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Nr. 28MinisterratssitzungDienstag, 22. Mai 1951 Beginn: 8 Uhr 45 Ende: 12 Uhr 15
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Justizminister Dr. Müller, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Dr. Zorn, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirigent Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Leusser (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Dr. Oechsle.

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Bundesverfassungsgericht. III. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Landtagswahl, Volksbegehren und Volksentscheid (Landeswahlgesetz). IV. Entwurf eines Gesetzes über die Prüfung der Filmvorführer. V. Landesentschädigungsamt. VI. Oberste Baubehörde. VII. Wiedereinführung eines Zuschlags zur Kraftfahrzeugsteuer. VIII. Schulspeisung. IX. Zentralverband der Sterilisierten und Gesundheitsgeschädigten im Bundesgebiet e.V. X. Bayernwerk AG. XI. Zurückführung von Evakuierten.

I. Bundesratsangelegenheiten

Zunächst wird vereinbart, daß die am 31. Mai 1951 stattfindende Sitzung des Vermittlungsausschusses, auf der der Entwurf des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens usw. beraten wird,1 durch Herrn Staatssekretär Dr. Ringelmann wahrgenommen wird.

1. Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Härten in der knappschaftlichen Rentenversicherung bei langer bergmännischer Tätigkeit2

Der Ministerrat beschließt, diesem Gesetzentwurf trotz gewisser finanzpolitischer Bedenken zuzustimmen.3

2. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes4 Ministerialrat Leusser führt aus, in der Koordinierungssitzung sei der Vertreter des Arbeitsministeriums der Auffassung gewesen, man solle den Entwurf ablehnen, da weitere Änderungswünsche bestünden, die am besten in einer grundsätzlichen Änderung des Tarifvertragsgesetzes Berücksichtigung finden könnten. Von anderer Seite seien dagegen keine Einwendungen erhoben worden.5

Staatssekretär Krehle erklärt, es werde wohl kaum möglich sein, jetzt schon alle Wünsche zu berücksichtigen, zumal das Gesetz dringlich sei.

Der Ministerrat beschließt daraufhin, Einwendungen nicht zu erheben.6

3. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt.- und KSt.-Änderungsgesetz)7

Ministerialrat Leusser berichtet, es stehe noch nicht fest, ob der Bundestag das Gesetz entsprechend den Beschlüssen des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen des Bundestages verabschieden werde. Der Ministerrat werde wohl heute beschließen müssen, ob bei der Verabschiedung des Gesetzes in der Fassung der BT.-Drucks. Nr. 2212 der Vermittlungsausschuß angerufen werden solle.8

Staatssekretär Dr. Ringelmann weist darauf hin, daß der Finanzausschuß des Bundesrates am 17. Mai eine Reihe von Bedenken geltend gemacht und die Anrufung des Vermittlungsausschusses empfohlen habe.9 Insbesondere würden § 7a Abs. 310 und der neu eingefügte § 7c Buchstabe e abgelehnt.11

Außerdem müsse der neu eingefügte Abs. 3 des § 2612 und § 32b gestrichen werden. Besonders § 32b bedeute einen schweren Eingriff in das Steueraufkommen der Länder. Wenn diese Bestimmung tatsächlich bestehen bleibe, müsse hiewegen unbedingt der Vermittlungsausschuß angerufen werden.13

Ministerialrat Leusser macht darauf aufmerksam, daß das Wirtschaftsministerium auf dem Standpunkt stehe, der Vermittlungsausschuß solle schon deshalb nicht angerufen werden, da man die Regelung schon um der Vermeidung weiterer Steuerausfälle wegen nicht weiter hinausschieben könne. Im übrigen handle es sich wohl um eine Zustimmungsgesetz.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erwidert, es bestehe zweifellos Hoffnung, daß der Bundestag nachgeben werde, für heute müsse man die Frage, ob ein Antrag nach Art. 77 Abs. 2  GG zu stellen sei, wohl noch zurückstellen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.14

4. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungssteuergesetzes15

Ministerialrat Leusser meint, das Gesetz werde wahrscheinlich in der Bundestagssitzung vom 22. Mai noch nicht verabschiedet werden und müsse deshalb von der Tagesordnung der Bundesratssitzung abgesetzt werden. Bedenken habe lediglich das Verkehrsministerium gegen § 3 angemeldet,16 das Finanzministerium schließe sich aber dem nicht an.

Der Ministerrat beschließt, zunächst das Ergebnis der Bundestagssitzung vom 22. Mai abzuwarten.17

5. Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr18

Ministerialrat Leusser fährt fort, es sei mit der Verabschiedung des Gesetzes in der Bundestagssitzung vom 23. Mai zu rechnen. Falls der Bundestag die Beschlüsse des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen vom 26. April übernehme, empfehle das Finanz- und Wirtschaftsministerium trotz gewisser Bedenken, keinen Antrag nach Art. 77 Abs. 2  GG zu stellen. Dagegen spreche sich das Landwirtschaftsministerium für die Anrufung des Vermittlungsausschusses aus mit dem Hinweis auf das Votum des Agrarausschusses vom 18. Mai 1951.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths wirft ein, das Wirtschaftsministerium stehe auf dem gleichen Standpunkt wie das Landwirtschaftsministerium. Wenn aber keine Aussicht bestehe, einen Antrag nach Art. 77 Abs. 2 durchzubringen, könnte doch wohl zugestimmt werden, man müsse aber dann versuchen, einen Initiativantrag einzubringen, der nachträglich die Interessen der Landwirtschaft berücksichtige.

Staatssekretär Maag empfiehlt, diese Frage noch in der Vorbesprechung in Bonn zu klären.

Dieser Vorschlag findet die Zustimmung des Ministerrats.19

6. Entwurf eines Zollbegünstigungsgesetzes20

Ministerialrat Leusser teilt mit, Bayern sei mit den Einwendungen gegen diesen Gesetzentwurf, mit denen es vor allem die zu weitgehende Ermächtigung der Bundesregierung beanstandet habe, allein geblieben; lediglich der Rechtsausschuß habe die verfassungsrechtlichen Bedenken Bayerns geteilt.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, zu § 1 Abs. 3 einen Antrag zu stellen, wonach die Worte „mit Zustimmung der Bundesregierung“ hinzugefügt werden sollten.

Ministerialrat Leusser meint, trotzdem bleibe die Ermächtigung bedenklich, vor allem werde sich bei der Sonderumsatzsteuer21 das gleiche wiederholen; jedenfalls müßte man nochmals auf die bayerischen Bedenken hinweisen.

Der Ministerrat beschließt, dem Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten entsprechend zu verfahren und auch die Anregung des Herrn Ministerialrats Leusser zu übernehmen.22

7. Entwurf einer Verordnung über Preise für Milch und Butter23

Ministerialrat Leusser fährt fort, im Koordinierungsausschuß habe sich der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums24 nachdrücklich dafür eingesetzt, der Verordnung entsprechend den Empfehlungen des Agrarausschusses vom 18. Mai zuzustimmen.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths weist auf die großen Bedenken hin, die gegenüber einer Erhöhung des Milch- und Butterpreises bestünden.

Staatssekretär Maag führt aus, über diese Verordnung habe schon eine große Debatte im Agrarausschuß stattgefunden. An sich sei es ein Unding, den Butterpreis heraufzusetzen, nachdem die Butterproduktion an sich schon zu hoch sei. Andererseits sei es gerade für Bayern sehr schwierig, sich den Forderungen der Landwirtschaft zu versagen, zumal ja immer noch der Fettgehalt der bayerischen Milch 3,4% gegenüber nur 2,8% in den übrigen Ländern betrage.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths bezeichnet es als besonders bedenklich, daß jetzt der Butterpreis schon ein halbes Jahr im voraus festgelegt werde.

Staatssekretär Maag erwidert, in erster Linie handelt es sich um den Milchpreis, der tatsächlich nicht mehr zu halten sei. Leider sei bis heute noch nicht geklärt, welchen Standpunkt eigentlich die Gewerkschaften zu der geplanten Preiserhöhung einnehmen würden. Nachdem sich Nordrhein-Westfalen außerordentlich stark für die Erhöhung einsetze, sei es für Bayern fast unmöglich, dagegen zu stimmen.

Staatssekretär Dr. Oberländer wendet sich gegen die beabsichtigte Preiserhöhung von Milch und Butter.

Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, dem Entwurf dieser Verordnung zuzustimmen.25

8. Entwurf einer Verordnung über eine Zählung von Obstbäumen und Beerensträuchern26

9. Entwurf einer Verordnung über besondere Ernteermittlung gem. Art. 80 Abs. 2  GG in Verbindung mit Art. 129 Abs. 1  GG27

10. Bestimmung von vier Verwaltungsratsmitgliedern und vier Stellvertretern für den Verwaltungsrat der Einfuhr- und Vorratsstelle für Fette28

Bedenken werden hier nicht erhoben.

11. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum Ersten Bundestag und zur Ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 194929

Ministerialrat Leusser führt aus, der Initiativantrag des Landes Rheinland-Pfalz (BR.-Drs. Nr. 414/2/51  ) werde vom Bayer. Staatsministerium des Innern befürwortet.30 Dieser Antrag enthalte auch die bayerischen Wünsche, insbesondere die Streichung des 8. Mai 1949 in § 5 Abs. lc des Wahlgesetzes vom 15. Juni 1949. Außerdem werde nach Annahme dieses Gesetzes der Kostenersatz an die Gemeinden für die Durchführung der Bundestagswahlen über die Länder erfolgen, was auch den bayerischen Wünschen entspreche.31

Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.32

12. Entwurf einer Schiffsregisterverfügung33

Es wird beschlossen, dem Entwurf entsprechend den Empfehlungen des Rechtsausschusses vom 10. Mai 1951 zuzustimmen.

13. Entwurf einer Verwaltungsanordnung betreffend Änderung und Ergänzung der steuerlichen Richtlinien zum DM-Bilanzgesetz34

Es wird festgestellt, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt wird, da zunächst noch der Finanzausschuß sich damit befassen müsse.

14. Entwurf einer Dritten Durchführungsverordnung zum Getreidegesetz-Gebührenordnung für die Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel35

Der Ministerrat beschließt, der Dritten Durchführungsverordnung zum Getreidegesetz zuzustimmen.

15. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 195136

Ministerialrat Leusser berichtet, der Koordinierungsausschuß sei der Auffassung, daß man sich dem vom Innenausschuß am 10. Mai 1951 vorgeschlagenen Initiativantrag zu § 14 Abs. 2 anschließen könne; allerdings müsse der Finanzausschuß dazu noch Stellung nehmen.37

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.

Ministerialrat Leusser fährt fort, dazu komme noch ein vom Staatsministerium des Innern formulierter Initiativantrag zur Änderung des § 63. Diese Änderung sei deshalb notwendig, weil hier die Fassung des Gesetzes durchaus unklar sei; auf Grund der bisherigen Bestimmung könnten z.B. alte Nationalsozialisten verlangen, in dieselbe Stellung in einem Ministerium zurückzukehren, die sie schon im Dritten Reich inne gehabt hätten.38

Staatssekretär Dr. Nerreter betont gleichfalls die Notwendigkeit, § 63 Abs. 7 zu ändern, da niemand ein Rechtsanspruch eingeräumt werden könne, wieder untergebracht zu werden. Das Innenministerium schlage deshalb vor, in dieser Bestimmung die Worte „Unterbringung und“ zu streichen und lediglich das Wort „Versorgung“ stehen zu lassen.

Der Ministerrat beschließt, diesem Vorschlag zuzustimmen.39

16. Entwurf eines Gesetzes über eine Sonderumsatzsteuer (Sonderumsatzsteuergesetz)40

Ministerialrat Leusser weist darauf hin, daß dieser Punkt an sich erst auf der Tagesordnung für die Sitzung des Finanzausschusses vom 25. Mai stehe.41 In erster Linie handle es sich hier wohl um eine politische Angelegenheit, die vor der Beratung des Finanzausschusses, die am Freitag stattfinden werde, nicht erörtert werden könne.42

17. Benennung von Mitgliedern zum Verwaltungsrat der Deutschen Siedlungsbank und der Deutschen Landesrentenbank43

Ministerialrat Leusser fährt fort, auch hier handle es sich um einen Punkt der Tagesordnung des Finanzausschusses. Sowohl das Finanzministerium als auch das Landwirtschaftsministerium beabsichtigen, aus ihrem Geschäftsbereich den bayerischen Vertreter zu benennen; die Entscheidung müsse wohl im Ministerrat getroffen werden.

Es wird vereinbart, diesen Punkt bis Mittwoch, den 23. Mai zurückzustellen, da Herr Staatsminister Dr. Schlögl nicht anwesend sei.44

Abschließend wird festgestellt, daß an der nächsten Bundesratssitzung die Herren Staatssekretäre Dr. Koch, Maag und Dr. Ringelmann teilnehmen werden, nachdem der Herr Ministerpräsident selbst an der Sitzung nicht teilnehmen kann.

II. Bundesverfassungsgericht45

Staatssekretär Dr. Koch teilt mit, die Vorschläge für die Richter am Bundesverfassungsgericht müßten nun endgültig bis 31. Mai 1951 dem Bundestag und dem Bundesrat vorliegen. Die Wahl selbst werde voraussichtlich am 18. oder 22. Juni stattfinden.

Von Bayern aus seien nun vorgeschlagen Ministerialrat Leusser, Ministerialdirigent Kallenbach und Ministerialrat Ritterspach,46 außerdem habe nun das Arbeitsministerium Dr. Schieckel47 vorgeschlagen. Er glaube aber nicht, daß dieser in Frage komme, da 1947 ein Dienststrafverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei und er heute noch des Dienstes enthoben sei.48

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich, ob nicht auch Ministerialdirigent Professor Dr. Glum49 vorgeschlagen werden könne, den er persönlich für sehr geeignet halte.50

Staatssekretär Dr. Koch erwidert, es reiche noch, wenn ihm auch dieser Vorschlag bis 31. Mai 1951 mit allen Unterlagen, z.B. Bereitschaftserklärung, Lebenslauf, Fragebogen usw. zugeleitet werde.

Außerdem käme ja noch von bayerischer Seite Dr. Geiger51 in Betracht, der schon Mitglied des Obersten Bundesgerichts sei.

Der Ministerrat erklärt sich mit diesen Vorschlägen einverstanden.52

III. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Landtagswahl, Volksbegehren und Volksentscheid(Landeswahlgesetz)53

Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß die Novelle zum Beamtengesetz immer noch blockiert sei,54 deshalb sei es wohl auch nicht zweck mäßig, das Landeswahlgesetz schon dem Landtag zuzuleiten. Die wesentlichste Änderung sei die Verringerung der Zahl der Abgeordneten. Er halte es für notwendig, diese Frage zunächst innerhalb der Koalitionsparteien grundsätzlich zu erledigen. Vielleicht könnte man sich bei der nächsten Koalitionsbesprechung am Montag, den 28. Mai 1951, darüber unterhalten. In der Zwischenzeit werde er sich nochmals danach erkundigen, wie es mit der Novelle zum Beamtengesetz stehe.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.55

IV. Entwurf eines Gesetzes über die Prüfung der Filmvorführer56

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, daß mit dem Entwurf an sich Einverständnis bestehe und lediglich die Staatskanzlei eine Neufassung des Art. 3 vorgeschlagen habe.57

Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf mit der Maßgabe zuzustimmen, daß die von der Staatskanzlei vorgeschlagenen Änderungen des Art. 3 vorgenommen werden. Ferner wird beschlossen, auch die Begründung zu dieser Bestimmung entsprechend abzuändern.58

V. Landesentschädigungsamt59

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest ein Schreiben des I. Vizepräsidenten des Senats,60 in dem gebeten wird, den Bericht des Justizministeriums zu den Vorgängen im Landesentschädigungsamt auch dem Senat zugänglich zu machen. Er werde diesen Brief an das Justizministerium übermitteln.

Staatsminister Dr. Müller erwidert, der Bericht sei durch den Landtag gedruckt worden, weshalb er seinerseits das Ersuchen des Senats an den Landtag weiterleiten werde.61

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, wie er schon bekanntgegeben habe, sei ihm vom Landeskommissar für Bayern eine an den Hohen Kommissar, Mr. McCloy, gerichtete Beschwerde des Verbands jüdischer Invaliden zugeleitet worden. Nun habe er unmittelbar ein Schreiben von Mr. McCloy bekommen, das er nun verlesen werde. Darin werde Kritik an den Maßnahmen zur Wiedergutmachung in Bayern geübt.

Staatsminister Dr. Zorn führt aus, er habe schon vor Wochen gefordert, daß das Landesentschädigungsamt wieder funktionsfähig werden müsse, eine Forderung, die auch der Herr Ministerpräsident akzeptiert habe, die aber bisher nur ungenügend erfüllt worden sei. Das Schreiben Mr. McCloys sei äußerst unangenehm und er bitte den Ministerrat, sich einzuschalten, damit das Landesentschädigungsamt tatsächlich wieder arbeitsfähig werde.

Staatsminister Dr. Müller erwidert, daß mit Herrn Präsidenten Dr. Zdralek62 bereits ein Übereinkommen erzielt worden sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht Herrn Staatsminister Dr. Zorn, ihm bald den Entwurf eines Antwortschreibens an den Hohen Kommissar zu übermitteln.

VI. Oberste Baubehörde63

Staatssekretär Dr. Nerreter teilt mit, am 18. Mai 1951 habe eine Sachbesprechung stattgefunden, um die Aufgaben der Obersten Baubehörde festzulegen; daran hätten für das Finanzministerium Ministerialrat Dr. Barbarino,64 für das Innenministerium Ministerialdirigent Dr. Böhm,65 Oberbaurat Salisko66 und Regierungsdirektor Dr. Hausner67 teilgenommen. Gemeinsam sei dann ein Beschluß entworfen worden, den er nun verlesen wolle.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths und Staatsminister Dr. Schwalber äußern gegen die Formulierung des Beschlusses erhebliche Bedenken und weisen darauf hin, daß er entgegen dem Willen des Ministerrats doch wieder eine ausschließliche Verantwortung der Obersten Baubehörde für alle Staatsbauten festlege.

Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt zu und stellt fest, es könne keinesfalls so sein, daß die Baubehörde alles selbst zu entscheiden habe, zumal für haushaltswidrige Bauaufträge dann der Ressortminister verantwortlich gemacht werde.

Es wird vereinbart, die Angelegenheit nochmals zurückzustellen und den heute vorgelegten Entwurf nochmals zu überarbeiten.68

VII. Wiedereinführung eines Zuschlags zur Kraftfahrzeugsteuer69

Staatsminister Dr. Zorn führt aus, die zur Verfügung stehenden Mittel aus der Kraftfahrzeugsteuer reichten zur Deckung des für die Instandsetzung und Instandhaltung der Straßen und Brücken erforderlichen Aufwands nicht aus. Es müßten deshalb Mittel und Wege gefunden werden, um das Aufkommen der Kraftfahrzeugsteuer zu erhöhen. Es stehe fest, daß jedenfalls mit Wirkung vom 1. Januar 1946 an ein Zuschlag zur Kraftfahrzeugsteuer nicht mehr erhoben werden dürfe. Es müsse aber überlegt werden, auf irgend eine Weise doch wieder diesen Zuschlag einzuführen, dies könne aber nur im Wege eines Bundesgesetzes erfolgen. Das Finanzministerium habe deshalb einen Gesetzentwurf ausgearbeitet,70 durch welchen die Länder zur Erhöhung eines Zuschlags ermächtigt werden sollten.

In der daraufhin folgenden Aussprache werden überwiegend erhebliche Bedenken gegen den Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Zorn erhoben, wobei vor allem in Frage gestellt wird, ob überhaupt eine Ermächtigung des Bundes zu erhalten sei.

Schließlich wird vereinbart, daß Staatsminister Dr. Zorn zunächst persönlich mit den zuständigen Stellen des Bundes über diese Frage verhandeln solle.

Anschließend begründet Herr Staatsminister Dr. Zorn einen Vorschlag, eine Art Luxussteuer für Sonntagsfahrten einzuführen, von der er sich ein Aufkommen von ca. 40 Millionen DM erwarte.

Da auch dieser Vorschlag auf Bedenken stößt, wird vereinbart, daß das Finanzministerium insoweit beim Bund und durch entsprechende Mitteilungen in der Presse vorfühlen solle.71

VIII. Schulspeisung72

Staatssekretär Maag erinnert daran, daß der Ministerrat vor einigen Wochen grundsätzlich die Notwendigkeit, die Schulspeisung fortzuführen, bejaht habe, ohne daß allerdings eine Klärung über die Kostenfrage erfolgt sei. Die Situation sei dadurch verschärft worden, daß nach einer ihm zugegangenen Mitteilung die Länderfinanzminister am 5. Mai 1951 zu dem Ergebnis gekommen seien, die Schulspeisung sei nicht mehr notwendig. Daraufhin habe das Bundesfinanzministerium die Bewilligung der für diesen Zweck vorgesehenen 10 Millionen DM zurückgenommen.73 Die Folge sei, daß die bayerische Schulspeisung nicht mehr finanziert werden könne, zumal die Bayer. Lagerversorgung, die bisher vorfinanziert habe, dazu nicht mehr in der Lage sei. Eine möglichst umgehende Entscheidung des Ministerrats halte er deshalb für unumgänglich notwendig.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erwidert, es treffe nicht zu, daß in Königstein am 5. Mai 1951 ein derartiger Beschluß gefaßt worden sei, die Länderfinanzminister hätten sich lediglich für einen allmählichen Abbau der Schulspeisung ausgesprochen. Er bitte Herrn Staatssekretär Maag, ihm die Vormerkung seines Ministeriums herüberzugeben, er werde sich also unmittelbar mit dem Bundesfinanzministerium in Verbindung setzen; mehr könne er im Augenblick nicht zusichern.74

IX. Zentralverband der Sterilisierten und Gesundheitsgeschädigten im Bundesgebiet e.V.75

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, dieser Zentralverband beabsichtige, im Sommer eine größere Hilfsaktion durchzuführen und habe ihn gebeten, einem Ehrenausschuß beizutreten, dem prominente Vertreter des Staates, der Kirchen, der Politik, Wirtschaft und Kultur angehören sollten. Er beabsichtige nicht, diesem Wunsch Folge zu leisten, abgesehen davon, daß wohl noch eine eingehende Prüfung der Auswirkungen von Zwangssterilisierungen erforderlich sei. Zunächst müsse wohl die Frage geklärt werden, wer diesen Personenkreis zu betreuen habe.

Staatssekretär Dr. Ringelmann weist darauf hin, daß der Verband einen Gesetzentwurf ausgearbeitet habe, der wohl zum Ziele habe, die Sterilisierten den rassisch, religiös und politisch Verfolgten gleichzustellen. Eine allgemeine Entschädigung in allen Fällen der Sterilisation würde zu einer untragbaren Belastung führen. Diese Frage sei schon früher bei der Behandlung des Entschädigungsgesetzes in Stuttgart besprochen worden, dabei sei der betroffene Personenkreis ausdrücklich im Gesetz nicht behandelt worden, man habe aber ein Sondergesetz auf Länderebene in Aussicht genommen. Am besten sei es wohl, wenn sich das Finanzministerium um ein Gutachten an die Gesundheitsabteilung des Innenministeriums wende und die Äußerung dann der Staatskanzlei zuleite.

Ministerpräsident Dr. Ehard macht darauf aufmerksam, daß auf einen Landtagsbeschluß vom 8. September 1950 hin das Innenministerium, Gesundheitsabteilung, ein Gutachten von bekannten Neurologen eingeholt habe, das nun vor einigen Tagen eingetroffen sei. Jedenfalls sei eine etwaige Betreuung der Sterilisierten Aufgabe der Gesundheitsabteilung und der Fürsorgeabteilung des Innenministeriums.

Abschließend wird vereinbart, daß die Angelegenheit durch Finanz- und Innenministerium gemeinsam behandelt werden solle und der Herr Ministerpräsident jedenfalls kein Protektorat über die Veranstaltungen des Verbands übernehmen werde.76

X. Bayernwerk AG77

Nach eingehender Aussprache wird vereinbart, die Frage der Neubesetzung des Aufsichtsrats der Bayernwerk AG in einer eigenen Kabinettssitzung am Freitag, den 25. Mai 1951, vormittags 11 Uhr, zu besprechen. Dabei wird beschlossen, die Bayer. Staatsregierung bei der Inbetriebnahme des ersten Bauabschnitts der unteren Isar durch Herrn Staatsminister Dr. Zorn vertreten zu lassen.78

XI. Zurückführung von Evakuierten

Staatssekretär Dr. Oberländer berichtet, am 23. Mai werde im Bundesministerium für den Wohnungsbau eine Sitzung stattfinden, auf der Bayern Vorschläge über die Zurückführung von Evakuierten machen solle. Diese Sitzung gehe auf einen entsprechenden Beschluß des Bundestages zurück. Für Bayern bestehe das Problem darin, ob bei der Umquartierung von Heimatvertriebenen auch Evakuierte berücksichtigt werden sollten. Seiner Meinung nach müsse man jeden Weg der Umsiedlung beschreiten und er sei dafür, auch Evakuierte umzusiedeln, wenn für sie Arbeitsplätze vorhanden seien.

Staatssekretär Dr. Nerreter spricht sich dafür aus, Evakuierte nur in ihre ehemalige Heimat zurückzuführen.

Staatssekretär Dr. Oberländer fährt fort, man habe vereinbart, daß die Evakuierten bei der Umsiedlung mit einem gewissen Prozentsatz zu berücksichtigen seien, er habe auch entsprechende Vorschläge ausgearbeitet, für die er aber die Zustimmung des Ministerrats benötige.

Es wird beschlossen, die Vorschläge des Herrn Staatssekretärs Dr. Oberländer grundsätzlich zu billigen und ihm bei den morgigen Verhandlungen in Bonn freie Hand zu lassen.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Karl Schwend
Ministerialdirigent