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Nr. 13Außerordentliche MinisterratssitzungMontag, 19. Januar 1948 Beginn: 16 Uhr 20 Ende: 17 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Finanzminister Dr. Kraus, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Krehle, Sonderminister Dr. Hagenauer, Staatsminister Dr. Pfeiffer, Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Staatsrat Niklas (Landwirtschaftsministerium).1

Entschuldigt:

Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).

Tagesordnung:

I. Ernährungslage. II. Kräutergarten Dachau.

I. Ernährungslage

Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die Sitzung und berichtet, am Samstag Abend sei er vom Präsidenten des Bayer. Gewerkschaftsbundes2 angerufen worden, der ihm mitgeteilt habe, daß der Gewerkschaftsbund Beschlüsse gefaßt habe, in denen er gewisse Forderungen erhebe. Dieser Beschluß sei inzwischen auch schriftlich mitgeteilt worden. Die Situation sei so, daß der Kürzung der Fettration für die 110. Periode zugestimmt worden sei. Er sei sich mit dem Präsidenten und einigen Leuten des Gewerkschaftsbundes darüber einig, daß dies eine schwere Sache sei, die man aber mit Rücksicht auf die Notlage in Nordrhein-Westfalen machen müsse.3 Trotz gegenteiliger Weisung von Frankfurt werde er das Fleisch für die 3. und 4. Woche ausgeben lassen und außerdem Fett für Kantinenversorgung. Hagen habe ihn dann befragt, was mit den Zulagen sei, ob diese auch gekürzt würden. Er habe dies bejaht, soweit es das Fett betreffe. Nun sei die Sache so, daß die Gewerkschäften zwar nichts dagegen hätten, daß die Fettzuteilung der Normalverbraucher gekürzt werde, wohl aber seien sie gegen eine Kürzung der Zulagen.4 Ministerpräsident Dr. Ehard verliest hierauf das Schreiben des Bayer. Gewerkschaftsbundes vom 17. Januar 1948.5 Hagen habe ihm das auch telefonisch schon durchgegeben. Er habe ihm hierauf schon am Telefon erwidert, was die Erfassung anlange, hätten wir selbst das größte Interesse, daß diese richtig geschehe. Das Erfassungssystem im Augenblick zu ändern, sei ganz unmöglich. Im übrigen würden in Bayern die weitaus schärfsten Erfassungsmethoden angewendet in sämtlichen übrigen Ländern der Bizone, weiter sei im Wirtschaftsrat ein Gesetz in Vorbereitung, das sich damit befasse, eine Auskunftspflicht über Lebensmittelbestände einzuführen. Ursprünglich habe man so weit gehen wollen, daß auch jeder Privatmann eine eidesstattliche Erklärung abgeben müsse, daß er nicht mehr wie für 10 Tage Lebensmittel im Haus habe.6 Jetzt solle die Auskunftspflicht auf Kantinen, Fabriken, Gaststätten usw. beschränkt werden. Was die Erfassung der industriellen und gewerblichen Güter für den täglichen Bedarf anlange, könnten wir von bayerischer Seite aus nur versuchen, die gehorteten Waren herauszubekommen. Verfügen könnten wir über viele überhaupt nicht, sondern bedürften hierzu einer bizonalen Anordnung. Außerdem sei eine Reihe solcher Güter in der englischen Zone in größerer Menge vorhanden als bei uns. Im übrigen habe der Wirtschaftsminister schon Anordnungen getroffen, die im Gange seien und auch schon Erfolge gezeigt hätten. Was die Nr. 3 der Forderungen betreffe, so wollten die Gewerkschaften nicht nur die Kontrolle, sondern auch die Verteilung übernehmen. In dieser Form gehe es aber nicht. Die Erzeuger und die staatlichen Stellen hätten wohl auch noch irgendetwas mitzureden. Was die Schließung der Luxusgaststätten und Schlemmerlokale7 betreffe, so sei er auch der Meinung, daß man hier etwas tun könne und tun müsse. Die Schwierigkeit liege aber darin, daß, wenn man an ein Lokal herangehe, es sofort heiße, alle anderen, aber dieses nicht. Eine weitere Schwierigkeit sei die, daß der Nachweis einer strafbaren Handlung sehr schwer zu führen sei.

Staatsminister Dr. Hundhammer meint, die Gewerkschaften sollten doch diese Lokale benennen.

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, daß nach seinen Erfahrungen die Polizei in dieser Sache nichts tue, wenn sie keine Deckung von oben bekomme. Die Einweisung der asozialen Elemente in Arbeitslager sei unmöglich, weil die Amerikaner die entsprechenden Vorschriften aufgehoben hätten.8 Was heiße übrigens asoziale Elemente? Was die sofortige Verhaftung aller Wirtschaftsverbrecher angehe, so gelte auch hier der Spruch, daß man keinen hängen könne, bevor man ihn habe. Wenn einmal ein Exempel statuiert werden solle, erwische man bestimmt den Verkehrten. Zu Nr. 7 habe er zu bemerken, daß nunmehr dieselben Gewerkschaften, die immer behaupten, Bayern sei nicht zuständig, auf einmal umschwenkten und von der bayer. Regierung und dem Landtag den Erlaß von Vorschriften verlangten. Am unangenehmsten wirke auf ihn die Fristsetzung.9 Tatsächlich handle es sich um ein Ultimatum, wenn ihm auch gesagt worden sei, das sei nicht so gemeint. Aber jeder müsse diese Fristsetzung so auffassen. Man werde zu dieser Sache nicht schweigen können. Er bitte zunächst, sich allgemein dazu zu äußern. Er glaube, daß man möglichst schnell eine Kundgebung herausgeben solle. Man müsse aber auch ein Positives tun und könne außerdem auf das, was bereits geschehen sei, hinweisen.

Staatssekretär Sedlmayr ist der Ansicht, daß man, so wie manche Forderungen vorgebracht würden, ohne weiteres die eigentliche Absicht erkenne, nämlich nach Möglichkeit eine Schuld der Regierung zu konstruieren. Wenn z.B. die restlose Erfassung verlangt werde, so wisse doch jeder, daß in keinem Land der Welt eine restlose Erfassung in dem Sinne überhaupt möglich sei. Auch bei dem schärfsten Erfassungssystem werde immer etwas übrig bleiben. Diese Lücken machten sich aber nicht nur die sog. „Großkopferten“ zu eigen, sondern auch die Mitglieder der Gewerkschaften in großer Zahl. Das gleiche gelte für die Erfassung der industriellen und gewerblichen Güter. Daran, daß die Gewerkschaften glaubten, noch größere Erfolge erzielen zu können, sei der Umstand schuld, daß man in der Kartoffelangelegenheit zuerst gesagt habe, es sei nichts mehr da, daß aber dann bei den Hofbegehungen noch 264000 to erfaßt worden seien.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt hiezu, in dieser Angelegenheit sei von Seiten des Landwirtschaftsministers behauptet worden, daß das Ablieferungssoll bereits hinausgegeben worden sei. In Wirklichkeit sei dies aber noch nicht geschehen gewesen. Infolgedessen steckten in dem Ergebnis der Hofbegehungen auch die normalen Ablieferungen.

Staatssekretär Sedlmayr fährt fort, was die sofortige Schließung der Luxuslokale anlange, so müsse klargestellt werden, was eine Luxusgaststätte sei. Er habe das Gefühl, daß z.Zt. Schlemmereien weit häufiger auf dem Lande stattfinden in Gasthöfen, die keinerlei Luxus aufwiesen. Die Gewerkschaften sollten doch sagen, welche Gaststätten sie meinten. Er glaube, daß man ganz konkrete Angaben verlangen solle. Die Gewerkschaften selbst machten gar keine Vorschläge, sondern erhöben nur allgemeine Forderungen.

Staatsminister Dr. Seidel äußert sich zu Punkt 2 und 3 der Forderungen.10 Die Gewerkschaften wüßten sehr genau, daß sie hier Forderungen aufstellten, die in der Praxis schon lange durchgeführt seien. Das Bewirtschaftungssystem in der gewerblichen Wirtschaft sei so umfangreich und leider gebe es keinen Gegenstand des täglichen Bedarfs, der nicht irgendwie reglementiert sei. Aber mit solchen Bewirtschaftungsvorschriften sei es nicht getan. En scheidend sei die Kontrolle der Produktion. Hierbei sei man im wesentlichen auf die Meldungen der Produktionsbetriebe angewiesen. Nun habe man, weil man der Auffassung gewesen sei, daß diese Meldungen nicht immer stimmten, für eine Reihe von Betrieben, insbesondere der Leder-, Glas-, Keramik- und Textilindustrie Prüfungen jedes einzelnen Betriebes angeordnet. Diese Prüfungen liefen zur Zeit. Darüber hinaus habe er gegen Warenhortungen sehr scharfe Anordnungen erlassen. Nun komme das Überraschende: Sein Staatssekretär und er seinen doch Mitglieder der CSU. In allen übrigen Ländern des vereinigten Wirtschaftsgebietes gebe es nur SPD-Wirtschaftsminister und mit Ausnahme von Württemberg-Baden SPD-Ministerpräsiden ten.11 In keinem dieser Länder, mit Ausnahme von Württemberg-Baden, seien so scharfe Bestimmungen gegen Warenhortung erlassen worden wie in Bayern. In der britischen Zone würden Waren in unvorstellbarem Ausmaß gehortet. Dort sei praktisch das Bewirtschaftungssystem zusammengebrochen. Die Industrie kümmere sich gar nicht mehr um die Wirtschaftsverwaltung. Uns treffe nur der Vorwurf, daß wir nicht genügend dafür gesorgt hätten, daß die Öffentlichkeit von unseren Maßregeln verständigt werde. Die Presse schweige unsere Maßregeln tot. Er werde am Schluß einen Vorschlag machen, wie die Staatsregierung von sich aus dazu übergehen müsse, hier Aufklärung zu schaffen. Unerhört sei die Forderung nach Beteiligung der Verbraucher bei der Verteilung. Die Gewerkschaften wüßten ganz genau, daß bei jedem Wirtschaftsamt und Regierungswirtschaftsamt Verbraucherausschüsse bestünden, welche in der Hauptsache von den Gewerkschaften besetzt seien. Die Gewerkschaften wollten aber die gesamte Verteilung in die eigene Hand bekommen, um sagen zu können, daß sie es seien, welche der Bevölkerung etwas gäben. Bezeichnend sei doch auch, daß die Gewerkschaften forderten, daß die gesamten Armeewaren über sie an die Bevölkerung verteilt werden sollten. Man werde sich überlegen, ob man für die Ausgabe von Bezugscheinen für Armeewaren eine Bestätigung verlange, daß der Betreffende in Arbeit stehe. Wenn er heute von den Fachverbänden eine vertrauliche Mitteilung fordern würde, welche Betriebe an Weihnachten an ihre Gewerkschaftsmitglieder Schuhe oder Gegenstände des täglichen Gebrauchs abgegeben hätten, kämen Zahlen heraus, die uns in Erstaunen setzen würden. Diese großen Mengen würden nicht von den Wirtschaftsämtern registriert. Es sei nicht etwa so, daß in diesem Jahr wenig ausgegeben worden sei. 1947 seien einschließlich der Januarzuteilung rund 3 300 000 Paar Lederschuhe ausgegeben worden. Das bedeute, daß jeder Dritte ein paar Lederschuhe hätte bekommen müssen. Er habe aber nichts bekommen, weil die Gewerkschaften den ganzen Ablauf der Warenverteilung gestört hätten. Dafür hätten manche 2 Paar bekommen. Das seien Dinge, die nicht nur den Gewerkschaften, sondern auch dem Volk deutlich gesagt werden müßten.

Staatsminister Dr. Hundhammer erklärt, bezeichnend sei der drohende Ton, in dem sich der anhebende Machtkampf ausdrücke. Die Gewerkschaften träten als revolutionäre Institution dem Staat gegenüber. Dieser Gefahr müsse man entgegentreten. Die Antwort, die man geben müsse, sei, daß zunächst die Öffentlichkeit darüber aufgeklärt werde, was durchführbar sei, unter Hinweis auf das, was schon durchgeführt sei und daß in Bayern das Land sei, das die Zügel noch am besten in der Hand habe. Man dürfe die Gefahr nicht zu gering einschätzen. Man müsse mit noch viel schärferen Situationen rechnen. Vielleicht sei es auch am Platz, allmählich der Besatzungsbehörde und dem Ausland gegenüber durchblicken zu lassen, daß nicht die Deutschen allein schuld seien, sondern auch Vorschriften und Maßnahmen, die von anderen Seiten getroffen worden seien: einerseits der Umstand, daß man die landwirtschaftlichen Überschußgebiete abgetrennt habe, in den Rest noch 10–12 Millionen hineingepreßt habe und daß man andererseits uns die Ergänzung unseres Versorgungswesens z.B. durch Walfischfang nicht in dem Umfang ermöglicht habe, wie wir es hätten durchführen können. Es werde durchaus notwendig sein, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, daß nicht etwa Fehlmaßnahmen deutscher Stellen allein die Zuspitzung herbeigeführt hätten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller führt aus, man müsse von zwei Punkten ausgehen:

1. Der Kampf der Gewerkschaften werde von weiterher gesteuert. Da seien wir leider schwach, aber auch die SPD. Soweit er unterrichtet sei, stehe zunächst dahinter eine Art Solidaritätserklärung mit den Gewerkschaften im Ruhrgebiet und das Bestreben, gewerkschaftspolitische Aktivität von links aufzufangen. Man glaube, wenn man selbst radikal werde, den Radikalismus steuern zu können.

2. Stehe seines Erachtens dahinter die Parteipolitik der SPD. Dort erkläre man, die Union habe die Verantwortung in Frankfurt und hier. Sie sei an dieser jetzigen Notlage schuld. Das sei eine unfaire Einstellung. Bezüglich der anderen Frage, nämlich eines gerechten Erfassungssystems, werde eine Diskussion nur weitergeführt, die auf unserer Seite nicht immer ganz geschickt geführt worden sei. Er schlage vor, nur ganz kurz Stellung zu nehmen. Man werde ja in der Landesversammlung die Möglichkeit haben, die Frage grundsätzlich zu behandeln und zwar in großer Öffentlichkeit.12 Infolgedessen halte er es für zweckmäßig, wenn der Ministerpräsident jetzt in einem Brief nur ganz kurze Feststellungen treffe und dann im Laufe der Woche größere Erklärungen in der Öffentlichkeit abgebe. Er schlage vor, daß auch Staatsminister Dr. Seidel in der Landesversammlung ein Referat halte.13 Er glaube nicht, daß die Gewerkschaften ernst machten. Es werde höchstens zu einem kleinen Demonstrationsstreik kommen, den man in Kauf nehmen müsse.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, zunächst müsse man hervorheben, was schon geschehen sei, insbesondere auf dem Gebiet der Erfassung. Weiter müsse man hervorheben, daß auch die Verbraucher bei der Verteilung bereits eingeschaltet seien. Alle diese Maßnahmen seien in Bayern in weiterem Umfange getroffen als in anderen Ländern. Er frage, wer die Unterlagen für die Antwort liefern könne. Seiner Meinung kämen hiefür das Landwirtschaftsministerium und das Wirtschaftsministerium in Betracht.

Staatssekretär Geiger weist darauf hin, daß die unterschiedliche Erfassung der industriellen und gewerblichen Güter in und außerhalb Bayerns zu sehr ernsten Schwierigkeiten führen werde, wenn die Währungsreform komme.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, daß man in dieser Richtung keinerlei Ausführungen machen könne.

Staatsminister Dr. Kraus erklärt, man dürfe bei der Beantwortung aber nicht so vorgehen, daß die Staatsregierung als Vollzugsorgan des Gewerkschaftsbundes dastehe.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, man werde lediglich Feststellungen treffen, wobei stv. Ministerpräsident Dr. Müller hinzufügt, daß diese gegenüber der Öffentlichkeit getroffen würden.

Staatsminister Dr. Ankermüller fragt, ob die Staatsregierung überhaupt antworten oder ob nur durch die Pressestelle eine Erklärung abgegeben werden solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, nachdem der Präsident des Gewerkschaftsbundes ihn angerufen und ihm einen Begleitbrief geschrieben habe, müsse man antworten. Man könne die Antwort so halten, daß sie zur Veröffentlichung geeignet sei. Für die ersten drei Punkte sollten Vorschläge vom Landwirtschaftsministerium und Wirtschaftsministerium gemacht werden, die bei Staatsminister Dr. Pfeiffer zusammenlaufen sollen. Dann erhebe sich die Frage, was man zu Punkt 4 machen solle.14

Staatsminister Dr. Ankermüller erwidert, das sei nicht einfach. Nach dem Gaststättengesetz15 könne man eine Konzession nicht ohne weiteres zurücknehmen. Ein Nachweis für strafbare Handlungen sei schwer zu führen. Man könne nur eine Weisung hineinbringen, sichtbar durchzugreifen.

Staatsminister Krehle wiederholt, man solle die Gewerkschaften auffordern, bestimmtes Material vorzulegen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, man könne nur eines machen, daß das Innenministerium Weisungen zu strengen Prüfungen hinausgebe. Im übrigen sollten die Gewerkschaften doch die Lokale nennen.

Staatsminister Dr. Seidel hält dies für verkehrt. Jeder kenne doch diese Lokale. Man könne sie doch schließen; man brauche nicht nach Beweismaterial zu fragen.

Staatsminister Dr. Kraus erklärt, hier versage die Polizei.

Staatsminister Dr. Ankermüller fügt hinzu, daß er gar keine Weisungsbefugnis gegenüber der Polizei habe.16

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, man habe schon vor vielen Monaten deswegen eine Besprechung gehabt. Pitzer17 habe große Ausführungen gemacht, tatsächlich sei aber nichts geschehen. Er meine aber schon, daß gewisse Luxuslokale geschlossen werden sollten.

Staatsminister Dr. Ankermüller meint, ein Gesetzesvorschlag dauere zu lange.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, die entsprechenden Gesetze seien ja bereits alle da.

Staatsminister Dr. Seidel erklärt, wenn in einer Gaststätte 1 Flasche Wein für RM 150.– verkauft werde, sei doch ein Preisverstoß gegeben, also müsse die Polizei durchgreifen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, entsprechende Weisungen seien schon lange gegeben, es geschehe aber tatsächlich nichts.18

Staatsminister Dr. Ankermüller führt aus, daß er zu Punkt 519 kurz berichten werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, daß bezüglich des Punktes 6 das Justizministerium sich äußern solle. Die Äußerungen werde man zusammenstellen und in der Form einer Erklärung an die Öffentlichkeit bringen.

Staatsminister Dr. Pfeiffer schlägt für die formale Erledigung vor, daß, da der Ministerpräsident heute Mittag noch wegfahren müsse,20 er vorher noch einen Begleitbrief an Hagen unterzeichne, der nur aus zwei Sätzen bestehe. Diesem Begleitbrief solle dann die Stellungnahme der Staatsregierung beigelegt werden, die auf Grund der von den einzelnen Ministerien abzugebenden Äußerungen ausgearbeitet werde. Staatsminister Dr. Pfeiffer trägt hierauf den Gedankengang für eine solche Stellungnahme vor.21

Staatsminister Krehle schlägt vor, in diesem Zusammenhang nicht nur die Gewerkschaften, sondern die ganze Öffentlichkeit aufzufordern, bei der Feststellung gehorteter Waren mitzuwirken. Dies könne auch eine Aufgabe für die Betriebsräte sein.

Staatsminister Dr. Seidel befürchtet dann eine Denunziationswelle.

Staatsminister Dr. Kraus schlägt vor, daß in der Schlußformel nicht nur von der Mitarbeit der Gewerkschaft und des Bauernverbandes, sondern auch von den sonstigen Berufsvertretungen gesprochen werden solle.22

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt noch mit, er habe soeben ein Telegramm bekommen, daß die niedersächsische Staatsregierung zugestimmt habe, daß die Selbstversorger der Bizone keine Butterrücklieferungen aus den Molkereien erhalten sollten. Als Bayern vorgeschlagen habe, daß die Selbstversorger auf 1 Ztr. Kartoffeln verzichten sollten, habe uns Niedersachsen nicht unterstützt.

Staatsrat Dr. Niklas berichtet über den Ablieferungsstand. Bei Brotgetreide habe man bis zum 31. Dezember 1947 75% des aufgetragenen Solls hereinbekommen sollen. Tatsächlich hereingebracht habe man 73%. Auch bei der Gerste habe man stark aufgeholt. Ungünstig sei die Entwicklung bei der Milcherfassung. Der Grund liege in der katastrophalen Futterlage. In großen Teilen Frankens habe man nicht mehr einmal Stroh zum Füttern, sondern nur noch Daxen.23 Schlimm sei es auch bei der Ablieferung von Schlachtvieh, weil die Bauern das Vieh über die Währungsreform hinüberretten wollen. Es sei ganz ausgeschlossen, daß in den von der Dürre besonders schwer betroffenen Teilen Bayerns alles Vieh bis zur Grünfütterung durchgehalten werden könne. Bis Ende November sei die Ablieferung sehr gut gewesen. Seit 14 Tagen habe man wieder Zwangsumlagen durchführen müssen. Die Fettsituation sei folgendermaßen: Die Gewerkschaften hätten der Verminderung der Fettration für die 110. Periode zugestimmt. Schwierigkeiten gäbe es aber mit den Zulagen. Die gewerblichen und industriellen Zulagen sollten auch gekürzt werden. Technisch sei dies aber gar nicht mehr möglich, weil die Betriebe die Zulagekarten schon erhalten und ausgegeben hätten. Bayern müsse 1500 to Fett abgeben. Nachdem wir an und für sich 700 to schuldig seien, ergebe sich nur eine Mehrbelastung von 800 to.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet es als unmöglich, daß man in der 111. Zuteilungsperiode an die Normalverbraucher und auch an die Selbstversorger überhaupt kein Fett ausgebe.24

II. Kräutergarten Dachau25

Staatsminister Dr. Ankermüller führt aus, am letzten Samstag seien Beschlüsse über den Kräutergarten in Dachau gefaßt worden. Nun sei Auerbach bei ihm gewesen und habe sich sehr aufgeregt über die vom Kultusministerium der Dena übergebene Mitteilung.26 Man werde sich mit der Sache noch einmal befassen müssen.

Staatsminister Dr. Hundhammer erwidert, die Mitteilung sei so hinausgegeben worden wie beschlossen worden sei.27

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erklärt, er habe die Veröffentlichung zurückstellen lassen. Der Grund sei der, daß man im Moment ein großes Durcheinander nicht brauchen könne. Er schlage vor zu veröffentlichen, daß die wissenschaftlichen Institute pachtweise zur Verfügung gestellt werden sollen, die Einnahmen der Betriebe sollten einer Stiftung für die Hinterbliebenen zugeführt werden. Eine nähere Regelung werde noch getroffen werden. Er halte es nicht für zweckmäßig, die Geistlichen, welche im Kräutergarten gearbeitet hätten, besonders zu erwähnen.

Nach längerer Diskussion wird folgender Beschluß gefaßt:

Soweit Teile der Deutschen Versuchsanstalt wissenschaftlichen Zwecken dienstbar gemacht werden können, sollen sie pachtweise der Universität überlassen werden. Die Erträge aus der Pacht und aus den werbenden Betrieben sollen den Hinterbliebenen von Lagerinsassen zufließen. Das Nähere wird noch geregelt werden.

Diese Erklärung soll zunächst der Dena und dann über das Informations- und Presseamt der Presse und dem Rundfunk mitgeteilt werden.28

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
gez.: Claus Leusser
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister