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Nr. 111MinisterratssitzungDienstag, 27. Juni 1950 Beginn: 8 Uhr Ende: 9 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Krehle, Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Ministerialdirigent Dr. Heilmann1 (Wirtschaftsministerium).

Entschuldigt:

Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Verkehrsminister Frommknecht, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Konrad (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Oberste Baubehörde), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).

Tagesordnung:

I. Gesetz über den Verkehr mit Milch und Milcherzeugnissen und Fetten (Milch- und Fettgesetz). II. Gesetz über die Festsetzung von Brotpreisen. III. Überführungsverordnung. IV. Weiterverwendung der Landesprüfer.

I.Gesetz über den Verkehr mit Milch und Milcherzeugnissen und Fetten (Milch- und Fettgesetz)2

II. Gesetz über die Festsetzung von Brotpreisen3

Es wird zunächst festgestellt, daß die beiden Gesetzentwürfe zusammen behandelt werden müssen.

Staatsminister Dr. Schlögl führt aus, leider sei es nicht mehr möglich gewesen, die Agrargesetze rechtzeitig zu verabschieden. Das wichtigste dieser Gesetze sei das Milch- und Fettgesetz,4 das im Agrarausschuß des Bundesrates angenommen worden sei.5 Von besonderer Bedeutung sei §21 der letzten Fassung des Entwurfs, in dem die Fettsteuer wieder eingeführt werde.6 Danach werde die Bundesregierung ermächtigt, den Steuersatz zum Zwecke des Preisausgleichs zu ändern, wobei der Betrag von 50 Pfg. für ein kg nicht überschritten werden dürfe.7 Die Einführung der Fettsteuer habe natürlich eine außerordentliche Bedeutung und er halte es für notwendig, daß sich das Kabinett vor der Plenarsitzung des Bundesrates, die am Freitag stattfinde und bei der er selbst Berichterstatter sei, damit befasse. Zur Vorgeschichte müsse er darauf hinweisen, daß die Margarinepreise gesenkt worden seien, wodurch natürlich auch der Milch- und Butterpreis beeinflußt worden sei. Infolgedessen habe der Agrarausschuß geglaubt, die Fettsteuer wieder einführen zu müssen, damit nicht der Milch- und Butterpreis vollständig zusammenbreche.8 Nachdem 40% der Einnahmen der Bauern aus Milch und Milchprodukten stammten, seien die Preise für diese Produkte für den gesamten Bauernstand sehr wesentlich. Die aus der Fettsteuer kommenden Mittel sind, wie es in § 21 des Gesetzentwurfs heiße, ausschließlich zur Verbilligung von Milch und Milcherzeugnissen und Fetten zu verwenden.9 Die Bundesregierung habe dem Milch- und Fettgesetz mit Mehrheit zugestimmt,10 der Bundestag habe es zwar bisher abgelehnt, es werde aber nochmals vor den Bundestag kommen. Das Aufkommen aus der Fettsteuer werde auf ca. 100 Millionen DM beziffert.

Ministerialdirigent Dr. Heilmann meint, es sei mehr eine politische als eine wirtschaftliche Frage, wie weit man durch eine Fettsteuer Margarine, Speiseöl usw. verteuern könne.

Staatsminister Dr. Hundhammer erklärt, es handle sich jetzt sowohl um die Fett- wie um die Brotfrage, beides Probleme von besonderer Wichtigkeit für die Landwirtschaft. Man könne aber nicht in beiden Punkten entweder zu Gunsten der Arbeiterschaft oder der Landwirtschaft entscheiden, sondern müsse jeder der Gruppen in einem Fall entgegenkommen.

Zur Brotpreisfrage führt Staatsminister Dr. Schlögl aus, bisher seien sehr hohe Subventionen, insgesamt 85 Millionen DM gegeben worden und Bundesfinanzminister Schäffer erkläre, diese Subventionen nicht mehr weiter zahlen zu können. Damit hänge aber auch die Frage der Subventionen, die bisher zur Verbilligung ausländischer Düngemittel gegeben worden seien, zusammen, z.B. bezüglich der Phosphate aus Marokko.11 Ohne diese Verbilligung seien die Bauern nicht mehr in der Lage, diese ausländischen Düngemittel, die unbedingt notwendig seien, zu bezahlen, man müsse also mit einem Rückgang der Produkte rechnen. Man dürfe auch nicht vergessen, daß die deutsche Landwirtschaft bisher noch nicht den Weltmarktpreis für Getreide erhalte, der erheblich höher sei wie der Inlandpreis. Bundesfinanzminister Schäffer beabsichtige übrigens, § 21 Ziff. 4 des Milch- und Fettgesetzes12 dahingehend ändern zu lassen, daß das Aufkommen aus der Fettsteuer zu Subventionen verwendet werde, die der Stützung des Brotpreises dienen sollten.13 Aber auch ein Preissturz für Milch- und Fetterzeugnisse würde für die Bauern eine Katastrophe bedeuten. Dies hätten alle Landwirtschaftsminister eingesehen, auch diejenigen, die Länder vertreten hätten, welche eine SPD-Regierung hätten.

Staatsminister Dr. Hundhammer meint, ein Butterpreis von über 2 DM scheine ihm doch sehr hoch zu sein. Übrigens müsse man sicher auch bei der Verbilligung der Margarine mit einem Rückgang des Milchpreises rechnen. Niemand könne daran zweifeln, daß eine schwere Agrarkrise bevorstehe, er hätte es deshalb auch für besser gehalten, wenn man die Subventionen von 85 Millionen DM beibehalten hätte. Er fürchte auch, daß mit dem Wegfall der Subventionen ein Zusammenbruch der süddeutschen Mühlenindustrie erfolgen werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, beim Milch- und Fettgesetz sei das entscheidende die Fettsteuer, während beim Gesetz über die Festsetzung von Brotpreisen lediglich vorgesehen sei, daß die Bundesregierung ermächtigt werde, im Bedarfsfälle Höchstpreise für Brot festzusetzen. Außerdem enthalte der Entwurf eine Bestimmung, daß Rechtsverordnungen, die auf Grund des § 1 des Gesetzes erlassen würden, der Zustimmung des Bundesrates nach Art. 80 Abs. 214 des Grundgesetzes nicht bedürften.

Er glaube, daß die Bindung des § 21 des Milch- und Fettgesetzes auf die Verbilligung von Milch usw. nicht sehr glücklich sei. Wenn tatsächlich durch diese Steuer erhebliche Beträge hereinkämen, so sollte man diese Mittel auch für die Verbilligung des Brotes verwenden können. An dieser Forderung müsse unter allen Umständen festgehalten werden.

Staatsminister Dr. Schlögl fordert, daß die Ermächtigung bis zum 30. September beschränkt werden müsse.

Ministerialdirigent Dr. Heilmann führt aus, in allen Agrargesetzen kämen Preisvorschriften vor, damit greife man eigentlich der Linie des kommenden Preisgesetzes15 vor, für das das Bundeswirtschaftsministerium maßgebend sei, während jetzt die Entscheidung beim Bundesernährungsministerium liege.

Staatsminister Dr. Schlögl erwidert, daß das Bundeskabinett dem § 21 zugestimmt habe.16

Ministerpräsident Dr. Ehard betont nochmals, daß auf alle Fälle das Aufkommen aus der Fettsteuer auch für die Verbilligung von Brot verwendet werden müsse, daß man es aber nicht zu sehr ausdehnen solle, insbesondere nicht auf Fleisch.

Staatsminister Dr. Schlögl berichtet, das amerikanische Getreide sei weit billiger als das aus anderen Ländern, z.B. aus Frankreich und Polen usw., Ländern, aus denen insgesamt durch Handelsverträge 400000 to nach Deutschland kämen. Wenn tatsächlich aus der Fettsteuer ein Ausgleich geschaffen werden könne, sei eine Brotpreiserhöhung nicht mehr notwendig. Der Weltmarktpreis für Getreide betrage 320 DM, während der deutsche Inlandpreis sich lediglich auf 260 DM belaufe. Allerdings stehe es dahin, ob auf die Dauer gesehen die Bindung an den Weltmarktpreis für die deutsche Landwirtschaft günstig sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt als Meinung des Kabinetts fest, daß die aus der Fettsteuer kommenden Mittel nicht nur zur Verbilligung von Milch und Milcherzeugnissen, sondern auch von Brot verwendet werden sollen, nicht aber zur Verbilligung von Fleisch. Er fährt fort, es erhebe sich nun die weitere Frage, ob man sich dafür einsetzen solle, daß die Zustimmung des Bundesrates notwendig sei.

Staatsminister Dr. Hundhammer meint, es bestehe kein dringendes Interesse, in diesen Fall den Bundesrat einzuschalten.

Ministerpräsident Dr. Ehard widerspricht mit dem Hinweis darauf, daß bei der Bundesregierung ganz andere Interessen und Erwägungen wie in Bayern maßgebend seien. Er sei der Auffassung, daß man doch die Zustimmung des Bundesrates fordern solle.

Staatsminister Dr. Ankermüller glaubt, die Debatte beim Bundestag über dieses Gesetz sei nicht zu vermeiden und jedenfalls müsse die Bundesregierung sich dort äußern.

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, in § 20 des Milchgesetzes sei vorgesehen, daß der Bundesminister zum Erlaß von Rechtsverordnungen der Zustimmung des Bundesrates bedürfe und zwar bei der Regelung von nicht allzu wichtigen Angelegenheiten.17 Nun soll bei der Festsetzung des Brotpreises, was doch unendlich viel wichtiger sei, die Zustimmung des Bundesrates fortgelassen werden; dagegen müsse man sich doch unter allen Umständen wenden.

Der Ministerrat beschließt sodann, dem Vorschlag des Ministerpräsidenten entsprechend den Gesetzentwürfen im wesentlichen zuzustimmen mit der Maßgabe, daß das Aufkommen aus der Fettsteuer wie besprochen zu verwenden sei und an der Notwendigkeit, für die Bundesregierung die Zustimmung des Bundesrates zu erhalten, festgehalten werde.18

III. Überführungsverordnung19

Es wird festgestellt, daß die Frage, welche Institute und sonstigen Einrichtungen auf den Bund übergeleitet werden sollen, noch keineswegs geklärt sei. Der Bund wolle anscheinend durchsetzen, daß eine Reihe von Instituten auf ihn übergingen und es sei notwendig, hier auf der Hut zu sein.

Der Ministerrat vereinbart sodann, daß bei der nächsten Sitzung des Bundesrates die Herren Staatsminister Dr. Schlögl, Dr. Ankermüller und Dr. Müller, sowie Herr Staatssekretär Dr. Müller nach Bonn fahren.20

IV. Weiterverwendung der Landesprüfer21

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, der Deutsche Gewerkschaftsbund Bayern habe ihm wiederholt wegen der Weiterbeschäftigung der Landesprüfer geschrieben. Die Gewerkschaften wiesen immer wieder darauf hin, daß man diese Leute z.B. im Steuerfahndungsdienst beschäftigen könne.

Staatsminister Dr. Schlögl fügt hinzu, es handle sich insgesamt um 79 Personen, von denen mindestens 30 völlig bilanzsicher seien. Leider habe er bei seinen bisherigen Verhandlungen mit Ministerialdirigent Dr. Metz22 nichts erreichen können.

Staatssekretär Dr. Müller ersucht Staatsminister Dr. Schlögl, sich mit Regierungsdirektor Dr. Heßdörfer,23 der der zuständige Mann sei, in Verbindung zu setzen. Allerdings sei zu bedenken, daß die Tätigkeit beim Landwirtschaftsministerium doch erheblich anders sei als bei der Steuerfahndung oder bei sonstigen Zweigen der Finanzverwaltung.24

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister