PDF
Nr. 10MinisterratssitzungDienstag, 16. Dezember 1947 Beginn: 9 Uhr 40 Ende: 11 Uhr 20
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Staatsminister des Innern Dr. Ankermüller, Staatsminister für Unterricht und Kultus Dr. Hundhammer, Staatsminister der Finanzen Dr. Kraus, Staatsminister für Wirtschaft Dr. Seidel, Staatsminister für Arbeit und Soziale Fürsorge Krehle Staatsminister für Verkehrsangelegenheiten, Post- und Telegraphenwesen Frommknecht, Staatsminister für Sonderaufgaben Dr. Hagenauer, Staatsminister Dr. Pfeiffer, Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Ministerialrat Dr. Baer (Bayer. Staatskanzlei) zu Punkt 2 [II] der Tagesordnung.1

Tagesordnung:

I. Rücktritt des Landwirtschaftsministers. II. 1. Durchführungsverordnung zum Rückerstattungsgesetz. III. Ausgabe von Nadelschnittholz-Lagerabsenkungsscheinen. IV. Gesetz über die Verlängerung von Fristen des Fideikommiß- und Stiftungsrechts. [V. Wiederaufnahme des TOP Ausgabe von Nadelschnittholz-Lagerabsenkungsscheinen]. [VI.] Kurze Anfrage des Abg. Schwingenstein wegen des Bundes für Gotterkenntnis (Mathilde von Ludendorff). [VII.] Wildschweinplage. [VIII.] Übernahme von 2786 Flüchtlingen aus Dänemark in die US-Zone. [IX.] Gemeinsame Dienstanweisung zur Beseitigung nationalsozialistischen Unrechts an Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienst. [X.] Vollzug von Todesstrafen. [XI.] Ernennung des Ministerialrats Mayer im Kultusministerium zum Ministerialdirigenten.

I. Rücktritt des Landwirtschaftsministers

Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die Sitzung und teilt mit, der Landwirtschaftsminister habe ein Rücktrittsgesuch eingereicht.2 Eine Besprechung habe ergeben, daß er nicht geneigt sei, länger zu bleiben.3 Man müsse also damit rechnen, daß das Rücktrittsgesuch genehmigt werden müsse. Über die weitere Entwicklung könne er nicht sehr viel sagen. Es sei noch eine Reihe von Besprechungen notwendig. Ein Wechsel im Landwirtschaftsministerium werde aber eintreten; das Nähere werde er mitteilen, wenn ein gewisser Abschluß der Vorbesprechungen erreicht sei.4

II. 1. Durchführungsverordnung zum Rückerstattungsgesetz5

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, diese Durchführungsverordnung, welche vom Justizministerium, Innenministerium und dem Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung ausgearbeitet worden sei, sei ihm zur Unterschrift vorgelegt worden. Er wolle zunächst einmal fragen, ob die Minister und Staatssekretäre über diese Verordnung unterrichtet und mit ihr einverstanden seien.

Staatssekretär Dr. Lacherhauer bezweifelt dies. Es sei auch nicht möglich gewesen, da die Sache sehr eilig sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest den Wortlaut der Verordnung. So sei ihm diese vorgelegt worden, ohne Material und ohne alles. So gehe das nicht.6 Er habe sich deshalb geweigert, die Verordnung zu unterschreiben. Vielleicht könne Ministerialrat Dr. Baer sich einmal über die Notwendigkeit dieser etwas dürftigen Durchführungsverordnung äußern.

Staatssekretär Dr. Lacherhauer wirft ein, daß von der Militärregierung eine sehr kurze Frist gestellt worden sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, diese Frist sei gestern abgelaufen. Wenn kein pflichtwidriges Versäumnis vorliege, könne eine solche Überschreitung keine Folgen haben.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer fährt fort, der Justizminister habe veranlaßt, daß die Referenten der drei beteiligten Ministerien, nämlich Ministerialdirigent Ringelmann,7 Ministerialrat Roemer8 und Staatskommisssar Auerbach diesen Entwurf ausgearbeitet hätten. Es handle sich lediglich um die Frage, welche Behörden als Wiedergutmachungsbehörden eingerichtet werden sollten. Weiteres Material als das Gesetz9 sei nicht zur Verfügung gestanden.

Ministerialrat Dr. Baer fügt hinzu, der Erlaß von Ausführungsbestimmungen richte sich nach dem Art. 92 des Rückerstattungsgesetzes.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erklärt, es handle sich um eine rein organisatorische Frage. Wenn diese Verordnung nicht rasch herauskomme, bestehe die Gefahr, daß wilde Güteverfahren durchgeführt würden, die man nachträglich legalisieren müsse. Er sei mit dieser Vorlage einverstanden; er habe sie geprüft. Er wolle die Sache noch in der Richtung weiter entwickeln, daß zwischen die Güteverhandlungen und eine gerichtliche Entscheidung noch eine Schiedsverhandlung eingeschaltet werden solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt, ob mit der Zusammensetzung der Güteausschüsse Einverständnis bestehe.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erwidert, er sehe keine andere Zusammensetzungsmöglichkeit. Vielleicht könne man aber noch in § 3 Abs. 3 besser anstelle „auf Verlangen des Staatskommissars“ „auf Antrag des Staatskommissars“ sagen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erhebt Bedenken gegen § 6, in dem festgelegt sei, daß die Verordnung mit der Verkündung in Kraft trete. Es solle doch für das Inkrafttreten immer ein bestimmtes Datum genannt werden. Er schlage hierfür den 16. Dezember 1947 vor.

Staatssekretär Dr. Schwalber äußert Bedenken gegen die Einrichtung der Gütestellen,10 insbesondere ihre Zusammensetzung.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, in § 3 Abs. 1 den vom Justizministerium zu berufenden Richter an erster Stelle zu nennen.11

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.

Staatsminister Dr. Hundhammer schlägt als Tag des Inkrafttretens in § 6 den heutigen Tag vor, nachdem die Verordnung heute beschlossen werde.

Mit diesem Vorschlag herrscht allgemeines Einverständnis.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer erklärt noch, wahrscheinlich werde es sich hier nicht um die Verordnung selbst, sondern nur um den Vorschlag der Verordnung handeln.

Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt dem zu. Wahrscheinlich werde die Militärregierung mit der vorliegenden Fassung gar nicht einverstanden sein.12

III. Ausgabe von Nadelschnittholz-Lagerabsenkungsscheinen

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest einen Antrag des Baustoffrats,13 wonach mit Rücksicht auf die großen Lagerbestände von 1 Million cbm Schnittholz in der bayer. Wirtschaft zusätzlich 100000 cbm Nadelschnittholz-Lagerabsenkungsscheine herausgegeben werden sollen. Nachdem Staatssekretär Fischer und Staatssekretär Sühler noch nicht anwesend sind, schlägt er vor, dem Antrag grundsätzlich stattzugeben, vor der Durchführung aber noch einmal beim Landwirtschaftsministerium anzufragen und nur, wenn dieses nicht zustimme, erneut den Ministerrat damit zu befassen.

Hiermit besteht allgemeines Einverständnis.14

IV. Gesetz über die Verlängerung von Fristen des Fideikommiß- und Stiftungsrechts

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, es handle sich hier um eine Vorlage des Justizministeriums. Das Innen- und Landwirtschaftsministerium, die beteiligt seien, seien einverstanden. Nachdem es sich um ein Spezialgesetz handle, dem eine überzeugende Begründung beigegeben sei, halte er es nicht für notwendig, daß man die Einzelheiten bespreche. Er bitte um die Ermächtigung, das Gesetz dem Landtag vorlegen zu können.

Diese Ermächtigung wird einstimmig erteilt.15

[V. Wiederaufnahme des TOP Ausgabe von Nadelschnittholz-Lagerabsenkungsscheinen]

Punkt 3 der Tagesordnung wird wieder aufgenommen, nachdem Staatssekretär Sühler sich eingefunden hat.

Staatssekretär Sühler erklärt sich vom Standpunkt des Landwirtschaftsministeriums mit der zusätzlichen Herausgabe von 100 000 cbm Nadelschnittholz-Lagerabsenkungsscheinen einverstanden.

Es ergeht folgender Beschluß: Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – Bayer. Holzwirtschaftsstelle – wird ermächtigt und beauftragt, in Anbetracht der großen Lagerbestände von 1 Million cbm Schnittholz der bayer. Wirtschaft zusätzlich 100000 cbm Nadelschnittholz Lagerabsenkungsscheine herauszugeben.16

[VI.] Kurze Anfrage des Abg. Schwingenstein wegen des Bundes für Gotterkenntnis (Mathilde von Ludendorff)

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest eine kurze Anfrage des Abg. Schwingenstein,17 wonach Mathilde von Ludendorff18 neuerdings am Grabe ihres Mannes19 Tannenbergfeiern20 abhalte und selbst rede.21 Auch der Bund für Gotterkenntnis werde wieder aktiv. Es werde gefragt, was die Staatsregierung dagegen zu tun gedenke. Er sei der Meinung, daß zunächst einmal die Spruchkammer dazu Stellung nehmen müsse.22 An solch große Sachen gingen die Spruchkammern aber anscheinend nicht gern heran.23 In der Sache müsse aber etwas geschehen. Ohne weiteres könne man untersuchen – das gehe das Innenministerium an – ob es sich bei dem Bund für Gotterkenntnis um einen zugelassenen Verein handle.24

Staatsminister Dr. Ankermüller sichert eine sofortige Untersuchung zu.

Staatsminister Dr. Hundhammer bemerkt hiezu, wenn ein solcher Verein lizenziert worden wäre, wäre das Kultusministerium dafür zuständig. Eine solche Lizenz sei aber nie erteilt worden.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, daß er dem Innen-, Kultus- und Sonderministerium eine Abschrift der kurzen Anfrage zuleiten werde. Er bitte, innerhalb dieser Ministerien eine Querverbindung herzustellen, damit die Anfrage beantwortet werden könne.25

Staatsminister Dr. Hagenauer bemerkt, er habe den Generalkläger26 schon auf diese Sache aufmerksam gemacht und ihn darauf hingewiesen, daß der neue § 13 a des Befreiungsgesetzes hier einschlägig sei.27 Der Öffentliche Kläger in Starnberg28 sei angewiesen, die Sache zu beschleunigen. Es stehe aber noch ein Gutachten von Dr. Hausenstein29 über den ganzen Komplex aus.30

Staatsminister Dr. Kraus erklärt, dieser Bund für Gotterkenntnis müsse sofort verboten werden. Schwäche sei hier fehl am Platz.31

[VII.] Wildschweinplage32

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, ihm liege der Entwurf eines Briefes an die Militärregierung vor, der vom Landwirtschaftsministerium verfaßt sei.33 In diesem Brief sei vorgeschlagen, daß eine Abordnung des Landtags und er selbst zur Militärregierung gehen solle.34 Er habe über die Wildschweinplage schon bis zum Überdruß mit der Militärregierung verhandelt und sich sogar an General Hays35 gewendet. Er werde in seinen Bemühungen auch fortfahren. Nachdem es sich bei der Abordnung des Landtags aber um lauter fränkische Abgeordnete handle, müsse man diese erst nach München kommen lassen und einen Termin vereinbaren. Dies erfordere zu lange Zeit. Er empfehle daher, daß dieser Brief sofort abgesandt werde und er dazu schreibe, daß eine Reihe von Abgeordneten besonderes Interesse hätten, dem Gouverneur selbst die Verhältnisse vorzutragen. Er bitte, aber schon vorher etwas zu unternehmen und nicht diese Rücksprache abzuwarten.

Es herrscht allgemeines Einverständnis damit, daß der Brief sofort weitergegeben werden soll.36

[VIII.] Übernahme von 2786 Flüchtlingen aus Dänemark in die US-Zone

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, in der gestrigen Sitzung des Direktoriums37 sei von sämtlichen Ländern ein Antrag an OMGUS angenommen worden, wonach 2786 Flüchtlinge aus Dänemark in die US-Zone übernommen werden sollten. Der Bayer. Vertreter habe die Stellungnahme der Staatsregierung vorbehalten. Man werde sich diesem Antrag wohl anschließen müssen. Die Dänische Regierung wolle für 180 Tage 2300 Kalorien liefern, wenn diese Flüchtlinge freiwillig übernommen würden. Gleichzeitig laufe ein Antrag von Dänemark beim Kontrollrat. Wenn der Kontrollrat die Übernahme beschließe, werde die Lebensmittelzulage nicht gegeben. Die Personen fielen unter das Flüchtlingsgesetz38 und müßten eines Tages von uns doch übernommen werden.

Dem Antrag wird einstimmig beigetreten.39

[IX.] Gemeinsame Dienstanweisung zur Beseitigung nationalsozialistischen Unrechts an Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienst

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, es handle sich hier um eine gleiche Regelung, wie sie bei den Beamten schon ergangen sei.40

Staatsminister Krehle begründet die Vorlage.41 Das Finanzministerium habe sich seinerzeit auf den Standpunkt gestellt, für die Angestellten und Arbeiter sei das Arbeitsministerium zuständig. Man habe seit längerer Zeit mit den anderen Ministerien verhandelt und sei nunmehr zu diesem Vorschlag gekommen. Das Justizministerium stehe auf dem Standpunkt, daß eigentlich42 ein Gesetz erforderlich sei und eine Dienstanweisung nicht genüge. Dagegen vertrete das Finanzministerium die Ansicht, daß man nicht zweierlei Recht schaffen solle. Nachdem bei den Beamten eine Dienstanweisung ergangen sei, könne dies auch bei den Angestellten und Arbeitern so gemacht werden. Er lege Wert darauf, daß die Sache noch vor Weihnachten verabschiedet werde. Die Regelung des Schadens, der über die in dieser Dienstanweisung vorgesehenen Fälle hinausgehe, bleibe wie bei den Beamten dem Wiedergutmachungsgesetz vorbehalten.

Staatsminister Dr. Kraus erklärt, das Finanzministerium sei mit dem Vorschlag einverstanden. Grundsätzlich müsse er allerdings die Zuständigkeit des Finanzministeriums für derartige Fragen in Anspruch nehmen. Beamte, Angestellte und Arbeiter des Staates müßten vom Finanzministerium betreut werden. Mit diesem Grundsatz sei das Arbeitsministerium einverstanden. Gegen die vorgeschlagene Regelung habe er keine Bedenken.

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt, in welcher Form die Regelung getroffen werden solle, insbesondere wer diese Anweisung unterschreiben solle.

Staatsminister Krehle erwidert, die seinerzeitige Dienstanweisung für die Beamten sei vom Finanzministerium unterschrieben worden.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt folgende Formulierung vor: „Auf Grund Beschlusses des Ministerrats ergeht folgende Dienstanweisung.“ Diese sei dann vom Arbeitsminister zu unterschreiben. Es sei ein Zusatz zu machen, wonach diese Dienstanweisung von allen Ministerien und Außenstellen zu beachten sei.

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.43

[X.] Vollzug von Todesstrafen

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, es seien noch vier Todesurteile da. Wenn diese nicht so seien, daß man absolut zu einer Vollstreckung kommen wolle, schlage er vor, jetzt vor Weihnachten die Begnadigung auszusprechen.44 Wenn Geneigtheit zu einer Begnadigung mit Rücksicht auf Weihnachten bestehe, könne man die Sachen heute erledigen. Wenn eine Vollstreckung in Betracht komme, solle man sie zurückstellen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller möchte die Sachen besprochen haben. Er sei der Auffassung, daß man die Begnadigung empfehlen solle. Die Wirkung der Abschreckung werde meistens überschätzt. Er sei nicht grundsätzlicher Gegner der Todesstrafe, sei aber der Meinung, daß man sie nur dann vollziehen solle, wenn einer mehrere Morde begangen habe. Der Fall Bachschwöller,45 eines jungen Menschen von 22 Jahren, erscheine ihm zur Vollstreckung nicht geeignet.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, in die Behandlung des Falles Bachschwöller einzutreten.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer kann sich der Meinung des stv. Ministerpräsidenten nicht anschließen. Wer einen Menschen töte, könne seinerseits nicht ohne weiteres damit rechnen, daß er geschont werde. Bei Bachschwöller sei er für die Vollstreckung, auch mit Rücksicht auf die Polizisten. Bachschwöller habe in der gemeinsten Weise von hinten den ihm bekannten Polizisten erschossen. Er habe zunächst ein Geständnis gemacht. Erst als er mit einem Polen in der Zelle zusammen gewesen sei, habe er das Geständnis widerrufen; den Widerruf habe er später wieder zurückgenommen. Von der Bevölkerung werde Milde nicht mehr verstanden. Er sei der Auffassung, daß der Fall Bachschwöller sich nicht zur Begnadigung eigne. Auch die Gnadenkommission des Justizministeriums schlage den Vollzug vor.46

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, der Bericht müsse noch dahin ergänzt werden, wie alt Bachschwöller sei und welche Jugendeindrücke er gehabt habe und wie er auf die abschüssige Bahn gekommen sei.47 Im übrigen bleibe die Tatsache bestehen, daß hier ein Indizienbeweis vorliege, daß die, wenn auch sehr entfernte, Möglichkeit bestehe, daß jemand anders den Mord begangen habe. Es bestehe immerhin die Möglichkeit, daß jemand ein Verbrechen zugebe, das er nicht begangen habe.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer erwidert, Bachschwöller sei 1924 geboren.

Staatsminister Dr. Hagenauer weist darauf hin, daß bei allen diesen Dingen auch der Gesichtspunkt der Staatsautorität und der Staatsraison beachtet werden müsse. Eine laxe Strafjustiz habe sich immer schädlich ausgewirkt. Gerade in der heutigen Zeit müsse man streng sein, da die Unsicherheit derartige Formen angenommen habe.48

Staatsminister Dr. Hundhammer hält die Vollstreckung auch aus einem anderen Grunde für notwendig. Die Polizei sei heute so weitgehend gezwungen, Todesopfer zu bringen, daß es an der Zeit werde, auch in dieser Richtung klarzustellen, daß die Staatsregierung gewillt sei, die Polizeibeamten zu schützen. Man dürfe die Dinge nicht nur sehen unter dem Gesichtswinkel desjenigen, der die Strafe erleiden solle, sondern auch unter dem Gesichtswinkel desjenigen, dem Unrecht geschehen sei. Er könne die Begnadigung nicht empfehlen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, es handle sich nicht darum, daß Bachschwöller der Strafe entgehen solle, sondern darum, ob man einen irreparablen Zustand schaffen oder eine lebenslängliche Zuchthausstrafe aussprechen solle. Einer scharfen Strafe müsse er auf jeden Fall zugeführt werden. Es werde immer gesagt, daß man sehr scharf und streng vorgehen solle. Bei der Todesstrafe handle es sich aber um einen Eingriff, der irreparabel sei. Er sei auch der Meinung, daß man unter Umständen zu diesem letzten Mittel greifen solle. Er meine aber auch, daß man hier sehr vorsichtig sein müsse. Umso zurückhaltender müsse man sein, nachdem man in den letzten Jahren geradezu eine Seuche von Todesstrafen über sich habe ergehen lassen müssen. Ihm sei zweifelhaft, ob dadurch eine Besserung erzielt werde.

Staatssekretär Sühler ist auch dafür, daß bei Verbrechen gegen das Leben mit den schärfsten Strafen vorgegangen werde. Hier handle es sich aber um einen nicht unzweifelhaften Indizienbeweis; deshalb könne er dem Vollzug nicht zustimmen.

Staatsminister Dr. Ankermüller spricht sich dafür aus, daß die Strafe abschreckend sein müsse. Er sei aber der Meinung, daß diejenigen, die für die Vollstreckung plädierten, das Abschreckungsmoment zu stark betonten. Jeder Täter rechne doch damit, daß er nicht erwischt werde. An sich sei er doch, da es sich um einen Polizeibeamten handle, am meisten veranlaßt, sich für die Vollstreckung einzusetzen. Er könne sich aber nicht entschließen, für die Vollstreckung zu sprechen.

Staatssekretär Dr. Grieser hat keine Bedenken, die Todesstrafe an einem Raubmörder zu vollstrecken. Hier habe es sich aber um einen Verhafteten gehandelt, der sich seiner Verhaftung habe entziehen wollen. Er könne sich nicht für die Vollstreckung aussprechen.

Staatsminister Dr. Pfeiffer führt aus, außer der Psychologie des Verbrechers gebe es auch die jener Organe, die dem Verbrecher entgegen wirken müßten. Aus diesem Grunde und in Ansehung der Sicherheitskräfte, die ihr Leben verloren hätten und des Umstandes, daß der Mörder und Ermordete auf freundschaftlichem Fuße gestanden seien, stimme er für die Vollstreckung.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erwidert, der Mörder sei mit dem Ermordeten nicht bekannt gewesen, sondern habe ihn nur gekannt.

Staatsminister Dr. Pfeiffer fährt fort, die Entscheidung habe der Ministerpräsident. Der Ministerrat gebe nur seine Meinung kund.49

Staatssekretär Jaenicke möchte wissen, was für eine Jugend der Mörder gehabt habe.

Staatsminister Dr. Kraus fügt hinzu, der Ministerpräsident habe eine neue Frage zur Debatte gestellt, nämlich die Frage nach dem Milieu, in dem Bachschwöller aufgewachsen sei. Schon mit Rücksicht auf die Jugend des Täters könne er sich nicht entschließen, für den Vollzug der Todesstrafe zu plädieren, abgesehen von seiner mehr grundsätzlichen Einstellung. Außerdem handle es sich noch um einen Indizienbeweis. Im übrigen müsse man die Sache auch wirtschaftlich betrachten. In den Zuchthäusern würden die Verbrecher einer produktiven Arbeit zugeführt.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt noch, seines Wissens sei in der amerikanischen und britischen Zone noch kein Todesurteil vollstreckt worden, das von deutschen Gerichten gefällt worden sei.

Staatsminister Dr. Hundhammer führt aus, der Pfarrer, der während der Nazizeit in Stadelheim die zum Tode Verurteilten in den letzten Wochen betreut und sie auf ihrem letzten Gang begleitet habe,50 habe sich an ihn gewandt mit der Bitte, er solle sich dagegen wenden, daß der Vollzug der Todesstrafe eingestellt werde und zwar aus seinen Erfahrungen im Umgang mit den Verurteilten. Dies sei für ihn einer der Gründe, die ihn in der Ansicht bestärkten, grundsätzlich dem Vollzug nicht entgegenzutreten.51 Aber auch in dem konkreten Fall hier sei eine Begnadigung nicht zu empfehlen.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer verweist darauf, daß es sich hier nicht um einen Indizienbeweis handle, sondern um ein Geständnis, also um einen direkten Beweis. Die Frage sei nur, ob man diesem Geständnis glauben solle oder nicht. Wenn man glaube, daß das Geständnis falsch sei, müsse man Bachschwöller vollständig begnadigen.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet dies als nicht ganz richtig. Die Todesstrafe sei eine irreparable Sache.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erklärt noch, wenn ein Geistlicher so spreche, wie Staatsminister Dr. Hundhammer ausgeführt habe, so habe er seine Aufgabe nicht richtig erfüllt. Dies könne er aus seiner eigenen Erfahrung sagen. Man müsse sich doch auch fragen, wie man vor dem Herrgott dastehe, wenn man als Vertreter des Staates den Lebensfaden eines Menschen zerreiße und ihn dem Herrgott zur Verfügung stelle.

Staatsminister Dr. Hundhammer erwidert, als Soldat sei man auch vor solchen Entscheidungen gestanden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erwidert, das sei etwas ganz anderes. Auch das könne er aus seiner Erfahrung sagen. Im übrigen wüßten sämtliche unteren Instanzen, daß oben noch einer sitze, der die letzte Entscheidung habe, darauf verließen sie sich.

Ministerpräsident Dr. Ehard läßt nunmehr abstimmen: Für die Vollstrekkung sprechen sich acht Mitglieder, gegen die Vollstreckung zehn Mitglieder der Staatsregierung aus.52 Ministerpräsident Dr. Ehard bringt anschließend das Todesurteil Loipführer53 zur Sprache. Hier handle es sich wirklich um einen Indizienbeweis. Vom Justizministerium werde die Umwandlung in lebenslängliches Zuchthaus vorgeschlagen,54 das Gericht, der Oberstaatsanwalt und der Generalstaatsanwalt55 schlügen dagegen den Vollzug vor. In dieser Sache könne er den Vollzug nicht unterschreiben.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller spricht sich für die Umwandlung in lebenslängliches Zuchthaus aus.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer ist der gleichen Meinung.

Ministerpräsident Dr. Ehard läßt abstimmen: Für die Vollstreckung spricht sich ein Mitglied der Staatsregierung aus, die übrigen für die Begnadigung.56 Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, er habe noch weitere Fälle, müsse aber nun den Ministerrat abbrechen. Er schlage daher vor, diese Sachen zurückzustellen, da sie eingehend beraten werden sollen.57 Es könnten nur noch dringliche Sachen, die rasch erledigt werden könnten, behandelt werden.

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.

[XI.] Ernennung des Ministerialrats Mayer58 im Kultusministerium zum Ministerialdirigenten

Staatsminister Dr. Hundhammer führt aus, im Etat des Kultusministeriums sei die Stelle eines Ministerialdirigenten geschaffen worden. Diese sei frei, er beantrage, sie mit Ministerialrat Mayer,59 dem Chef des Ministerbüros, der die dienstlichen Voraussetzungen erfülle, zu besetzen.

Staatsminister Dr. Kraus erwidert, das Finanzministerium habe zwar zugestimmt, jedoch mit einigen Vorbehalten. Mayer stehe altersmäßig zum Ministerialdirigent noch nicht heran. Er werde noch Vormänner im Kultusministerium haben, so daß diese Ernennung einer gewissen Kritik begegnen werde.

Staatsminister Dr. Hundhammer weist demgegenüber auf den Fall von Lex60 im Innenministerium hin, der nur zwei Jahre älter sei.

Staatsminister Dr. Kraus fährt fort, es sei weiter auf die bedauerliche Schwerhörigkeit von Mayer hingewiesen worden, die mitunter zu Mißverständnissen führe und einen hierdurch offenbar geförderten Mangel an Einfühlungsvermögen bei etwaigen Entscheidungen im Gefolge habe. Er müsse dies alles pflichtgemäß anführen. Das Finanzministerium stimme aber mit diesen Vorbehalten zu. Er müsse weiter darauf hinweisen, daß es im Kultusministerium eine Unterrichtsabteilung gebe und daß darauf aufmerksam gemacht werde, daß die leitenden Stellen im Kultusministerium ausschließlich von Juristen besetzt seien.

Staatsminister Dr. Hundhammer vertritt die Meinung, daß man einen Mann mit 53 Jahren zum Ministerialdirigenten machen könne. Was die Schwerhörigkeit betreffe, so könne sich Mayer ohne weiteres am Telefon verständigen, er nehme an Sitzungen und Beratungen teil, er habe noch keinerlei Schwierigkeiten mit Mayer gehabt. Im übrigen müsse man es einem Minister selbst überlassen, wen er für den Posten als geeignetsten Mitarbeiter halte.

Staatsminister Dr. Kraus erwidert, er sei durchaus auch dieser Meinung. Er habe aber die Bedenken pflichtgemäß vortragen müssen. Er bitte, ihm das nicht zu verübeln. Im übrigen habe er ja zugestimmt.

Staatsminister Dr. Pfeiffer führt aus, er stimme dem Kultusminister zu, was er über den betreffenden Herrn gehört habe. Er stimme aber auch dem Finanzminister zu, daß es außerordentlich bedauerlich sei, wenn der Schulabteilung im Kultusministerium nicht die gleiche Berücksichtigung zuteil werde, wie dies in anderen Ländern der Fall sei.61 Er halte es für zweckmäßig, wenn der Leiter der Schulabteilung im Rahmen des Gesamtgefüges auch in eine entsprechende Position gebracht werde.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller meint, ob man die Sache nicht zurückstellen könne, um einmal das ganze Problem durchzudenken. Man habe jetzt schon wieder zu viele derartige Stellen. Bei der Währungsumstellung werde man sehr sparen müssen.

Staatsminister Dr. Hundhammer erklärt, er lege großen Wert darauf, daß diese Ernennung heute vollzogen werde. Die Stelle sei frei. Er brauche auch die jetzt von Mayer eingenommene Stelle als Ministerialrat für jemand anders.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, an sich habe stv. Ministerpräsident Dr. Müller recht. Wenn die Stelle aber frei bleibe, setze man sich der Gefahr aus, daß sie auf einen Druck hin von jemand anders besetzt werden müsse. Den Kampf zwischen Philologen und Juristen könne man hier nicht entscheiden. Die Entscheidung müsse man dem Fachminister überlassen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller meint, es handle sich doch um keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Der Finanzminister solle aber einmal einen Überblick über die ganze Lage geben. Mit den Ernennungen müsse man auch einmal wieder einhalten.

Staatsminister Dr. Kraus erwidert, es liege schon ein Antrag von ihm vor, daß eine einheitliche Personalpolitik in allen Ministerien eingehalten werde. Es gehe nicht an, daß jedes Ministerium Personalpolitik auf eigene Faust betreibe.

Gegen die Ernennung von Ministerialrat Dr. Mayer zum Ministerialdirigenten im Kultusministerium werden keine Einwendungen mehr erhoben.62

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
gez.: Claus Leusser
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister