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Nr. 96MinisterratssitzungMittwoch, 1. Februar 1950 Beginn: 9 Uhr Ende: 13 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Dr. Konrad (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Oberste Baubehörde), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).

Entschuldigt:

Finanzminister Dr. Kraus, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium).

Tagesordnung:

I. Untersuchungsbericht über den Leitenberg bei Dachau. II. Bereitstellung von Mitteln für den sozialen Wohnungsbau. III. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. IV. Organisation Steffen. V. [Abschluß der politischen Befreiung]. [VI. Gemeindeordnung]. [VII. Entwurf einer Verordnung zur Durchführung des Pressegesetzes]. [VIII. Soforthilfe]. [IX. Institut für Wirtschaftsforschung].

I. Untersuchungsbericht über den Leitenberg bei Dachau1

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt kurz den Inhalt des Untersuchungsberichts des Herrn Ministerialdirektors Walther2 wieder und stellt fest, dieser komme zu dem Ergebnis, daß keine Person und keine Dienststelle ein besonderesVerschulden treffe.3 Es sei nun notwendig, der Presse ein Communiqué über die endgültige Stellungnahme des Ministerrats zu geben.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erklärt gleichfalls, er sehe keine Möglichkeit für die Einleitung disziplinärer Maßnahmen gegen irgendeine Person.

Das Kabinett beschließt sodann, folgende Erklärung der Presse zu übergeben:

„Der Ministerrat befaßte sich in seiner Sitzung am 1. Februar 1950 mit dem Untersuchungsbericht über die Verzögerung der Ausgestaltung der Begräbnisstätten auf dem Leitenberg bei Dachau. Es wurde festgestellt, daß aufgrund des Untersuchungsergebnisses keine Veranlassung zur Einleitung disziplinärer Maßnahmen gegen eine Behörde oder ein Einzelperson besteht. Der Untersuchungsführer erklärt ausdrücklich, die Untersuchung habe keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß irgendjemand oder irgendeine Stelle eine Ausgestaltung der Gräber absichtlich unterlassen hätte.

In Einzelheiten wird das Untersuchungsergebnis vom bisherigen Untersuchungsführer aufgrund neuerdings eingegangener Angaben noch ergänzt werden.

Die festgestellte Vernachlässigung der Gräberfelder auf dem Leitenberg ist begründet durch das Zusammentreffen einer Reihe widriger Umstände, vor allem dadurch, daß das Problem des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau und die damit zusammenhängenden umfangreichen Fragenkomplexe zu Zuständigkeitsüberschneidungen geführt haben. Eine endgültige Klärung für die Bayer. Staatsregierung brachte erst ein Schreiben des Landeskommissars für Bayern vom 21. 11. 49,4 in dem der bayerische Ministerpräsident ersucht wurde, das Friedhofsgelände in die Obhut des bayerischen Staates zu nehmen.

Seitdem ist der Leitenberg in einen Zustand gebracht worden, der eines Friedhofes von dieser Bedeutung würdig ist. Die gärtnerische Ausgestaltung und Pflege wird der Verwaltung der staatlichen Gärten, Schlösser und Seen übertragen. Die Planung für die endgültige Einrichtung des Friedhofsgeländes steht unmittelbar vor dem Abschluß. Danach ist neben der landschaftlichen Gestaltung die Errichtung eines Feierraumes geplant, der der religiösen und nationalen Opferidee für den Frieden Rechnung trägt. Für diesen Bau wird ein öffentlicher Wettbewerb in den nächsten Wochen ausgeschrieben werden. Es ist beabsichtigt, am 29. 4. 1950, dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau, den Grundstein zu diesem Gebäude zu legen.“5

Anschließend berichtet Staatssekretär Dr. Sattler über eine Sitzung, die vor einigen Tagen stattgefunden habe, und die sich mit der endgültigen Ausgestaltung des Leitenbergs befaßt habe.6 Man sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß insgesamt ein Betrag von 5–600000 DM notwendig sei. Außerdem habe man sich darauf geeinigt, mit der gärtnerischen Gestaltung des Geländes Herrn Präsident Professor Dr. Esterer7 von der Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen zu beauftragen. Er habe mit Ministerialdirektor Dr. Ringelmann besprochen, daß für den Leitenberg ein eigener Titel gebildet werde und daß dieses Haushaltsjahr noch 100000 DM zur Verfügung gestellt werden müßten. Präsident Dr. Auerbach habe bisher 78000 DM ausgelegt, diese Gelder müßten ihm rückvergütet werden.

Staatssekretär Dr. Müller erklärt sich bereit, die von Dr. Auerbach ausgelegten Beträge durch das Finanzministerium zurückzuzahlen, ferner dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus 100000 DM für die unmittelbar notwendigen Aufgaben zu überweisen. Insgesamt müßten also für das kommende Haushaltsjahr 500000 DM in Rechnung gestellt werden.

Staatsminister Dr. Ankermüller schlägt vor, die Verantwortung des Herrn Präsidenten Dr. Auerbach für die übrigen Friedhöfe für die Zukunft festzulegen und von seiner Betreuung nur den Leitenberg auszunehmen.

Dieser Vorschlag findet einhellige Zustimmung.8

II. Bereitstellung von Mitteln für den sozialen Wohnungsbau9

Staatssekretär Dr. Müller führt aus, die Oberste Baubehörde habe vom Staatsministerium der Finanzen monatlich 30,5 Millionen DM für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus angefordert, ein Betrag, der über das, was der Landtag bewilligt habe und im Etat vorgesehen sei, hinausgehe. Das Finanzministerium habe bekanntlich einen Antrag an den Bayer. Landtag entworfen, demzufolge die Staatsregierung ermächtigt werden solle, vorgriffsweise Mittel für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus bereitzustellen, z.B. aus Haushaltsmitteln des Rechnungsjahres 1950, das voraussichtliche Aufkommen der Baunotabgabe,10 falls das entsprechende Gesetz verlängert werde, usw. Bisher habe man die Möglichkeit gehabt, Mittel aus dem Arbeitslosenstock anzufordern, das sei aber nicht mehr möglich, nachdem der Arbeitsminister selbst diese Mittel brauche. Jedenfalls müsse der Etat der Obersten Baubehörde als erster Etat dem Landtag vorgelegt werden, er hoffe dabei, bis März mit dem alten Etat fertig zu werden und dann gleich mit den neuen Verhandlungen beginnen zu können.

Staatssekretär Fischer stellt fest, daß er in Besprechungen mit dem Finanzministerium Vorgriffe in Höhe von 8,5 Millionen für 1/4 Jahr erreicht habe, damit sei es ihm aber nicht möglich, auch nur einen Bauarbeiter mehr einzusetzen, mit diesen Mitteln brauche er lediglich niemand zu entlassen. Er ersuche darum, ihm zu genehmigen, daß er diese 8,5 Millionen nicht auf die einzelnen Monate verteilen müsse, sondern gleich auf einmal im Monat März verwenden könne. Diese 8,5 Millionen stammten übrigens nur aus dem ordentlichen Haushalt, während er aus dem außerordentlichen nichts zur Verfügung habe. Wenn er aus dem außerordentlichen Haushalt, in dem noch über 10 Millionen stünden, etwas bekäme, könnte er auch Mittel für Hochbauarbeiten verwenden.

Außerdem müsse er sich noch mit dem Finanzministerium wegen eines zusätzlichen Programms von 50 Millionen DM ausgleichen, das bedeute 13,5 Millionen pro Monat. Wenn man im Laufe der nächsten Woche einig werde, könne sofort eine Weisung an die Bauämter ergehen, mit den Arbeiten zu beginnen.

Staatsminister Krehle betont, daß Notstandsarbeiten dort ausgeführt werden müßten, wo die meisten Arbeitslosen seien.

Staatssekretär Dr. Müller spricht sich sodann dafür aus, die Baunotabgabe unter allen Umständen mindestens auf ein Jahr zu verlängern.

Staatssekretär Fischer hält es für notwendig, daß die 30 Millionen vom Staatsministerium der Finanzen als Vorschuß zur Verfügung gestellt würden. Dieser Betrag werde zunächst nicht in Anspruch genommen werden, weil ja beim sozialen Wohnungsbau Zuschüsse erst gegeben würden, wenn die Unterkellerung durchgeführt sei, dann wenn das Haus im Rohbau fertig sei und der Rest nach der endgültigen Fertigstellung. Im übrigen werde auch von sozialdemokratischer Seite darauf hingewirkt, daß die Baunotabgabe verlängert werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt in diesem Zusammenhang fest, es gehe nicht an, daß ein Ministerium in dieser Frage selbständig vorgehe, wie es z.B. das Landwirtschaftsministerium getan habe, das offiziell gegen die Baunotabgabe aufgetreten sei.

Staatsminister Dr. Schlögl erklärt, die Landwirtschaft zahle von dem Gesamtaufkommen an der Baunotabgabe von 55 Millionen nicht weniger als 23 Millionen, da jedes landwirtschaftliche Betriebsgebäude, jeder Stall und jeder Stadel usw. belastet werde. Wenn man bei der Landwirtschaft lediglich die Wohngebäude belaste, würde sie keine Schwierigkeiten erheben.

Staatssekretär Dr. Müller entgegnet, Industrie und Gewerbe würden ja auch für ihre Betriebsgebäude herangezogen und er halte es für unzweckmäßig, über diese Wünsche der Landwirtschaft zu diskutieren. Er warne die Landwirtschaft eindringlich davor, zu große Forderungen sowohl bei der Baunotabgabe wie bei der Soforthilfe11 zu erheben.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es für notwendig, sich sofort über eine Verlängerung der Baunotabgabe schlüssig zu werden, da man möglichst bald an den Landtag herantreten müsse.

Staatssekretär Dr. Müller schlägt vor, die Baunotabgabe für ein Jahr zu verlängern, zumal es dann viel eher möglich sei, die vom Herrn Staatssekretär Fischer angeforderten 30 Millionen zur Verfügung zu stellen.

Staatssekretär Sühler wendet ein, er halte es für zweifelhaft, ob sich im Landtag eine Mehrheit für die Baunotabgabe finden würde, nachdem die Landwirtschaft nicht weiter zahlen könne; Bayern sei das einzige Land, das sie noch erhebe und er halte es für notwendig, jedenfalls vorher in der Fraktion darüber zu sprechen.12

Staatsminister Dr. Schlögl fügt ergänzend hinzu, gerade von Seiten der Bayernpartei werde eine heftige Agitation mit der Baunotabgabe betrieben.

Ministerpräsident Dr. Ehard empfiehlt, die Staatsministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Finanzen sollten sich mit der Obersten Baubehörde zusammensetzen, damit eine einheitliche Stellungnahme in der Fraktion abgegeben werden könne.

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, das Wohnungsbauprogramm der Bundesregierung sehe 250 000 Wohnungen vor, das gehe nahe an die Kapazität der Bauindustrie heran; s.E. dürfe man das Bauprogramm auch nicht übersteigern. Wenn es genüge, aus den Bundesmitteln einen entsprechenden Anteil zu erhalten, dann könne die Baunotabgabe entweder wegfallen oder herabgesetzt werden. Bundesminister Wildermuth13 sei bereit, Bayern zu beteiligen, auch Bundesfinanzminister Schäffer wolle einen Teil des Münzregals abgeben.

Ministerpräsident Dr. Ehard regt an, möglichst sofort eine Besprechung der beteiligten Ministerien herbeizuführen, ferner die Verbindung mit Bonn herzustellen und schließlich die Fraktion zu unterrichten, aber erst dann, wenn tatsächlich alle Fragen geklärt seien.

Staatsminister Dr. Seidel wiederholt nochmals, er halte es für möglich, bei einer entsprechenden Zusage von Bundesminister Wildermuth die Baunotabgabe zu senken.

Staatsminister Dr. Ankermüller erwidert, die Innenministerien aller Länder haben Bedenken gehabt, ob die Zahlen von Wildermuth nicht zu optimistisch berechnet seien und er könne sich deshalb keineswegs zu einem Verzicht auf die Baunotabgabe bereiterklären.

Es wird sodann festgestellt, daß der vom Staatsminister der Finanzen entworfene Antrag an den Bayer. Landtag über die vorgriffsweise Bereitstellung von Mitteln für den sozialen Wohnungsbau auslaufen könne,14 aber erst dann, wenn sich Finanzministerium und Oberste Baubehörde endgültig geeinigt hätten.15

III. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit16

Staatsminister Dr. Seidel teilt mit, er habe für die beabsichtigte Besprechung mit den Gewerkschaften über die Frage der Arbeitslosigkeit eine Arbeitsgrundlagefertigstellen lassen, die sich mit den Arbeitslosenziffern und der Struktur der Arbeitslosigkeit beschäftigte. Außerdem enthalte die Denkschrift grundsätzliche Bemerkungen, wie der Arbeitslosigkeit im einzelnen begegnet werden könne. Es handelt sich dabei nicht um ein Programm über die vorzunehmenden Maßnahmen, sondern vielmehr um Vorschläge, wie die Finanzierung erleichtert werden könne. Er bitte darum, daß die einzelnen Ministerien die verschiedenen Punkte studieren und dann eine Erklärung abgäben. Wenn diese Stellungnahmen eingelaufen seien, könnte der Herr Ministerpräsident zu der Sitzung einladen, er selbst würde dann die endgültige Fassung der Denkschrift zusammenstellen und den Eingeladenen zusenden.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, er wolle die Sitzung spätestens am Anfang der übernächsten Woche veranstalten, deshalb sei es notwendig, daß bis Ende dieser Woche alle Ministerien dem Wirtschaftsministerium mitteilten, ob sie irgendwelche Bedenken hätten. Außerdem sei es notwendig, daß der interministerielle Ausschuß am Montag, den 6. Februar, vormittags 10 Uhr, nochmals bei ihm zusammenkomme. Er bitte, diesen Termin vorzumerken.17

IV. Organisation Steffen18

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit,19 gegen die Bekanntmachung über die Organisation Steffen20 hätten sich verschiedene Bedenken erhoben,21 vor allem in der Richtung, daß dadurch zu schnell dringende Aufgaben der Organisation abgewickelt werden sollten. Er selbst sei unter anderem von verschiedenen Wohlfahrtsverbänden gebeten worden, sich dafür einzusetzen, daß die Organisation Steffen auch in Zukunft ihre Lieferung wie bisher fortführen könne.22

Staatsminister Dr. Seidel verweist auf Abs. 4 des § l,23 der die Möglichkeit gebe, die Abwicklung vernünftig und nicht überstürzt vorzunehmen. Er sei dafür, die Bekanntmachung jetzt zu veröffentlichen, alles andere werde sich dann von allein ergeben.

Ministerpräsident Dr. Ehard spricht sich dafür aus, natürlich keine weitere Ausdehnung der Organisation Steffen vorzunehmen, es handle sich aber darum, daß nicht die bisher durchgeführten Lieferungen abrupt eingestellt werden könnten.

Staatsminister Dr. Seidel erwähnt, daß die Verteilungsstellen in den Lagern an sich der Stein des Anstoßes gewesen seien;24 diese Frage sei nun bereinigt, so daß jetzt nichts überstürzt zu werden brauche. Jedenfalls müsse der Beauftragte des Landwirtschaftsministeriums vernünftig Vorgehen, er halte es ja in der Hand, die Belieferung durch die Organisation Steffen weiter durchführen zu lassen, wenn der Großhandel unerfüllbare Forderungen stelle.

Staatsminister Schlögl schlägt vor, nach der Veröffentlichung der Bekanntmachung möglichst sofort den Beirat25 zusammentreten zu lassen, der dann für eine vernünftige Leitung sorgen könne26

V. Abschluß der politischen Befreiung27

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller teilt mit, im Rechts- und Verfassungsausschuß des Bayer. Landtags sei vereinbart worden, die Frage der Verordnung Nr. 11328aus dem Gesetz über den Abschulß der politischen Befreiung herauszunehmen.29

[VI.] Gemeindeordnung

Ministerpräsident Dr. Ehard weist auf die Notwendigkeit hin, bald den Entwurf einer neuen Gemeindeordnung vorzulegen, zumal schon ein Initiativantrag der SPD ausgearbeitet sei.30

[VII.] Entwurf einer Verordnung zur Durchführung des Pressegesetzes31

Staatssekretär Dr. Schwalber berichtet, dieser Entwurf sei mit allen beteiligten Kreisen, auch den Vertretern der Presse besprochen worden, wobei sich über alle Punkte Übereinstimmung ergeben habe. Im wesentlichen handle es sich nur darum, daß die Beteiligungsverhältnisse zu Beginn des Vierteljahres im Impressum klar gelegt werden müßten.

Der Ministerrat stimmt der Verordnung in der vorgelegten Form zu.32

[VIII.] Soforthilfe

Staatsminister Schlögl berichtet kurz über die Schwierigkeiten, die in der Landwirtschaft infolge des Gesetzes über die Soforthilfe entstanden seien.33 Er halte es für notwendig, daß seine Referenten und die Referenten des Staatsministeriums der Finanzen zusammenkämen und die Frage zu klären versuchten. Das Kabinett könne sich dann in einer der nächsten Sitzungen mit dieser Frage beschäftigen.

[IX.] Institut für Wirtschaftsforschung

Staatsminister Dr. Seidel teilt mit, die Leiter der Landesplanungsstelle aller Länder haben den Beschluß gefaßt, ihren Ministerien zu empfehlen, keine Vertreter in den Beirat des Instituts in Hannover zu entsenden, bis nicht ein Zusammenschluß des bizonalen Instituts und des neuen in Hannover zustande gekommen sei.34

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister

Anlage35

Bericht über das Ergebnis der Untersuchung wegen der Verzögerung der Ausgestaltung der Begräbnisstätten auf dem Leitenberg bei Dachau36

I.

Etwa 2 km nördlich von Dachau erhebt sich ein ungefähr 25 m hoher langgestreckter Hügel – der Leitenberg –, dessen steiler Südabhang in einer Ausdehnung von etwa 260 m mit hohen Laubbäumen bewachsen ist. Auf diesem nach Norden allmählich abfallenden Hügel befinden sich zwei Massengräber, die auf dem Lageplan (vor Bl. 1 der Akten) mit Gräberfeld I und Gräberfeld II bezeichnet sind.

1. Das Massengrab I ließ Ende 1944 die Kommandantur des Konzentrationslagers anlegen, weil infolge einer damals im Lager ausgebrochenen Typhus- und Fleckfieberepidemie weit mehr Häftlinge starben, als im Krematorium, das unter Kohlenmangel litt, verbrannt werden konnten. Nach den zuverlässigen Angaben eines ehemaligen SS-Oberscharführers, der von Januar bis Ende April 1945 im Konzentrationslager eingesetzt und von Mitte März ab Führer des Beerdigungskommandos war, wurden in diesem Massengrab bis Ende April insgesamt 5600 Leichen beerdigt. Alle anderen Angaben über die Zahl der dort beerdigten Toten beruhen auf willkürlichen Schätzungen.

2. Das Massengrab II wurde im Mai 1945 nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen auf Anordnung des amerikanischen Lagerkommandanten angelegt. Die Anlage war notwendig, weil bei der Besetzung des Lagers, insbesondere vor dem Krematorium, zahlreiche Tote vorgefunden wurden und außerdem außerhalb des Lagers ein Güterzug voll toter Häftlinge stand, die auf dem Transport von Buchenwald nach Dachau an Erschöpfung und Hunger gestorben sind. Der Leitenberg wurde als Grabstätte offenbar deshalb gewählt, weil den amerikanischen Truppen alsbald nach der Besetzung des Lagers bekannt wurde, daß dort bereits in den letzten Monaten Leichen beerdigt worden waren. Die für die Beerdigung erforderlichen Arbeitskräfte hatte das Arbeitsamt Dachau zu stellen; die Bauern aus der Umgebung von Dachau waren mit dem Transport der Leichen beauftragt. Nach den in den Akten der Stadt Dachau befindlichen Unterlagen beträgt die Zahl der in dem Massengrab II liegenden Toten etwa 2100, höchstens 2500; alle davon abweichenden Angaben entbehren jeder tatsächlichen Grundlage.

Die Beerdigung dieser Leichen und der in den ersten Tagen nach der Besetzung im Lager verstorbenen Häftlinge auf dem Leitenberg war in Dachau und Umgebung allgemein bekannt. Nur wenige – außer den an der Beerdigung unmittelbar beteiligten Personen – kannten jedoch die genaue Stelle des Grabes. Es war aber an den Erdrissen, der teilweise eingesunkenen Erde und dem im Vergleich zum übrigen Gelände spärlichen Graswuchs ohne weiteres erkennbar.

Die später im Lager noch verstorbenen Häftlinge – rund 1300 – wurden im Waldfriedhof in Dachau beigesetzt.

3. Im August 1949 wurden in einer am Südostabhang des Leitenbergs etwa 300 m vom Massengrab II entfernt liegenden Sandgrube, die im Eigentum der Bundesbahn steht und an einen Fuhrunternehmer verpachtet ist, bei der Sandförderung durch einen Bagger menschliche Knochen freigelegt. Umfangreiche Nachgrabungen haben insgesamt 29 menschliche Skelette und Knochenteile zutage gefördert. Der Fundort ist auf dem Lageplan mit Gräberfeld III bezeichnet. Der Umstand, daß man bei diesen Nachgrabungen auf das den Beteiligten unbekannte Massengrab II stieß, hat zu dem Irrtum über ein „neuentdecktes“ Massengrab geführt.

Die Behauptung, daß es sich bei diesen Funden um die Skelette und Knochen von ehemaligen KZ-Häftlingen handelt, hat sich nicht bestätigt. Alle in dieser Richtung gemachten Angaben beruhen auf Vermutungen. Die Annahme insbesondere, daß russische Kriegsgefangene oder jugoslawische Partisanen, die im Jahre 1942 außerhalb des Lagers erschossen worden sein sollen, an der Fundstelle beerdigt worden seien, widerspricht schon das Gutachten des gerichtlich medizinischen Instituts der Universität München vom 7. September 1949, nach dem die Skelette mit Sicherheit länger als 10 Jahre, möglicherweise sogar 100 und mehr Jahre im Erdboden liegen. Es fehlt aber auch jeder Anhaltspunkt dafür, daß dort etwa in der Zeit von 1933–1939 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Dachau beerdigt wurden. Niemand hat einen derartigen Vorgang beobachtet. Das Gelände kann von allen Seiten eingesehen werden und war jedermann frei zugänglich; weder die Grundstückseigentümer noch die Jagdpächter und Jagdaufseher haben an dem Boden jemals irgendwelche Veränderungen festgestellt. Nach den Angaben eines ehemaligen Häftlings, der von 1943 ab Schreiber beim Häftlingsarbeitseinsatz war und von allen Arbeiten innerhalb und außerhalb des Lagers Kenntnis hatte, ist es aufgefallen, daß Ende 1944 ein neu aufgestelltes Arbeitskommando mit Ausgrabungen auf dem Leitenberg beauftragt wurde, deren Zweck im Lager zunächst geheimgehalten wurde. Der Geländeteil, auf dem dieses Kommando das Massengrab I angelegt hat, wurde seinerzeit mit Stacheldraht abgegrenzt und von einem Posten gesichert. Die Grundstücke, auf denen sich die Massengräber I und II befinden, und die angrenzenden Grundstücke – sämtliche im Eigentum des Gutsbesitzers Eduard Wittmann – wurden außerdem am 23. Februar 1945 „zu einem kriegswichtigen Zweck“ und zwar „zur Errichtung einer vom Konzentrationslager Dachau geplanten Anlage“ auf Grund des Reichsleistungsgesetzes beschlagnahmt. Dabei hat der Landrat in einem Begleitschreiben an die Kommandantur des Konzentrationslagers darauf hingewiesen, daß es „aus gesundheits- und sicherheitspolizeilichen Gründen notwendig sei, die Anlage mit einem entsprechenden festen Zaun zu umgeben, um den Zutritt von Mensch und Tier zu der Anlage zu verhindern und dieselbe gegen Sicht von außen abzuschließen“. Es wäre unerklärlich, warum Ende 1944 und Anfang 1945 noch solche Maßnahmen getroffen worden sein sollten, wenn in den Jahren vor 1939 bereits in aller Öffentlichkeit Leichen aus dem Konzentrationslager auf dem Leitenberg beerdigt worden waren.

Darnach ist es nicht ausgeschlossen, daß die Funde auf die im Jahre 1919 bei Dachau stattgefundenen Kämpfe gegen die Truppen der Räteregierung zurückweisen.

II.

Bald nach der Beerdigung der bei der Besetzung des Konzentrationslagers Vorgefundenen Leichen im Mai 1945 hat die amerikanische Armee angeordnet, daß auf dem Leitenberg ein Denkmal errichtet werden soll. Mit der Durchführung der Anordnung wurde die örtliche Militärregierung in Dachau beauftragt, von der dann Professor Büchner37 den Auftrag erhalten hat, einen entsprechenden Entwurf vorzulegen und ein Gipsmodell anzufertigen. Der von Büchner vorgelegte Entwurf wurde von der Armee und der Militärregierung gebilligt; das Denkmal sollte innerhalb dreier Monate aufgestellt werden. Die Stadt Dachau hat sodann nach Verhandlungen mit der Militärregierung unter vorläufiger Übernahme der endgültig vom Staat zu tragenden Kosten am 11. Juni 1945 der Bauunternehmung Säger & Wörner die „für die Erstellung des Mahnmals bei Dachau erforderlichen Bauarbeiten“ übertragen und dabei darauf hingewiesen, daß die Arbeiten als „vordringlicher Auftrag der amerikanischen Militärregierung“ durchzuführen seien. Mit den Projektierungs- und Bauarbeiten wurde auf Grund einer Vorbesprechung vom 7. Juni 1945 bereits am 8. Juni 1945 begonnen.

Nach der Veröffentlichung des von Professor Büchner gefertigten Entwurfes im Dachauer Amtsblatt erhoben Münchener Architekten wegen der politischen Belastung Büchners Vorstellungen bei der Militärregierung von Oberbayern, die dazu führten, daß der Entwurf abgelehnt wurde. Gleichzeitig wurde von der örtlichen Militärregierung der Stadt Dachau mitgeteilt, die Militärregierung habe mit der Angelegenheit nichts mehr zu tun, es sei nunmehr Sache der Deutschen, die Gräber entsprechend auszugestalten, „wenn sie dies wünschen“. Die Stadt Dachau gewann daraufhin, während die Bauarbeiten weitergingen, durch Vermittelung eines Dachauer Künstlers den Professor Knappe,38 der einen neuen Entwurf fertigte. Der Entwurf wurde von der Stadt gebilligt, aber von der Öffentlichkeit, insbesondere vom Bund Münchener Architekten, ebenfalls abgelehnt.

Inzwischen waren wegen der Kosten für das Gedächtnismal erhebliche Schwierigkeiten aufgetreten. Der Bürgermeister39 der Stadt Dachau ersuchte deshalb mit Schreiben vom 3. Dezember 1945 die Bauunternehmung Säger & Wörner, die Bauarbeiten vorläufig einzustellen, „bis die Finanzierung mit den zuständigen staatlichen Stellen geklärt ist“; die Straßenbauarbeiten wurden zunächst weitergeführt. Anfang Januar 1946 wurden die Arbeiten endgültig eingestellt; um Kosten zu sparen, wurde die Baustelle von den Geräten und Maschinen geräumt. Mit Schreiben vom 9. Januar 1946 wurde die Firma Säger & Wörner ersucht, auch die Projektierungsarbeiten einzustellen.

Wegen der mit der Errichtung eines Ehrenmales verbundenen hohen Kosten und mit Rücksicht darauf, daß es sich bei dem Konzentrationslager Dachau nicht um eine städtische, sondern eine staatliche Einrichtung gehandelt hat, wandte sich der Bürgermeister von Dachau sodann an den damaligen Ministerpräsidenten Dr. Hoegner, dem das Amt der Militärregierung für Bayern bereits am 10. Januar 1946 mitgeteilt hatte, daß es die Errichtung eines Erinnerungsmales gern sehen würde, das z.Zt. geplante Projekt aber nicht befürworte und deshalb die Einsetzung eines Ausschusses zur Erörterung der Angelegenheit vorschlage. Ein solcher Ausschuß wurde dann auch gebildet; die Zusammensetzung hat das Kultusministerium dem Amt der Militärregierung mit Schreiben vom 16. Februar 1946 mitgeteilt und dabei bemerkt, daß der Entwurf des Professors Knappe abgelehnt worden sei.

Am 22. März 1946 fand in der Staatskanzlei unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten eine Sitzung des Ausschusses statt, der nach längeren Besprechungen zu dem Beschluß kam, am Begräbnisort eine architektonisch gerahmte, in einen sinnvoll gestalteten Gedächtnishain eingebaute plastische Gruppe – Denkmal des Gedächtnisses und der Mahnung – zu errichten und zur Erlangung von Ideenskizzen ein Preisausschreiben zu veranstalten. Der Direktor des Amts der Militärregierung für Bayern, dem mit Schreiben vom 23. März 1946 das Ergebnis der Ausschußverhandlungen mitgeteilt wurde, hat am 30. April 1946 schriftlich die beabsichtigte Ausschreibung eines Wettbewerbs gebilligt.

Anfang Juni 1946 hat das Kultusministerium den Wettbewerb „zur Erlangung von Entwürfen für die Gestaltung einer Gedächtnisstätte für die Opfer des Konzentrationslagers Dachau“ ausgeschrieben. Die Zeichnungen und Modelle sollten bis 15. August 1946 eingereicht werden. Dem Ausschreiben waren drei Lagepläne beigefügt, davon einer mit der Überschrift „Lageplan und Querprofile der Gräberfelder für das Totenmal in Dachau“, in den die Gräberfelder I und II bereits eingetragen sind und auf dem sich die Bemerkung befindet: „Bezüglich der Gründung des Bauwerkes ist vom Architekt auf das Gräberfeld Rücksicht zu nehmen. Im westlichen Teil sind über den Grabhügeln bereits Massenaufschüttungen bis zu 2 m Höhe ausgeführt worden“.

Am 10. September 1946 trat das Preisgericht zur Prüfung der eingegangenen Entwürfe zusammen. Da es zu keinem Ergebnis kam, fand am 4. Oktober 1946 eine neue Sitzung statt. Nach längerer Beratung wurde festgestellt, daß kein preiswürdiger Entwurf eingegangen sei, und beschlossen, die Arbeiten von vier Architekten mit Ankaufspreisen von je 1000 RM auszuzeichnen und einen neuen engeren Wettbewerb zu veranstalten, zu dem neben den ausgezeichneten vier Künstlern einige weitere namhafte Bildhauer und Architekten eingeladen werden sollten. Dieses Ergebnis hat das Kultusministerium mit Schreiben vom 7. Oktober 1946 dem Direktor des Amts der Militärregierung für Bayern mitgeteilt und im Bayerischen Staatsanzeiger Nr. 20 vom 12. Oktober 1946 bekanntgegeben.

Auf Anfrage der Bayerischen Staatskanzlei vom 9. November 1946 teilte das Kultusministerium mit, daß das neue Preisausschreiben noch nicht ergangen sei. Mit Schreiben vom 30. November 1946 hat die Staatskanzlei das Kultusministerium neuerdings an das zweite Preisausschreiben für das Dachauer Mahnmal erinnert. In der Sitzung des Ministerrats vom 15. Februar 1947 hat Staatssekretär Dr. Sattler den Wettbewerb für das Dachauer KZ-Ehrenmal zur Sprache gebracht und erklärt, „es seien hiefür Preise in Aussicht gestellt worden, der Wettbewerb sei nun entschieden, die Leute hätten aber noch keine Benachrichtigung und kein Geld erhalten“.40

Nachdem das Finanzministerium bei den Haushaltsbesprechungen vom 21. März 1947 zur Bestreitung der Kosten für die Preise anläßlich der geplanten Errichtung eines Mahnmals in Dachau einen Betrag von 20000 RM bereitgestellt hatte, hat das Kultusministerium mit Schreiben vom 10. Mai 1947 die Landeshauptkasse angewiesen, an die oben genannten vier Künstler den Betrag von je 1000 RM auszuzahlen.

Zur Ausschreibung des zweiten Wettbewerbes ist es nicht mehr gekommen. Es ist auch sonst in der Sache nichts mehr geschehen.

III.

Bei der Prüfung der Frage, ob und inwieweit Einzelpersonen oder Behörden für die Verzögerung einer würdigen Ausgestaltung der Begräbnisstätten auf dem Leitenberg verantwortlich zu machen sind, komme ich zu folgendem Ergebnis:

1. Die Stadt Dachau hat im Jahr 1945 alles getan, was für die baldige Errichtung eines Mahnmales bei den schwierigen Verhältnissen unternommen werden konnte. Bis zur Einstellung der Arbeiten waren bereits Kosten in Höhe von 161 292 RM angefallen, von denen die Stadt einen Betrag von 50000 RM bezahlt hat. Der Restbetrag scheint noch nicht bezahlt zu sein. Die Stadt hat mit Recht geltend gemacht, daß die Errichtung eines Mahnmales und die würdige Ausgestaltung des Leitenbergs nicht ihre Aufgabe sein könne, sondern eine verpflichtende Angelegenheit des ganzen Landes sei. Die Einstellung der Arbeiten, für die sie die erforderlichen Mittel nicht mehr aufbringen konnte, kann ihr daher nicht zum Vorwurf gemacht werden. Der bereits gelieferte Zement wurde zum Brückenbau verwendet; er mußte anderweitig verwendet werden, weil er sonst unter dem Einfluß der Witterung verhärtet und unbrauchbar geworden wäre.

Nach einer an die Regierungspräsidenten gerichteten Entschließung des Staatsministeriums des Innern vom 3. 9. 1946 – Nr. 2700 a 85 –, die den Landräten und den Gemeinden bekanntgegeben wurde, war die Stadt Dachau allerdings verpflichtet, die Gräber zu pflegen und instand zu halten, weil in ihnen zahlreiche Angehörige der Vereinten Nationen lagen. Dieser Pflicht ist sie aber, soweit es nach den gegebenen Umständen möglich war, auch nachgekommen. Sie hat nach der Übernahme des Baues durch die Staatsregierung das Massengrab I, an dem ein Kreuz und ein Stern angebracht war, instand gehalten.

Es wurde im Jahr 1946 mit einem Kiesweg umgeben und planiert und im Jahr 1947 ringsum mit Blumen bepflanzt; gleichzeitig wurden die Wegkanten abgestochen, an der Südseite ein lebender Kranz angelegt und das Gras über der Grabfläche öfter gemäht, so daß der Platz immer einen ordentlichen Eindruck gemacht hat. In gleicher Weise wurde das Grab in den Jahren 1948 und 1949 gepflegt und in Ordnung gehalten. Im August 1947 hat der Stadtrat einen Betrag von 10000 RM bewilligt, um das Grab mit einer Hecke zu umgeben und so vor Beschädigungen zu schützen. Da aber nicht bekannt war, wie weit sich die geplanten Denkmalsanlagen erstrecken sollten und an welcher Stelle ein Denkmal selbst errichtet werde, ist die Ausführung des Beschlusses unterblieben. Eine Pflege des Gräberfeldes II wurde unterlassen, weil dieser Teil des Geländes Baustelle war, bei der auch schon größere Massen Kies und Sand aufgeschüttet waren.

Ein Vorwurf kann der Stadt aber nicht erspart bleiben: Der Stadtbaumeister hat zwar einmal gelegentlich bei der Obersten Baubehörde angefragt, was mit der Errichtung des Denkmals sei, und die Auskunft erhalten, daß man Zeit brauche, um eine gute Sache hinzustellen. Die Stadt hätte sich aber mit dieser Auskunft nicht beruhigen sollen. Sie war an der Errichtung des Denkmals in erster Linie interessiert, durfte deshalb nicht Jahre lang tatenlos zu warten und hätte mit größerem Nachdruck wegen der Verzögerung des Baues bei der Staatsregierung Vorstellungen erheben sollen; sie hätte dadurch wohl nicht den gewünschten Erfolg erzielt, aber festgestellt, daß mit einer Ausführung der geplanten Denkmalsanlagen vorerst nicht zu rechnen sei und dann eine Instandsetzung des Grabes II veranlassen können. Ihre Verpflichtung, auch für die Pflege des Massengrabes II zu sorgen, lebte jedenfalls in dem Augenblick wieder auf, in dem feststand, daß die geplante Anlage nicht zustande kommt.

2. Der Landrat in Dachau41 und die Regierung von Oberbayern waren nur Durchgangsstellen und mit der Errichtung der Denkmalsanlagen nicht unmittelbar befaßt. Der Landrat hat aber in einem über die Regierung von Oberbayern an das Kultusministerium weitergeleiteten Schreiben vom 9. 12. 1948 darauf hingewiesen, daß in der Angelegenheit nichts mehr geschehen sei und die Baustelle sich noch in dem gleichen Zustand wie nach der Einstellung der Bauarbeiten befinde, und um Mitteilung gebeten, ob der Plan der Errichtung eines Denkmals durch die Bayerische Staatsregierung noch aufrecht erhalten werde. Im April 1949 hat er die gleichen Vorstellungen bei der Obersten Baubehörde erhoben, die ihm mitteilte, daß mit einer Durchführung des Baues infolge der Geldumstellung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei.

3. Auf Grund der Vorstellungen des Bürgermeisters von Dachau und des Schreibens der Militärregierung vom 10. Januar 1946, in dem zum Ausdruck gebracht wurde, daß die Errichtung eines Erinnerungsmales zum Andenken an diejenigen, die in Dachau gelitten haben und gestorben sind, ohne Zweifel ein Wunsch der Militärregierung und des bayerischen Volkes sei, hat die Bayerische Staatsregierung den Bau eines Ehrenmals zum Gedächtnis und zur Mahnung für das ganze Volk als Staatsaufgabe übernommen. Diese Aufgabe wurde m.E. nicht erfüllt. Das Kultusministerium (Staatssekretär Dr. Sattler) begründet die Verzögerung des Baues mit der Materialknappheit der ersten Jahre nach dem Kriege und mit finanziellen, künstlerischen und Zuständigkeitsschwierigkeiten. Diese Gründe scheinen mir nicht stichhaltig zu sein. Im allgemeinen war wohl Baumaterial schwer zu beschaffen; aber wie bereits im Jahr 1945 Professor Büchner von der amerikanischen Armee schriftlich ermächtigt worden war, das ganze Material und alle Transportmittel für den Bau eines Denkmals in Anspruch zu nehmen, so hätte zweifellos auch später die Militärregierung mit Rücksicht auf die Bedeutung des von ihr selbst gewünschten Baues bei der Beschaffung des Materials die notwendige Unterstützung nicht versagt. Inwiefern finanzielle Schwierigkeiten bestanden haben sollen, ist nicht erkennbar. Der Ministerpräsident hatte schon bei den Beratungen des Ausschusses am 22. März 1946 den Betrag von 200000 RM in Aussicht gestellt; für die Preise beim Wettbewerb allein hat das Finanzministerium 20000 RM bewilligt. Das wäre wohl kaum geschehen, wenn von vorneherein damit hätte gerechnet werden müssen, daß für die Ausführung eines preisgekrönten Entwurfes doch keine Mittel zur Verfügung stehen. Künstlerische Schwierigkeiten durften der Durchführung einer Aufgabe von solcher Bedeutung nicht entgegenstehen. Sie sind beim ersten Wettbewerb auch nur insofern aufgetreten, als der erse Preisträger politisch nicht ganz unbelastet war. Da für den zweiten engeren Wettbewerb bereits 11 bestimmte namhafte Bildhauer und Architekten in Aussicht genommen waren, konnten Schwierigkeiten in dieser Richtung wohl nicht mehr auftreten.

Noch weniger durften Zweifel über die Zuständigkeit der beteiligten Ministerien, insbesondere über die Frage, wer die Federführung hat, eine Rolle spielen. Zu solchen Zweifeln, die übrigens ohne weiteres geklärt werden konnten und mußten, bestand auch gar kein Anlaß. Es mag sein, daß bei der Ausschußsitzung vom 22. März 1946 kein federführendes Ministerium bestimmt wurde, und es ist auch richtig, daß drei Stellen, nämlich die Staatskanzlei, das Kultusministerium und die Oberste Baubehörde mit der Sache befaßt waren. Es darf aber nicht übersehen werden, daß die Staatskanzlei in einem Schreiben vom 25. Januar 1946 an das Kultusministerium, in dem es die für den Ausschuß vorgeschlagenen Mitglieder mitteilt, gebeten hat, „die Sache ressortmäßig in die Hand zu nehmen und die Militärregierung im Sinn ihres Schreibens vom 10. Januar 1946 zu verständigen“. Die Federführung des Kultusministeriums ergab sich wohl auch aus der Natur der Sache; es hat auch als zuständige Instanz nach gutachtlicher Stellungnahme der Obersten Baubehörde mit Entschließung vom 13. Februar 1946 auf Grund einer Bekanntmachung der Staatsministerien des Innern und für Unterricht und Kultus vom 31. 7. 192042 den Entwurf des Professors Knappe abgelehnt.

Wenn schon Schwierigkeiten irgendwelcher Art aufgetreten sind und die weitere Durchführung der ganzen Angelegenheit vielleicht verzögert wurde, um von den Ereignissen etwas mehr Abstand zu bekommen, zwei Dinge hätten auf jeden Fall geschehen müssen:

a) Die Ausschreibung des zweiten Wettbewerbs durfte nicht unterbleiben. Das Kultusministerium hat in der Bekanntmachung im Bayerischen Staatsanzeiger vom 12. Oktober 1946 selbst die Erwartung ausgesprochen, daß durch einen zweiten Wettbewerb „eine der Bedeutung der Aufgabe entsprechende Lösung zustande kommen wird“. Die erforderlichen Mittel waren vorhanden; denn von dem zur Bezahlung der Preise beim Wettbewerb bereit gestellten Betrag von 20000,- RM waren erst 4000,- RM für die Preise beim ersten Wettbewerb verbraucht, der Rest stand für den zweiten Wettbewerb zur Verfügung.

b) Wenn der zweite Wettbewerb und damit der Bau der geplanten Anlage unterblieb, dann hätte dafür Sorge getragen werden müssen, daß die Begräbnisstätten auf dem Leitenberg durch eine einfache Friedhofanlage in einen würdigen Zustand gebracht und vor einer Entweihung geschützt werden.

4. Auch das Staatskommissariat für rassisch, religiös und politisch Verfolgte, das schon im November 1945 von der geplanten Errichtung eines Denkmals auf dem Leitenberg erfahren hatte und auf seine Anfrage durch ein Schreiben des Bürgermeisters von Dachau vom 24. November 1945 über die Angelegenheit im einzelnen unterrichtet wurde, scheint nicht alles getan zu haben, was es hätte tun können. Zwar enthält die Entschließung des Staatsministerium des Innern vom 4. 5. 1946 – Nr. 1156 a 30 -, in der die Aufgaben des Staatskommissariats umschrieben werden, und der Entwurf eines Gesetzes über die Aufgaben des Staatskommissars vom Februar 1948, der aus unbekannten Gründen nicht weiter bearbeitet wurde, nichts über die Pflege der KZ-Gräber. Auch in der Verordnung vom 3. 11. 1948 (GVBl. S. 248  ),43 durch die das Staatskommissariat aufgelöst und in das dem Finanzministerium unterstellte Landesamt für Wiedergutmachung eingegliedert wurde, ist hierüber nichts enthalten. Tatsächlich ist das Staatskommissariat jedoch frühzeitig mit der Betreuung der KZ-Gräber befaßt worden. Schon am 15. November 1946 hat im Finanzministerium eine Besprechung mit dem damaligen Staatskommissar Dr. Auerbach – der sein Amt am 16. September 1946 angetreten hatte – stattgefunden, bei der ihm Vorschüsse für die KZ-Friedhöfe zugesagt wurden, weil die Kosten der kleinen Gemeinden, in denen solche Friedhöfe liegen, außerordentlich belasteten. Auf Grund dieser Besprechung wurde mit Entschließung des Finanzministeriums vom 27. 11. 1946 das Staatskommissariat ermächtigt, Auszahlungsanordnungen bis zur Höhe von 500 000 RM zur Bestreitung von Kosten der KZ-Friedhöfe zu erteilen, und im Haushalt des Finanzministeriums für das Rechnungsjahr 1949 ist beim Landesamt für Wiedergutmachung ein Betrag von 400000 DM für jüdische Kultusgemeinden und KZ-Friedhöfe ausgewiesen. In verschiedenen Rechenschaftsberichten des Staatskommissars ist auf die laufenden Kosten für Betreuung der KZ-Friedhöfe besonders hingewiesen. Durch diese Zuteilung von Mitteln für die KZ-Gräber gewann das Staatskommissariat einen weitgehenden und maßgeblichen Einfluß auf die Anlage und Gestaltung von KZ-Friedhöfen. Dr. Auerbach gibt selbst an, daß sich in Bayern 106 KZ-Friedhöfe unter seiner Betreuung im besten Zustande befinden und daß das Staatskommissariat seit 1946 insgesamt 249 jüdische und KZ-Friedhöfe angelegt hat und instand hält.

Um so unverständlicher ist es, daß sich das Staatskommissariat für die Anlagen auf dem Leitenberg, wo 8000 KZ-Häftlinge begraben liegen, nicht weiter eingesetzt hat; es hat lediglich in einem Schreiben an das Kultusministerium vom 17. Oktober 1946 sein Interesse an dem Ergebnis des Wettbewerbes bekundet und in einem an die Oberste Baubehörde gerichteten Schreiben vom 4. Februar 1947 im Hinblick auf den geplanten zweiten Wettbewerb gebeten, zu den Sitzungen zugezogen zu werden. Dr. Auerbach rechtfertigt sein Verhalten mit dem Hinweis, daß das Kultusministerium mit der Sache befaßt gewesen sei, daß er von einem zweiten Massengrab nichts gewußt habe und das Massengrab I immer in Ordnung gehalten worden sei und daß ihn das Kultusministerium trotz seiner Bitte zu der Sache nicht zugezogen habe. Das mag alles zutreffen, hätte ihn aber nicht abhalten sollen, die Sache weiter zu verfolgen. Er hätte dann vor allem feststellen können, daß der Plan nicht weiter behandelt und schon der zweite Wettbewerb nicht mehr durchgeführt wurde. Im übrigen beschränkt sich die Pflege des Massengrabes I auf das Mindestmaß dessen, was überhaupt geschehen mußte. Es ist nicht einzusehen, warum das Staatskommissariat, das die KZ-Gräber in ganz Bayern zu betreuen hat und die Mittel für ihre Anlage, Ausgestaltung und Unterhaltung verteilt und verwaltet, gerade auf dem Leitenberg, wo viele Tausende von KZ-Häftlingen beerdigt sind, sich mit einer so einfachen Anlage begnügte, während andere KZ-Friedhöfe, die weit weniger Tote bergen, sich „im besten Zustand“ befinden. Auch spätere Vorgänge – die Ausschreibung eines Wettbewerbs zur Errichtung eines Mahnmales für die Toten von Dachau im Mitteilungsblatt des Landesausschusses der politisch Verfolgten in Bayern vom 1. 2. 1948 und ein Schreiben der Obersten Baubehörde vom 31. 5. 1949, in dem um Zustimmung zur landwirtschaftlichen Nutzung des Geländes auf dem Leitenberg ersucht wurde, weil mit der Ausführung der geplanten Anlage vorerst nicht zu rechnen sei – gaben dem Staatskommissariat keinen Anlaß, sich um eine würdige Ausgestaltung der Gräber auf dem Leitenberg anzunehmen.

Eines darf zum Schluß noch betont werden: Die Untersuchung hat keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß irgend jemand oder irgend eine Stelle eine Ausgestaltung der Gräber etwa absichtlich unterlassen hätte; ich habe vielmehr bei allen Personen, die ich gehört habe, den Eindruck gewonnen, daß die auf das Zusammentreffen widriger Umstände zurückgeführte Verzögerung allgemein aufrichtig bedauert wird.


München, den 12. Januar 1950.

Walther
Ministerialdirektor.