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Nr. 110MinisterratssitzungDienstag, 20. Juni 1950 Beginn: 15 Uhr 15 Ende: 19 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Krehle, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Oberste Baubehörde), Staatssekretär Dr. Konrad (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium-Flüchtlingsabt.), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium), Ministerialdirektor Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Ministerialdirigent Brunner (Verkehrsministerium), Ministerialrat Dr. Barbarino (Finanzministerium), Präsident Frhr. v. Hellingrath1 (Bayer. Staatsbank), Präsident Dr. Grasmann (Landeszentralbank), Ministerialrat Wagenhöfer (Finanzministerium).

Entschuldigt:

Innenminister Dr. Ankermüller, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium).

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Trennung der Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern. III. Finanzhilfe für Schleswig-Holstein. IV. Parlamentarisches Gesetzgebungsbüro. V. Staatshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1950.

I.Bundesratsangelegenheiten

Der Ministerrat befaßt sich zunächst mit der bayerischen Stellungnahme zu den einzelnen Punkten der Tagesordnung der nächsten Plenarsitzung des Bundesrates. Es wird beschlossen, gegen den Entwurf einer Verordnung zur Auflösung oder Überführung von Einrichtungen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes zu stimmen,2 weil sie in verschiedener Beziehung Zweifel aufkommen läßt und insbesondere Bedenken gegenüber der Übernähme der Zentralstellen für Naturschutz und Landschaftspflege und für Vegetationskartierung auf den Bund bestehen.3

II.Trennung der Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern4

Ministerialrat Wagenhöfer trägt den Inhalt der Note des Finanzministeriums vom l.Juni 19505 vor und bittet um Weisung, welche Stellung Bayern im Finanzausschuß des Bundesrates einnehmen solle. Er weist darauf hin, daß die Liste des Bundesfinanzministeriums, die der Note des Staatsministeriums der Finanzen anliege, eine große Zahl von Ausgabeansätzen enthalte, die zweifellos in die Zuständigkeit der Länder fielen. Die Bundeszuständigkeit könne nur für solche Aufgaben zugestanden werden, die im Grundgesetz als Bundesaufgaben bezeichnet seien. Darüber hinaus müßten aus Bundesmitteln Angelegenheiten bestritten werden, die zur Erfüllung von Bundesaufgaben durchgeführt werden müßten, wie zum Beispiel gewisse Forschungsinstitute. Dazu treten noch Aufgaben, die regional nicht radizierbar seien und im gesamtdeutschen Interesse erfüllt werden müßten (wie etwa das Rote Kreuz).

Im ganzen werde man zu der Liste einen ablehnenden Standpunkt einnehmen müssen; von einzelnen Ressorts aus werde das teilweise bedauert.6 Es sei aber vollkommen ungewiß, ob Bayern aus Bundesmitteln das bekomme, was es im Ergebnis beitragen müsse, wenn die zweifelhaften Posten in den Bundeshaushalt eingestellt würden.7

Staatssekretär Dr. Sattler berichtet über die letzte Sitzung der Kultusministerkonferenz,8 die sich ebenfalls mit dem Problem befaßt habe. Es bestehe die Gefahr, daß seitens der Länder gewisse Mittel für die in der Liste des Bundesfinanzministeriums aufgezeichneten Einrichtungen nicht aufgebracht werden könnten; er sei aber trotzdem der Auffassung, daß man aus grundsätzlichen Erwägungen die Bundeszuständigkeit zurückweisen müsse.

Der Ministerrat billigt diese Auffassung und gibt Weisung, im Finanzausschuß einen grundsätzlich ablehnenden Standpunkt einzunehmen.

III.> Finanzhilfe für Schleswig-Holstein

Ministerialrat Wagenhöfer berichtet über den Entwurf eines Gesetzes über eine vorläufige Finanzhilfe für Schleswig-Holstein.9 Es sei in diesem Gesetz vorgesehen, daß die Aufbringung der Finanzhilfe durch die Länder erfolge, deren Steuerkraft höher liege als Schleswig-Holstein. Infolgedessen werde auch Bayern herangezogen werden, das bekanntlich dem Steueraufkommen nach unter dem Durchschnitt der Länder, aber höher als Schleswig-Holstein liege. Das sei weder schlüssig noch billig. Die überdurchschnittliche Steuerkraft im Bundesgebiet allein könne die Grundlage für die Aufbringung der Mittel bilden.

Der Ministerrat gibt Weisung, diesen Standpunkt einzunehmen.10

IV. Parlamentarisches Gesetzgebungsbüro

Der Ministerrat befaßt sich sodann mit der Absicht des Bayerischen Landtags, ein Parlamentarisches Gesetzgebungsbüro einzurichten.11 Er ist der Auffassung, daß die Finanzlage im Augenblick die Einrichtung einer solchen Stelle nicht ermögliche. Es wird auch darauf hingewiesen, daß das Bedürfnis einer solchen Einrichtung recht zweifelhaft erscheine.

V. Staatshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 195012

Ministerialrat Dr. Barbarino trägt den Inhalt der vom Haushaltsreferat des Staatsministeriums der Finanzen ausgearbeiteten Denkschrift über den Staatshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1950 vor.13 Er weist insbesondere darauf hin, daß im Haushalt 1949 mit einem Fehlbetrag von rd. 100 Mill. DM zu rechnen sei. Er unterstreicht, daß die Kassenreserven völlig erschöpft seien. Der Haushalt des Jahres 1950 werde durch die Auseinandersetzung mit dem Bund um rd. 495 Mill. [DM] rechnerisch entlastet, weil der Bund nach dem Stand der Ausgaben und Einnahmen des Jahres 1949 ungefähr 1,6 Milliarden [DM] Ausgaben, jedoch nur 1,17 Milliarden [DM] Einnahmen übernehme. Es sei jedoch im neuen Haushalt mit Mindereinnahmen in Höhe von 339 Mill. [DM] sowie mit einer Interessenquote an den Bund in Höhe von 207 Mill. [DM] zu rechnen. Außerdem sei der Haushalt an sich vorbelastet mit einem Staatsbankdarlehen in Höhe von 100 Mill. DM sowie mit Tilgungsverpflichtungen für den Fehlbetrag aus dem Jahre 1949. Einschließlich der Mehranforderungen der Geschäftsbereiche und der Tilgungsverpflichtungen ergebe sich ein Fehlbetrag von insgesamt 512 Mill. DM.

Ministerialrat Dr. Barbarino fährt fort, daß es unbedingt erforderlich sei, den Haushalt auszugleichen und daß dieses Ziel nur dann erreicht werden könne, wenn die einzelnen Ressorts den Stand ihrer Ausgaben um rd. 100 Mill. [DM] unter den des Haushalts für 1949 herabdrücken würden. Der Ausgleich des Haushalts 1950 sei aus rechtlichen und politischen Gründen in gleicher Weise notwendig. Man habe bisher hinsichtlich des Haushalts immer mit unbekannten Größen rechnen müssen. Jetzt bilde die Trennung von Bundes- und Länderhaushalt einen Meilenstein. Für längere Zeit scheinen die Verhältnisse überblickbar klar zu liegen. Die Entlastung durch den Bund sei eine Tatsache. Wenn es jetzt nicht gelinge, den Haushalt auszugleichen, bestehe seiner Auffassung nach keine Möglichkeit, in absehbarer Zeit zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen.

In Einnahmen stünden ungefähr 1,48 Milliarden DM (gegenüber rd. 3 Milliarden im vorigen Rechnungsjahr) zur Verfügung. Der ordentliche Haushalt dürfe über diesen Betrag nicht hinausgehen. Der außerordentliche Haushalt sei insbesondere aus Gründen der Arbeitsbeschaffung stark auszubauen. Verschiedene Ausgabenansätze der einzelnen Ministerien könnten noch in den außerordentlichen Haushalt verlegt werden, insbesondere wo es sich um einen Nachholbedarf handle. Die Finanzierung des außerordentlichen Haushalts sei aber eine Frage des Kredits und hier ergäben sich Schwierigkeiten.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt einleitend fest, daß die Denkschrift des Haushaltsreferats des Staatsministeriums der Finanzen die Grundlage für die Haushaltsberatungen des Kabinetts darstellen müsse. Es sei zweifelsfrei, daß man zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen müsse, deshalb seien sehr erhebliche Abstriche notwendig. Es müsse geprüft werden, welche Positionen aus dem ordentlichen in den außerordentlichen Haushalt übertragen werden könnten; wo das nicht möglich sei – und es werde nur in beschränktem Umfang sich ermöglichen lassen – blieben nur noch die Abstriche bei den Ressorts übrig. Man sei unter Zeitdruck. Er stelle sich vor, daß bis zum 6. Juli die Verhandlungen des Finanzministeriums mit den Vertretern der einzelnen Ressorts über die endgültigen Haushaltsanforderungen abgeschlossen sein müßten.

Staatsminister Dr. Hundhammer hält ebenfalls eine Fristsetzung für erforderlich. Er weist zunächst darauf hin, daß eines der Probleme, über die man sich jetzt schon klar werden müsse, das sei, was vom ordentlichen in den außerordentlichen Haushalt verlegt und wie dieser finanziert werden könne. Weiter müsse man überprüfen, ob das Ziel, den Haushalt des letzten Jahres nicht zu überschreiten, überhaupt technisch möglich sei. Zum Beispiel seien Erhöhungen der Personalausgaben eingetreten, so daß es also unter Umständen gar nicht jedem Ministerium möglich sei, Mehrforderungen abzustreichen. Man könne vielleicht sagen, daß freiwillige Leistungen zu vermeiden seien, aber er müsse schon jetzt darauf hin weisen, daß zum Beispiel die beiden Kirchen mit Recht erhöhte Zuwendungen erwarten. Seiner Auffassung nach müsse sich das Staatsministerium der Finanzen auch in Zukunft bei der Landtagsarbeit energischer beteiligen und dort unnachgiebiger auftreten. Die Ressortministerien könnten sich gegenüber Mehrbelastungsanträgen des Landtags oft nicht zu stark exponieren; hier müsse sich das Finanzministerium einschalten.

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, daß das Finanzministerium sich seinem Eindruck nach gegen Neubewilligungen meist energisch gewehrt hätte, er glaube aber, daß die Abwehr der Anforderungen auf zu wenigen Schultern liege. Es möge hier ein Organisationsfehler im Finanzministerium vorliegen; seiner Auffassung nach müsse ein Ausgleich im Schoß des Finanzministeriums durchgeführt werden, damit der Haushaltsreferent entlastet werde. Die Einsparungen im Haushalt seines Ministeriums seien nicht bescheiden gewesen, wie es in der Denkschrift heiße. Vielmehr habe das Ministerium 60% seiner Stellen abgeschafft; es sei damit an die Grenze des Verantwortbaren gegangen. Er könne in seinem Ministerium unmöglich einen Abstrich um mehr als zwei Millionen durchführen. Auf die Durchführung eines Bohrprogramms, auf Mittel für die Förderung des Fremdenverkehrs, auf Darlehen zum Umbau industrieller Feuerungsanlagen, um einige Beispiele zu bringen, könne er wegen ihrer wirtschaftlichen Antriebswirkung schwerlich verzichten.

Staatssekretär Geiger betont insbesondere die Belange der Fremdenverkehrswerbung, wofür das Staatsministerium mindestens 700000 DM einsetzen müsse.

Staatsminister Krehle weist darauf hin, daß er bereit sei, bis an das äußerste mit den Einsparungen zu gehen. Er müsse jedoch darauf aufmerksam machen, daß gewisse Stellenvermehrungen notwendig seien, um die Kriegsbeschädigtenversorgung endlich abzuwickeln und gewaltige Rückstände aufzuarbeiten. In seinem Haushalt seien weiter Zuschüsse für die Arbeitsbeschaffung enthalten, deren Wegfall zu dem Wegfall von Bundesleistungen führen müsse, wodurch die bayerische Wirtschaft stark geschädigt würde. Es würde dadurch die Einstellung von Arbeiten und die Ausstellung von Arbeitern erreicht, die, abgesehen von dem politischen Effekt, nur neue Staatsgelder kosten würden.

Staatssekretär Dr. Konrad sieht keine Möglichkeit, den Haushalt des Staatsministeriums der Justiz um den vorgesehenen Betrag zu senken. Die Durchführung der Abstriche würde auf einen Stillstand der Rechtspflege hinauslaufen.

Staatssekretär Fischer kann ebenfalls mit den Vorschlägen der Denkschrift nicht einverstanden sein. Die Bauverwaltung habe neues Personal einstellen müssen, so daß sich die persönlichen Ausgaben erhöhen. Eine Kürzung der sachlichen Ausgaben würde zu einer Einstellung wichtiger Arbeiten führen. Es müßten Arbeiter entlassen werden. Er brauche auf alle Fälle einen raschen Bescheid, da er im Vorgriff weitgehend disponiert habe.

Staatssekretär Dr. Schwalber erachtet es für untragbar, daß vom Haushalt des Staatsministeriums des Innern rd. 48 Mill. [DM] abgestrichen würden; dadurch würde ein Stillstand der Verwaltung eintreten. Die innere Verwaltung sei eine alte Verwaltung, die immer sparsam kalkuliert habe.

Staatssekretär Sühler weist darauf hin, daß im Ernährungssektor bereits ein starker Personalabbau erfolgt sei. Es sei gelegentlich die Kritik des Landeskommissars vorgebracht worden, daß für die Förderung der Landwirtschaft zu wenig getan werde.

Staatsminister Dr. Pfeiffer weist darauf hin, daß die Staatskanzlei ihren Personalbestand stetig verringert habe; eine Kürzung der Verfügungsmittel sei schwer tragbar, es werde aber alles nachgerechnet werden, um den Anforderungen der Denkschrift im Rahmen des Möglichen nachzukommen.

Staatsminister Dr. Hundhammer schlägt vor, der Rechnungshof solle sich einschalten, um alle Einsparungsmöglichkeiten zu überprüfen. Darin liege seine eigentliche Aufgabe.

Ministerialdirektor Dr. Ringelmann ist der Auffassung, es sei nicht damit getan, jetzt auf dem Papier einen abgeglichenen Haushalt aufzusetzen und dann im Laufe des Jahres mit Mehrforderungen zu kommen. Auch er sei der Meinung, daß der Zeitpunkt des Übergangs zahlreicher Einnahmen und Ausgaben auf den Bund der Zeitpunkt der Gewissenserforschung für die Länderhaushalte sei. Es müßten alle Verwaltungen durch die Fachreferenten auf Ersparnismöglichkeiten durchgeforscht werden. Das sei zweckmäßiger, als der Einsatz einer Sparkommission. Es gehöre wohl Mut dazu, zu sagen, daß der Staat sich um dies oder jenes nicht mehr kümmere und daß er hie und dort kein Geld mehr ausgeben könne, aber es sei notwendig. Hätten wir schon vor einem halben Jahr mit diesen Nachforschungen begonnen, da hätte möglicherweise das Defizit von 100 Mill. auf einen geringeren Betrag heruntergedrückt werden können.

Staatsminister Dr. Seidel unterstützt die Ausführungen von Herrn Ministerialdirektor Ringelmann. Auch für ihn handle es sich darum, den Haushalt lebensfähig zu machen und einen echten Haushaltsausgleich zu finden. Er bitte die anwesenden Herrn Präsidenten der Landeszentralbank und der Staatsbank, ihre Meinung zu äußern.

Präsident Grasmann führt aus, man müsse zwischen dem ordentlichen und dem außerordentlichen Haushalt unterscheiden. Auf dem Gebiet des ordentlichen Haushalts könnten die Staatsbanken zunächst nur mit Kassenkrediten aushelfen. Der Staat habe das Recht, Kassenkredite in Höhe von Vs der Verbindlichkeiten der Landeszentralbank zu beanspruchen. Dieser Kredit sei meist beansprucht gewesen. Es handle sich um eine Summe, die der Größenordnung von 40–50 Mill. im allgemeinen mit einer Laufzeit bis zu 1/4 Jahr entspreche. An Schatzwechselkrediten seien 100. Mill. bereits in Anspruch genommen worden. Es sei einigermaßen schwierig gewesen, diese Kredite im Zentralbankrat durchzusetzen. Ein höherer Schatzwechselkredit käme wohl nicht in Frage. Es sei schon viel erreicht, wenn der bisherige 100 Millionen-Kredit prolongiert werden könne. Die Kreditmöglichkeiten der Bank Deutscher Länder seien praktisch durch den Plafond des Bundesfinanzministeriums erschöpft.

Ministerialdirektor Dr. Ringelmann bedauert, daß die Hoffnung fehlgeschlagen sei, aus dem Überschuß der vom Bund übernommenen Ausgaben den 100 Millionen-Kredit zurückzuzahlen. Seiner Auffassung nach habe es keinen Sinn, mit kurzfristigen Krediten zu experimentieren. Es gebe keine Hoffnung auf neue Finanzerleichterung. Neue kurzfristige Kredite müßten zu einer Überlastung des nächsten Haushalts führen. Langfristige Kredite seien schwer zu bekommen. Ihre Verwendung im ordentlichen Haushalt würde den außerordentlichen Haushalt schädigen. Bei einer Verwendung von langfristigen Krediten zur Abdeckung des ordentlichen Haushalts würde der politische Kredit Bayerns gefährdet.

Präsident v. Hellingrath meint, daß der Schatzwechselkredit von 100 Mill. vielleicht noch etwas erhöht werden könnte, weil die Schatzwechsel laufend von der Staatsbank und der Landeszentralbank gehalten worden und nicht auf das Zentralbanksystem zugekommen seien. Das Problem der langfristigen Kredite sei schwierig zu lösen, weil hier der Kapitalmarkt angesprochen werden müsse. Man dürfe sich hier keiner Utopie hingeben. Vielleicht gelinge es, durch eine phantasievoll ausgestattete Anleihe 30 Mill. auf den privaten Kapitalmarkt abzuringen [sic!], 50 Mill. halte er schon für ein sehr optimistisches Ziel.

Präsident Grasmann glaubt hinsichtlich einer Erhöhung des 100 Millionen-Kredites keine großen Hoffnungen machen zu dürfen. Hinsichtlich der langfristigen Kredite teilt er die Auffassung Frhrn. v. Hellingraths.

Ministerialdirigent Brunner schildert die Haushaltslage seines Ministeriums. Er glaube, daß durch ein Ausweichen auf den außerordentlichen Haushalt Ersparnisse bis nahe an die vorgenommenen Abstriche erzielt werden könnten.

Staatssekretär Jaenicke führt aus, daß das heute behandelte Problem innerlich mit der Tatsache Zusammenhänge, daß die bayerische Bevölkerung ein Drittel an Flüchtlingen und Ausländern zähle, die ohne Steuerkraft seien. Er erinnert an die Lage auf dem Wohnungsmarkt, er schildert die Bemühungen seiner Abteilung um Herabsetzung der Angestelltenzahl, um eine Verbesserung der Elendslager. Im Wege des Flüchtlingsausgleichs seien 75000 Menschen an die Nachbarländer abzutransportieren. Unter unsäglichen Schwierigkeiten sei es bisher gelungen, 11000 Leute in anderen Ländern unterzubringen, die nur arbeitsfähige Leute nehmen wollen. Er glaube, daß diese gewaltigen Lasten, die übrigens auch im Zusammenhang mit der Übernahme der IRO-Lager notwendig seien, überhaupt nicht im ordentlichen Haushalt finanziert werden könnten. Man müsse an eine Flüchtlingsanleihe denken.

Ministerpräsident Dr. Ehard betont, daß die Aufstellung des Haushalts 1950 nicht die Sache des Finanzministeriums und der einzelnen Ressorts, sondern vielmehr eine Angelegenheit des gesamten Kabinetts sei. Der ordentliche Haushalt müsse in irgendeiner Form ausgeglichen werden. Hier liege eine Verpflichtung des Kabinetts. Es sei notwendig, einen Überblick über die Größe des außerordentlichen Haushalts zu gewinnen und die Kreditmöglichkeiten festzustellen. Weiter müßten die Ressorts die einzelnen Ausgabenansätze auf das gewissenhafteste überprüfen und sehen, wo Abstriche gemacht werden könnten. Bis zu einer bestimmten Frist müßten die Besprechungen der einzelnen Ressorts mit dem Finanzministerium abgeschlossen sein. Zu diesen Besprechungen müßten die Finanzreferenten mit einer gewissen Bewegungsfreiheit ausgestattet werden. Die Besprechungen sollten bis zum 6. Juli abgeschlossen sein, danach solle das Finanzministerium wieder eine neue Vorlage machen und sie mit einer Begründung versehen. Unbedingt erforderlich sei es, während der Dauer der Etatberatungen das eine oder andere im Finanzministerium zurückzustellen und die Verantwortung nicht wie bisher auf ein paar Schultern ruhen zu lassen. Gegenüber Neuanforderungen des Landtags müsse man im Augenblick zurückhaltend sein. Solange der neue Haushalt nicht fertig sei, könne keine Neuanforderung gebilligt werden.

Staatssekretär Dr. Müller sieht keine großen Möglichkeiten der Verlagerung von Ausgaben aus dem ordentlichen in den außerordentlichen Haushalt. Der Vorwurf, daß das Finanzministerium sich gegenüber Landtagsbewilligungen nicht stark genug eingesetzt habe, treffe nach seiner Auffassung nicht zu. Die Bestimmung der Verfassung, daß der Landtag vor der Bewilligung neuer Ausgaben über ihre Deckung beschließen müsse, nütze in der Praxis soviel wie nichts.14 Die Bewilligungsfreudigkeit des Landtags sei sehr groß. Der Landtag habe die Denkschrift angefordert. Seinem Wunsche könne wohl erst willfahren werden, wenn diese Denkschrift auf Grund des heutigen Ministerrats und der anschließenden Besprechungen nochmals überarbeitet worden sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard ist der gleichen Auffassung. Er wiederholt, daß der Haushaltsausgleich eine Angelegenheit des Gesamtkabinetts darstelle. Es seien in erster Linie die notwendigen Ausgaben, Ausgaben, mit denen eine gesetzliche Verpflichtung erfüllt werde und solche, die aus wirtschaftlichen Gründen unumgänglich seien (wie z.B. diejenigen für die Arbeitsbeschaffung) in den Haushalt aufzunehmen. Die Einzelbesprechungen mit den Vertretern der anderen Ministerien, die für diese Verhandlungen mit gewissen Vollmachten auszustatten seien, seien bis zum 6. Juli abzuschließen. Nach dem 6. Juli sei dem Kabinett ein neuer Vorschlag zu machen. Dabei seien keine mechanischen Abstriche von den Anforderungen der Ministerien zu machen, sondern individuell vorzugehen.15 Der nächste Ministerrat müsse sich mit der Gemeindeordnung befassen.

Er bitte zum nächsten Ministerrat für den 28. Juni 1950, 15 Uhr.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
In Vertretung
gez.: Dr. Wilhelm Henle
Oberregierungsrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister