der Staatskanzlei und solle später zum Regierungsdirektor ernannt werden.

Mit der Ernennung von Dr. Wutzlhofer zum Bayer. Bevollmächtigten im Länderrat herrscht allgemeines Einverständnis. Es wird weiter beschlossen, ihm die Dienstbezeichnung Regierungsdirektor zu verleihen. Seine haushaltsmäßige Ernennung solle nachträglich durchgeführt werden.

[XVII. Gemeindewahlen]

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, bei der internen Besprechung mit General Clay auf der letzten Länderratssitzung103 sei über die Gemeindewahlen gesprochen worden. Hessen wolle diese Wahlen bis zum nächsten Herbst verschieben, während Württemberg sie möglichst noch im Dezember d.J. und zwar zusammen durchführen wolle. Er habe sich seine Stellungnahme vorbehalten. In der nächsten Sitzung104 werde dann die Frage wieder auftauchen und er wolle einen Vorschlag machen können. An sich müsse Mitte Januar bis Mai 1948 gewählt werden. Er könne sich vorstellen, daß man die Wahlen verschiebe und zwar durchgestaffelt von Mai bis Juni 1948.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erklärt, vom Standpunkt der Partei aus würden die Wahlen, wenn sie heute stattfänden, über Erwarten gut ausfallen. Aber gerade von Januar bis Mai seien die Wahlen unmöglich. Auf dem Lande müsse man die Wahlen abhalten beginnend ab Mai.105 Bis dahin sei die Situation besser. Er schlage vor, die Wahlen nicht zu sehr auseinanderzuziehen und im Mai damit zu beginnen.

Staatsminister Dr. Baumgartner erkundigt sich, was denn die Begründung einer Hinausschiebung sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, der Anlaß sei ein Vorstoß des hessischen Ministerpräsidenten106 gewesen. An sich sei es richtig, nicht gerade im Winter wählen zu lassen. Mit der Verschiebung der Wahlen bis zum Mai und ihrer allerdings nicht zu weit ausgedehnten Staffelung herrscht allgemeines Einverständnis.107

[XVIII. Präsident der Oberpostdirektion München]

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt ein Schreiben der Hauptverwaltung für Post- und Fernmeldewesen bekannt, wonach dieses den früheren Oberbürgermeister von Augsburg, Hohner,108 mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Präsidenten der Oberpostdirektion München beauftragt habe und um Einverständnis bitte. An sich hätten wir gar kein Einverständnis zu erteilen.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer bemerkt, aus Augsburg seien zwei Herren bei ihm gewesen, die sehr viel gegen diese Ernennung einzuwenden hätten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller schließt sich diesen Bedenken an. Man solle diese Angelegenheit zurückstellen.

Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß wir an sich ja gar nicht zuzustimmen brauchten. Es handle sich um eine Liebenswürdigkeit von Schuberth,109 die er gerne aufgreifen wolle; man könne die Sache vielleicht noch etwas liegen lassen, aber nicht sehr lange.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller schlägt vor, die Sache ins zuständige Ressort zu geben, daß man sich noch einmal darüber äußern könne.

Mit diesem Vorschlag herrscht allgemeines Einverständnis.

[XIX. Professor Kallert]

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest einen Antrag des Landwirtschaftsministeriums, Professor Kauert,110 einem Fachmann auf den Gebieten der Fleischkonservierung, besondere Vollmachten zu erteilen.

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt, Kallert sei auf diesem Gebiet die größte Kapazität. Er sei aber Pg gewesen. Z. Zt. arbeite er bei Sauermann111 in Kulmbach. Er schlage vor, ihn nicht ins Beamtenverhältnis zu übernehmen, sondern ihm den Sonderauftrag für einige Wochen zu geben, sonst gingen Tausende Tonnen Fleisch zugrunde.

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich, ob dann Kallert eine besondere Vollmacht von ihm brauche.

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt dies für notwendig, da Kallert die Tierärzte einschalten müsse zur laufenden Überwachung des konservierten Fleisches. Er müsse etwas in der Hand haben, damit er mit den Ministerien und den Außenstellen verhandeln könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, daß Kallert eine von Staatsminister Dr. Baumgartner und ihm unterschriebene Vollmacht bekomme, daß er beauftragt sei, die Notmaßnahmen bezüglich des technischen Vollzugs zu überwachen.

Staatsminister Dr. Ankermüller hält eine Vollmacht nicht für notwendig. Kallert solle gleich zu ihm kommen, er werde dann entsprechende Weisungen an die unteren Stellen hinausgeben.

Staatsminister Dr. Baumgartner hält eine Vollmacht doch für zweckmäßig, im wesentlichen handle es sich um einen Ausweis.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend fest, Kallert solle eine Art Vollmacht bekommen, die allerdings etwas gegenüber dem Entwurf des Landwirtschaftsministeriums abzuändern sei und vor allem befristet werden müsse. Im übrigen solle das Landwirtschaftsministerium an das Innenministerium schreiben, damit dieses entsprechende Weisungen herausgebe.

[XX. Streik der Münchner Spruchkammervorsitzenden]

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt, was jetzt mit den 41 Münchner Spruchkammervorsitzenden sei, die gestreikt hätten.112

Staatsminister Dr. Hagenauer erwidert, er habe ihnen für Ende dieser Woche eine Unterredung in Aussicht gestellt. Die Sache sei noch im Lauf. Er habe Zweifel gehabt, ob es zweckmäßig sei, mit ihnen zu verhandeln, da das Ganze eine offene Rebellion darstelle. Jedenfalls werde er die Sache noch vor dem 1. Oktober erledigen.

[XXI. Flüchtlingslager Hof-Moschendorf]113

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest eine Notiz der Frankenpost114 über das Flüchtlingslager Moschendorf. Soweit er bei seinem Besuch in Hof115 gesehen habe, sei es aber nicht so, daß man die einen hinauswerfen und andere hineinsetzen könne. Für den Winter sei das Lager jedenfalls völlig ungeeignet.

Staatsminister Dr. Ankermüller schlägt vor, der Flüchtlingsabteilung die Angelegenheit zuzuleiten, die das weitere veranlassen könne.116

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.

[XXII. Verordnung über die Wohnraumerhebung 1947]117

Ministerpräsident Dr. Ehard bringt die Verordnung über die Wohnraumerhebung 1947 zur Sprache. Die Sache sei schon zweimal zurückgestellt worden. Nun hätten schon soundsoviele Wohnungserhebungen stattgefunden. Es sei sehr fraglich, ob eine solche Sache gerade jetzt notwendig sei. Um die Sache in Ordnung zu bringen, schlage er vor, die Erhebungen dort vorzunehmen, wo sie noch nicht gemacht worden seien. Das Formblatt sei derart entsetzlich, daß nur Unzufriedenheit und Verstimmung entstehe. Mehr Wohnraum bekomme man dadurch auch nicht. Im übrigen habe er die Befürchtung, daß man auf dem Papier schließlich doch noch ein paar qm herausbekomme, dann werde uns auf dem Umweg über Frankfurt oder Stuttgart nur gesagt, daß wir noch mehr Flüchtlinge nehmen müssen.

Staatsminister Krehle erwidert, die Militärregierung verlange von uns einen genauen Bericht über die Wohnraumdichte. Er glaube nicht, daß wir schlecht dabei fahren, sondern auf eine bessere Zahl kämen. Wenn man eine Erhebung durchführe, müsse man sie einheitlich für das ganze Land machen.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, wenn er als Privatmann dieses Formblatt ins Haus geschickt erhalte, bekäme er einen Wutanfall. Er empfehle dringend, wenn es nicht absolut notwendig sei, der Bevölkerung solche Papierarbeit nicht zuzumuten.

Staatsminister Dr. Kraus erklärt, ein schriftlicher Auftrag der Militärregierung liege nicht vor. Es handle sich hier um ein eigenmächtiges Vorgehen des Referenten, der bereits die Formulare habe drucken lassen. Auch er befürchte eine Schädigung in der Flüchtlingsfrage. Wir sagten immer die Wahrheit, während wo anders die Statistiken frisiert würden.

Staatsminister Krehle beantragt Zurückstellung, bis endgültig entschieden ist, welchem Ministerium das Wohnungs- und Bauwesen zugeteilt wird.118

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.

[XXIII. Sozialversicherungsordnung]119

Staatsminister Krehle berichtet, nachdem beschlossen worden sei, anstelle von Ministerialrat Schieckel120 einen anderen Stimmführer im Sozialpolitischen Ausschuß zu benennen,121 sei er selbst nach Stuttgart gegangen, um wegen der neuen Sozialversicherungsordnung zu verhandeln. Er habe dort die neue Sozialversicherungsordnung abgelehnt,122 was einen ziemlichen Sturm ausgelöst habe, auch bei den Gewerkschaften.123 Er habe sich aber dadurch nicht irritieren lassen und habe erreicht, daß der Kontrollratsentwurf im Länderrat abgelehnt worden sei.124 Daraufhin habe der Offizier der Militärregierung auch von Hessen und Württemberg-Baden verlangt, daß über die neue Sozialversicherungsordnung Kabinettsbeschlüsse herbeigeführt und der Militärregierung vorgelegt werden sollten. Auch in Württemberg seien die Meinungen sehr geteilt. Dort werde wohl die Vorlage auch abgelehnt werden. Man könne aber nur noch zur Vorlage im ganzen Stellung nehmen. Einzelne Vorschläge könne man nicht mehr machen. Die Beamten seien jetzt nicht mehr in die Sozialversicherung eingebaut, dagegen sei die Landwirtschaft noch versicherungspflichtig.

MinisterpräsidentDr. Ehard bestätigt, daß keinerlei Einzelvorschläge mehr gemacht werden können. Wenn der Koordinierungsausschuß des Kontrollrats die Sache annehme, müsse sie gemacht werden.

Staatsminister Krehle erwidert, es stehe noch nicht fest, ob der Kontrollrat das Gesetz von sich aus veröffentliche oder nur Rahmenbestimmungen wie beim Betriebsrätegesetz. Er glaube eher, daß nur Rahmenbestimmungen kämen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt abschließend, daß der Bericht zur Kenntnis diene. Vorerst könne man nichts unternehmen.125

[XXIV. Aufbau des Fremdenverkehrs]126

Staatssekretär Geiger führt aus, in der nächsten Zeit würden wahrscheinlich von der Militärregierung und der Armee in größerem Umfang Gasthöfe und Hotels freigegeben. Dann stürzten sich aber sofort die Flüchtlingskommissare darauf und beschlagnahmten sie für Flüchtlinge.127 Es handle sich aber um rein gewerbliche Betriebe. Als Einzelfall wolle er das Hotel Askania in Wiessee128 anführen, das sofort auf Veranlassung von Dr. Auerbach auf dem Umweg über den Flüchtlingskommissar beschlagnahmt und der jüdischen Bevölkerung zugewiesen worden sei. Zum Aufbau des Fremdenverkehrs, insbesondere des Ausländerverkehrs, brauche man aber diese Objekte unbedingt. Man könne unmöglich mehr zulassen, daß das Wirtschaftsministerium überhaupt nichts mehr zu sagen habe. Man komme zu keinem Fremdenverkehr mehr, wenn der Staatskommissar129 solche Objekte ohne weiteres beschlagnahmen könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard empfiehlt, daß diese Frage von den beteiligten Ministerien einmal besprochen werde. Seines Erinnerns gebe es schon irgendeine Vereinbarung.

Staatssekretär Geiger erwidert, danach richte sich aber der Staatskommissar nicht.

Staatsminister Dr. Ankermüller bezeichnet dies wieder als einen Grund, daß die Flüchtlingskommissare in die innere Verwaltung eingebaut werden müßten.130

Staatssekretär Geiger bittet sofort zu veranlassen, daß das Hotel Askania wieder geräumt und über die endgültige Verwendung eine Entscheidung getroffen wird.

Staatsminister Dr. Pfeiffer bezeichnet es als sehr wichtig, daß General Muller bei der Besprechung zwischen den Ministerpräsidenten131 offiziell mitgeteilt habe, daß die Militärregierung eine bedeutende Zahl von Hotels freigeben würde, damit diese wieder unter Führung von tüchtigen Geschäftsleuten den Reiseverkehr und Aufenthalt von Ausländern ermöglichen. Der General habe erklärt, die Situation sei sehr düster, er freue sich, daß er auch einmal etwas Gutes sagen könne. Auf diese offizielle Mitteilung von General Muller könne man sich berufen.

Staatsminister Dr. Ankermüller hält es auch für notwendig, daß etwas geschehen müsse. Dies gehe aber nur, wenn einheitlich vorgegangen werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, diese Frage müsse von den beteiligten Ministerien als Einzelfrage und grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt des Interessenausgleichs besprochen werden. Auch dem Fremdenverkehr müsse man allmählich eine kleine Bahn öffnen. Es gehe nicht an, daß Dr. Auerbach oder der Flüchtlingskommissar sich darauf stürzten, wenn die Militärregierung die Hotels für Zwecke des Fremdenverkehrs freigebe. Abschließend könne man die Sache heute nicht beurteilen, aber auch eine andere Stelle könne keine endgültige Entscheidung treffen, sondern nur der Ministerrat vorbehaltlich einer Nachprüfung.132

[XXV. Staatssekretär im Staatsministerium für Arbeit und Soziale Fürsorge]

Staatsminister Krehle teilt noch mit, daß sich Herr Grieser grundsätzlich bereit erklärt habe, als Staatssekretär im Arbeitsministerium einzutreten.133

Der Bayerische Ministerpräsident
gez. Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des Ministerrats
gez. Claus Leusser
Ministerialrat