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Nr. 65MinisterratssitzungDonnerstag, 5. Mai 1949

Erklärung des Herrn Staatsministers Dr. Hundhammer im Ministerrat am 5. Mai 19491

Ich habe in dem Kreis der bayerischen Widerstandskämpfer2 eine Darstellung des heutigen Standes der Verhandlungen in Bonn gegeben, die völlig mit dem von Herrn Ministerpräsidenten eingenommenen Standpunkt übereingestimmt hat. In meinen Ausführungen habe ich vor allem über die strittigen Probleme bei den Finanzen und beim Bundesrat, ferner über die Frage der Errichtung von Bundesbehörden in den Ländern und über kulturelle Fragen gesprochen.3 Ich habe erklärt, in der gegenwärtigen Form sei das Grundgesetz nicht annehmbar, die Verhandlungen liefen aber noch weiter und es liege ja auch noch kein endgültiger Text vor. Allerdings mußte ich sagen, wenn das ganze Problem auch noch offen sei, so halte ich doch die Aussichten für eine günstige Lösung nicht für sehr groß. Ich sei aber der Meinung, daß die letzte Entscheidung durch eine Volksabstimmung getroffen werden müsse.

In der anschließenden Diskussion wurde ich gefragt, was bei einer Mehrheit in Bayern für die Ablehnung erfolgen werde. Meine Antwort ging dahin, daß entweder Dokument I durchgeführt werde, wonach bei der Annahme des Grundgesetzes in zwei Drittel der Länder dieses für ganz Westdeutschland bindend sei. Diese Antwort sei überdies auch am Samstag Abend im ersten Bericht im Rundfunk richtig wiedergegeben worden. Ich erklärte weiter, wenn die Alliierten auf Dokument I nicht bestünden, dann werde die Mehrheit in Bayern, die das Grundgesetz abgelehnt habe, wohl zu dem Ergebnis kommen, daß Bayern außerhalb des Bundes bleibe; so wie ja zunächst auch Berlin und die Ostzone außerhalb des westdeutschen Bundes blieben.

Ich glaube, diese meine Darstellung wird doch ein etwas anderes Bild von dem ganzen Hergang geben. Es ist auch meine Meinung, daß man der Äußerung des Herrn von Aretin:4 „Nein zu Bonn heißt Ja zur Monarchie“5 entgegen treten müsse. Mit dieser Erklärung von Aretins habe ich nicht das geringste zu tun. Es wäre verhängnisvoll, die Bonner Frage mit der Monarchie zu verknüpfen,6 vor allem schon deshalb, weil dies von vornherein außerhalb Bayerns aufgegriffen würde, um Bayern zu diffamieren.

Ich wiederhole, daß ich immer wieder gesagt habe, das letzte Wort könne erst gesprochen werden, wenn der endgültige Text vorliegt. Ich könne aber so, wie es jetzt aussehe, für meine Person nicht zustimmen. Dies entspricht doch auch zweifellos der Auffassung des Ministerrats.

5. Mai 1949

Communiqué7

Der Ministerrat hat in seiner Sitzung vom 5. Mai 19498 die Beratungen über das Bonner Grundgesetz fortgeführt9 und abgeschlossen. Die schon bisher aufgestellten Mindestforderungen,10 die vom föderalistischen Standpunkt aus als nicht abdingbar11 erscheinen, wurden erneut festgelegt. Von der Berücksichtigung dieser Mindestforderungen12 bei den Endberatungen des Parlamentarischen Rates muß die Bayerische Staatsregierung ihre endgültige Stellungnahme abhängig machen.

Bei einer Ablehnung ihrer grundsätzlichen Mindestforderungen13 müßte die Staatsregierung der bayerischen Volksvertretung, bezw. dem bayerischen Volke bei einer Volksentscheidung ein Nein empfehlen.14

Nach der gegebenen Sachlage gilt das Grundgesetz als zustande gekommen, wenn es in zwei Drittel der Länder gebilligt wird. In diesem Falle würde das Grundgesetz auch für Bayern verbindliche Kraft erhalten.

Die Bayerische Staatsregierung lehnt jeden Gedanken, diese demokratische Folgerung durchbrechen zu wollen, ab.15

Monarchische Bestrebungen haben mit der grundsätzlichen Einstellung der Bayerischen Staatsregierung zum Bonner Grundgesetz nichts zu tun.16

Der Beschluß dieser Stellungnahme17 des Ministerrates erfolgte einstimmig.18

Grundsätzliche Forderungen19
Der Bayerischen Staatsregierung für die Zustimmung zum Grundgesetz

I. Bundesrat:

Die Mitwirkung des Bundesrates ist erforderlich bei folgenden Gesetzen, bezw. bei der Regelung folgender Gegenstände:

a) bei Enteignungsgesetzen (Art. 14 Abs. 3);

b) bei Sozialisierungsgesetzen (Art. 15);

c) bei Gesetzen, die die Energiewirtschaft betreffen (Art. 36 Ziff. 11);

d) bei der Entsendung von Beauftragten der Bundesregierung zu den Landesbehörden (Art. 112/2 Abs. 3);

e) bei Gesetzen, durch die der Bundesregierung die Befugnis verliehen wird, zur Ausführung von Bundesgesetzen Einzelweisungen zu erteilen (Art. 112/2 Abs. 5);

f) bei der Errichtung bundeseigener Mittel- und Unterbehörden nach Artikel 116 Abs. 3. Hier wäre eine Zweidrittel-Mehrheit der Stimmen des Bundesrates zu fordern. Artikel 116 Absatz 3 Satz 2 wäre demnach zu fassen: Erwachsen dem Bund auf Gebieten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht, neue Aufgaben, so können bei dringendem Bedarf bundeseigene Mittel- und Unterbehörden mit Zustimmung des Volkstages und zwei Drittel-Mehrheit des Bundesrates errichtet werden.

II. Kulturelle Bestimmungen:

Nachdem die kulturellen Fragen in den Grundrechten des Grundgesetzes aufgerollt wurden, muß Bayern auf einer Verankerung des Reichskonkordats, der Verträge mit den Evangelischen Kirchen sowie der Sicherung des Elternrechts in der Verfassung beharren.

III. Finanzwesen:

1.) Auf dem Gebiet des Steuerwesens wird gefordert:

a) Bundesgesetze über Zölle, Finanzmonopole und Steuern (Art. 122a Abs. 3),

b) jedes Haushaltsgesetz (Art. 124),

c) Gesetze über den Finanzausgleich (Art. 122b Abs. 2) bedürfen eines übereinstimmenden Beschlusses des Volkstages und Bundesrates.

2.) Die Zuweisung des gesamten Umsatzsteuer-Aufkommens an den Bund wird abgelehnt (Art. 122b Abs. 1).

Der völlige Ausschluß der Länder von der Umsatzsteuer ist umso unbilliger, als der für eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse unabweisbare Abbau des Steuerdruckes aller Voraussicht nach in erster Linie die Einkommen- und Körperschaftsteuer einschließlich der Lohnsteuer treffen wird, die alsdann die einzige große Steuerquelle der Länder darstellt. Daß der Bund zum Ausgleich der Inanspruchnahme des gesamten Umsatzsteuer-Aufkommens Aufgaben auf dem Gebiete der Kriegsfolgelasten zusätzlich übernimmt, bietet keinen Ausgleich, weil sich diese Aufgaben im Laufe der nächsten Jahre abbauen werden, während bei Erholung der wirtschaftlichen Verhältnisse mit einem zunehmenden Ertrag der Umsatzsteuer zu rechnen ist (Art. 138 c–5).

3.) Die Beteiligung des Bundes an dem Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer einschließlich Lohnsteuer wird abgelehnt.

Eine teilweise Inanspruchnahme des Steueraufkommens durch den Bund zur Gewährung von Zuschüssen an die Länder zur Deckung von Ausgaben auf dem Gebiete des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des Wohlfahrtswesens ist völlig unannehmbar (Art. 122b Abs. 3). Eine solche Zuschußgewährung wird erfahrungsgemäß zur Einflußnahme des Bundes auf die einschlägigen Länderverwaltungen führen.

Falls Umstände eintreten sollten, die den Bund zwingen, zur Erfüllung seiner Aufgaben Anteile dieser Steuern in Anspruch zu nehmen, darf das nur auf Grund eines Bundesgesetzes geschehen, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf (vergleiche III b).

4.) Die Umsatzsteuer muß unter allen Umständen von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden (Art. 123), weil die Veranlagung der Umsatzsteuer durch andere Behörden als diejenigen, die die Einkommen- und Körperschaftsteuer verwalten, sachlich unmöglich ist.

Artikel 122 b muß folgendermaßen lauten:

(1) Die Zölle, der Ertrag der Monopole, die Verbrauchssteuern mit Ausnahme der Biersteuer, die Beförderungssteuer und die einmaligen Zwekken dienenden Vermögensabgaben fließen dem Bunde zu.

(2) Die Biersteuer, die Verkehrsteuer mit Ausnahme der Beförderungsteuer, die Umsatzsteuer, die Einkommen- und Körperschaftsteuer, die Erbschaftsteuer, die Realsteuern und die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis fließen den Ländern und nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zu.

(3) Der Bund kann zur Deckung seiner durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben durch Bundesgesetz Teile des Aufkommens der Umsatzsteuer und der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Anspruch nehmen. Das Bundesgesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrats, die bei Inanspruchnahme eines Teiles der Einkommen- und Körperschaftsteuer drei Viertel der Stimmen des Bundesrats erfordert.

(4) Um die Leistungsfähigkeit auch der steuerschwachen Länder zu sichern und eine unterschiedliche Belastung der Länder mit Ausgaben auszugleichen, kann bestimmt werden, daß ein Teil des Aufkommens der Einkommen- und Körperschaftsteuer der steuerstarken und geringer belasteten Länder für Zuschüsse an die ausgleichsberechtigten Länder in Anspruch genommen wird. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf.

IV. Verschiedenes:

1.) Auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung ist die Zuständigkeit des Bundes „für die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung“ zu streichen.

2.) Vermögen des Reiches, das den Ländern durch Gesetze der Militärregierung zugewiesen wurde oder wird und nicht für Verwaltungszwecke des Bundes benötigt ist, muß den Ländern verbleiben.

Dies gilt auch für in den Ländern belegene Vermögensgegenstände, die mittelbares Reichsvermögen sind (Art. 143e Abs. 3).