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Nr. 31MinisterratssitzungDienstag 18. Juni 1946 Beginn: 15 Uhr 25 Ende: 18 Uhr 50
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Arbeitsminister Roßhaupter, Innenminister Seifried, Kultusminister Dr. Fendt, Finanzminister Dr. Terhalle, Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Verkehrsminister Helmerich, Staatsminister für Sonderaufgaben Schmitt, Staatssekretär Dr. Pfeiffer, Staatssekretär Ficker (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Ehard (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialrat Fischer und Oberregierungsrat Dr. Berndt (Oberste Baubehörde im Staatsministerium des Innern; zu Punkt IV Nr. 6 [= XII.] der Tagesordnung).

Tagesordnung:

[I. Aufruf der Bayerischen Staatsregierung zur Entnazifizierung]. [II.] Lebensmittellage in der Pfalz. [III.] Verordnung über den Geschäftsbereich und die Zuständigkeit des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. [IV.] Gesetz über die Verlängerung gewerberechtlicher Fristen. [V.] Gesetz über die Hemmung von Verjährungsfristen und ähnlichen Fristen. [VI. Fronleichnamsprozession]. [VII. Selbstverwaltung der Universitäten]. [VIII. Brennstoffversorgung der Landeshauptstadt München]. [IX. Bericht von Staatsminister Dr. Baumgartner über die Tagung in Hamburg]. [X. Reform der Sozialversicherung]. [XI. 40-Stunden-Woche]. [XII. Umbau des Maximilianeums zum Landtag]. [XIII. Entnazifizierung]. [XIV. Flüchtlingsfragen]. [XV. Radio-Durchsage betreffend Professor Eymer]. [XVI. Raumfrage]. [XVII. Feiertagsregelung]. [XVIII. Wiedergutmachung]. [XIX.] Personalfragen.

[I. Aufruf der Bayerischen Staatsregierung zur Entnazifizierung]

Der Herr Ministerpräsident gibt einleitend bekannt, daß am Samstag, den 22. Juni 1946 vormittags 11 Uhr in der Bayerischen Staatskanzlei eine Pressekonferenz stattfindet, bei der der Aufruf der Bayerischen Staatsregierung über die Entnazifizierung behandelt wird.1 Die Militärregierung habe den Aufruf geprüft und kleine Abänderungen vorgenommen.2 An der Konferenz werden außer der Bayerischen Staatsregierung auch die Parteiführer teilnehmen, die bayerische und ausländische Presse sei dazu eingeladen.3 Ob die Militärregierung auch vertreten sein werde, stehe noch nicht fest.4

[II. Lebensmittellage in der Pfalz]

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, daß am Samstag, den 15. Juni 1946 Oberregierungspräsident Dr. Eichenlaub5 der Regierung von Hessen-Pfalz mit einigen Herren bei ihm gewesen sei, um über die katastrophale Ernährungslage in der Pfalz zu berichten. Nach seiner Mitteilung stürben täglich 3 bis 400 Frauen und Kinder vor Hunger. Verdorbenes Fleisch, das vergraben worden sei, werde wieder ausgegraben und mit Essig behandelt, um es halbwegs genießbar zu machen. Die Bauern hätten, soweit nur irgend möglich, abgeliefert, verfügten aber jetzt selbst über keine Vorräte mehr. Bei der badischen Anilin- und Soda-Fabrik fielen täglich die völlig unterernährten Arbeiter vor Erschöpfung um. Dem amerikanischen Präsidenten Truman seien durch Vermittlung des Papstes Bilder von KZ-lern unmittelbar nach ihrer Befreiung und Pfälzern aus dem Jahre 1946 vorgelegt worden; Präsident Truman solle dabei nicht auseinander gekannt haben, wer nun KZ-ler oder Pfälzer sei. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt dann, er habe sich auf Grund dieses Berichtes entschlossen, anzuordnen, daß sofort 4.000 Zentner Kartoffeln in die Pfalz geschickt würden, da in Bayern bisher noch niemand verhungert sei. Er habe sich angesichts der furchtbaren Situation für verpflichtet gehalten, einzugreifen.6 Außerdem schlage er vor, einen Aufruf zu erlassen für die notleidende Pfälzer Bevölkerung freiwillig Kartoffeln abzuliefern.7 Das Staatsministerium für Ernährung und Landwirtschaft solle diese freiwillige Aktion unterstützen. Im übrigen ersuche er um nachträgliche Genehmigung für seine Verfügung.

Diese Genehmigung wird vom Ministerrat einstimmig erteilt.

Staatsminister Dr. Baumgartner führt aus, daß er selbstverständlich gleicher Ansicht wie der Herr Ministerpräsident sei. Der Pfalz müsse unter allen Umständen geholfen werden. Reichsminister a.D. Dr. Dietrich müsse von der Lage verständigt werden, was er tun werde. Er mache ferner darauf aufmerksam, daß an sich schon alle Kartoffelvorräte aus den Bauern herausgeholt würden, die Aktion müsse also dahin gehen, die Bauern zu veranlassen, freiwillig von ihren Beständen abzuliefern. Er bitte, der Herr Ministerpräsident wolle das Landwirtschaftsministerium beauftragen, eine Aktion einzuleiten, wonach die Bauern bei den Lagerhäusern Kartoffeln abliefern sollten zu dem ausschließlichen Zweck, diese der Pfalz zuzuführen. Im übrigen sei die Lage im Ruhrgebiet ähnlich. Auch dort fielen häufig die Arbeiter vor Erschöpfung um. Bei der letzten Landwirtschaftsberatung in Hamburg8 sei eine Entschließung gefaßt worden, alles Erforderliche für die Ernährung der Bergarbeiter von Seiten der britischen und amerikanischen Zone zu tun. Bisher allerdings seien alle Mittel von der Militärregierung in Berlin abgelehnt worden. Jetzt allerdings könne der Länderrat in Stuttgart bestimmen, daß aus der amerikanischen Zone Lebensmittel gegen Entgelt geliefert würden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner unterstreicht abschließend noch einmal die furchtbare Ernährungslage in der Pfalz und erklärt, daß auch die städtische Bevölkerung in Bayern, vor allem in den kleineren Städten, noch Kartoffeln hergeben könne.9

[III. Verordnung über den Geschäftsbereich und die Zuständigkeit des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten]

Staatsminister Dr. Baumgartner berichtet über die Notwendigkeit dieser Verordnung.10 Es habe sich als erforderlich herausgestellt, die bisherigen Zuständigkeiten genau abzugrenzen und festzusetzen, welche Geschäftsaufgaben von den früheren Reichsstellen auf das bayerische Landwirtschaftsministerium übergegangen seien. Die endgültige Regelung über den Reichsnährstand werde durch die Amerikaner vorgenommen werden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner wendet ein, daß an sich schon die amerikanische Verordnung vom 26. Dezember 1945 die Befugnisse des Reiches auf die Länder übertragen habe.11 Immerhin sei die vorliegende Zuständigkeitsverordnung zweckmäßig.

Staatssekretär Dr. Ehard weist darauf hin, daß es im Hinblick auf die Unmenge von Vorschriften notwendig sei, die Zuständigkeiten genau abzugrenzen.

Staatssekretär Ficker schlägt vor, in die Verordnung eine Bestimmung aufzunehmen, daß bestimmte Paragraphen darin aufgehoben werden, wenn später reichsrechtliche Vorschriften erlassen werden.

Staatssekretär Dr. Ehard hält dies für unnötig, weil das ja überall gelte; wenn ein Reich oder ein Staatenbund zustandekomme, müßten überall neue Vorschriften erlassen werden, weil Reichsrecht dem Landesrecht vorgehe. Es sei nicht gut, das jetzt schon überall im einzelnen einzuschieben.

Staatssekretär Ficker ist der Ansicht, daß ein solcher Vorbehalt überall gemacht werden müsse.

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, daß dieser Vorbehalt an sich schon in der angeführten amerikanischen Verordnung stehe.12 Es sei selbstverständlich, daß bei Abgrenzung der Zuständigkeiten das Reichsrecht gegenüber dem Landesrecht geregelt werde. Diese Abgrenzungen seien jetzt aber noch gar nicht bekannt.

Staatsminister Helmerich stellt fest, daß in diesem Punkte die Lage für alle Ministerien gleich sei.

Die Verordnung wird daraufhin einstimmig angenommen.13

[IV. Gesetz über die Verlängerung gewerberechtlicher Fristen]

Das Gesetz wird nach Verlesung durch den Herrn Ministerpräsidenten einstimmig unverändert angenommen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, daß es ebenso wie die Zuständigkeitsverordnung noch der Zustimmung durch die Militärregierung bedürfe.14

[V. Gesetz über die Hemmung von Verjährungsfristen und ähnlichen Fristen]

Staatssekretär Dr. Ehard berichtet einleitend über das Zustandekommen dieses Gesetzes. Ursprünglich seien die Meinungen geteilt gewesen, insbesondere habe Württemberg und Baden das Gesetz auf Verjährungsfristen beschränkt haben wollen. Schließlich hätten sich aber die württembergischen Vertreter überzeugen lassen, daß es zweckmäßig sei, auch die Hemmung auf Ausschlußfristen auszudehnen.

Nach Verlesung durch den Herrn Ministerpräsidenten wird das Gesetz unverändert angenommen.15

[VI.] Fronleichnamsprozession

Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest ein Schreiben des Herrn Oberbürgermeisters Dr. Scharnagl, wonach den Kabinettsmitgliedern und ihren Angehörigen Gelegenheit geboten werde, von einem Fenster des Rathauses aus die Fronleichnamsprozession zu betrachten.

[VII.] Selbstverwaltung der Universitäten

Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft die Frage der Selbstverwaltung der Universitäten auf. Er glaubt, daß diese wohl erst nach Inkrafttreten der neuen Verfassung geregelt werden könne.16

Staatssekretär Dr. Meinzolt teilt mit, daß die Selbstverwaltung der Universitäten seit langem schon ein Wunsch der Amerikaner sei und er nicht glaube, daß sie von der Verfassung abhängig gemacht werden müsse. Die Verfassung der Universitäten könne nicht mit einer Staatsverfassung verglichen werden. Im übrigen könne man mit nur unwesentlichen Änderungen die alte Verfassung aus der Zeit vor 1933 wieder einführen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner macht darauf aufmerksam, daß eine Verordnung über die Selbstverwaltung durch ihn der Militärregierung vorzulegen sei.

Staatssekretär Dr. Meinzolt erwidert, daß die alte Verfassung von den Nazis außer Kraft gesetzt worden sei17 und daher wohl von selbst wieder aufleben könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner verneint die Möglichkeit, daß etwas von selbst wieder auflebe. Nationalsozialistische Gesetze seien nur insoweit aufgehoben, als sie nationalsozialistischen Geist trügen.18 Es müßte eine Verordnung über die Selbstverwaltung der Universitäten vorgelegt und genehmigt werden. Altes Recht lebe ebenso wie alte Verträge nicht wieder auf. Es habe sich schon verschiedentlich gezeigt, daß Gesetze nicht genehmigt worden seien, die aus der Zeit vor 1933 stammten und von den Nazis außer Kraft gesetzt worden seien. Er ersuche, die Verordnung so rasch wie möglich der Militärregierung zu unterbreiten.19

[VIII.] Brennstoffversorgung der Landeshauptstadt München

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt ein Schreiben des Herrn Oberbürgermeisters Dr. Scharnagl über die Brennstoffversorgung der Stadt München im kommenden Winter bekannt, die darin sehr ungünstig beurteilt werde.20 Dr. Scharnagl habe ihn ersucht, sich einzuschalten. Es werde gefordert, daß von dem Holzeinschlag nur 1/3 Brennholz, 2/3 dagegen Nutzholz sein solle. Das bedeute allein für München einen Holzeinschlag von 600.000 Festmetern. Es bestehe so gut wie keine Aussicht auf Kohlenlieferung. Der Oberbürgermeister schlage weiter vor, daß sich der Länderrat der Angelegenheit annehme in bezug auf Kohle- und Brikettlieferungen. Ferner solle durch Staatszuschüsse der Braunkohlenpreis verbilligt werden. Er habe auch einen entsprechenden Vorstoß bei der Militärregierung unternommen. Allein München benötige mindestens 100.000 to Kohle.

Staatsminister Dr. Baumgartner stellt fest, daß Kohle nur für die Großstädte in Frage komme.

Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß man die bayerische Braunkohle nur für Raumheizung benützen könne. Ministerpräsident Dr. Hoegner regt an, die Frage zunächst der Landesstelle Kohle vorzulegen.

Staatsminister Dr. Terhalle spricht sich für Verhandlungen zwischen Finanz- und Wirtschaftsministerium aus. Man könne im übrigen nicht allein für München argumentieren. Er macht weiter darauf aufmerksam, daß in Stuttgart die Neuordnung der Währungs- und Finanzfrage für den Sommer, spätestens für den Herbst, in Aussicht genommen sei.21 Gleichzeitig stellt er fest, daß nur Kassen-, nicht Defizit-Kredite erlaubt seien.

Es herrscht Übereinstimmung, daß das Wirtschaftsministerium im Benehmen mit dem Finanzministerium und der Landesstelle Kohle berichten solle.

Staatsminister Dr. Baumgartner führt aus, daß das Problem auch in Hamburg behandelt worden sei.22 Die zugezogenen Fachleute hätten dort eine Entschließung gefaßt, daß die britische und die amerikanische Zone alles tun würden, um die Arbeiter im Ruhrgebiet mit mindestens 4.000 Kalorien im Monat zu ernähren. Das sei auch möglich, da es sich ja nur um einige 100.000 Bergleute handle. Die Frage werde noch im Hauptausschuß für Ernährung in Stuttgart behandelt werden.

Staatsminister Roßhaupter berichtet sodann über das Ergebnis der Rundreise einer Kommission aus der amerikanischen Zone zur Feststellung der Lebens- und Arbeitsbedingungen im Ruhrgebiet. Die Kommission habe festgestellt, daß es unter den derzeitigen Umständen nicht verantwortet werden könne, einen Aufruf zur freiwilligen Arbeit im Ruhrgebiet zu erlassen.23 Weiterhin macht er darauf aufmerksam, daß das Bergwerk Marienstein an einen nicht günstig beurteilten Herrn verkauft worden sei. Er ersuche das Finanzministerium, sich darum zu bekümmern.

Staatsminister Dr. Terhalle erwidert, daß bei Marienstein die Möglichkeit des Erwerbs gegeben schien.24 Es habe aber eine Bank dahintergesteckt, die eine Staatsgarantie haben wollte. Inzwischen habe sich auch die Stadt München dafür interessiert. Bei den jetzigen Erwerbern handle es sich um die Gebrüder Maly-Motta,25 die sich an das Bergwerk Marienstein mit dem Angebot herangemacht hätten, ein Zementwerk zu errichten, das die Zuschüsse für das Bergwerk überflüssig machen solle. Anscheinend hätten diese Herren mit dem Angebot Glück gehabt. Er hoffe über Property Control an die oberbayerische Kohlenbergwerks A.G. Hausham heranzukommen, die ohne Zuschüsse nicht auskommen könne.26

Staatsminister Helmerich fragt an, wie es mit der Torfgewinnung27 und der Ausbeutung der Braunkohlenwerke in der Oberpfalz stehe.28 Man könnte dadurch beim Holzeinschlag Einsparungen machen.29

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt, daß die Torfumlage herausgegeben worden sei. Das Soll werde aber nicht erreicht, weil es an den erforderlichen Arbeitskräften mangle.

Staatsminister Roßhaupter weist darauf hin, daß durch die Rückkehr der Kriegsgefangenen Arbeitskräfte zur Verfügung stehen würden.30 Man müsse aber auch damit rechnen, daß später doch auch Arbeitskräfte ins Ruhrgebiet abgegeben werden müßten, da die Militärregierung nur vorläufig erklärt habe, daß eine Abstellung nicht in Frage komme. Wenn sich die Verhältnisse besserten, würde man unter Umständen zu der Abstellung gezwungen.

Staatsminister Dr. Baumgartner regt an, eine Zentralstelle aus Vertretern der verschiedenen Ministerien zu bilden, die sich sofort mit der ganzen Frage beschäftigen sollten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner hat gegen die Schaffung einer solchen Zentralstelle nichts einzuwenden und regt an, sie mit entsprechenden Vollmachten auszustatten.31

Der Vorschlag findet allgemeine Zustimmung.

[IX.] Bericht von Staatsminister Dr. Baumgartner über die Tagung in Hamburg32

Staatsminister Dr. Baumgartner teilt mit, daß sich in Hamburg außer General Clay auch der britische Oberkommandierende in Deutschland, General Robertson, eingefunden habe. Außerdem waren die beiden früheren Minister Dr. Dietrich und Schlange-Schöningen33 anwesend. Die letzteren hätten unzweideutig zum Ausdruck gebracht, daß Deutschland nie ein Agrarstaat sein könne, sondern auf Industrie, Gewerbe und Export angewiesen sei. Die in Hamburg gebildeten Ausschüsse hätten gut gearbeitet bezüglich aller landwirtschaftlichen Fragen wie Kunstdünger, Maschinen, Ersatzteile usw. Staatsminister Dr. Baumgartner verliest daraufhin eine Stellungnahme des Ausschusses in Hamburg zur Frage der Bodenreform. Nach dieser Entschließung sei ein Eingriff in die bestehenden Bodenbesitzverhältnisse notwendig, um neue Siedlungsmöglichkeiten auf dem Lande zu schaffen. Es solle die gesetzliche Grundlage gebildet werden, um das hiefür erforderliche Land pachtweise oder durch entgeltliche Übereignung zu gewinnen. Weiter solle bei den zuständigen Militärregierungen beantragt werden, das frühere Wehrmachtsgelände und aus Parteibesitz beschlagnahmtes Land für Siedlungszwecke endgültig frei zu geben. Darüber hinaus werde in beiden Zonen in kurzer Frist ein Bodenreformgesetz fertiggestellt werden, das die Landabgabe, insbesondere des Großgrundbesitzes regele. Die Vertreter beider Zonen seien jedoch der Auffassung gewesen, daß ein derartiges Gesetz nicht ohne Zustimmung der gewählten Volksvertretung in Kraft gesetzt werden solle. Staatsminister Dr. Baumgartner teilt ergänzend mit, daß der bayerische Ausschuß für Siedlungsfragen als Sofortmaßnahme eine Entschließung gefaßt habe, eine Verordnung über Heranziehung und Verwendung von Grund und Boden zu erlassen. Nach diesem Entwurf stünden sofort aus verschiedenen Quellen ca. 40.000 ha Land zur Verfügung. Das bedeute eine Sofortmaßnahme im Sinne des Hamburger Beschlusses. Darüber hinaus werde ein Bodenreformgesetz vorbereitet.

Im Ministerrat herrscht Einstimmigkeit, daß diese Verordnung der Militärregierung mit dem Hinweis vorgelegt werde, daß ein Bodenreformgesetz in Vorbereitung sei.

[X.] Reform der Sozialversicherung34

Staatsminister Roßhaupter berichtet über die Tagung des Sozialpolitischen Ausschusses in Stuttgart.35 Am 10. Juli 1946 solle dort endgültig die Neuregelung der Sozialversicherung beraten werden.36 Er ersuche, ihm bis spätestens Ende des Monats Abänderungsvorschläge einzureichen, die dann in Stuttgart unterbreitet werden könnten. Der Herr Landwirtschaftsminister habe ihm bereits unverbindliche Vorschläge gemacht. Man könne z. B. daran denken, die Versicherung in der Landwirtschaft auf freiwilliger Basis durchzuführen. Staatsminister Roßhaupter weist darauf hin, daß ihm von Württemberg-Baden und Großhessen vorgeworfen worden sei, daß Bayern das Zustandekommen der Neuregelung aufhalte. Der amerikanische Coordinating Officer37 habe ihm aber gesagt, daß die Staatsregierungen gegen die Reform in der geplanten Art seien, in Bayern sogar einstimmig. Es müsse also die Verbindung zwischen den Vätern des Entwurfes und den Kabinetten mangelhaft sein. Der Offizier habe es als untragbar bezeichnet, daß die Kabinette dagegen wären und die Ausarbeiter des Planes den Anschein erweckt hätten, als ob der Vorschlag den Standpunkt dieser Kabinette darstelle. Neue Vorschläge sollten eingereicht werden. Übrigens seien ja auch Wirtschafts- und Finanzministerium dagegen gewesen. Er bitte daher nochmals, unverzüglich neue Vorschläge einzureichen. Der im Arbeitsministerium gebildete Ausschuß könne dann darüber beraten. Was die Versicherung bei Post und Eisenbahn betreffe, so wollten die Verfertiger des Entwurfes diese nicht herauslassen. Die Militärregierung stehe aber auf dem Standpunkt, daß größere Kassen erhalten bleiben sollten, weshalb er auch den Herrn Verkehrsminister bitte, sich zu äußern. Auf diese Weise werde ein Entwurf Zustandekommen, der den Auffassungen der Regierungen mehr entspreche. Auf alle Fälle müsse ein Kompromiß zustande gebracht werden, da auch die Militärregierung auf die Dauer nicht gestatten werde, daß staatliche Zuschüsse geleistet würden. Die Versicherungen müßten sich selbst erhalten. Auf Grund der gemachten Vorschläge werde dann im Sozialpolitischen Ausschuß in Stuttgart verhandelt werden, worauf eine Besprechung in Berlin beim Kontrollrat folge. Dort würde voraussichtlich nur ein Vertreter zugelassen und zwar Ministerialrat Ernst von Großhessen.38 Es sei nicht möglich, den Entwurf dem zukünftigen Parlament vorzulegen, da die Sache nicht so lange hinausgeschoben werden könne.

Staatsminister Dr. Terhalle betont die Notwendigkeit der Verbindung von Sozialversicherung mit der allgemeinen Finanzwirtschaft des Staates. Er halte den Standpunkt der Militärregierung für verfehlt. Ohne Staatszuschüsse müßten die Beiträge erhöht werden. Man dürfe nicht aufhören, die Einheit aller Finanzwirtschaft zu betonen.

Staatsminister Roßhaupter stellt demgegenüber fest, daß die Beiträge ja nicht einheitlich seien und sich nach dem Lohn abstuften. Bisher sei der Staat mit ein Träger der Sozialversicherung gewesen. Man habe sich ja in Deutschland darauf viel zugute gehalten. Auch er sei aber der Ansicht, daß der Standpunkt der Amerikaner, keinerlei Beziehung des Staates zur Sozialversicherung zuzulassen, falsch sei. Jetzt sei aber die Möglichkeit einer solchen Verbindung wieder gegeben. Daher halte er den vom Herrn Finanzminister aufgegriffenen Punkt nicht für dringlich.

Staatsminister Helmerich äußert Bedenken, daß nun nach dem Entwurf die Beamtenpensionen nicht mehr erhalten bleiben sollten, die ja an sich nach dem Beamtengesetz bestehen bleiben sollten.

Staatsminister Roßhaupter antwortet, daß ihm die Amerikaner gesagt hätten, es sei wohl nicht richtig, die Pensionen aufzuheben. Er werde diese Angelegenheit weiter verfolgen.

[XI. 40-Stunden-Woche]

Daraufhin teilt Minister Roßhaupter mit, daß die Frage der 40-Stunden-Woche ebenfalls in Stuttgart beraten worden sei. Man habe einen Beschluß gefaßt, in allen Industrien, in denen es möglich sei, die 40-Stunden-Woche wieder einzuführen.39 Es werde den Ländern überlassen bleiben, welche Betriebe in Frage kämen, da die Bedeutung der Industrie in den einzelnen Ländern verschieden sei. Bei lebenswichtigen Betrieben fände keine Kürzung der Arbeitszeit statt, z. B. grundsätzlich nicht im Baugewerbe und der Baustoffindustrie. Es gebe übrigens auch Arbeitgeber, die auf die 40-Stunden-Woche geradezu warteten, weil sie dann zwei Tage in der Woche schließen könnten. Man müsse aber auch die Frage der Zulagen für die Arbeiter in Betracht ziehen, die 48 Stunden oder noch mehr zu arbeiten hätten. Es sei ein Vorschlag gemacht worden, auf Kosten derjenigen Arbeiter, die in Zukunft verkürzt arbeiteten, an die anderen besondere Zulagen zu gewähren. Dies erfordere aber Erhebungen, mit denen die Gewerbeaufsichtsbeamten betraut werden sollten.

Staatsminister Dr. Baumgartner stellt dazu fest, daß nach wie vor die politischen Gefangenen um 500 Kalorien im Monat mehr hätten als die übrige Bevölkerung.

Staatsminister Helmerich begründet seinen Standpunkt, daß die 40-Stunden-Woche für Post und Eisenbahn nicht in Frage komme. Außerdem regt er an, durch die Gewerbeaufsichtsbeamten kontrollieren zu lassen, ob nicht unnötige Schwerarbeiterzulagen gewährt würden.

Staatssekretär Ficker fragt an, ob nicht überhaupt eine Staffelung der Lebensmittelzuteilungen richtig sei, also Unterschiede in der Zuteilung für Arbeitende und Nichtarbeitende.

Staatsminister Roßhaupter entgegnet, daß dies in Stuttgart auch angeregt worden sei. Man müsse aber anerkennen, daß man nicht noch weitere Abzüge machen könne.

Staatsminister Schmitt spricht sich für Zuschläge für diejenigen Arbeiter aus, die nicht nur schwerer, sondern auch länger wie andere arbeiteten. Ein gewisser Anreiz sei durch solche Zuschläge sicher gegeben.

Staatsminister Roßhaupter stellt fest, daß diejenigen, die mehr arbeiteten, ja auch mehr bekämen. Abzüge für die Nichtarbeitenden würden aber die Bevölkerung im höchsten Maße aufbringen.

Staatsminister Helmerich teilt mit, daß die angebliche Arbeitsfreudigkeit im russischen Gebiet durch drakonische Strafen, die man nicht mehr billigen könne, erzwungen werde. Bahnbeamte und Angestellte würden häufig wegen reiner Nichtigkeiten zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt, so daß alles maßlos eingeschüchtert sei.

Staatsminister Dr. Baumgartner ist der Ansicht, daß es vielmehr möglich sei, die verschiedenen Kategorien von Versorgten zu ändern. Die Ministerien sollten sich zusammensetzen und Vorschläge machen, die dann in Stuttgart unterbreitet würden.

Staatsminister Roßhaupter gibt noch den Standpunkt der Militärregierung bekannt, wonach eine Entschädigung für entfallene Arbeitszeit eine Lohnerhöhung darstelle. Dem sei entgegengehalten worden, daß diese Herabsetzung ja nur vorübergehend sei. An sich sei ja schon das Preisgefüge längst erschüttert, wovon die Arbeiter am meisten betroffen seien.

[XII.] Umbau des Maximilianeums zum Landtag40

Ministerialrat Fischer und Oberregierungsrat Dr. Berndt von der Obersten Baubehörde im Ministerium des Innern berichten sodann unter Vorlage von Plänen über den geplanten Umbau des Maximilianeums für einen Landtag und danken für den der Obersten Baubehörde erteilten Auftrag. Nach dem Bericht wird das große Stiegenhaus zum Sitzungssaal umgebaut, außerdem werden alle erforderlichen Räume wie Präsidenten-, Regierungsvertreter-, Presse-, Speisezimmer, Bibliothek, Archiv, Küche usw. eingebaut. Die Kosten betragen ungefähr 1/2 Million. Der Umbau, bei dem die Fassade des Maximilianeums unverändert erhalten bleibt, wird bis Ende November abgeschlossen sein.41

Staatssekretär Dr. Pfeiffer macht noch darauf aufmerksam, daß die durch Bombenangriff im Armee-Museum angerichteten Schäden so groß seien, daß es unmöglich in absehbarer Zeit ausgebessert werden könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner dankt den beiden Herren für ihren Bericht, die sich daraufhin entfernen.

[XIII.] Entnazifizierung

Staatsminister Schmitt teilt mit, daß laut Auskunft der Militärregierung alle von dieser ausgestellten Genehmigungen am 1. August 1946 abliefen, womit auch der Artikel 59 des Gesetzes vom 5. März 1946 wegfalle,42 ebenso wie alle nach Gesetz Nr. 843 gebildeten Ausschüsse. Damit gehe die Entnazifizierung restlos in deutsche Hände über. Die Militärregierung sei der Auffassung, daß ein großer Teil der Genehmigungen illegal zustande gekommen sei. Diese müßten ausnahmslos bei den Polizeibehörden abgegeben und ihm zur Vorlage bei der Militärregierung zugeleitet werden. Die vorläufigen Genehmigungen blieben lediglich für im Sicherheits- und Gesundheitsdienst beschäftigte Leute in Kraft; auch die für Personen, die auf dem Gebiet der Ernährung beschäftigt seien, würden aufgehoben. Staatsminister Schmitt fordert sodann, daß die Parteien verpflichtet werden müßten, Vorsitzende, Ankläger und Beisitzer für die Spruchkammern zu benennen, damit diese vervielfacht werden könnten. Bis zum Oktober müßten alle Mitläufer durchgeschleust sein. Bis jetzt seien 130 Spruchkammern eröffnet.44 Diese Zahl müßte aber so schnell wie möglich verdoppelt werden. Sehr hemmend wirkten die kleinen Schwierigkeiten, wie Mangel an Schreibmaschinen, Büromaterial usw. Er ersuche das Ministerium des Innern, sich an die Landräte zu wenden, damit diese die benötigten Gegenstände den Kammern zuwiesen. An die Militärregierung könne erst herangetreten werden, wenn alle deutschen Möglichkeiten ausgeschöpft seien. Dringend notwendig seien aber auch Kraftwagen für die Spruchkammern, besonders für die Ermittler.

Staatsminister Helmerich erwidert, daß die Frage der Kraftwagen ein schwieriges Kapitel sei; wenn Fahrzeuge beschlagnahmt würden, so kämen sie zunächst zu den Amerikanern, die alle brauchbaren für sich behielten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich, ob das von den Amerikanern geforderte Kontingent schon erfüllt sei, was Minister Helmerich verneint, der noch darauf hinweist, daß die Amerikaner eine große Zahl von Wagen in kurzer Zeit zuschanden fahren würden.

Staatsminister Seifried gibt bekannt, daß ihm Jeeps angeboten worden seien. Im übrigen habe er durch Rundschreiben die Landräte veranlaßt, nachzusehen, wo noch Lager von Schreibmaschinen usw. wären, damit sie erfaßt werden könnten. Leider sei das Ergebnis sehr schlecht gewesen. Vielleicht könne man leihweise Schreibmaschinen von Geschäften bekommen. Er werde sich über diese Frage mit Staatsminister Schmitt in Verbindung setzen. Er rege im übrigen an, die Parteiführer zusammenzurufen und sie darauf hinzuweisen, wie wichtig es sei, bei den Wahlreden auf die Durchführung der Entnazifizierung aufmerksam zu machen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft ein, daß die Parteiführer bereits unterrichtet seien, in allen Versammlungen auf die Dringlichkeit der Frage hinzuweisen.

Staatsminister Dr. Baumgartner wünscht, daß sämtliche Ressortministerien den ihnen nachgeordneten Stellen eine Entschließung zuleiten, daß den Spruchkammern alle Unterstützung gegeben werden solle.

Staatssekretär Dr. Pfeiffer erkundigt sich, ob auch die Genehmigungen erlöschen, die für Beamte ausgestellt worden seien.

Staatsminister Schmitt bejaht diese Frage und erklärt, daß darunter auch die Aktion Zebra falle.45 Bis 1. August 1946 müßten alle diese Leute entfernt sein.

Staatsminister Dr. Baumgartner fordert dann, daß die Personen, die bisher zugelassen waren, zuerst behandelt werden.

Staatssekretär Dr. Ehard befürchtet durch die von Minister Schmitt angekündigte Maßnahme einen Zusammenbruch der Tätigkeit der Spruchkammern.

Staatsminister Dr. Baumgartner fragt an, ob Staatsminister Schmitt beabsichtige, weiter Anweisungen über die Dringlichkeit der Fälle zu geben.

Staatsminister Schmitt erwidert, daß alle derartigen Anträge zu ihm kämen und sodann an die Ankläger der Spruchkammer weitergeleitet würden. Das sei z. B. mit sechs vom Finanzministerium vorgelegten Fällen geschehen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, daß das Ministerium für Sonderaufgaben binnen einer Woche einen tüchtigen Verwaltungsbeamten aus irgendeinem Ministerium bekommen müsse. Wenn dies nicht innerhalb dieser Frist gelinge, werde er irgendwo den besten Verwaltungsbeamten herausgreifen und dem Ministerium für Sonderaufgaben zuweisen.46

[XIV.] Flüchtlingsfragen

Staatsminister Seifried teilt mit, daß ein Beschluß über die Erfassung illegal nach Bayern Eingewanderter gefaßt worden und eine entsprechende Anordnung der Militärregierung zugegangen sei. Diese habe aber erklärt, daß eine derartige Vorlage weit über die Autorität des bayerischen Staates hinausgehe. Er habe also kein Zugeständnis erreichen können, so daß die geplante Anordnung über die Anhaltung dieser Einwanderer abgelehnt worden sei.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt demgegenüber fest, daß allerdings im Erlaß der Militärregierung etwas ähnliches vorgesehen gewesen sei.

Staatsminister Seifried berichtet dann über ein vorgeschlagenes Flüchtlingsgesetz. Die Militärregierung habe den beabsichtigten Zusammenschluß der Flüchtlinge auf parteilicher Grundlage verboten.47 Die Vorschläge seien auch sehr weittragend gewesen, so z. B. sollte jeder Flüchtling und entlassene Kriegsgefangene mit der Anmeldung bayerischer Staatsangehöriger werden. Andere Forderungen, wie auf das Wahlrecht, Unterstützung usw. seien bereits geregelt, so daß keine Vordringlichkeit der Frage bestehe. Leider seien Württemberg-Baden und Großhessen viel entgegenkommender, was verständlich sei, nachdem sie nicht so mit Flüchtlingen belastet seien. Im übrigen könne ein solches Gesetz mit so weittragendem Einfluß auf Staat und Wirtschaft nicht aus dem Handgelenk gemacht werden. Darüber müsse der künftige Landtag beschließen. Er schlage deshalb vor, daß der bayerische Vertreter in Stuttgart eine Erklärung abgebe, wonach die Regelung dieser Frage dem Landtag Vorbehalten bleiben müsse; Vorschläge könnten jedoch berücksichtigt werden. Vordringliche Dinge seien bereits durch Verordnung im günstigsten Sinne für die Flüchtlinge geregelt. (Die Erklärung wird von Staatsminister Seifried verlesen). Dieser macht ferner darauf aufmerksam, daß die auf Grund der Potsdamer Beschlüsse Zugewiesenen nicht mit den anderen, die wild hereingekommen seien, verwechselt werden dürften. Auf alle Fälle müsse der Kontrollratsbeschluß über die Rückführung der Evakuierten unbedingt durchgeführt werden.

Staatssekretär Ficker gibt zu bedenken, daß das Schicksal der Flüchtlinge von der allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Entwicklung abhänge. Sie müßten aber so schnell wie möglich assimiliert werden. Ihre Interessen könnten sie in den politischen Parteien und den Gewerkschaften vertreten.

Staatsminister Seifried führt noch aus, daß eigentlich zwei Arten von Flüchtlingspässen geschaffen werden müßten. Er sei aber mit seiner Auffassung nicht durchgedrungen.

Staatsminister Roßhaupter erkundigt sich, ob diese Frage nicht selbständig für Bayern gelöst werden könne.

Staatsminister Seifried wird versuchen, das Verständnis der Militärregierung dafür zu gewinnen.

[XV.] Radio-Durchsage betreffend Professor Eymer

Staatsminister Seifried gibt den Text einer Radio-Durchsage bekannt, die sich mit Professor Eymer, dem Leiter der Frauenklinik,48 beschäftigt und schwerste Vorwürfe gegen ihn als Nationalsozialisten richtet. Er bezeichnet diese Haltung des Rundfunks als untragbar, zumal Professor Eymer nach seiner ursprünglichen Entlassung von der Militärregierung ausdrücklich als Leiter der Frauenklinik wieder zugelassen worden sei.

Ministerpräsident Dr. Hoegner wendet sich entschieden dagegen, daß solche Einzelfälle durch den Rundfunk aufgegriffen werden.

Staatssekretär Dr. Meinzolt berichtet sodann über die Einzelheiten der Wiederzulassung von Professor Eymer und teilt mit, daß einige Leute dadurch in ihren Hoffnungen enttäuscht worden seien. Auch die Militärregierung habe diesen Fall bedauert und sei den Personen, die die Rundfunkerklärung veranlaßt haben, auf der Spur.49

Staatsminister Seifried ist der Ansicht, daß solche Vorwürfe auf die Regierung zurückfielen. Es müßten Mittel und Wege gefunden werden, daß dem Radio die Auflage gemacht werde, sich vorher beim zuständigen Ministerium zu erkundigen.

Staatssekretär Ficker erklärt, daß auch er diese Methode ablehne. Allerdings solle die öffentliche Meinung nicht eingeschränkt werden. Man müsse aber vorher bei den Ministerien nachfragen und erst wenn alle Versuche gescheitert seien, habe man das Recht, sich an die Öffentlichkeit zu wenden.

Staatsminister Dr. Baumgartner gibt dazu bekannt, daß er am 7. Juli 1946 von einer Dienststelle der Militärregierung vorgeladen und in einer sehr unangenehmen Weise von einem Deutschen vernommen worden sei.50 Er habe gegen die Art der Vernehmung protestiert und diesen Vorfall seinem zuständigen Obersten51 gemeldet. Dieser habe ihn dann kommen lassen und ihm im Beisein von drei weiteren Obersten gesagt, daß es nicht ihre Absicht sei, wenn ein Regierungsmitglied so behandelt werde, und sich bei ihm entschuldigt.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt ergänzend fest, daß sich ein Investigator bei mittleren Beamten nach seinem Personalakt erkundigt habe. Er habe diesem Herrn sagen lassen, daß der Ministerpräsident nur dem General Muller unterstehe und niemand anderem.

Staatsminister Schmitt teilt mit, daß die Public Safety außer für Leute in Schlüsselstellungen ihre Tätigkeit eingestellt habe.52

Staatssekretär Dr. Ehard gibt dazu einen Fall bekannt, wo ein Pg. vom Jahre 1931 vom Justizministerium abgelehnt worden sei. Daraufhin sei angerufen worden, warum die Anstellung nicht erfolgt sei. Nachher habe sich herausgestellt, daß die Frau dieses Mannes bei den Amerikanern als Dolmetscherin fungiere.

Staatsminister Schmitt schildert in diesem Zusammenhang einen Fall, wo ein General aus Berlin angefragt habe, warum ein Arzt noch nicht bestätigt wurde. Er habe von dem Fall nichts gewußt. Der Arzt sei zu ihm gekommen, dann habe sich gezeigt, daß er von der Militärregierung abgelehnt worden sei und daher seine Praxis nicht aufmachen könne. Er habe jetzt die Anweisung der Militärregierung erhalten, daß Amerikaner, die in solchen Sachen nachfrügen, unmittelbar an die Militärregierung für Bayern verwiesen werden sollten.

[XVI.] Raumfrage

Staatsminister Seifried berichtet, daß er den Auftrag habe, eine Volkszählung durchzuführen.53 Da das Statistische Landesamt an acht verschiedenen Stellen untergebracht sei, wäre das Problem kaum zu lösen. Er beantrage daher, eine Zentralstelle zu schaffen, um die Frage der Raumbeschaffung überhaupt zusammenzufassen und zu bearbeiten. Man käme sonst in größte Schwierigkeiten.

Staatssekretär Dr. Pfeiffer hält dies für unbedingt notwendig. Eine Lösung sei nur möglich, wenn die Angelegenheit in einer Hand zusammengefaßt werde. Sie gehöre zum Ministerium des Innern.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt Übereinstimmung darüber fest, daß das Ministerium die Sache in die Hand nehme.54

[XVII.] Feiertagsregelung

Staatsminister Seifried macht darauf aufmerksam, daß die Militärregierung an sich in dieser Frage uninteressiert sei. Es solle so verbleiben, wie es bisher in Bayern üblich gewesen sei.55

Ministerpräsident Dr. Hoegner regt an, eine Verordnung über die Feiertage für das ganze Jahr zu machen.

Staatsminister Seifried erwidert, daß ein Entwurf bereits bei der Militärregierung liege und fragt an, wie es mit dem Peter- und Paulstage zu halten sei.56

Staatssekretär Krehle ist der Ansicht, daß dann auch die Bezahlung der Wochenfeiertage generell im Ministerrat geregelt werden solle.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt abschließend fest, daß der Peter- und Paulstag in überwiegend katholischen Gegenden als Feiertag gelten solle, aber ohne Bezahlung für die Werktätigen.57

[XVIII.] Wiedergutmachung

Staatsminister Dr. Terhalle stellt zu diesem Punkt fest, daß die Anträge auf Wiedergutmachung weit über das Beschlossene hinausgingen. Man müsse sich möglichst Zurückhaltung auferlegen. Er weise im übrigen nochmals darauf hin, daß die Militärregierung alle Defizit-Kredite verbiete.58 Wenn die Wiedergutmachungsansprüche sofort befriedigt werden müßten, käme man in große Schwierigkeiten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner äußert sich dahin, daß jeder, der im Dritten Reich nicht befördert wurde, sich als politisch Geschädigter hinstelle. Die Vorschriften müßten streng ausgelegt werden und nur solche Beamte könnten berücksichtigt werden, die wirklich verfolgt und schwer benachteiligt worden seien.

Staatsminister Roßhaupter meint, daß nach Prüfung des Falles auch die Hinterbliebenen von Verstorbenen in Betracht gezogen werden könnten.

Staatsminister Dr. Terhalle stimmt diesem Vorschlag zu, vorausgesetzt, daß es sich um besonders gerechtfertigte Ausnahmefälle handle. Im übrigen weise er nochmals darauf hin, daß die Auszahlung nur dann erfolgen solle, wenn der betreffende Beamte das Geld unbedingt brauche.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erteilt seine Zustimmung.59

[XIX. Personalfragen]

Staatsminister Roßhaupter beantragt, Ministerialrat Dünschede zum Ministerialdirektor zu befördern.60

Nachdem Finanzminister Dr. Terhalle sein Einverständnis erklärt, erhebt sich gegen diese Beförderung kein Widerspruch.

Staatsminister Seifried berichtet über den Fall des Vizepräsidenten der Regierung von Oberbayern, Dr. Balles, und schlägt vor, ihn vorbehaltlich der Genehmigung der Militärregierung zum Vizepräsidenten zu ernennen, nachdem er diese Funktion bereits ein Jahr lang ausübe.

Staatsminister Roßhaupter äußert Bedenken in bezug auf die politische Vergangenheit von Dr. Balles.61

Staatsminister Seifried erwidert, daß er über diesen Punkt bereits dreimal mit Dr. Balles gesprochen und die Sache in Ordnung befunden habe.

Staatsminister Schmitt teilt dazu mit, daß er lediglich für sein Ministerium von den Amerikanern abgelehnt worden sei, jedoch mit dem ausdrücklichen Bemerken, daß er überall anders verwendet werden könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, Dr. Balles die entsprechenden Zulagen zu gewähren, solange er das Amt eines Vizepräsidenten ausübe.

Staatsminister Seifried stimmt dieser Lösung zu und fragt an, ob die ausdrückliche Verleihung des Amtes an ihn erfolgen könne, wenn sich die Möglichkeit dazu ergeben sollte.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich damit einverstanden.62

Der Bayer. Ministerpräsident:
gez. Dr. Wilhelm Hoegner
I.V.
gez. Frhr. v. Gumppenberg
Regierungsrat
Der Leiter d. Bayer. Staatskanzlei:
gez. Dr. Anton Pfeiffer
Staatssekretär