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Nr. 73Außerordentliche Ministerratssitzung anläßlich des Ablebens des Herrn Staatsministers Dr. Ludwig HagenauerMittwoch, 20. Juli 1949 Beginn: 15 Uhr 15 Ende: 17 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Finanzminister Dr. Kraus, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Oberste Baubehörde), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium).

Entschuldigt:

Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).1

Tagesordnung:

[I. Gedenken an den verstorbenen Staatsminister Dr. Hagenauer]. [II. Beantwortung der Interpellation der SPD zur Arbeitslosigkeit]. [III. Verkaufsstellen für Flüchtlinge in Lagern].

[I. Gedenken an den verstorbenen Staatsminister Dr. Hagenauer]

Ministerpräsident Dr. Ehard schildert zunächst den Lebenslauf des verstorbenen Herrn Staatsministers Dr. Hagenauer2 und würdigt sodann in längeren Ausführungen die Verdienste des Verstorbenen als hoher Justizbeamter und als Minister für politische Befreiung.3 Es sei im wesentlichen sein Verdienst, daß die Entnazifizierung aus einer politisch vergifteten Atmosphäre in das Stadium der sachlichen Arbeit übergeführt worden sei.

Anschließend werden die Einzelheiten über die Beisetzungsfeierlichkeiten besprochen und beschlossen, daß in der Aussegnungshalle des Waldfriedhofs eine feierliche Trauerkundgebung abgehalten werden solle, auf der der Herr Ministerpräsident und die Herren Ministerialdirektoren Dr. Konrad und Sachs das Wort ergreifen sollen.4

Ferner wird beschlossen, daß an der Beisetzung in der Heimat des verstorbenen Herrn Staatsministers, Retzbach bei Würzburg, die Herren Staatsminister Dr. Müller und Dr. Ankermüller teilnehmen sollen.

Anschließend wird dann die Programmgestaltung im einzelnen, die Abfassung der Todesanzeigen usw. besprochen.5

[II. Beantwortung der Interpellation der SPD zur Arbeitslosigkeit]

Staatsminister Dr. Seidel gibt anschließend noch bekannt, daß die Fraktion der SPD in der nächsten Landtagssitzung eine Interpellation wegen der Arbeitslosigkeit einbringen wolle,6 in der die Regierung befragt werde, was sie gegen die steigende Arbeitslosigkeit zu tun gedenke.7 Außerdem werde an die Regierung die Frage gerichtet, ob sie die Politik der Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt billige, die eine so große Zahl von Arbeitslosen hervorgerufen habe. Diese Interpellation müsse gemeinsam von den Ministerien des Innern, der Finanzen, für Wirtschaft und für Arbeit und Soziale Fürsorge bearbeitet werden.

Da der Herr Ministerpräsident bei der nächsten Landtagssitzung nicht anwesend sein könne, müsse die Interpellation durch den Herrn stv. Ministerpräsidenten beantwortet werden. Er selbst habe schon den Auftrag gegeben, daß sein Ministerium mit den anderen beteiligten Ministerien die Verbindung aufnehme und entsprechendes Material sammle.8

[III. Verkaufsstellen für Flüchtlinge in Lagern]9

Staatsminister Dr. Kraus teilt sodann mit, die bereits im letzten Ministerrat besprochene Einrichtung von Verkaufsstellen für Ausgewiesene außerhalb der Lager durch die Organisation Steffen habe nun dazu geführt, daß der Einzelhandel im Regierungsbezirk Oberpfalz/Niederbayern sich mit dem Gedanken an einen Steuerstreik getragen habe. An sich habe sich diese Angelegenheit wieder beilegen lassen, die Erregung in den beteiligten Kreisen sei aber nach wie vor sehr hoch.

Staatssekretär Dr. Schwalber erwidert, bei einer Sitzung, die vor kurzem stattgefunden habe, habe er folgende Vorschläge gemacht:

1. Sämtliche Regierungspräsidenten sollen angewiesen werden, eine weitere Ausdehnung dieser Verkaufsstellen zu unterbinden;

2. man müsse versuchen, die Verkaufsstellen wieder in die Lager zurückzuverlegen;

3. es sei die Möglichkeit zu prüfen, ob die Organisation Steffen nicht den Groß- bzw. Einzelhandel mit der Ausgabe der Waren betrauen könne;

4. der Verkauf müsse unter allen Umständen auf 18000 Personen beschränkt bleiben.

Im übrigen werde in den nächsten Tagen eine Sitzung stattfinden, an der die Vertreter des Staatsministeriums des Innern, des Staatssekretariats für das Flüchtlingswesen, des Hauptausschusses für Flüchtlinge und des Groß- und Einzelhandels teilnehmen würden.10

Staatsminister Dr. Kraus erklärt nachdrücklich, die Sache müsse unter allen Umständen bald beigelegt werden und er bitte dringend, zu der beabsichtigten Besprechung auch das Wirtschaftsministerium beizuziehen.11

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
In Vertretung
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister