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Nr. 6MinisterratssitzungSamstag, 8. November 19471 Beginn: 8 Uhr 45 Ende: 11 Uhr 40
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard,2 Staatsminister des Innern Dr. Ankermüller, Staatsminister der Finanzen Dr. Kraus, Staatsminister für Wirtschaft Dr. Seidel, Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Dr. Baumgartner, Staatsminister für Sonderaufgaben Dr. Hagenauer, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium).3

Entschuldigt:

Stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Staatsminister für Unterricht und Kultus Dr. Hundhammer, Staatsminister für Arbeit und Soziale Fürsorge Krehle, Staatsminister für Verkehrsangelegenheiten Frommknecht, Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).

Tagesordnung:

I. Die Kartoffelfrage. [II. Dienstenthebung des 2. Stellvertreters Dr. Ziegler des Staatssekretärs für das Flüchtlingswesen]. [III. Streik der Eisenbahner wegen der befürchteten Herabsetzung der Fettration]. [IV. Flüchtlingssiedlung Neuheim am Römerweg]. [V. Die Kartoffelfrage]. [VI. Brauverbot und Schnittholzanforderungen der Armee]. [VII. Ehrentempel am Königsplatz]. [VIII. Anwerbung von Arbeitern für Frankreich]. [IX. Wiederaufbau der deutschen Industrie]. [X. Rückerstattungsgesetz]. [XI. Ernennung des Ministerialrats Lutz zum Ministerialdirigenten]. [XII. Eisenbahnerstreik].

Staatsminister Dr. Pfeiffer eröffnet in Vertretung des noch nicht erschienenen Herrn Ministerpräsidenten die Sitzung, stellt die Beschlußfähigkeit des Ministerrats fest und gibt die Tagesordnung bekannt.4

I. Die Kartoffelfrage

Staatsminister Dr. Baumgartner führt aus, es drehe sich darum, ob Bayern die Forderung des Verwaltungsamts für Ernährung und Landwirtschaft durchführen könne, 126000 to Kartoffel nach Württemberg und 8000 to nach Hessen zu liefern.5 Er habe am 30. Oktober über den Herrn Ministerpräsidenten von General Muller einen Brief erhalten, der die Anweisung enthalte, diesen Befehl des Verwaltungsamtes zu vollziehen.6 Besonders grotesk sei es, daß wir nach Hessen Kartoffel liefern müßten, obwohl dort schon jeder 1 Ztr. eingekellert habe, während bei uns noch 300000 to fehlten, damit jeder 1 Ztr. bekommen könne. Die Anweisung enthalte die Androhung, daß wir, wenn wir nicht lieferten, kein Brotgetreide bekämen. Dieses werde im Maßstab von 4:1 umgerechnet. Es handle sich um eine sehr schwerwiegende Situation. Wenn wir die Anweisung durchführten, hätten wir keine Kartoffeln, wenn wir die Kartoffeln nicht lieferten, bekämen wir kein Brotgetreide. Zur Gesamtlage dürfe er folgendes ausführen: Die Kartoffelschätzungen seien ja bereits durch die Presse bekannt. Die Amerikaner hätten den Hektarertrag auf 143 dz geschätzt, das Statistische Landesamt auf 79 dz und das Landwirtschaftsministerium auf 92 dz. Das Frankfurter Verwaltungsamt habe einfach die Mitte genommen und den Ertrag auf 110 dz festgestellt. Auf dieser Berechnung beruhe die Auflage an Bayern, die Lieferungen zu erfüllen. Bayern habe schriftlich und mündlich Protest eingelegt gegen die von Frankfurt angenommenen Schätzungen. Die Schätzung von 92 dz sei nach menschlichem Ermessen die richtige. Auf Grund dieser bayer. Schätzung ergebe sich folgendes Bild: Wir hätten in Bayern eine Anbaufläche für Frühkartoffeln von 13 641 ha, für Spätkartoffeln von 263 780 ha. Bei einem Hektarertrag von 71,2 dz für Frühkartoffeln betrage die Ernte 97114 to. Bei einem Hektarertrag von 92,2 dz für Spätkartoffeln ergebe diese Ernte 2428 137 to. Von der Gesamtkartoffelernte von 2525251 to seien abzuziehen: für Schwund und Aussortierung (18%) 452216 to, für Pflanzkartoffeln für 395000 ha 908500 to, für den Bedarf von 2483600 Selbstversorgern 620900 to, also insgesamt 1981616 to. Es bleibe demnach ein Ablieferungsrest von 543635 to. Der Jahresbedarf der Bevölkerung in Bayern betrage bei einer Zuteilung von 8 kg in den Zuteilungsperioden 104–1077 und einer Einkellerungsmenge von 50 kg für die 108.-116. Periode8 737079 to. Somit ergebe sich eine Fehlmenge von 193444 to. Das Bild, das sich draußen ergebe, scheine dieser Rechnung recht zu geben. In Bayern seien erfaßt worden rund 450000 to. Das sei schon eine riesige Menge. Für die Einkellerung in den Städten fehlten noch rund 300000 to. Die Maßnahmen, die wir getroffen hätten, seien sehr scharf. Er stehe bereits auf einem gewissen Kriegsfuß mit dem Bauernverband, der ihm Vorwürfe mache, daß nirgends in Deutschland außer in Bayern Polizei zur Erfassung eingesetzt worden sei. In Hessen seien die erforderlichen Mengen spielend aufgebracht worden. In Bayern hätten wir dagegen Hofbegehungskommissionen, 110 Prüfer des Landwirtschaftsministeriums, noch 100 Sonderkommissionen mit Polizei, wir hätten Staatskundgebungen veranstaltet, Aufrufe in Rundfunk und Presse erlassen, der Bauernverband und die Gewerkschaften hätten mitgearbeitet. Bei den Sonderkommissionen seien auch die Gewerkschaften beteiligt. Der Erfolg sei der, daß nach München statt bisher 1–2 Waggons, täglich 80 Waggons gekommen seien. In München dürfte die Einkellerung jetzt zu 40% erfolgt sein. In Nürnberg dagegen nur zu 34–40%. Er habe die Anweisung gegeben, in erster Linie die Großstädte zu versorgen. Die Provinzstädte, bei denen die Transportmöglichkeiten doch etwas einfacher seien, müßten noch etwas warten. Er glaube, daß der Ministerrat damit einverstanden sein werde. Der Kartoffelwirtschaftsverband sei noch einmal bei ihm gewesen und habe erklärt, daß selbst bei größter Anstrengung wir niemals über 1 Ztr. hinauskämen. Auch das sei noch nicht ganz gesichert. Ohne jede gefühlsmäßige Einstellung werde daher der Ministerrat guten Gewissens sagen können, daß wir die verlangten Kartoffeln nach Württemberg-Baden und Hessen nicht ausführen könnten. Eine unglückliche Figur in dieser ganzen Angelegenheit mache Schlange-Schöningen,9 der sich zum ausgesprochenen Zentralisten entwickelt habe und gegen die Länder in schärfster Weise vorgehe. Er behaupte, im Ernährungswesen herrsche ein Partikularismus.10 Die Stimmung, die gegenwärtig in Frankfurt von Podeyn11 erzeugt werde, auch bei den Vertretern der beiden Militärregierungen sowie beim Wirtschafts- und Exekutivrat, sei derart, daß der Bayer. Ministerrat nicht mehr länger schweigen könne. Es sei auch nicht mehr tragbar, daß er als der Mann dastehe, der nicht wolle, während er in Wirklichkeit nicht könne. Er bitte, daß der Ministerrat den einstimmigen Beschluß fasse, daß nach dem eingehenden Bericht des Landwirtschaftsministers die vom Verwaltungsamt ausgestellte Ausfuhrmenge von 126300 to nach Württemberg-Baden und 8200 to nach Hessen nach Lage der Dinge nicht erfüllt werden könne. Er bitte dabei besonders darauf hinzuweisen, daß Hessen bereits eingekellert habe. Er sei der Überzeugung, daß die Militärregierung vom Verwaltungsamt falsch unterrichtet sei.

Staatsminister Dr. Pfeiffer erklärt, es ergebe sich das Bild, daß wir zu wählen hätten zwischen einer Explosionsgefahr innerhalb der bayer. Bevölkerung, die sehr groß sei, nachdem man aus Kreisen der Gewerkschaften höre, daß die Streiktendenzen wüchsen, und einer Explosionsgefahr von außen. Nach den Darlegungen des Landwirtschaftsministers könnten wir nicht einmal das Minimum für unsere bayer. Bevölkerung absolut erfüllen. Politisch habe es bereits jetzt zu rumoren begonnen. Wenn man sich vor allem die Lage in Franken vergegenwärtige, sei ohne weiteres klar, daß wir vor einer äußerst schwierigen politischen Lage stünden. Daneben höre man, daß Niedersachsen 2 Ztr. eingekellert habe, ohne daß irgendwelche Repressalien ergriffen worden seien. Die dortige Landesregierung habe sich auf den Standpunkt gestellt, daß sie sich nicht dreinreden lasse und habe den Landwirtschaftsminister gedeckt.

Staatsminister Dr. Baumgartner bittet, den Beschluß zu fassen, daß die Menge der Auflage abgelehnt werde, nicht die Lieferung an sich. Staatsminister Dr. Pfeiffer fährt fort, wie man auch das Schriftstück der Militärregierung beurteilen wolle, letzten Endes sei es doch eine Drohung, und die Militärregierung werde die Anordnungen von Schlange-Schöningen decken. Die bayer. Bevölkerung werde es begrüßen, wenn die Regierung fest bleibe und sage, zuerst kämen unsere Leute. Es werde aber sofort ein tobendes Geschrei erneut gegen uns entfesselt werden. Es werde nicht anders möglich sein, als zunächst im Prinzip den Anregungen des Landwirtschaftsministers zu folgen. Über die Taktik werde man aber noch einiges zu erörtern haben und zwar in der Richtung, daß der Beschluß nicht als eine Kampfansage wirke, sondern daß wir klar zu erkennen gäben, daß wir, gedrängt durch die Verhältnisse und die Lebensnotwendigkeiten unserer Bevölkerung, nicht anders handeln könnten. Man müsse auch eine Rückendeckung haben durch den Landtag, indem auch der Ältestenrat verständigt werde. Weiter müsse man eine unmittelbare Verbindung mit den Gewerkschaften haben, damit auch deren Rückhalt zur Verfügung stehe. Die Polizeimaßnahmen, die gegen die Bauern ergriffen würden, bildeten eine starke politische Belastung. Man müsse die Dinge mit der Arbeitsgemeinschaft Bauernverband-Gewerkschaften12 besprechen. Weiter müsse man in einer Pressekonferenz nicht des Landwirtschaftsministers, sondern der Staatsregierung die Lage klarstellen.13 Der Landwirtschaftsminister habe an die CSU-Mitglieder des Wirtschaftsrats das Ersuchen gerichtet, heute zu ihm zu kommen. Bei der gestrigen Vorbesprechung habe er den Eindruck gehabt, daß auch stv. Ministerpräsident Dr. Müller dieses Vorgehen von Schlange-Schöningen absolut verurteile und zu einem Bruch des bayerischen Teils der Fraktion mit Schlange-Schöningen bereit sei. Wenn man den beantragten Beschluß fasse, könne man ihn nur als einen Teil unseres Vorgehens ansehen und müsse dieses weitere Vorgehen auch festlegen. Man müsse Beweise haben, daß uns die Situation zu diesem Beschluß gedrängt habe. Er möchte noch auf 2 Dinge aufmerksam machen. Der Landwirtschaftsminister sei für heute zur Militärregierung bestellt, ebenso der Ministerpräsident oder sein Stellvertreter. Weiter habe ihm gestern Staatsrat Dr. Seelos14 fernmündlich mitgeteilt, daß er zu den beiden Generälen15 bestellt worden sei, die sehr scharfe Vorwürfe gegen Bayern erhoben und Drohungen ausgesprochen hätten, die hart an die bayerische Staatlichkeit gegangen seien. Staatsrat Dr. Seelos komme heute hierher. Sobald er eintreffe, werde er ihn ersuchen, selbst im Ministerrat zu berichten. Vielleicht könne man so vorgehen, daß man zuerst die allgemeinen politischen Schritte und Maßnahmen bespreche, damit sich konzentrisch die Entscheidungsnotwendigkeit verengere und zum Schluß übrig bleibe, welchen Beschluß man fassen könne. Wir müßten auch von unserer Seite aus die Militärregierung unterrichten. Die Bayer. Militärregierung verstehe zwar unsere Lage, sei aber reiner Befehlsempfänger. U.U. komme man an einen Punkt, an dem man sagen müsse: non possumus.

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, die Ausführungen des Landwirtschaftsministers seien überzeugend gewesen. Er dürfe darauf hinweisen, daß auch auf anderen Gebieten eine wachsende Tendenz gegen Bayern festzustellen sei. Er erinnere nur an die Energiewirtschaft. Nun seien auch aus den Armeelagern größere Mengen Schuhe und Textilien ausgeliefert. Gestern habe er erfahren, daß, obwohl im Augenblick erst die organisatorischen Maßnahmen in Bearbeitung seien, schon Verteilungen stattgefunden hätten. Die britische Zone habe vorweg 60000 Paar Schuhe bekommen, – nach Hessen seien 69 Waggons mit Textilien im Rollen begriffen, während man in Bayern überhaupt noch nichts Richtiges wisse. Er habe auch den Eindruck, daß die Bürokratie in Minden dabei sei, noch mehr als bisher die britische Zone zu bevorzugen. Ohne das Gegengewicht von Semler hätten wir bereits einen Zustand erreicht, der auch auf dem Gebiet der Wirtschaft nicht mehr tragbar wäre. Er weise darauf hin, daß man für Bayern für die Kohle-Auslieferung – die Zuteilung mache man korrekt – vorgesehen habe, daß die Industrie Bayerns mit Ausnahme der Prioritäten nur mit 10% bedacht werden solle. Auf seinen Protest hin habe man bis jetzt versprochen, 40–50% zu liefern. Man sehe also, daß es doch gehe. Ähnlich sei es hier bei den Kartoffeln. Er wolle hier nur noch auf folgendes hinweisen: Es bestehe doch eine Divergenz zwischen den Schätzungen des Landwirtschaftsministeriums und den anderen Schätzungen. Er sei überrascht, daß solche Divergenzen bestehen könnten. Er habe in seinem Landkreis16 in Zusammenarbeit mit der Militärregierung Schätzungen durchgeführt. Das Gesamtergebnis sei sehr schlecht gewesen und weit unter dem normalen Stand. Er nehme an, daß es in anderen Landkreisen ähnlich gewesen sei.

Staatsminister Dr. Baumgartner verneint dies. Die Schätzungen seien sehr willkürlich gemacht worden, ohne daß die deutschen Behörden verständigt worden seien. Dies spiele aber keine Rolle mehr, da nicht mehr die Schätzungen der Amerikaner zugrunde gelegt würden. Es bestehe nur mehr Streit mit Frankfurt, also mit deutschen Stellen.

Staatsminister Dr. Seidel erklärt sich dann einverstanden, wenn die Divergenz mit den Amerikanern ausgeräumt sei.

Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert, diese sei nicht ganz ausgeräumt, da die Besatzungsbehörden die 110 dz von Frankfurt anerkannt hätten.

Staatsminister Dr. Seidel meint, man solle noch einmal auf diese Divergenz hinweisen.

Staatsminister Dr. Pfeiffer fragt, ob es nicht zweckmäßig sei, wenn man Schlange-Schöningen ersuche, nach München zu kommen und die Angelegenheit mit einem Ausschuß des Ministerrats zu besprechen, der sich aus dem Ministerpräsidenten, seinem Stellvertreter, dem Landwirtschafts-, Wirtschafts-, Arbeits- und Innenminister zusammensetze.17

Ministerpräsident Dr. Ehard trifft ein und übernimmt den Vorsitz.

Staatsminister Dr. Pfeiffer berichtet kurz über das Ergebnis der bisherigen Verhandlungen und fügt hinzu, daß [zu] der vorgesehenen Besprechung mit Schlange-Schöningen auch die Arbeitsgemeinschaft Gewerkschaften-Bauernverband und u.U. auch der Präsident des Landtags zugezogen werden sollen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden und meint, es sei zweckmäßig, Schlange-Schöningen telegraphisch mitzuteilen, was wir ihm zu sagen hätten und ihn zu ersuchen, in der nächsten Woche zu einer Aussprache hierher zu kommen.

Staatsminister Dr. Pfeiffer erklärt, inzwischen müsse selbstverständlich die Maschine des Landwirtschaftsministeriums weiterarbeiten und die Kartoffeln erfassen und verteilen.

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt, wenn Schlange-Schöningen bei seiner Anordnung stehen bleibe, komme es zum Bruch. Entweder müsse Schlange-Schöningen gehen oder er.

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, bei den 2 Ztr. von Niedersachsen habe sich niemand aufgeregt. Wir müßten den Standpunkt vertreten, daß die schärfsten Kontrollmaßnahmen ergriffen würden. Was übrig bleibe, könnten wir abgeben, aber zunächst müßten wir unseren eigenen Leuten 1 Ztr. geben, man bekomme sonst die größten Schwierigkeiten von Seiten der Arbeiterschaft.

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt, er werde alle Stunden von den Gewerkschaften angerufen. Der kommunistische Flügel sei sehr tätig. Er könne nicht warten, bis ein Streik ausgerufen werde. Dies beziehe sich auch auf die Herabsetzung der Fettrationen. Dabei könne er sie doch gar nicht festsetzen, dies mache ja Schlange-Schöningen. Er habe erst mit den Gewerkschaften gesprochen, die Bauern streikten ja auch nicht, sondern lieferten.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor zu beschließen, an Schlange-Schöningen ein Telegramm zu schicken, in dem kurz dargelegt werde, um was es sich handle und in dem er zu einer Aussprache wegen der bedrohlichen Situation für Mittwoch eingeladen werde.

Staatsminister Dr. Baumgartner fügt hinzu, am 11. 11. spreche Schlange-Schöningen in einer Bauernversammlung in Ansbach, von der er bis heute nicht offiziell verständigt worden sei. Diese Versammlung sei von dem CSU-Abgeordneten Centmayer18 einberufen worden.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, dann könne Schlange-Schöningen ja am Mittwoch in München sein.

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt, man müsse auch etwas an die Presse hinausgeben, daß wir die Auflage nicht erfüllen könnten.

Staatsminister Dr. Kraus führt aus, er habe mit verschiedenen Leuten gesprochen. Diese verstünden einfach nicht, daß wir nach Württemberg-Baden liefern sollten. Es werde sehr starken Eindruck machen, wenn wir die Lieferungen ablehnten, solange unsere Leute nicht den 1 Zentner hätten. Das Volk habe hiefür weitgehend Verständnis. Das Volk erwarte, daß die Regierung gegenüber Frankfurt stark bleibe.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, das Telegramm an Schlange-Schöningen könne man ja im Auszug veröffentlichen.19

Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert, dies müsse man schon machen, weil sich Schlange-Schöningen nicht scheue, öffentlich den Ländern Partikularismus vorzuwerfen.

Staatssekretär Dr. Müller meint, man müsse auch einmal die Polemik von Schlange-Schöningen schärfstens anprangern.

Staatssekretär Sedlmayr führt aus, es sei kein Zweifel, daß Bayern vor einer Mauer von Mißtrauen stehe und daß dieses Mißtrauen fortwährend geschürt werde. Es werde einfach unterstellt, daß Bayern alles habe, und daß es nicht Willens sei, davon die entsprechenden Mengen beizusteuern. Das werde in der Presse gemacht, im Rundfunk und von den offiziellen Stellen in Frankfurt. Dem gegenüber sei es absolut notwendig, daß man mit ganz eindeutigen Nachweisen aufwarte. Man müsse den schlüssigen Beweis erbringen, daß wir wirklich nicht mehr Kartoffeln und kaum so viel hätten, um unseren Leuten 1 Ztr. zu geben. Der Artikel mit der Überschrift „Bauernrechnung 600:6000“ sei eine Panne gewesen. Auf Grund dieser Darstellung werde natürlich in der Öffentlichkeit vermutet, daß bei unseren Bauern noch weiß Gott wie viel Kartoffeln eingelagert seien. Dann brauche man sich über nichts mehr zu wundern.

Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert, solche Einzelfälle würden auch in der norddeutschen Presse veröffentlicht.

Staatssekretär Sedlmayr fährt fort, trotzdem habe die Sache nur geschadet. Umso notwendiger sei es, daß wir einwandfreie exakte Zahlen nennen könnten und darauf hinweisen könnten, daß wir Kontrollmaßnahmen durchgeführt hätten, wie es kein anderes Land getan habe.20

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt noch, das Verwaltungsamt für Ernährung und Landwirtschaft sei ausgesprochen zentralistisch und diktatorisch. Bei den anderen Verwaltungsämtern scheine es besser zu sein. Schuld daran seien Podeyn21 und Schlange-Schöningen. Der alte Reichsnährstand22 blühe dort wieder auf.23 So verstehe man, daß sich die Länder nicht durchsetzen könnten. Frankfurt gebe nur Befehle und verlange sofortige Vollzugsmeldungen. Die Länder-Ministerien hätten nicht einmal soviel zu sagen wie früher die Gauleiter. Die CDU mache die Sache mit.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, es gehe einfach nicht, daß alle anderen Länder einen Zentner bekommen müßten, nur Bayern nicht.

Staatsminister Dr. Baumgartner meint, das Schlimmste sei, wie die Sache in der Öffentlichkeit getrieben werde. Außerdem würden wir bei den Amerikanern und Engländern schlecht gemacht.

Ministerpräsident Dr. Ehard weist auf den unglückseligen Umstand hin, daß verschiedene Schätzungen da seien. Wie könne man über diese Schätzungen hinwegkommen?

Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert, er habe in dieser Sache eine eingehende Besprechung bei General Muller haben wollen und ihn gebeten, die Schätzungen landkreisweise durchzugehen. General Muller habe sich nicht darauf eingelassen, sondern habe ihn auf Schlange-Schöningen verwiesen. Es handle sich um eine Angelegenheit der deutschen Stellen.

Staatsminister Dr. Pfeiffer verliest als Diskussionsgrundlage für ein Telegramm an Schlange-Schöningen folgenden Entwurf: „Die Bayer. Staatsregierung steht vor einer Situation, deren Schärfe und unerbittlicher Ernst sie zu weittragenden Entscheidungen zwingt. Bedrohliche Unruhe erfüllt die Landbevölkerung wegen unserer scharfen Erfassungsmaßnahmen. Die Verbraucherkreise sind empört über die Hintansetzung ihrer einfachsten Lebensnotwendigkeiten durch die Forderung des Verwaltungsamtes für Ernährung und Landwirtschaft, Kartoffeln nach außerhalb Bayerns zu liefern, während die Einkellerung auch nur von 1 Ztr. noch nicht überall sichergestellt ist. Streikerwägungen in den Großstädten gewinnen erschreckend an Boden. Angesichts unserer tatsächlichen Unmöglichkeit, trotz schärfster Kontrollmaßnahmen Ausfuhrmengen bereitzustellen, fühlt sich die Staatsregierung verpflichtet, der Versorgung der Bevölkerung den Vorrang zu geben. In Vollzug eines Ministerratsbeschlusses bitte ich hiermit Sie um Ihren Besuch in München am Mittwoch, den 12. November zu einer klärenden Rücksprache mit der Bayer. Staatsregierung und mit Vertretern unserer Erzeuger- und Verbraucherkreise“.

Über diesen Entwurf wird eingehend disputiert und verschiedene Abänderungs- und Ergänzungsvorschläge gemacht, die von Staatsminister Dr. Pfeiffer eingearbeitet und nach der Einarbeitung sofort wieder dem Ministerrat vorgelegt werden sollen.

[II.] Dienstenthebung des 2. Stellvertreters Dr. Ziegler des Staatssekretärs für das Flüchtlingswesen

Staatssekretär Jaenicke berichtet über den schweren Konflikt zwischen ihm und seinem 2. Stellvertreter Dr. Ziegler,24 der durch dessen Verschulden ausgebrochen sei. Dr. Ziegler habe sich über Beschlüsse des Ministerrats und seine ausdrücklichen Weisungen hinweggesetzt. So habe er vor allem jeden Tag Stöße von Zuzugsgenehmigungen, die keine stichhaltige Begründung gehabt hätten, ausgestellt, ohne daß die örtlichen Stellen gehört worden wären.25 Dr. Ziegler kümmere sich nicht um seine Dienstgeschäfte.26 Nun habe er noch die Mitteilung an die Presse gegeben, in der verlangt werde, daß der Staatssekretär für das Flüchtlingswesen abberufen werden müsse, weil er für die Flüchtlinge nichts getan habe. Demgegenüber müsse er auch hier wieder feststellen, was er alles getan habe. Es sei unerträglich, daß sein Stellvertreter in der Weise gegen ihn hetze. Er stelle daher den Antrag, daß Dr. Ziegler sofort suspendiert werde. Grundsätzlich sei noch die Frage zu lösen, ob überhaupt noch 2 politische Stellvertreter notwendig seien.27 Das solle man aber nicht mit der Abberufung von Dr. Ziegler verquicken, weil dies für seinen 1. Stellvertreter Reitzner,28 der sich durchaus bewährt habe, ein schweres Unrecht darstellen würde. Auch sein Sachbearbeiter Dr. Uhsler stecke mit Dr. Ziegler unter einer Decke. Außerdem habe er sich, wie aus einem Bericht von Polizeipräsident Pitzer29 hervorgehe, schwere Verfehlungen zu schulden kommen lassen. Auch dieser Mann müsse aus seiner Behörde verschwinden.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet es ebenfalls als völlig unmöglich, daß Dr. Ziegler und Dr. Uhsler weiter tätig sein könnten. Nachdem sie nur im Angestelltenverhältnis stünden, könnten sie sofort suspendiert werden.

Staatsminister Dr. Hagenauer schlägt eine fristlose Entlassung vor.

Staatsminister Dr. Ankermüller gibt die politischen Auswirkungen zu bedenken.

Nach längerer Debatte wird beschlossen, Dr. Ziegler wegen grober Verletzung seiner Amtspflichten mit sofortiger Wirkung zu entlassen. Der Ministerrat erblickt die Dienstpflichtverletzung insbesondere darin, daß Dr. Ziegler öffentliche Behauptungen aufgestellt habe, deren Unrichtigkeit ihm bekannt war. Es wird weiter angeregt, daß gleichzeitig die Öffentlichkeit über den wahren Sachverhalt aufgeklärt wird.30

Hierzu bemerkt Staatssekretär Jaenicke, daß die Neue Zeitung31 morgen bereits ein großes Interview bringen werde.

Die Entlassung des Dr. Uhsler soll von Staatssekretär Jaenicke selbst vorgenommen werden. Die Abberufung des 1. Stellvertreters Reitzner soll heute nicht entschieden werden. Staatssekretär Jaenicke wird jedoch die Ermächtigung erteilt, mit Reitzner in der Richtung zu verhandeln, daß er als Referent weiter tätig sein solle.32

[III.] Streik der Eisenbahner wegen der befürchteten Herabsetzung der Fettration

Staatsminister Dr. Baumgartner teilt mit, daß er während des Ministerrats nun schon 2 Mal ans Telefon gerufen worden sei und zwar von den Gewerkschaften und von Reichsbahnpräsident Rosenhaupt,33 weil 10000 Eisenbahner in Streik getreten seien, weil sie nicht wüßten, wie hoch die Fettration in der 108. Periode sei.34

[IV.] Flüchtlingssiedlung Neuheim am Römerweg35

Staatssekretär Fischer weist darauf hin, daß man sich in der nächsten Sitzung des Ministerrats über die Flüchtlingssiedlung Neuheim am Römerweg schlüssig werden müsse. Das Projekt solle nun in verkleinertem Umfang durchgeführt werden.36

[V. Die Kartoffelfrage]

Punkt I der Tagesordnung wird wieder aufgenommen.

Staatsminister Dr. Pfeiffer verteilt den Entwurf des Telegramms an Schlange-Schöningen, wie er auf Grund der früheren Diskussion festgelegt wurde.

Das Telegramm wird einstimmig genehmigt mit der Maßgabe, daß in Satz 3 Frankfurt als Sitz des Verwaltungsamtes ausdrücklich erwähnt wird und in Satz 5 es anstatt „könnte“ „kann“ heißen soll. Das Telegramm hat nunmehr folgenden Wortlaut:

„Die Bayerische Staatsregierung steht vor einer Situation, deren Schärfe und unerbittlicher Ernst sie zu weittragenden Entscheidungen zwingt. Tiefe Unruhe erfüllt die Landbevölkerung wegen unserer scharfen Erfassungsmaßnahmen. Die Verbraucherkreise, insbesondere in den Städten, sind empört über die Hintansetzung ihrer einfachsten Lebensnotwendigkeiten durch die Forderung des Verwaltungsamtes für Ernährung und Landwirtschaft in Frankfurt, daß mehr als 100000 Tonnen Kartoffeln von hier nach außerhalb Bayerns geliefert werden sollen, während die Einkellerung auch nur von einem Zentner Kartoffeln im Lande Bayern selbst noch nicht sichergestellt ist. Es besteht für uns trotz schärfster Kontrollmaßnahmen die tatsächliche Unmöglichkeit, Ausfuhrmengen bereitzustellen. Die Bayerische Staatsregierung kann es gegenüber der eigenen Bevölkerung nicht verantworten, Kartoffeln nach außerhalb Bayerns zu liefern, solange nicht jeder Verbraucher im bayerischen Erzeugungsland den ihm zustehenden Zentner Kartoffeln erhalten hat. In Vollzug eines Ministerratsbeschlusses bitte ich hiermit Sie, Herr Dr.37 Schlange-Schöningen, um Ihren Besuch in München am Mittwoch, den 12. November, zu einer klärenden Rücksprache mit der Bayerischen Staatsregierung und mit Vertretern unserer Erzeuger- und Verbraucherkreise.“38

[VI.] Brauverbot und Schnittholzanforderungen der Armee

Staatsminister Dr. Baumgartner teilt mit, es sei ein neuerliches Brauverbot erlassen worden.39 Die weiteren Schritte werde er mit dem Ministerpräsidenten und dem Landtagspräsidenten besprechen.40 Weiter habe die Besatzungsarmee für 1947 215000 cbm Schnittholz verlangt. Diese Menge sei mit Rücksicht auf das Englandprogramm auf 188000 cbm ermäßigt worden.41 Davon seien bis 15. September für 45000 cbm die Sortimente gemeldet worden. Daraus habe man geschlossen, daß auf den Rest verzichtet werde. Nun verlange die Armee sofort die restlichen 143000 cbm. Dies bedeute entweder die Nichterfüllung des Englandprogramms oder den Zusammenbruch der ganzen Schnittholzwirtschaft. Er bitte, daß der Ministerpräsident einen Brief an die Militärregierung schreibe, daß dieser Rest erlassen werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard wird abberufen.

Staatsminister Dr. Kraus übernimmt den Vorsitz. Er stellt als einmütige Meinung des Ministerrats fest, daß dem Ministerpräsidenten ein entsprechender Brief vorgelegt werden solle.

[VII.] Ehrentempel am Königsplatz42

Staatssekretär Dr. Sattler gibt bekannt, daß bezüglich des Projekts der Überbauung der Ehrentempel ein neuer Angriff in der Süddeutschen Zeitung erfolgt sei.43 Man müsse die Angelegenheit im nächsten Ministerrat einmal erledigen. Daß die Fundamente überbaut würden, sei bereits beschlossen worden. Es handle sich nur noch um die Ausgestaltung des Ausbaues.

Staatsminister Dr. Baumgartner meint, die Sache könne doch vom Kultusministerium erledigt werden.

Es wird beschlossen, daß die Frage der Gestaltung des Baues vom Kultusministerium im Benehmen mit der Bauabteilung des Innenministeriums unter Hinzuziehung von geeigneten Sachverständigen einer endgültigen Lösung zugeführt werden soll.44

[VIII.] Anwerbung von Arbeitern für Frankreich45

Staatssekretär Dr. Grieser teilt mit, daß Frankreich mit Zustimmung der Vereinigten Staaten 20000 deutsche Facharbeiter für den Wiederaufbau verlange. Es sollten aber keine Bergleute und keine Facharbeiter aus Mangelberufen angeworben werden. Dies sei eine Sache von großer Bedeutung. Die Arbeiter dürften ihre Familien mitbringen. Dies stelle einen Bevölkerungsverlust von 450 000 Leuten dar. Die arbeitsrechtlichen und vor allem versicherungsrechtlichen Verhältnisse dieser Arbeiter müßten gesichert werden. In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg habe man darüber mit Frankreich einen Staatsvertrag abgeschlossen. In der Sache fänden noch weitere Besprechungen statt.

Es wird beschlossen, daß das Arbeitsministerium die Angelegenheit nach der Richtung des Arbeitsschutzes und der sozialrechtlichen Versorgung weiterverfolgen solle.46

[IX.] Wiederaufbau der deutschen Industrie

Staatssekretär Fischer teilt mit, vorgestern sei ein Mr. Schiller von OMGUS bei ihm gewesen, um ihn zu fragen, wie die Bauverhältnisse in Bayern stünden und was er zu folgenden Gedanken sage: Bei OMGUS werde erwogen, sehr rasch die deutsche Industrie in der US-Zone wieder aufzubauen. Er möge sich dazu äußern, was hiezu von der Bauseite aus geschehen könne. OMGUS werde hiezu weitgehend Vollmachten erteilen und zwar bezüglich des Aufbaues der Produktionsstätten und der Arbeiterwohnungen. Er habe erwidert, daß wir in der Lage seien, sofort eine Organisation aufzustellen. Wir brauchten aber Kohle, Eisen und Geld. Auf seine Frage habe ihm Mr. Schiller erwidert, bestimmte Vorbereitungen seien noch nicht getroffen. Es sei daran gedacht, ob von Seiten der Regierung so etwas gemacht werden könne wie früher die OT.47 Er habe geantwortet, an den Aufbau einer solchen reinen Kriegsorganisation wolle man wohl nicht denken. Wenn wir aber einen Befehl bekämen, raschestens die Industrie aufzubauen, würden wir auch alles daransetzen. Voraussetzung hiefür sei aber Kohle, Eisen und Kapital.

Staatsminister Dr. Seidel weist auch auf die Wichtigkeit der Ernährung und Bekleidung der Bauarbeiter hin.

Staatssekretär Fischer erklärt, wenn er wieder Nachricht erhalte, werde er den Ministerrat davon verständigen.

[X.] Rückerstattungsgesetz48

Ministerpräsident Dr. Ehard übernimmt wieder den Vorsitz und erklärt, bezüglich des Rückerstattungsgesetzes spitze sich die Frage darauf zu, ob dieses Gesetz für die amerikanische Zone von dem Ministerpräsidenten als deutsches Gesetz unterzeichnet oder von der Militärregierung erlassen werde. Im letzten Länderrat habe man noch einige Verbesserungen vorgeschlagen, vor allem in der Richtung, daß der gute Glaube geschützt werde und eine deutsche Auffangorganisation geschaffen werden solle.49 Auch das Gestaltungsrecht des Richters sei erörtert worden. Auch wenn diese Anordnungen vorgenommen werden würden, die ohne Zweifel eine gewisse Verbesserung bringen, könne man dieses Gesetz nicht für eine Zone unterschreiben. Ein Gesetz von so weittragender wirtschaftlicher Bedeutung müsse mindestens auf der 2-Zonenebene gestaltet werden. Nun hätten die Engländer neuerdings das Rückerstattungsrecht durch eine Verordnung geregelt.50 Er sei der Meinung, daß die Amerikaner das Gesetz als Militärregierungsgesetz herausgeben sollten.51 Die Nicht Unterzeichnung des Gesetzes müsse man damit begründen, daß es eigentlich für 4 Zonen, mindestens aber 3 Zonen erlassen werden solle, zum wenigsten für die 2 Zonen, für die schon die Wirtschaftseinheit bestehe. Dieser Standpunkt werde heute von Stv. Ministerpräsident Dr. Müller in Stuttgart vertreten werden.52 Er wolle aber noch die Meinung des Ministerrats dazu hören. Soweit er unterrichtet sei, wolle Hessen das Gesetz schon als deutsches Gesetz haben. Württemberg-Baden werde das Gesetz ablehnen. Er werde das Gesetz auch nicht unterschreiben. Man solle sich auf folgenden Standpunkt stellen: Ein Rückerstattungsgesetz sei notwendig. Bedauerlich sei auch die Verzögerung seines Erlasses. Das sei aber nicht unsere Schuld, nachdem im Kontrollrat habe keine Einigung erzielt werden können.53 Das Gesetz müsse mindestens für 2 Zonen erlassen werden, keinesfalls könne es für eine Zone erlassen werden, ohne daß die Landtage eingeschaltet würden.

Regierungsrat Kellner 54 teilt mit, aus einem Ferngespräch mit Stuttgart habe sich eine neue Wendung ergeben. Die Militärregierung habe mitgeteilt, daß unsere Abänderungsvorschläge unannehmbar seien. Bis heute Nachmittag um 4 Uhr wolle die Militärregierung einen endgültigen Bescheid haben, Ministerpräsident Dr. Maier55 habe bereits erklärt, für ihn sei das Gesetz nicht annehmbar. Er dürfe auf jeden Fall aber empfehlen, einen Beschluß des Inhalts zu erlassen, daß den Änderungsvorschlägen zugestimmt werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, daß man auf jeden Fall den Änderungen zustimmen und versuchen solle, sie durchzusetzen, gleichgültig, wer das Gesetz unterschreibe. Man müsse aber immer wieder betonen, daß das Gesetz auf Zonenebene nicht erlassen werden könne.

Regierungsrat Kellner fährt fort, von Stuttgart aus sei immer wieder erklärt worden, man könne für die Nicht Unterzeichnung des Gesetzes nur einen Grund angeben, entweder daß es unannehmbar sei, oder daß es für mehrere Zonen erlassen werden müsse.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, man brauche aber die Abänderungsvorschläge nicht fallen zu lassen.

Staatsminister Dr. Seidel meint, für seine Person stehe er auf dem Standpunkt, daß die Unterschrift unter ein Wiedergutmachungsgesetz, das nicht vollkommen unseren Anforderungen entspreche, unmöglich sei.

Schließlich wird festgestellt, daß der Ministerrat den Abänderungsvorschlägen zustimmt, aber über diese nicht hinausgehen kann.

Ministerpräsident Dr. Ehard verläßt hierauf die Sitzung.

Staatsminister Dr. Kraus übernimmt wieder den Vorsitz.

[XI.] Ernennung des Ministerialrats Lutz zum Ministerialdirigenten

Staatssekretär Fischer beantragt, den Ministerialrat Lutz56 der Bauabteilung des Innenministeriums zum Ministerialdirigenten zu ernennen.57

Dieser Antrag wird einstimmig genehmigt.

[XII.] Eisenbahnerstreik58

Staatssekretär Sedlmayr weist darauf hin, daß ein Streik der Eisenbahner sich katastrophal vor allem im Hinblick auf die Kartoffelversorgung der Städte auswirken könnte. Er nehme aber an, daß die Militärregierung eingreifen werde.

Staatsminister Dr. Kraus stimmt dem zu, stellt aber fest, daß in dieser Frage kein Beschluß gefaßt werden könne.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
gez.: Claus Leusser
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister