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Nr. 12MinisterratssitzungSamstag, 17. Januar 19481 Beginn: 9 Uhr 30 Ende: 13 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, stv. Ministerpräsident Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Unterrichtsminister Dr. Hundhammer, Finanzminister Dr. Kraus, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Sonderminister Dr. Hagenauer, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).

Entschuldigt:

Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium).

Tagesordnung:

I. Konferenz der Ministerpräsidenten in Frankfurt. II. Schulreform. III. Ernährungslage. IV. Gesetz über die Verlängerung der Amtszeit der Bürgermeister und Gemeinderäte. V. Gesetz über die Zahlung von Zuwendungen an nichtbayerische Pensionisten. VI. Vorbereitung der Gemeindewahlen. VII. Wiedererrichtung der Kreisregierung in Bayreuth und Landshut. VIII. Regierungspräsident Stock. IX. Kräutergarten Dachau. X. Baustoffnotgesetz. XI. Verordnung über Kurzarbeiterunterstützung. XII. Lage der Entnazifizierung. [XIII. Stellvertreter des Staatssekretärs für das Flüchtlingswesen]. [XIV. Ausgabe von Schnittholzabsenkungsscheinen]. [XV. Termin des nächsten Ministerrats].

I. Konferenz der Ministerpräsidenten in Frankfurt

Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die Sitzung und berichtet zunächst über die Konferenz der Ministerpräsidenten in Frankfurt.2 Der Vorschlag der Amerikaner und Engländer über die Neuorganisation im Ganzen liege noch nicht vor. Bisher sei nur vorgelegt ein Vorschlag über die Gestaltung eines neuen Gerichtshofs.3 Es seien verschiedene Kommissionen gebildet worden, an denen er selbst auch teilnehme. Wegen der Länder-Unions-Bank solle noch eine eigene Kommission gebildet werden.4

Staatsminister Dr. Kraus schlägt hiefür den Landeszentralbankpräsidenten Dr. Grasmann5 vor.

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, daß er bezüglich des Gesamtvorschlags darauf bestanden habe, daß alle acht Ministerpräsidenten zusammen eine Entscheidung treffen sollen. Auch bezüglich des Gerichtshofs und der Länder-Unions-Bank habe er ausdrücklich vorbehalten, daß alle Ministerpräsidenten noch zu einer Konferenz zusammenkommen sollten. Er habe neulich schon einmal darauf hingewiesen, daß die Schwierigkeiten in Frankfurt außerordentlich groß gewesen seien und daß er sich über manches recht ernstlich habe ärgern müssen. Der Mann, der von einem schwarzen Tag des Föderalismus gesprochen habe,6 habe unmittelbar vorher Vorschläge gemacht, daß die Justiz zur Kompetenz des Wirtschaftsrats kommen solle, daß ein Oberster Gerichtshof und ein Oberstes Finanzgericht für die beiden Zonen errichtet werden sollen, daß der Exekutivrat an die Stelle des Reichsrats treten solle. Diese Vorschläge hätten noch vor der Konferenz hinter dem Rücken des Ministerpräsidenten den Amerikanern überreicht werden sollen. Das habe er noch verhindern können. Wenn man dann aber Schwierigkeiten habe, brauche man sich nicht zu wundern. Dazu kämen noch die Schwierigkeiten von Seiten des Wirtschaftsrats. Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht getroffen. Man könne auch noch nicht überblicken, ob es sich um feststehende Befehle der Besatzungsmächte handle, oder ob man noch die Möglichkeit habe, dagegen Vorschläge zu machen.

Staatsminister Dr. Pfeiffer ergänzt diesen Bericht durch Einzelheiten.7

II. Schulreform8

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, Anfang Dezember sei von Clay ein Brief gekommen, in dem die bayerischen Vorschläge9 zur Schulreform abgelehnt worden seien.10 Nur in zwei Punkten seien konkrete Beanstandungen erhoben worden:

1. solle der Übertritt in die Mittelschule erst nach der 6. Volksschulklasse erfolgen,

2. werde für die Lehrer ein Universitätsstudium verlangt.

Im übrigen könne man über die Sache reden. Er (Clay) werde veranlassen, daß Einzelvorschläge demnächst noch gemacht würden. Angekündigte Vertreter von OMGUS seien bis heute nicht gekommen, in der Zwischenzeit sei aber ein neuer Brief eingelaufen, der zahlreiche11 Forderungen erhebe und gleichzeit die Vorlage eines neuen Vorschlags bis zum 1. Februar verlange.12 Daraufhin habe er (Ehard) an den Gouverneur einen Brief geschrieben,13 er habe mit schmerzlichem Bedauern feststellen müssen, daß man Mißfallen erregt habe, weil der Schulreformplan nicht wunschgemäß gestaltet worden sei. Er bitte aber noch um Mitteilung, ob wir noch Vorschläge machen könnten, oder ob alle14 Punkte des letzten Briefes Befehle seien, die wir übernehmen müßten. Nun habe er gestern die Antwort bekommen, daß die Direktiven des Generals Clay und des Kontrollrats Befehle darstellten, die zu befolgen seien.15 Damit sei eine ganz klare Situation gegeben. Die Versuchung sei nun groß, einfach zu sagen, auf Befehl der Militärregierung sei folgender Schulreformplan vorzulegen und ihn dem Landtag zuzuleiten, der ihn dann ablehnen werde. Er habe aber mit dem Kultusminister gesprochen. Man werde befehlsgemäß einen Vorschlag machen.16 Er glaube aber, daß man es dabei nicht belassen dürfe, da man auch bei der Durchführung des Befehls eine Verantwortung habe. Deshalb sei er der Meinung, daß man neben der befohlenen Vorlage eine zweite Vorlage machen solle, die einen Schulreformplan enthalte, wie man ihn machen würde, wenn man frei verfahren könnte, und eine 3. Vorlage, die eine Zwischenlösung enthalte. Dann habe man auch eine Rechtfertigung unseren Leuten gegenüber und es ergebe sich auch im Landtag eine bessere Lage. Wenn dieser die Vorlage ablehne, könne er über die Ablehnung hinaus noch einen Gegenvorschlag machen. Davon habe er den Ministerrat unterrichten wollen. In der Zwischenzeit sei übrigens ein konkreter Befehl gekommen, daß die Lehrerbildung sofort umgestellt werden müsse. Lehrer ohne Abitur dürften nicht mehr zugelassen werden. Das gelte auch für die Lehrer in den Berufsschulen, die Handarbeitslehrerinnen, ja sogar die Kindergärtnerinnen. Alle diese müssen Abitur und mindestens 6 Semester Hochschule haben. Außerdem werde kostenlose Ausbildung verlangt.

III. Ernährungslage

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, aus der Presse und den Landtagsverhandlungen sei bekannt, daß die 3. und 4. Woche der laufenden Periode fleischlos sein solle, daß sie fettlos sein solle und daß in der 111. Periode überhaupt kein Fett ausgegeben werden solle.17 Die gespannte Ernährungslage brauche er nicht zu schildern. Sie sei durch den Hilferuf18 Arnolds19 verschärft worden. Es sei angeregt worden, daß alle Landwirtschaftsminister der beiden Zonen nach Düsseldorf kommen sollten um zu beraten, was geschehen könne. Diese Besprechung habe gestern stattgefunden.20 Man müsse unterscheiden zwischen der 110. und 111. Periode. Was für die 110. Periode21 vorgeschlagen werde, seien ausgesprochene Hilfsmaßnahmen für das Ruhrgebiet. Es solle hier auf die Hälfte des Fetts einschließlich der Zulagen verzichtet werden. Das dadurch freiwerdende Fett solle in das Ruhrgebiet kommen. Dort sei die 108. und 109. Periode22 noch nicht beliefert. Daneben sei die Forderung gestellt worden, daß die 3. und 4. Woche auch fleischlos werden solle. Damit hätten sich die Vertreter der Länder schließlich einverstanden erklärt, weil die Amerikaner und Engländer gesagt hätten, sie müßten entgegenkommen, sonst bekämen sie überhaupt nichts mehr. Dann sei plötzlich noch eine Idee Podeyns aufgetaucht, daß in der 111. Periode überhaupt kein Fett ausgegeben werden solle, dafür die doppelte Menge Zucker. Auf diese Weise wolle man angeblich eine Reserve schaffen. Die Schwierigkeiten seien vor allem dadurch verschärft worden, daß von den 15000 to Fettimporten, die schon da sein sollten, bis jetzt erst 7000 to da seien, die aber auch erst verarbeitet werden müßten. Außerdem sei uns der Walfang verboten.23 Wir dürften auch dort kein Fett einkaufen, wo die Möglichkeit gegeben sei. Wir dürften nur aus dem Land importieren, welches für die betreffende Ware gerade zugelassen sei. Für Fett sei das Amerika. Die Ware dort kaufen, wo sie angeboten sei, dürften wir nicht. Staatsrat Niklas24 habe schließlich bei dieser Konferenz erreicht, daß die Zustimmung der Regierungschefs vorbehalten worden sei. Er habe darauf hingewiesen, daß eine vollkommene Streichung der Fettration für die 111. Periode vollkommen unmöglich sei. Nun sei die Frage, was zu machen sei. Er könne der Streichung für die 111. Periode unmöglich zustimmen. Er habe auch mit den Amerikanern schon gesprochen. Diese seien darüber ganz entsetzt gewesen. Sie verträten die Ansicht, dies müsse erst durch die amerikanisch – englische Kontrollkommission genehmigt werden und seien der Meinung, daß eine solche Genehmigung nicht erteilt werde. Er (Ehard) sei nicht dieser Meinung. In Frankfurt sei alles möglich. Die Streichung der Fettzuteilung für die 111. Periode lehne er ab. Bezüglich der 110. Periode müßten wir aber eine Konzession machen. Die anderen Länder hätten alle schon zugestimmt. Wir könnten uns bei dieser Notaktion nicht ausschließen. Dies könnten wir nicht aus innerpolitischen Gründen und nicht aus internationalen Gründen. Er habe gestern noch mit dem Präsidenten des Gewerkschaftsbundes25 gesprochen. Diese sei bereit, bei dieser Fettgeschichte ihren Einfluß einzusetzen, unter der Voraussetzung, daß es sich um eine Hilfsaktion für das Ruhrgebiet handle. Es ergebe sich nur noch eine Differenz: Die Gewerkschaften hätten sich bezüglich der Normalverbraucher einverstanden erklärt, nicht aber bei den Zulagen. Er hoffe aber, daß die Gewerkschaften uns unterstützten. Ob nicht trotzdem Streiks kämen, wisse man nicht. In Nürnberg seien solche schon im Gang.26 Auch von Altötting habe er eine Mitteilung bekommen. Er sei aber der Meinung, daß man trotzdem diese Geste machen müsse, und schlage vor, folgendes Telegramm an Arnold zu schicken, von dem ein Abdruck auch an Schlange-Schöningen und die übrigen Ministerpräsidenten gesandt werden solle: „Bin einverstanden, daß Bayern für die 110. Periode auf die Hälfte der Fettration verzichtet und die Ersparnisse Nordrhein-Westfalen zuweist. Dagegen kann ich unmöglich zustimmen, daß in der 111. Periode überhaupt kein Fett ausgegeben wird, da ein so langer Fettentzug unmöglich ist und nicht durch Zuckerersatz aufgewogen wird“.

Er bitte um die Meinung des Ministerrats hiezu.

Bezüglich des Fleisches habe er zu sagen, daß wir mit 5570 to im Vorschuß seien. Er habe mit Schlange-Schöningen bereits gesprochen. Die Fleischzuteilung werde wohl freigegeben werden, aber erst dann, wenn 75% der notwendigen Menge erfaßt sind. Soviel sei aber noch nicht da. Trotzdem habe er das Fleisch für die 3. Woche freigegeben. Er glaube, das verantworten zu können als Notmaßnahme, da das Fleisch bereitliege und sonst verderbe.27 Vielleicht könne man auch noch die Kantinenzuschüsse an Fett weitergeben.

Staatssekretär Geiger führt aus, ihm sei folgendes nicht erklärlich: Bayern und alle übrigen Länder mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen sollten auf die Hälfte der Fettration verzichten. Diese Rechnung könne nur richtig sein, wenn die Einwohnerzahl des Ruhrgebiets genau so hoch sei, wie die Einwohnerzahl der übrigen Gebiete zusammen. Nun habe Nordrhein-Westfalen 12 Millionen, die anderen Länder 30 Millionen Einwohner.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, daß auch noch Rückstände aus der 108. und 109. Periode zu decken seien.

Staatssekretär Geiger fährt fort, nach den bisher gemachten Erfahrungen sei er sehr skeptisch, ob die Angaben überhaupt stimmten. Wenn die Lage dort wirklich so schlecht sei, müsse er sich wundern, daß von Frankfurt nicht schon längst etwas dagegen geschehen sei.

Staatssekretär Sühler erwidert, die Dinge lägen so, daß die Überschußländer für die 108. und 109. Periode ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen seien. Im übrigen mache Nordrhein-Westfalen von sich aus auch schon verzweifelte Anstrengungen.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer fragt an, ob es nicht opportun sei, das Telegramm so zu fassen, daß es sich zur Veröffentlichung in der Presse eigne und auf die bisherigen Leistungen Bayerns hinzuweisen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, das solle gemacht werden. Es solle eine Mitteilung an Rundfunk und Presse gegeben werden.28

Staatssekretär Geiger sieht große Schwierigkeiten bei der bayerischen Bevölkerung kommen. Es sei allgemein bekannt, daß wir von Nordrhein-Westfalen gar keine Hilfe bekämen. Während unserer Stromkrise habe der Wirtschaftsminister Dr. Nölting29 verboten, daß Strom nach Bayern geliefert werde. Der andere Punkt sei die Kohlenversorgung.30 Wir bekämen nur 60%, dagegen Westfalen 130%. Er schlage vor, nicht ohne weiteres solche Konzessionen zu machen, wenn wir nicht die Versicherung bekämen, daß uns bei einer Strom- und Kohlenmisere geholfen werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, er habe Staatsrat Niklas veranlaßt, in dieser Richtung Versuche zu machen. Es sei auch eine Vereinbarung aufgenommen worden, daß zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion eine bessere Erfassung von landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen durchgeführt und diese der Landwirtschaft in dem vereinigten Wirtschaftsgebiet zugeteilt werden sollten.31 Dies sei immerhin ein Anfang. Man dürfe aber nicht aus dem Auge lassen, daß sämtliche deutschen Länder diesem Hilferuf entsprochen hätten. Wenn wir uns ausschlössen, bekämen wir die ganze Schuld, wenn etwas passiere und es werde etwas passieren. Es sei eine große Streikbewegung im Gang, die sich auch auf die Bergarbeiter und ganz sicher auf die Verkehrsbetriebe ausdehne. Die Arbeiter hätten erklärt, es werde kein Gramm Kohle mehr transportiert. Schließlich seien wir jetzt in einer sehr kritischen Woche wegen der Verhandlungen in Amerika.32 Clay, der nach Washington fliege,33 habe verlangt, daß die Erfassungsmethoden um ein Vielfaches verschärft würden. Die Ministerpräsidenten hätten sich auf den Standpunkt gestellt, soweit die Lebensmittel beim Erzeuger lägen, könne man das machen. Soweit man Verdacht habe, daß eine Hortung strafrechtlicher Art vorliege, könne man Polizei hinschicken. Man könne aber nicht ohne Verdacht einfach straßenweise Durchsuchungen veranstalten. Dazu brauche man eine gesetzliche Grundlage. Es sei ihnen erwidert worden, eine solche müsse man dann eben schaffen und zwar innerhalb weniger Tage. Clay müsse sie mit nach Amerika mitnehmen. Es sei verlangt worden, daß jede Familie eine eidesstattliche Versicherung abgeben müsse darüber, daß sie nur für 10 Tage Lebensmittel vorrätig habe. Das sei aber eine Unmöglichkeit. Im Wirtschaftsrat werde bereits der 4. Entwurf eines Erfassungsgesetzes behandelt, der eine Auskunftspflicht unter allen möglichen Drohungen für verschiedene Gruppen von Personen enthalte.34 Ob die Amerikaner damit zufrieden seien, könne man noch nicht übersehen. Auch das sei ein Grund, daß man diese Hilfsaktion selbst auf die Gefahr hin, daß es einen Streik gebe, machen müsse.

Staatsminister Krehle ist der Auffassung, daß man den Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten unterstützen müsse. Was die Hilfsaktion für das Ruhrgebiet anlange, werde sich die Gewerkschaft sehr schwer tun, in Bayern dagegen anzugehen, nachdem es sich um eine Hilfe für Kohlenarbeiter im Ruhrgebiet handle. Andererseits sei es sehr gut, wenn man für die Kantinenverpflegung etwas tun könne, damit die Leute warmes Essen im Betrieb hätten. Wir dürften uns unter gar keinen Umständen ausschließen, sonst bekämen wir die Schuld, wenn ein Streik ausbreche, selbst auf die Gefahr hin, daß bei uns kleinere Streiks entstünden. Nun habe er allerdings seine Beobachtungen gemacht bei dem Streik der Münchner Straßenbahner.35 Die Gewerkschaften seien außerordentlich schwach und hätten die Leute nicht mehr in der Hand. Es sei zu befürchten, daß die Entwicklung über die Gewerkschaften hinweggehe. Soviel er wisse, seien die Rationssätze bereits bekanntgegeben und das Fleisch aufgerufen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, das Fleisch für die 3. Woche müsse er ausgeben lassen, weil es sonst verderbe. Er wolle auch alles tun, um in der Kantinensache zu helfen. Aber gerade deswegen habe man schon die ganze Zeit die allergrößten Schwierigkeiten mit Frankfurt.

Staatsminister Krehle weist darauf hin, auf der einen Seite mache man uns Vorwürfe wegen der Werksküchenverpflegung, auf der anderen Seite seien die anderen Länder bei der Gewährung von Zulagen wesentlich großzügiger als Bayern.

Staatsminister Dr. Hundhammer schließt sich den Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten an. Er halte es aber auch für zweckmäßig zu bemerken, daß die anderen Länder ihre Verpflichtungen uns gegenüber nicht eingehalten hätten. Auch damit solle man an die Öffentlichkeit gehen.

Staatsminister Dr. Pfeiffer schlägt vor, hier einen gewissen Zwischenraum einzulegen.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß mit seinem Vorschlag über die Absendung des Telegramms allgemeines Einverständnis besteht.36

Staatssekretär Geiger möchte nicht mißverstanden werden. Er habe sich vorhin nicht gegen das Telegramm gewendet, sondern nur 2 Punkte zu klären versucht: Der eine sei rein statistisch, da er nicht überzeugt sei, daß bei dieser Verteilung das Zahlenmaterial aufgehe, auch sei er nicht überzeugt, daß die Anforderungen zahlenmäßig begründet seien. Der zweite Punkt sei der, daß er der Meinung sei, wir hätten auch unserem Lande gegenüber die Verpflichtung, mit denselben Forderungen an Nordrhein-Westfalen heranzutreten. Wenn wir in Not seien, müßten wir in der gleichen Weise unterstützt werden, wie wir jetzt das Ruhrgebiet unterstützten. Das beziehe sich sofort auf die Kohlenversorgung, im übrigen auf die Elektrizitätswirtschaft.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, er sei der gleichen Meinung. Man solle aber jetzt keine Bedingungen stellen. Bei diesen Lebensmittelgeschichten erlebe man immer das gleiche. Hier kämen die Befehle der Amerikaner. Wenn er aber sage, sie sollten einen Befehl geben, daß Kohlen oder andere Dinge nach Bayern kämen, erhalte er die Antwort, das sei eine Angelegenheit der deutschen Stellen.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer fragt an, ob man ganz zuverlässige Berichte aus Nordrhein-Westfalen habe.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, es sei offenbar richtig, daß es dort der arbeitenden Bevölkerung, abgesehen von den Bergleuten, sehr schlecht gehe.

Staatssekretär Jaenicke schlägt vor, keine Bedingungen zu stellen, aber auszudrücken, daß man erwarten dürfe, daß die rückständigen Kohlenlieferungen kämen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, das könne man nicht sagen, da es sich um eine reine Hilfsaktion handle. Wenn man da sage, man wolle etwas dafür haben, setze man sich sofort ins Unrecht. Man müsse dies in einem anderen Zusammenhang anstreben.

Staatsminister Dr. Seidel bestätigt diese Ausführungen. Dies gehe aus psychologischen Gründen nicht. Man könne nicht eine Hilfe mit einer Bedingung verknüpfen. Die Regierung von Nordrhein-Westfalen sei nicht daran schuld, daß wir keine Kohlen bekämen. Verantwortlich hiefür sei die deutsche Kohlenbergbauleitung.37

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, die Sache sei nur so zu machen, daß uns die Regierung von Nordrhein-Westfalen zugestehe, daß sie uns beim Wirtschaftsrat in Frankfurt unterstütze.

Staatsminister Dr. Seidel bemerkt, auch dieser sei für Kohle nicht zuständig.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, wenn auch nicht für Kohle, dann für andere Dinge.

Staatsminister Dr. Hundhammer weist darauf hin, daß sich in der Süddeutschen Zeitung eine Notiz befinde, worin die Gewerkschaften den Aufruf des Fleisches für die 3. Woche im Einvernehmen mit der Staatsregierung bekanntgeben.38 Eine solche Bekanntgabe sei nicht Sache des Gewerkschaftsbundes, sondern der Staatsregierung.

IV. Gesetz über die Verlängerung der Amtszeit der Bürgermeister und Gemeinderäte39

Staatsminister Dr. Ankermüller berichtet über diesen Entwurf.40 Es wird beschlossen, Art. 2 zu streichen und Art. 3 folgendermaßen zu fassen: „Dieses Gesetz ist dringlich; es tritt am 1. Februar 1948 in Kraft“.41

V. Gesetz über die Zahlung von Zuwendungen an nichtbayerische Pensionisten

Staatsminister Dr. Kraus berichtet über diesen Entwurf.42

Staatssekretär Jaenicke äußert Bedenken dagegen, daß die Zuwendungen nur bei Bedürftigkeit bezahlt werden sollen. De facto handle es sich doch um Pensionen. Wer prüfe überhaupt nach, ob der Betreffende bedürftig oder ob die ihm angebotene Arbeit zumutbar sei?

Staatsminister Dr. Kraus erwidert, bis jetzt habe es noch keine Schwierigkeiten gegeben. Es empfehle sich, nicht über die jetzige Regelung hinauszugehen, die schon 1 1/2 Jahre bestehe.43 Der Pensionsetat sei ohnedies schon überlastet. Die Aufwendungen für diese Zwecke hätten vor 1/2 Jahr schon 22 Millionen betragen.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer meint, dann werde ein großer Zustrom nach Bayern einsetzen. Man solle doch versuchen, eine Ausgleichskasse zu schaffen.

Staatsminister Dr. Kraus meint, diese Frage könne hier jetzt nicht geregelt werden.

Gegen den Gesetzentwurf werden keine Erinnerungen erhoben.44

VI. Vorbereitung der Gemeindewahlen45

Staatsminister Dr. Ankermüller führt aus, es seien bezüglich der Gemeindewahlen verschiedene Vorschläge von den Amerikanern gekommen, die man beachten müsse. Zunächst müsse man sich über die Grundsätze einig werden.46 Eine Frage sei die, ob die Amtsdauer der Gemeinderäte 4 Jahre oder 6 Jahre betragen solle, wobei in letzterem Fall nach 3 Jahren die Hälfte der Gemeinderäte neu gewählt werde. Eine weitere Frage sei die, ob die Bürgermeister mittelbar oder unmittelbar gewählt werden sollen. Hier müsse man auf die Bevölkerungszahl abstellen. Bisher habe es in den Orten bis zu 3000 Einwohnern die direkte Wahl gegeben. Er schlage vor, jetzt auf 20000 hinaufzugehen.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet dies als sehr hoch.

Staatsminister Krehle hat auch Bedenken, weil keine Möglichkeit eines politischen Ausgleichs mehr gegeben sei.

Staatssekretär Dr. Schwalber schließt sich an. Dadurch gebe der Gemeinderat eine[s] seiner vornehmsten Rechte aus der Hand. Es seien auch politische Unzuträglichkeiten in der Amtsführung zu erwarten.

Staatsminister Dr. Ankermüller fährt fort, die Amerikaner schlügen auch die Möglichkeit der Auflösung des Gemeinderats durch ein Volksbegehren und den Rücktritt des Bürgermeisters auf Grund eines Mißtrauensvotums des Gemeinderats vor.

Staatssekretär Dr. Schwalber vertritt demgegenüber die Auffassung, nachdem man in der Verfassung für den Ministerpräsidenten das präsidentielle System habe,47 müsse dieses erst recht für die Gemeinden gelten.

Staatsminister Dr. Ankermüller meint, da die Verfassung ebenfalls den Mißtrauensantrag nicht kenne, solle man diese Einrichtung auch nicht in die Gemeinde neu aufnehmen.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält die Auflösung des Gemeinderats durch Volksbegehren für unmöglich.

Staatsminister Dr. Ankermüller stellt die Frage der passiven Wahlfähigkeit der Mitläufer als Bürgermeister und Landräte zur Debatte.48

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, man müsse endlich einmal die Angelegenheit mit den Mitläufern zu Ende bringen. Schuld an diesem Problem sei die unbefriedigende Handhabung des Entnazifizierungsgesetzes.

Staatsminister Dr. Ankermüller fährt fort, es sei auch die Zulassung von freien Gruppen für Wahlvorschläge erforderlich.49 Bisher habe man hierfür 25 Unterschriften verlangt; er schlage vor, es so zu belassen.

Staatssekretär Dr. Schwalber erklärt, man solle die Erfordernisse hinaufschrauben und an Unterschriften die zehnfache Zahl der Gemeinderatssitze verlangen. Man müsse gewisse Erschwerungen einbauen, um u.U. wieder entstehende nationalsozialistische Mehrheiten auszuschalten.

Staatsminister Dr. Ankermüller kommt noch einmal auf das passive Wahlrecht zu sprechen.

Staatssekretär Dr. Schwalber schlägt vor, den Mitläufern das passive Wahlrecht noch nicht zu gewähren.

Staatsminister Dr. Seidel hält dies nicht für möglich. Unter den Mitläufern seien auch Leute, die niemals Nazis gewesen seien und die man brauche.

Staatsminister Dr. Kraus hält es für allmählich an der Zeit, die Diffamierung der Mitläufer aufzuheben. Die Mehrzahl sei doch eigentlich nur formal belastet. Es müsse doch einen anderen Weg geben, ungeeignete Menschen auszuschließen. Wenn jemand im nationalsozialistischen Sinn tätig werde, müsse die Staatsregierung eingreifen können.

Staatssekretär Dr. Schwalber verneint dies für den Fall, daß man den Begriff der Selbstverwaltung so weit auslege, wie es die Amerikaner von uns verlangten.

Staatsminister Dr. Kraus spricht sich für eine endliche Befriedung aus; dadurch, daß man die Mitläufer ausschließe, schließe man sie zusammen.

Staatsminister Dr. Ankermüller fährt fort, bezüglich des Wahlmodus werde das Streichen, Häufeln und Panaschieren verlangt. Er meine aber, wenn mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten nicht panaschiert habe, solle die Liste als gewählt gelten.

Staatssekretär Dr. Schwalber erklärt, er habe Mr. Bradford50 entgegengehalten, daß das Verfahren zu umständlich sei. Dieser habe ihm erwidert, wenn es in New York gehe, werde es in München auch gehen. Es schade nicht, wenn die Ergebnisfeststellung länger dauere.

Staatsminister Dr. Ankermüller meint, er persönlich sei dafür, das Wahlgesetz51 sehr kurz zu machen und alle übrigen Bestimmungen einer Wahlordnung52 zu nehmen. Es werde auch die Meinung vertreten, alles in ein Gesetz zu schreiben. Dies habe den Nachteil, daß jede Änderung wieder vor den Landtag kommen müsse. Der Entwurf müsse in der nächsten Ministerratssitzung behandelt werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, dann müsse der Entwurf aber den anderen Ministerien so rechtzeitig zugestellt sein, daß sie sich damit vorher befassen könnten.53

VII. Wiedererrichtung der Kreisregierung in Bayreuth und Landshut54

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, der Gesetzentwurf55 über die Wiedererrichtung der Regierung in Bayreuth und Landshut müsse nunmehr vorgelegt werden.

Staatsminister Dr. Ankermüller antwortet, er würde das machen, aber das Finanzministerium habe die größten Bedenken.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, hier handle es sich um eine Verfassungsbestimmung.56 Der Landtag müsse entscheiden. Auf einen rein fiskalischen Standpunkt könne man sich nicht stellen.

Staatsminister Dr. Kraus erklärt, er habe bei der ersten Behandlung im Ministerrat sehr stark opponiert.57 Er stehe auch heute noch auf dem Standpunkt, daß die Sache personell und finanziell nicht durchzuführen sei. Seine Ausführungen hätten den Ministerrat damals anscheinend stark beeindruckt, der Ministerpräsident habe aber in der nächsten Sitzung gesagt, daß der Entwurf doch an den Landtag gehen solle.58 Er habe dann nicht mehr opponiert, sich aber vorbehalten, seine Bedenken im Landtag geltend zu machen. Seine Bedenken seien noch stärker geworden. Die Finanzlage sei trostlos, auf dem Gebiet der Unterrichtsverwaltung scheine man das aber nicht zu berücksichtigen. Wie denke man sich denn die Neuerrichtung von Universitäten?

Staatsminister Dr. Hundhammer erwidert, für Bamberg und Regensburg stünden Stiftungen zur Verfügung.

Staatsminister Dr. Kraus fährt fort, solche Stiftungen bedeuteten für ihn gar nichts. Alle diese Gelder kämen aus der Wirtschaft und aus Steuermitteln. Der Landkreisverband Niederbayern/Oberpfalz wolle eine Million für die Universität Regensburg stiften,59 aber RM 2000.– Zuschuß für eine Wasserleitung einer armen Gemeinde seien angeblich nicht da. Man müsse froh sein, wenn man den Bildungs- und Kulturapparat einigermaßen heil über die Währungsreform hinwegbringe. Das werde aber nicht möglich sein. Man könne nicht mit einem Defizit in eine Währungsreform hineinschlittern. Auch der Ministerrat müsse diesen uferlosen Plänen entgegentreten.

Staatsminister Dr. Hundhammer erklärt, über diese Fragen müsse man sich besonders unterhalten.

Staatsminister Dr. Kraus fügt noch hinzu, die Errichtung der Akademie der Schönen Künste liege auch auf dieser Linie.60

Staatssekretär Sühler bemerkt, über das Sparsamkeitsprinzip sei man sich einig. Aber die Wiedererrichtung der Kreisregierung sei verfassungsmäßig und zwar termingemäß festgelegt.

Staatsminister Dr. Kraus erwidert, ehestens heiße, wenn die Mittel da sind. Er sei vollständig damit einverstanden, wenn der Gesetzentwurf an den Landtag gehe. Er werde aber dann den Abgeordneten das Nötige sagen.

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, er sei auch der Meinung, daß man sparen müsse. Neben den fiskalischen Gesichtspunkten dürfe man aber die politischen und staatsrechtlichen Gesichtspunkte nicht außer acht lassen. Man dürfe solche Dinge nicht nur fiskalisch betrachten. Andere Länder hätten genauso wenig Mittel wie wir, hätten aber den Apparat in größtem Umfang. Man müsse auch den politischen Hintergrund berücksichtigen und nicht aus dem Auge lassen. Was man politisch auf lange Sicht verderbe, könne man vielleicht überhaupt nicht mehr gutmachen. Über die Schwierigkeiten der wirtschaftlichen und finanziellen Krise könne man vielleicht hinwegkommen, auch wenn man im Augenblick zuviel ausgebe. Bloß fiskalisch könne man aber nicht alles betrachten, insbesondere in unserer besonderen Situation. Man müsse sich darüber noch einmal unterhalten. Der Gesetzentwurf solle aber einmal vorgelegt werden.

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.

Staatsminister Dr. Kraus erklärt noch, ihm seien die politischen Gesichtspunkte auch sehr gut bekannt. Wenn aber kein Geld da sei, lasse sich nichts machen. Auch die Politik ende beim Rechenstift. Er denke wirtschaftlich und nicht fiskalisch.61

VIII. Regierungspräsident Stock

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich nach dem Stand der Angelegenheit Stock.62

Staatsminister Dr. Ankermüller erwidert, diese sei erledigt, er habe für den Ministerpräsidenten einen Brief an Stock entworfen.

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest den Entwurf.63

Mit ihm herrscht Einverständnis.

IX. Kräutergarten Dachau

Staatsminister Dr. Hundhammer führt aus, Dr. Auerbach wolle sich hinter General Clay stecken, um den Kräutergarten Dachau64 zu bekommen.65 Andererseits habe die Property Control Abteilung der Militärregierung einen Brief geschrieben, daß das wertvolle Inventar für wissenschaftliche Forschungen zu dienen habe und habe empfohlen, einem Pachtvertrag mit der Universität München einem solchen mit Privatunternehmen den Vorzug zu geben. Auch der Weihbischof66 habe namens der katholischen Geistlichen, die den Boden des Kräutergartens mit ihrem Blut getränkt hätten, geschrieben, daß die Universität berücksichtigt werden solle.67 Es handle sich um eine einmalige Einrichtung in Deutschland für Studenten der Pharmazie.68 Er schlage vor, daß der Ministerrat folgenden Beschluß fasse, durch den er in der Sache abgeschirmt werde:

Der Ministerrat hat sich in Übereinstimmung mit dem von der Finanzabteilung der Militärregierung vertretenen Standpunkt dahin ausgesprochen, daß der unter Vermögensverwaltung des Landesamts stehende ehemalige Kräutergarten Dachau zur Nutzbarmachung für Zwecke der Forschung und des Lehrbetriebs der Universität zur Verfügung steht. Das Kultusministerium wird ermächtigt, die Vorbereitung für den Pachtvertrag zu treffen.

Staatssekretär Dr. Schwalber berichtet hiezu, daß Dr. Auerbach versucht habe, uns vor die vollendete Tatsache zu stellen. Vor 14 Tagen habe er Presse und Rundfunk nach Dachau bestellt, um dadurch vorzubeugen, daß anders entschieden werde.69 Es bestehe die Gefahr, daß durch Mißwirtschaft alles verloren gehe. Jetzt habe man schon ein Defizit von 100000 RM. In ganz kurzer Zeit werde alles verwirtschaftet sein.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller führt aus, man müsse unterscheiden zwischen dem Kräutergarten und den Gebäuden und der Gewürzmühle. Die Gewürzmühle diene nur wirtschaftlichen, das andere nur wissenschaftlichen Zwecken. Er habe selbst schon in dieser Sache verhandelt. Er habe zum Teil die Sorge für die Hinterbliebenen der Leute vom 20. Juli übernommen. Er sei damals der Auffassung gewesen, daß die Gewürzmühle einer Stiftung zugewendet werden solle, welche für die Kinder der Opfer sorgen solle. Jetzt werde die Sache von Dr. Ludwig Schmitt70 betrieben, bezüglich dessen politischer Verfolgung ein großes Fragezeichen bestehe.71 Er spreche sich auch für den Erlaß dieses Beschlusses aus. Die Frage der Gewürzmühle solle man aber offenlassen. Diese solle nicht Schmitt, sondern einer Stiftung für die Hinterbliebenen zugutekommen.

Staatsminister Dr. Kraus macht darauf aufmerksam, daß zunächst der ganze Komplex dem Bayerischen Staat anheimfallen werde, da das Finanzärar grundbuchmäßig Eigentümer des Areals und damit auch der Gebäulichkeiten sei. Auch in seinem Ministerium habe man sich bereits Gedanken gemacht, was geschehen solle. Der jetzige Antrag sei für ihn überraschend. Persönlich sei er der Meinung, daß man den Kräutergarten besser für wissenschaftliche Forschung und Ausbildung zur Verfügung stelle. Dr. Auerbach wolle aus Dachau und Flossenbürg eine Unterlage schaffen für die Zuwendung der täglichen 10 – RM für jeden KZ'ler. Er (Auerbach) habe erklärt, beide zusammen hätten einen Wert von 100 Mill. Das müsse er (Kraus) bezweifeln. Das Projekt, in Dachau und Flossenbürg großindustrielle und gewerbliche Anlagen aufzuziehen und den KZ'lern Anteile zu geben, scheine ihm nicht durchführbar. Wenn man den KZ'lern pro Hafttag 10.– RM gebe, so mache das für Bayern allein eine Belastung von 260 Mill. aus. Er sei dafür, daß man über die Verwendung des Kräutergartens im Sinne des Antrags des Kultusministers beschließen solle, wolle eines aber bemerken, daß der Bayerische Staat Eigentümer sei und daß zunächst nur ein Pachtvertrag in Frage kommen könne. Die Finanzverwaltung müsse bei der künftigen Verwendung der Objekte mitreden können.

Staatsminister Dr. Hundhammer meint, die Gewürzmühle könne man nicht so einfach herausnehmen, da sie in den Komplex eingebaut sei. Man müsse diese Sache wohl der praktischen Durchführung überlassen.72

X. Baustoffnotgesetz73

Staatssekretär Dr. Schwalber erklärt, die Behandlung des Baustoffnotgesetzes sei vordringlich.74

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, nachdem der Entwurf nicht da sei, könne die Sache heute nicht besprochen werden. Dies solle aber im nächsten Ministerrat erledigt werden.75

XI. Verordnung über Kurzarbeiterunterstützung76

Staatsminister Krehle berichtet über diese Verordnung und erklärt auf Anfrage von Staatssekretär Dr. Lacherbauer, daß durch diese der Staatshaushalt nicht berührt wird.77

Mit dem Erlaß der Verordnung durch die Staatsregierung besteht Einverständnis.78

XII. Lage der Entnazifizierung

Staatsminister Dr. Hagenauer berichtet über die Lage der Entnazifizierung. Ihr Stand sei trostlos. Die Rückstände wüchsen immer mehr an. Wenn nicht bald Abhilfe geschaffen werde, stünde er vor dem völligen Bankerott. Man dürfe sich nicht dadurch täuschen lassen, daß die eine oder andere Spruchkammer ihre Tätigkeit beendet habe. Die wirklich schweren Fälle seien alle noch zu erledigen. Wenn er keine Unterstützung in personeller Hinsicht bekomme, wisse er nicht mehr, wie er weitermachen solle. 10000 Fälle lägen beim Kassationshof,79 20000 bei den Berufungskammern, davon allein 7000 in Regensburg. In Würzburg finde überhaupt keine Sitzung statt.80 Dabei müßten nach dem Befehl von General Clay alle Leute, die in erster Instanz zu Arbeitslager verurteilt seien, sofort eingeliefert werden, ohne Rücksicht darauf, ob das Urteil rechtskräftig sei oder nicht.81 Über eine Berufung werde erst in vielen Monaten entschieden. Viele kleine Beamte seien brotlos und säßen schon seit 3 Jahren auf der Straße. Er habe schon wiederholt um Unterstützung gebeten, sie sei ihm auch zugesagt worden, bekommen habe er aber fast nichts.82

Staatsminister Dr. Kraus erklärt, er habe Leute abgestellt.

Staatsminister Dr. Hagenauer fährt fort, er habe vom Justizministerium 6 Leute angefordert und 10 Leute aus der übrigen Justiz; bekommen habe er aber nur 2 aus dem Justizministerium und 2 aus der Justiz. Wenn er alle bekommen hätte, hätte er die Rückstände aufarbeiten lassen können. Wo man hinschaue, gebe es Fehlbesetzungen. Die Leute hätten auch keine Wohnung; insbesondere stehe es schlecht mit der Ernährung.

Staatssekretär Fischer bemerkt, er habe 6 Leute des mittleren technischen Dienstes angeboten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller glaubt, daß man mit der bisherigen Praxis überhaupt nicht durchkomme. Er habe Clay und Murphy83 erklärt, es gebe nur eine Möglichkeit, die Kriegsverbrecherprozesse durchzuführen und die anderen Sachen zu bereinigen. In 2–3 Monaten müßten diese Geschichten abgestoppt werden. Die Justiz könne keine Richter mehr hergeben, da er unbelastete Richter für die Kriegsverbrecherprozesse84 und die Rückerstattungsbehörden und die Oberlandesgerichte brauche.

Staatsminister Dr. Hagenauer fragt, was vordringlicher sei, die Entnazifizierung oder die Rückerstattung oder die Kriegsverbrecherprozesse.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, unter den öffentlichen Klägern seien aber auch eine Menge Leute, die Berufung einlegten, auch wenn diese in keiner Weise begründet sei. Auf diese Weise komme man nicht zu Ende. Auch das Landesamt für Vermögensverwaltung getraue sich nicht, unfähige Treuhänder abzusetzen.85 Wenn in einem Geschäft einmal ein Treuhänder sei, dann sei es meist sehr gefährdet.86 Das sei die Kehrseite. Darum wehrte sich auch eine Reihe von Leuten, bei dieser Art von Rechtsprechung mitzumachen.

Staatsminister Dr. Hagenauer erwidert, dies sei vollkommen richtig. Eine Korrektur könne aber nur erfolgen, wenn man geeignete Leute an die richtige Stelle bringe.

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt, was getan werden könne, um das Unheil, das durch die uferlosen Berufungen angerichtet worden sei, zu bereinigen. Könne man nicht einen Mann beauftragen, diese Berufungen nachzuprüfen und gegebenenfalls zurückzunehmen? Dieser müsse vernünftig und nicht schematisch verfahren.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erklärt, die error reports87 würden nicht mehr von den unteren Stellen, sondern nur mehr von der Spitze der Militärregierung eingelegt werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, vor allem müsse man die Schwierigkeiten auf unserer Seite beseitigen. Durch die schematische Einlegung von Berufungen gehe nichts vorwärts.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer regt an, die öffentlichen Kläger zusammenzurufen und ihnen zu erklären, daß sie die eingelegten Berufungen noch einmal zu überprüfen hätten.

Staatssekretär Jaenicke stellt Dr. Pundt vom Regierungsflüchtlingskommissar in Würzburg zur Verfügung, der Volljurist sei.

Staatsminister Dr. Hagenauer erklärt, für die großen Fälle habe man auch keine Sachbearbeiter. Wer solle in diesen die Erhebungen vornehmen? Dazu brauche man eine Art Untersuchungsrichter, die er aber auch nicht habe.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, daß in dieser Frage noch einmal eine Rücksprache stattfinde. Vielleicht könne man doch noch etwas erreichen.

[XIII.] Stellvertreter des Staatssekretärs für das Flüchtlingswesen88

Staatssekretär Jaenicke ersucht, heute noch eine Entscheidung hinsichtlich seines Stellvertreters zu treffen. Bereits vor dem Fall Ziegler habe man grundsätzlich dem Gedanken zugestimmt, daß die Koalition beendet sei, und beide Vertreter abzurufen. Er habe besonderen Wert darauf gelegt, daß sein Stellvertreter bayerischer Beamter sei, etwas könne und leiste und mit den Verhältnissen vertraut sei.89 Nach langem Suchen sei es ihm gelungen, den Oberverwaltungsgerichtsrat Dr. Adam90 zu finden, der vom Ministerrat am 23. Dezember zum Ministerialdirigenten berufen worden sei.91 Adam hätte aber seinen Eintritt davon abhängig gemacht, daß ihm das Gehalt für 4 Monate automatischen Arrest nachgezahlt werde.

Staatsminister Dr. Kraus bezeichnet dies als ausgeschlossen. Das sei von der Militärregierung verboten.

Staatssekretär Dr. Müller erklärt, wenn Staatssekretär Jaenicke die Zustimmung der Militärregierung erreiche, sei das Finanzministerium bereit, zu bezahlen.

Staatssekretär Jaenicke erklärt, er werde den Versuch Unternehmern. Wenn er auch nichts erreiche, müsse Adam das einsehen. Was Reitzner betreffe,92 so habe dieser sich bereit erklärt, als Abteilungsleiter zu bleiben und die Abteilung 293 zu übernehmen. In absehbarer Zeit wolle er aber doch ausscheiden. Für den ausgeschiedenen Dr. Usler94 brauche er einen Ersatz. Hiefür schlage er Nentwig95 vor. Dieser nehme aber nur an, wenn er Beamter werde. Er sei der Ansicht, daß man ihn zum Regierungsdirektor ernennen solle.

Staatsminister Dr. Kraus fragt an, wie alt Nentwig sei.

Staatssekretär Jaenicke erwidert, 36 oder 37 Jahre.

Staatsminister Dr. Ankermüller meint, da Bedenken geltend gemacht würden, man solle Nentwig zunächst einmal hereinnehmen und ihm die Ernennung zum Beamten in Aussicht stellen.

Staatssekretär Jaenicke erwidert, er sei damit einverstanden, zweifle aber daran, daß Nentwig einverstanden sei.

Staatsminister Dr. Ankermüller erklärt, es seien Zweifel entstanden, ob vom Ministerrat die Ernennung Adams zum Ministerialdirigenten schon beschlossen worden sei.

Staatsminister Dr. Kraus fragt, ob eine solche Stelle überhaupt bestehe.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, die Sache könne erst erledigt werden, wenn sie vom Finanzministerium überprüft worden sei.

Es wird folgender Beschluß gefaßt:

Im Zuge der Neuorganisation des Bayerischen Staatsministeriums des Innern wird für das Flüchtlingswesen eine neue Abteilung eingerichtet, an deren Spitze zur Angleichung der Interessen zwischen Alt- und Neubürgern der bayerische Oberverwaltungsgerichtsrat Dr. Robert Adam zugleich als Vertreter des Staatssekretärs für das Flüchtlingswesen tritt. Die bisherige, auf der nicht mehr bestehenden Koalition bestehende Regelung der Stellvertretung wird aufgehoben.

[XIV.] Ausgabe von Schnittholzabsenkungsscheinen

Staatssekretär Fischer führt aus, die Holzwirtschaftsstelle weigere sich, die Nadelschnittholzabsenkungsscheine, wie sie vom Ministerrat beschlossen worden seien, auszugeben. Er bitte um eine Bestätigung dieses Beschlusses.96

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß kein Anlaß besteht, diesen Beschluß zu ändern.

[XV.] Termin des nächsten Ministerrats

Als Termin des nächsten Ministerrats wird Montag, der 26. Januar, 15 Uhr, in Aussicht genommen. Es sollen insbesondere behandelt werden: Das Baustoffnotgesetz, das Gemeindewahlgesetz und das Gesetz zur Sicherung der Brennstoffversorgung.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
gez.: Claus Leusser
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister