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Nr. 85MinisterratssitzungDienstag, 15. November 1949 Beginn: 15 Uhr 45 Ende: 19 Uhr 45
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Finanzminister Dr. Kraus, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Oberste Baubehörde), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Staatssekretär a.D. Sachs1 (Sonderministerium), Ministerialdirektor Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Ministerialrat Leusser.

Entschuldigt:

Kultusminister Dr. Hundhammer, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatsminister Dr. Pfeiffer, Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).

Tagesordnung:

I. Auflösung des Staatsministeriums für Sonderaufgaben. II. Aufhebung des Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten, Post und Telegraphenwesen. III. 1. Verordnung zur Durchführung des Entschädigungsgesetzes (Haftentschädigungsverordnung). IV. 2. Verordnung über die Organisation der Wiedergutmachung. V. Bayerische Vertretung in Bonn. VI. Bundesratsangelegenheiten.

I. Auflösung des Staatsministeriums für Sonderaufgaben2

Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die Sitzung und gibt bekannt, daß die Staatsministerien der Finanzen und für Sonderaufgaben einen gemeinsamen Vorschlag eingereicht hätten, beim Bayerischen Landtag die Auflösung des Staatsministeriums für Sonderaufgaben mit Wirkung vom 1. 12. 1949 zu beantragen.3 Es werde wohl Einverständnis darüber bestehen, daß dieser Antrag dem Bayerischen Landtag zugeleitet werde.

Ministerialdirektor Dr. Ringelmann teilt hiezu mit, die beiden Ministerien seien sich darüber einig, daß auch personalrechtliche Fragen von ihnen gemeinsam geregelt werden sollten.

Staatssekretär a.D. Sachs regt an, man möge bei der Besprechung der Angelegenheit im Landtag versuchen, eine politische Debatte wenigstens bis zur Behandlung des Nachtragshaushalts zu verschieben.

Der Ministerrat beschließt sodann, den von den Staatsministerien der Finanzen und für Sonderaufgaben vorgelegten Antrag dem Bayerischen Landtag zur Beschlußfassung zuzuleiten.4

II. Aufhebung des Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten, Post und Telegraphenwesen5

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, es sei heute noch nicht möglich, diese Angelegenheit zu erörtern,6 da das Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten sich noch mit einer Denkschrift des Finanzministeriums7 befassen müsse. Im übrigen schlage er vor, das bisher vorhandene Material dem Senat zur Äußerung zu übersenden; man sei dann eventuell in der Lage, bei der Beschlußfassung im Kabinett die Meinung des Senats zu berücksichtigen.

In der darauffolgenden Debatte werden gegen diesen Vorschlag verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht und schließlich von der Einholung eines Gutachtens des Senats abgesehen.8

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht abschließend das Verkehrsministerium um Mitteilung, wenn es seine Prüfung beendet habe, damit dann die Besprechung im Ministerrat stattfinden könne.9

III. 1. Verordnung zur Durchführung des Entschädigungsgesetzes (Haftentschädigungsverordnung)10

Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erklärt, die gegen den Entwurf erhobenen Einwendungen der VVN seien im wesentlichen durch dessen jetzige Fassung gegenstandslos geworden.11 Ein Einwand bestehe allerdings fort und zwar der gegen den Vertreter des Landesinteresses. Er müsse aber darauf hinweisen, daß dies schon im Entschädigungsgesetz12 verankert sei. Nach § 1013 des vorliegenden Entwurfes sei der Vertreter des Landesinteresses, der ausschließlich den Weisungen des Staatsministeriums der Finanzen unterliege, berechtigt, gegen die Entschädigungsbescheide Einwendungen zu erheben. Die Angriffe der VVN seien keinesfalls zutreffend, jedenfalls könne er für die Haftentschädigungsverordnung ohne diese Einrichtung keine Verantwortung übernehmen. Nur so habe man die Gewißheit, daß kein Bescheid ergehe, bei dem nicht eine genaue Feststellung stattgefunden habe. Im übrigen begrüße auch Dr. Auerbach14 die Einsetzung dieses staatlichen Vertreters.15

Anschließend erörtert Ministerialdirektor Dr. Ringelmann die einzelnen Bestimmungen des Entwurfs und verweist besonders auf § 3 Absatz 2,16 der wörtlich der entsprechenden Vorschrift des Entschädigungsgesetzes entspreche. Von Wichtigkeit sei u.a. auch die Bestimmung des § 11 Abs. 4.17

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt sodann ein Schreiben des Jüdischen Zentralkomitees18 bekannt,19 das ihm der Generalanwalt Dr. Auerbach übersandt habe20 und in dem auf die Möglichkeit von Protestdemonstrationen hingewiesen werde, wenn die Entschädigung für die auswandernden Juden nicht bald geregelt werde.

Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erwidert, man habe selbstverständlich ein Interesse daran, daß die DP's sobald als möglich ihre Haftentschädigung bekommen, zumal, wenn sie die Absicht hätten, auszuwandern.21 Selbstverständlich müßten auch in diesen Fällen die bereits gegebenen Vorschüsse angerechnet werden. Grundsätzlich würde zunächst die Hälfte der Haftentschädigung gezahlt (nach Abzug der Vorschüsse bis zum Höchstbetrag von DM 3000,-).

Ministerialdirektor Dr. Ringelmann schlägt sodann noch einige Änderungen vor, die einstimmig angenommen werden.

Zu § 1: In § 1 Abs. 2 Ziffer 1 werden die Worte „vor dem 9. Mai 1945“ gestrichen.

§ 6: Der letzte Halbsatz des § 6 Abs. 2 Ziffer 2 erhält folgende Fassung: „Wobei der Aufenthalt in einem Durchgangslager für Auswanderer oder der nur durch die Auflösung von DP-Lagern in einem Fand der US-Zone veranlaßte Übertritt in das Gebiet des Landes Bayern zum Zwecke der Auswanderung außer Betracht bleibt.“

§ 10: In Abs. 2 Satz 2 dieser Bestimmung wird nach den Worten „entscheidet auf“ das Wort „seinen“ eingefügt.

§ 12: Abs. 3 dieser Bestimmung hat richtig zu lauten: „Die näheren Bestimmungen trifft eine von der Landesregierung zu erlassende Zuständigkeits- und Verfahrensverordnung“.22

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß es sich bei der Haftentschädigungsverordnung um eine Verordnung der Staatsregierung handle.

Der Ministerrat beschließt, dem vorliegenden Entwurf grundsätzlich zuzustimmen,23 die endgültige Zustimmung aber erst zusammen mit der Beschlußfassung über die Verordnung über die Organisation der Wiedergutmachung zu treffen.24

IV. 2. Verordnung über die Organisation der Wiedergutmachung25

Zur Entstehungsgeschichte dieser Verordnung26 führt Ministerialdirektor Dr. Ringelmann aus, die Verordnung über die Organisation der Wiedergutmachung vom 3. 11. 194827 habe nicht die Zustimmung der Militärregierung gefunden.28 Deren Haupteinwand sei der gewesen, durch diese Verordnung werde auch das Rückerstattungswesen nach Gesetz 5929 teilweise in die Zuständigkeit des Landesamts für Wiedergutmachung überführt. Nach Auffassung der Militärregierung dürfe Generalanwalt Dr. Auerbach auf Rückerstattungsverfahren keinerlei Einfluß nehmen. Andererseits habe sie verlangt, daß alles, was mit dem Vollzug der Entschädigung zusammenhänge, in einer Hand zusammengefaßt werden müsse.30

Die Amerikaner legten Wert darauf, daß die Rückerstattung wieder zum Landesamt für Vermögensverwaltung komme, infolgedessen sei wohl kein anderer Ausweg möglich als der in dem vorliegenden Entwurf gefundene. Das Bayerische Landesamt für Wiedergutmachung müsse als reine Behörde aufgezogen werden und solle die Bezeichnung „Bayerisches Landesentschädigungsamt“ erhalten. Seine Auffassung sei, den bisherigen Generalanwalt Dr. Auerbach zum Leiter dieser Behörde zu machen und ihn durch den Vertreter des staatlichen Interesses kontrollieren zu lassen, für welchen Posten Herr Oberregierungsrat Blessin in Aussicht genommen sei.

Anschließend wird die Personalfrage eingehend besprochen.

Ministerialdirektor Dr. Ringelmann regt dabei an, Herrn Dr. Auerbach vorläufig kommissarisch mit der Leitung dieser Behörde zu betrauen.

Der Ministerrat beschließt sodann, die Entscheidung über diese Verordnung bis zum nächsten Ministerrat zu verschieben.31

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich sodann, wie die Frage der Leitung des Landesamts für Vermögensverwaltung geregelt werden solle.

Ministerialdirektor Dr. Ringelmann führt aus, seiner Ansicht nach sei es nach dem Rücktritt des Herrn Präsidenten Dr. Oesterle32 das zweckmäßigste, den bisherigen Leiter des Landeswirtschaftsamtes, Herrn Dr. Lukas von Kaufmann,33 zum Präsidenten zu ernennen.

Dieser Vorschlag, der von Herrn Staatsminister Dr. Seidel warm befürwortet wird, findet die Zustimmung des Kabinetts.

V. Bayerische Vertretung in Bonn34

Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß es hohe Zeit sei, einen Leiter zu benennen.35 Er schlage vor, Herrn Staatsrat a.D. Rattenhuber36 zu bestimmen, also einen Mann, der außerhalb der Bürokratie stehe.37

Dieser Vorschlag wird von den Herren Staatsminister Dr. Müller und Dr. Ankermüller unterstützt.

Staatsminister Dr. Ankermüller betont, es sei unbedingt notwendig, einen ständigen Bevollmächtigten zu ernennen, der sich intensiv um alle Dinge kümmere und sich auch durchzusetzen verstehe. Die bisherige Koordination in der Staatskanzlei sei zwar sehr glücklich, es müsse aber auch durchgesetzt werden, daß keine grundsätzliche Erklärung in Bonn abgegeben werde, ohne daß das Kabinett über den Verlauf der Koordinierungssitzung informiert worden sei. Daran habe es anscheinend vor allem bisher beim Landwirtschaftsministerium gefehlt.38

Der Ministerrat beschließt sodann, Herrn Staatsrat a. D. Rattenhuber zum Bayerischen Vertreter in Bonn zu bestellen39 und ihn auf die frei gewordene Ministerialdirektor-Stelle der Bayerischen Staatskanzlei zu setzen.40

In diesem Zusammenhang wendet sich Herr Staatsminister Krehle dagegen, daß das Bayerische Staatsministerium der Finanzen grundsätzlich alle Beförderungen von Beamten ablehne, die in die Bundesregierung nach Bonn abgestellt werden sollen; jedenfalls träfe das zu, soweit das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziale Fürsorge in Betracht käme.41

VI. Bundesratsangelegenheiten

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, alle Fragen der Liquidation von Tagegeldern, Reisekosten usw. der Mitglieder des Bundesrats festzustellen.

Ministerialrat Leusser berichtet sodann über die Sitzung des Koordinierungsausschusses für Bundesangelegenheiten.42

1. Amnestiegesetz43

Die Stellungnahme des Kabinetts liege bereits vor, sie werde vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz entsprechend vertreten werden.

2. Grenzgänger-Verordnung44

Die Bundesregierung beabsichtige, die Aufnahme und Zurückweisung von Grenzgängern auf Grund einer Verordnung nach Art. 119 des Grundgesetzes45 zu regeln. Hiergegen seien rechtliche Bedenken zu erheben vor allem, weil Grenzgänger keine Flüchtlinge im Sinne des Flüchtlingsgesetzes46 seien und deshalb zur Einschränkung ihrer Freizügigkeit nach Art. 11 Abs. 247 ein Gesetz notwendig sei. Man müsse diese Bedenken im Rechtsausschuß wohl vortragen, andererseits müsse grundsätzlich die Frage entschieden werden, ob und in welchen Fällen der Bundesregierung von Bayern aus Schwierigkeiten gemacht werden sollten. Jedenfalls müßten Einwände von positiven Gegenvorschlägen begleitet werden.

Der Ministerrat beschließt, der Bundesregierung den positiven Vorschlag zu machen, ein entsprechendes Gesetz zu erlassen.48

3. Ministerialrat Leusser referiert sodann über die auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses stehende Verlängerung49 des Bewirtschaftungsnotgesetzes, 50 des Gesetzes zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren51 und des Preisgesetzes.52 Hier habe sich der Koordinierungsausschuß auf den Standpunkt gestellt, daß gemäß Art. 84 Abs. 5  GG53 die Zustimmung des Bundesrates zu diesem Gesetz notwendig sei, wenn man überhaupt die Notwendigkeit von Einzelanweisungen bejahen wolle.54

4. Bezüglich der Aufhebung der Bewirtschaftung von entrahmter Frischmilch, Käse usw., eine Angelegenheit, die auch auf der Tagesordnung des Agrarausschusses stehe, wären keine materiellen oder formalen Bedenken zu erheben.55

5. Ministerialrat Leusser fährt fort, außerdem werde in der Sitzung des Rechtsausschusses ein Bundesgesetz zur Änderung des niedersächsischen Arbeitsschutzes für Jugendliche56 behandelt. Hier sollte zunächst die Stellungnahme abgegeben werden, daß durch das niedersächsische Arbeitsschutzgesetz57 das frühere Reichsrecht58 nicht abgeändert, sondern ersetzt worden sei, Art. 12559 also nicht zutreffe. Hilfsweise könne man den Standpunkt vertreten, daß die Regelung des Jugendschutzgesetzes60 nicht zentral erfolgen könne, sondern regional durchgeführt werden müsse; da also die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2  GG61 nicht gegeben seien, sei das niedersächsische Jugendschutzgesetz nicht nach Art. 125 Bundesrecht geworden. Allerdings sei diese ganze Angelegenheit etwas zweifelhaft.

6. Außerdem habe der Bundesrat ein Gutachten des Rechtsausschusses angefordert über die Stellung der Bundesratsvertreter im Bundestag und in den Ausschüssen des Bundestags. Er selbst könne nicht recht einsehen, was der Rechtsausschuß noch für ein Gutachten abgeben solle, nachdem diese Frage in Art. 43 Abs. 2  GG62 geregelt worden sei.63

Staatsminister Dr. Ankermüller schlägt vor, das Recht des Beirats,64 derartige Gutachten einzuholen, müsse überhaupt bestritten werden.

Ministerialrat Leusser fährt fort, der Beirat habe ferner ein Gutachten über die Legitimation des Bundesrates zur Behandlung außenpolitischer Fragen angefordert. Nach Auffassung des Koordinierungsausschusses könne diese Legitimation im Hinblick auf Art. 50 GG überhaupt nicht bestritten werden.65

Das letzte Gutachten schließlich solle sich zu der Frage äußern, ob die Bundesregierung ihre Vorlagen nach Stellungnahme des Bundesrates dem Bundestag in abgeänderter Form vorlegen könne, ohne daß der Bundesrat zu der geänderten Vorlage erneut Stellung genommen habe. Der Koordinierungsausschuß stehe auf dem Standpunkt, daß die Bundesregierung dem Bundestag Vorlagen in abgeänderter Form nur zuteilen könne, wenn sie sämtliche Abänderungsvorschläge berücksichtigt habe. Handle es sich dagegen um allgemeine Empfehlungen, so müsse die Bundesregierung entweder eine neue Vorlage dem Bundesrat zuleiten oder die alte Vorlage an den Bundestag unverändert weitergeben unter Beifügung der Stellungnahme des Bundesrats.66

Der Ministerrat erklärt, mit der weniger strengen Auffassung einverstanden zu sein.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend fest, Bayern müsse sich gegen die Ausdehnung der Befugnisse des Beirats wehren, der lediglich geschäftsordnungsmäßige Aufgaben habe.

7. Ministerialrat Leusser teilt mit, der Bundesrat habe zu der Vorlage der Bundesregierung über die Verkündung von Rechtsverordnungen eingehend Stellung genommen, ohne daß diese dem Bundestag im einzelnen mitgeteilt worden sei.67 Eine solche Sachbehandlung, die übrigens noch geklärt werden müsse, entspreche nicht dem Art. 76 Abs. 2  GG.68 Es sei beabsichtigt, dem Rechtsausschuß vorzuschlagen, einen Beschluß des Plenums herbeizuführen, wonach der Referent im Plenum des Bunderates, Staatsminister Dr. Seidel, beauftragt werde, dem Bundestag gegenüber die Stellungnahme des Bundesrates zu vertreten.

Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden.

8. Ministerialrat Leusser führt aus, das Bundesministerium für Ernährung beabsichtige offensichtlich, auf Kosten anderer Ministerien seine Kompetenzen zu erweitern, vor allem auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft, des Außenhandels, der Devisenzuteilung und der Preisfestsetzung. Bundesminister Dr. Niklas wolle sich anscheinend der Zustimmung der Landesernährungsminister versichern. Das Bayerische Landwirtschaftsministerium scheine auch gewillt, einer entsprechenden Denkschrift grundsätzlich zuzustimmen. Der Koordinierungsausschuß sei jedoch der Auffassung, daß sich zunächst das Kabinett mit der Sache befassen müsse.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, die Sache sei zu wichtig, als daß man nicht zuerst wissen müsse, was eigentlich verlangt werde. Er beabsichtige, an Staatsminister Dr. Schlögl zu schreiben und ihm die Auffassung dahingehend mitzuteilen, daß keinesfalls zugestimmt werden könne, bevor die Vorschläge des Bundesministeriums für Ernährung nicht genau geprüft worden seien.69

9. Biersteuer

Staatsminister Dr. Kraus weist darauf hin, daß die CSU in Bonn zwei Anträge in der Frage der Biersteuer eingebracht hätte, die sich völlig widersprächen.70 In der einen werde eine allgemeine Senkung der Biersteuer verlangt, in der anderen werde erklärt, die Regelung der Biersteuer sei Angelegenheit der Länder. Im übrigen scheine Bundesminister Schäffer die Auffassung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen zu der Frage der Biersteuer nicht zu teilen, und er sei deshalb veranlaßt worden, ein Fernschreiben nach Bonn zu schicken. Er habe immer die Auffassung vertreten, daß es sich hier nicht um bayerische Reservatrechte handle, sondern daß man sich über diese Frage mit den anderen Ländern verständigen müsse. Es handle sich hier um einen Fall des Art. 12571 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2.72 Seines Erachtens sollten die Länder die Biersteuer für sich in Anspruch nehmen.73

Zur Zeit werde mit den Vertretern der Brauereien verhandelt, damit eine allgemeine Senkung des Bierpreises erreicht werden könne.

Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erklärt, die grundsätzliche Frage sei der Art. 125; leider sei er bei den bisherigen Besprechungen mit seiner Auffassung allein geblieben. Allgemein werde es rundweg abgelehnt, Art. 72 Abs. 2 in Art. 125 hinein zu bringen. Die Frage sei nur, ob gerade die Biersteuer geeignet sei, einen Verfassungsstreit herbeizuführen. Trotzdem müsse man natürlich auf seinem Standpunkt beharren und deshalb habe er auch Bundesminister Schäffer vorgeschlagen, Verhandlungen auf breitester Ebene zu führen. Diese müßten die Länder unter sich ausmachen und das Ergebnis könne dann als übereinstimmende Regelung aufgefaßt werden. Unter diesen Umständen könnte dann auch das Resultat in ein Bundesgesetz hineinkommen.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, im Communiqué festzustellen, daß mit dem Bundesfinanzministerium über die Frage der Biersteuer verhandelt werde, weil noch eine Reihe von sachlichen und rechtlichen Unklarheiten bestünden. Außerdem solle man sagen, das Kabinett sei der Meinung, daß bei der Bedeutung der Sache eine grundsätzliche Aussprache gepflogen werden müsse und habe deshalb beschlossen, diese so rasch als möglich herbeizuführen.

Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden.74

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
In Vertretung
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister