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Nr. 136MinisterratssitzungMontag, 11. Dezember 1950 Beginn: 9 Uhr 15 Ende: 9 Uhr 45
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Dr. Konrad (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Oberste Baubehörde), Staatssekretär Jaenicke (Inneministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).

[I. Frage der Fortführung der Regierungsarbeit bzw. Regierungsneubildung]1

Ministerpräsident Dr. Ehardstellt fest, daß im heutigen Ministerrat mit Rücksicht auf den Zusammentritt des Bayer. Landtags die Frage geklärt werden müsse, ob die Regierung zurücktreten soll oder nicht.2Nach Art. 44 der Bayer. Verfassung werde der Ministerpräsident auf die Dauer von 4 Jahren gewählt,3das hieße im jetzigen Fall, sein Amt ende mit dem Ablauf des 20.Dezember 1950 automatisch und damit auch das Amt der Staatsregierung, nachdem die Wahl im Jahre 1946 am 21. Dezember stattgefunden. habe.4Selbstverständlich ende das Amt auch dann, wenn der neugewählte Landtag schon vorher einen neuen Ministerpräsidenten gewählt habe. Der Landtag sei ja, ebenfalls nach Art. 44 der Verfassung, verpflichtet, den Ministerpräsidenten innerhalb einer Woche nach seinem Zusammentritt zu wählen.5Wenn am 18. Dezember diese Wahl nicht zustande käme, trete ein verfassungswidriger Zustand ein und man müsse sich überlegen, was sich daraus für Folgen ergeben könnten.

Der Ministerrat müsse sich jedenfalls heute entscheiden, was zu tun sei. Solle eine Erklärung abgegeben werden, daß die Staatsregierung zurücktrete oder nicht? Er persönlich sehe eigentlich nicht ein, warum man heute formell zurücktreten solle, zumal ja der Landtag verpflichtet sei, spätestens am18.Dezember neu zu wählen. Es handle sich zweifellos um einen gewissen Präzedenzfall, der genau überlegt werden müsse. Die größte Schwierigkeit bestehe ja darin, daß in der Verfassung für den Fall, daß innerhalb einer Woche kein neuer Ministerpräsident gewählt werde, nichts vorgesehen sei.

Staatsminister Dr. Ankermüller stellt sich gleichfalls auf den Standpunkt, daß heute bei der Eröffnungssitzung des Landtags noch keine Rücktrittserklärung abgegeben werden solle, sondern der Ablauf der Vierjahresfrist abzuwarten sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet es als notwendig, jedenfalls dem Landtag gegenüber eine entsprechende Erklärung abzugeben, er habe darüber auch schon mit den Herren Abg. Dr. Hoegner, Bezold6und Oberländer7gesprochen. Zu entscheiden sei lediglich, ob man den Standpunkt der bayerischen Regierung schriftlich niederlegen oder nur eine mündliche Erklärung abgeben wolle; er selbst neige dazu, das letztere zu tun. Dabei beabsichtige er, ungefähr folgendes zu sagen:

1. Die in der Verfassung vorgesehene Vierjahresfrist endet mit dem Ablauf des 20. Dezember 1950;

2. der Landtag ist verpflichtet, spätestens bis 18. Dezember 1950 einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen, womit das Amt der bisherigen Regierung aufhöre;

3. er bitte deshalb darum, mit Rücksicht auf die schwebenden Verhandlungen noch nicht in dieser Woche, aber doch spätestens am 18. Dezember den Landtag zur Neuwahl des Ministerpräsidenten einzuberufen.

Im übrigen sei er der Meinung, daß man nach dem 20. Dezember 1950, für den Fall daß noch kein Ministerpräsident gewählt worden sei, die Regierung nur noch technische Geschäfte weiterführen könne, aber z.B. nicht mehr die Möglichkeit habe, Beamte zu ernennen, Anträge im Bundesrat zu stellen usw.

Staatsminister Dr. Ankermüller erklärt, hier mit dem Herrn Ministerpräsidenten nicht ganz übereinstimmen zu können.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, das sei ihm bekannt, er vertrete eben einen strengeren Standpunkt. Jedenfalls müßte der Ministerpräsident am 20. Dezember gewählt sein, dieser könnte natürlich die bisherigen Kabinettsmitglieder beauftragen, die Geschäfte einstweilen weiterzuführen, trage aber dann dem Landtag gegenüber allein die Verantwortung.

Staatssekretär Dr. Schwalber erinnert daran, daß die Verfassunggebende Landesversammlung seinerzeit diese Bestimmung geschaffen hätte, um geschäftsführende Regierungen zu vermeiden.8Das Parlament sollte gezwungen werden, innerhalb möglichst kurzer Zeit eine neue Regierung zu bilden.

Ministerpräsident Dr. Ehard wirft dann noch die Frage auf, ob der Landtag nach 4 Wochen durch den Landtagspräsidenten aufgelöst werden müsse, wenn in der Zwischenzeit keine Regierung zustande gekommen sei.9Auch folgender Fall müsse in den Kreis der Überlegungen gezogen werden, daß nämlich die Amtstätigkeit des Ministerpräsidenten und der Staatsregierung ende, bevor ein neuer Ministerpräsident gewählt sei. Jedenfalls müsse unter allen Umständen versucht werden, am 18. Dezember zu einer Wahl des Ministerpräsidenten und hoffentlich auch der Regierungsbildung zu kommen.

Nach kurzer Aussprache wird beschlossen, daß der Herr Ministerpräsident keinen Brief an das Landtagspräsidium richtet, sondern nach vorheriger Absprache mit dem Fraktionsvorsitzenden lediglich eine mündliche Erklärung des besprochenen Inhalts abgeben solle.10

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär
des Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor