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Nr. 83MinisterratssitzungDienstag, 19. Februar 1952 Beginn: 9 Uhr Ende: 12 Uhr 15
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Dr. Müller, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat von Miller1 (Oberste Baubehörde) bei der Besprechung des Punktes I, Staatssekretär a.D. Dr. Konrad2 (Präsident des Obersten Landesgerichts), Ministerialdirigent Rössner,3 Ministerialrat Dr. Baer4 (Bayer. Staatskanzlei) und Regierungsdirektor Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei) bei der Besprechung des Punktes III.

Entschuldigt:

Staatsminister Dr. Oechsle.

Tagesordnung:

I. Sozialer Wohnungsbau. II. Bundesratsangelegenheiten. III. Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den höheren Justiz- und Verwaltungsdienst. IV. Verwaltungsabkommen über die Abrundung von Jagdbezirken an innerdeutschen Landesgrenzen zwischen den Ländern Bayern und Württemberg-Baden. V. Entwurf einer Verordnung über die Umgliederung von Teilen der gemeindefreien Forstbezirke Zerzabelshof und Forsthof (Landkreis Nürnberg), Kraftshof (Landkreis Erlangen) und Eibach (Landkreis Schwabach) in die Stadt Nürnberg. VI. Entwurf einer Verordnung über Neubildung einer Gemeinde Gröbenzell im Landkreis Fürstenfeldbruck. VII. Entwurf einer Verordnung über die Umgliederung von Teilen des gemeindefreien Forstbezirks Hauptsmoor (Landkreis Bamberg) in die Stadt Bamberg. VIII. Ergänzung zum Haushalt des Bayer. Obersten Rechnungshofes für 1951. IX. Antrag des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus auf vorgriffsweise Genehmigung der im ao. Haushalt 1951 vorgesehenen Haushaltsmittel für den Neubau der Stickereifachschule in Naila. X. Personalangelegenheiten. XI. Hagelpflichtversicherung. XII. Parlamentarischer Ausschuß zur Untersuchung der Vorgänge im Landesentschädigungsamt (Auerbach-Ausschuß). XIII. Öffentliche Sammlung zu Gunsten des Wiederaufbaues der Insel Helgoland. XIV. Kehlsteinhaus. XV. Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten. XVI. [Fall Otto Straßer]. [XVII. Fall Kroupa]. [XVIII. Schirmherrschaft über Ausstellungen]. [XIX. Friedhof auf dem Leitenberg]. [XX. Verordnung Nr. 106 über die Aufgaben des Bayer. Bauernverbands]. [XXI. Bewilligung von Mitteln für die Stärkung des demokratischen Gedankens].

I. Sozialer Wohnungsbau5

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt einleitend fest, daß im Jahre 1951 rund 40000 Wohnungen gefördert worden seien, während es 1952 wohl nur möglich sein werde, 20-25000 Wohnungen zu fördern. Die Hauptgründe dafür seien der Wegfall der Mittel aus der Hypothekengewinnabgabe und die Kürzung der Soforthilfemittel.

Ministerialrat von Miller führt aus, aus der Hypothekengewinnabgabe und der Soforthilfe seien für den sozialen Wohnungsbau in Bayern 1951 138,7 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden, während jetzt insgesamt aus diesen Mitteln nur mehr 65,6 Millionen DM zugeteilt würden. Dabei hätten alle Länder, einer Zusicherung des Herrn Bundesministers Wildermuth6 vertrauend, diese Gelder schon verplant, Bayern in Höhe von 30 Millionen DM. Vielleicht werde es doch möglich sein, bei der dritten Lesung des Lastenausgleichsgesetzes7 den Versuch zu machen, die Beträge zu erhöhen, das sei aber leider nur eine geringe Aussicht.

Insgesamt ständen für 1952 folgende Mittel zur Verfügung:

Eigene Haushaltsmittel (einschl. Lotterie) 30,3 Mill. DM
Bundeshaushaltsmittel 19,55 Mill. DM
Ersatz für die Umstellungsgrundschulden 44,- Mill. DM
Soforthilfemittel 21,6 Mill. DM
zusammen also 115,45 Mill. DM

gegenüber 194,10 Millionen DM im Jahre 1951. Außerdem weise er darauf hin, daß ein Vorgriff auf die Bundesmittel in Höhe von 15 Millionen DM bereits verplant sei, damit sei also der Wohnungsbau im Jahre 1952 vorbelastet.

Für die Binnenumsiedlung seien 13 Millionen DM, für Lagerauflösung 10 Millionen DM vorgesehen; dazu kämen noch die Mittel für die Bergarbeiterwohnungen, die sogenannten Vergleichsbauten und Sanierungen in Höhe von insgesamt 8,7 Millionen DM.

Staatssekretär Dr. Oberländer wirft ein, allein für Reparaturen der Lager seien in Jahre 1952 20 Millionen DM erforderlich. Er halte es für unverantwortlich, die bescheidenen zur Verfügung stehenden Mittel dafür zu verwenden.

Auf Frage von Herrn Staatsminister Dr. Seidel erwidert Staatssekretär Dr. Oberländer, wenn die für die Reparaturen bestimmten Gelder für die Auflösung der Lager verwendet werden könnten, werde es möglich sein, den größten Teil dieser Lager aufzulösen.

Ministerialrat von Miller macht noch darauf aufmerksam, daß diese 20 Millionen DM eigentlich nicht von Minister Wildermuth, sondern vom Bundesfinanzministerium hergegeben werden müssen.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es für höchst unzweckmäßig, in die Lager nochmals 20 Millionen DM hineinzustecken und spricht sich dafür aus, zusätzliche Mittel für die Lagerauflösung zu verwenden. Wenn der Bund schon dafür Gelder hergebe, so sei es wirklich nur richtig, diese auch zweckentsprechend zu verwenden.

Ministerialrat von Miller fährt fort, Bundesminister Wildermuth habe mitgeteilt, es bestehe noch Aussicht, daß der Bund weitere 100 Millionen DM zur Verfügung stelle, wovon allerdings voraussichtlich 50 Millionen DM im Zusammenhang mit dem sogenannten Prämiengesetz8 abgezweigt würden. Die anderen 50 Millionen DM würden aber angeblich den Aufnahmeländern für die Umsiedlung zugeteilt, so daß aber auch hier für Bayern kaum etwas zu erwarten sei. Praktisch könne man also nur mit 115,45 Millionen DM für den eigentlichen sozialen Wohnungsbau rechnen. Was den Vorgriff auf 1952 betreffe, so sei es notwendig geworden, diese 15 Millionen DM für Bauvorhaben zu verplanen, die bereits baureif gewesen seien; allerdings sei noch nichts ausbezahlt worden, die Auszahlungen würden auch erst ab 1. April 1952 beginnen.

Staatsminister Dr. Seidel erklärt, was die Freigabe der Holzpreise betreffe, eine Frage, die im letzten Ministerrat angeschnitten worden sei, so könne er mitteilen, daß er dem Bundeswirtschaftsministerium geschrieben habe, er sehe sich außerstande, die festgesetzten Preise einzuhalten.9 Es seien dann Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums nach München gekommen, die sich überzeugt hätten, daß sein Standpunkt richtig sei. Allerdings sei zu bedenken, daß die Weltmarktpreise für Holz im Sinken begriffen seien und verschiedene europäische Länder sich bereit erklärt hätten, Holz in größerer Menge nach Deutschland zu liefern. Er glaube also nicht, daß auf die Dauer die Staatsforsten von einer Freigabe große Gewinne hätten.

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß Bayern aus eigener Kraft nicht mehr aufbringen könne, dabei sei noch gar nicht in Betracht gezogen, daß das Bundesfinanzministerium eine Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 27% auf 40% fordere,10 das bedeute nicht weniger als einen Ausfall von 186 Millionen DM.

Staatsminister Dr. Seidel wirft noch ein, dabei müsse man wohl auch berücksichtigen, daß es höchst zweifelhaft sei, ob sich das günstige Steueraufkommen von 1951 im Jahre 1952 fortsetzen werde.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß also mindestens 50 Millionen DM für den Wohnungsbau fehlten, man müsse versuchen, weitere Mittel vom Bund zu erhalten. Er bitte den Herrn Landwirtschaftsminister um Auskunft, ob wenigstens mit den 30 Millionen DM aus den Erträgen der Staatsforsten sicher gerechnet werden könne?

Staatsminister Dr. Schlögl bejaht diese Frage.

Staatssekretär Dr. Oberländer teilt mit, Niedersachsen verlange eine Erhöhung der Bundesmittel von 350 auf 450 Millionen DM, die Bayern und Niedersachsen zugute kommen solle. Er schlage vor, diesen Protest zu unterstützen und alle bayer. Abgeordneten im Lastenausgleichsausschuß entsprechend zu unterrichten. Eine zweite Möglichkeit bestehe darin, auf der Tagung des Hauptamtes für Soforthilfe11 am 29. Februar den Versuch zu machen, etwas zu erreichen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt sich damit einverstanden und bittet dann den Herrn Finanzminister, sich mit der Obersten Baubehörde noch in Verbindung zu setzen, insbesondere auch wegen des Vorgriffs von 15 Millionen DM.

Ministerialrat von Miller führt weiter aus, bei einer Besprechung am 6. Februar 1952 seien alle Länder mit Ausnahme von Niedersachsen gegen Bayern aufgetreten, die Übernahmeländer hätten dabei erklärt, mit nur 150 Millionen DM könnten sie die restlichen Umsiedler nicht übernehmen. Alle Länder hätten behauptet, jedenfalls gehörten die 150 Millionen DM unbedingt ihnen; es müsse ferner auch eine sogenannte Gleitklausel eingeführt werden, wonach bei einer Erhöhung der Kosten von 6000 auf 8000 DM pro Person weitere Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden müßten. Niedersachsen habe das bestritten und diese Klausel abgelöst; auch er sei unbedingt dafür, sich dem Protest Niedersachsens anzuschließen.

Staatssekretär Dr. Oberländer verliest in diesem Zusammenhang ein Schreiben des Ministers Albertz12 von Niedersachsen, in dem der Wegfall der Gleitklausel oder zusätzliche Bundesmittel verlangt würden, die sonst dem Wohnungsbau zur Verfügung stehen würden. Auch er spreche sich dafür aus, sich diesem Schritt Niedersachsens anzuschließen, allerdings müsse er davor warnen, die Umsiedlung zu Fall zu bringen. Er schlage vor, zu fordern, daß die Mittel für die Gleitklausel keinem Fonds entnommen würden, der sonst für den Wohnungsbau zur Verfügung stehe und ferner, daß die 50 Millionen DM gesondert eingesetzt werden müßten. Davon müsse Bayern seine Zustimmung abhängig machen.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird beschlossen, so zu verbleiben.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht noch, die beteiligten Ministerien möchten in dieser so bedeutsamen Sache ständig Verbindung halten.

Abschließend ersucht Staatsminister Zietsch um die Zustimmung des Kabinetts, daß unter keinen Umständen der vom Bundesministerium verlangten Erhöhung der Interessenquote auf 40% zugestimmt werden könne. Es sei undiskutabel [sic!] über 35% hinauszugehen.

Der Ministerrat beschließt, diesen Standpunkt einzunehmen.13

II. Bundesratsangelegenheiten

1. Vermittlungsausschuß

Der Ministerrat beschließt, die Vertretung Bayerns in der Sitzung des Vermittlungsausschusses vom Freitag, den 22. Februar Herrn Staatssekretär Dr. Ringelmann zu übertragen.

2. Richterwahlausschuß14

Es wird vereinbart, daß an der vorbereitenden Sitzung des Richterwahlausschusses am 21. Februar 1952 Herr Staatssekretär Dr. Koch teilnimmt.15

3. Bundesverfassungsrichter Dr. Roediger16

Staatssekretär Dr. Koch teilt mit, am 21. Februar werde Dr. Roediger im Prozess Rademacher in Nürnberg vernommen, er werde sofort das stenografische Protokoll der Vernehmung erhalten. Wenn tatsächlich Dr. Roediger belastet werde, müsse wohl dessen Wahl zum Bundesverfassungsrichter angefochten werden, allerdings glaube er noch nicht so ohne weiteres, daß die Behauptungen Rademachers zutreffend seien.

4. Handelspolitischer Beirat des Bundestags

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, Ministerialdirektor Leusser habe berichtet, Bayern habe die Möglichkeit, einen Nachfolger für den verstorbenen Staatsrat Rattenhuber17 in den handelspolitischen Beirat des Bundestags zu entsenden.

Der Ministerrat erklärt sich mit dem Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Seidel, einen Herrn des Wirtschaftsministeriums zu benennen, einverstanden. Der Name wird vom Wirtschaftsministerium noch bekanntgegeben.

5. Zuständigkeit im Rechtshilfeverkehr mit dem Auslande in Strafsachen18

Der Ministerrat fasst nach kurzer Aussprache folgenden Beschluß:

1. Ministerialrat Dr. Rösch19wird ermächtigt, die vorgesehene Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen betreffend Zuständigkeit im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in Strafsachen zu unterzeichnen.

2. Er wird beauftragt, gleichzeitig zu Protokoll eine Erklärung abzugeben, wonach die Unterzeichnung seitens der Bayer. Staatsregierung mit dem ausdrücklichen Vorbehalt erfolgt, daß Bayern an der von ihm bisher vertretenen Rechtsauffassung auch für die Folge festhalte. In der Unterzeichnung liege daher keine Anerkennung der Rechtsauffassung, daß es sich bei den auf Grund der Vereinbarung von den Landesregierungen im Bereich des Rechtshilfeverkehrs mit dem Ausland in Strafsachen wahrzunehmenden Befugnissen um solche des Bundes handelt.20

III. Ausbildungs- und, Prüfungsordnung für den höheren Justiz- und Verwaltungsdienst21

Staatsminister Zietsch stellt fest, das Finanzministerium könne sich noch nicht äußern, da es bei der letzten Besprechung nicht zugezogen worden sei, während Staatsminister Dr. Müller Bedenken wegen der Heimkehrer anmeldet. Er glaube übrigens, daß die Angelegenheit nicht allzusehr eile.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, ihm liege daran festzustellen, wo die Schwierigkeiten lägen und wie sie geklärt werden könnten. Es handle sich doch in erster Linie darum, ob der alte bayerische Staatskonkurs wieder eingeführt werden solle oder nicht.

Präsident Dr. Konrad stellt fest, daß für Spätheimkehrer und Kriegsteilnehmer in weitem Umfang Ausnahmen vorgesehen seien, insbesondere in §55.

Staatsminister Dr. Müller antwortet, nach Meinung der Heimkehrer genügten diese Ausnahmen aber nicht, diese forderten eine längere Bearbeitungszeit der Aufgaben, Zulassung zur mündlichen Prüfung unabhängig von der schriftlichen Prüfung usw.

Präsident Dr. Konrad erklärt, unterstützt von Ministerpräsident Dr. Ehard, daß diese Forderungen doch zu weit gingen, im übrigen seien ja auch in §56 besondere Ausnahmen vorgesehen, diese könnten aber nicht einfach generell gefordert werden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, es gehe jedenfalls nicht wie der Herr Justizminister meine, die ganze Angelegenheit auf ein Jahr zurückzustellen.

Präsident Dr. Konrad fügt hinzu, an sich sei beabsichtigt, sie bis zur nächsten Prüfung im März in Kraft treten zu lassen.

Staatssekretär Dr. Koch macht darauf aufmerksam, daß die Konferenz der Justizminister beschlossen habe, im Weg der Vereinbarung eine einheitliche Prüfungsordnung durchzuführen, dafür könnte die bayer. Regelung Vorbild sein. Seiner Meinung nach könne man jetzt endgültig abschließen.

Präsident Dr. Konrad betont, in der vorletzten Ministerratssitzung seien eigentlich nur vier Punkte strittig gewesen, die nun berücksichtigt worden seien. Er verweise dabei z.B. auf die neue Notentabelle, die er vorgelegt habe.

Staatssekretär Dr. Koch regt an, noch eine Abschlußbesprechung anzusetzen, auf der dann auch endgültig der Zeitpunkt des Inkrafttretens beschlossen werden könnte.

Staatssekretär Dr. Ringelmann meint, eine Referentenbesprechung habe wenig Sinn, er schlage deshalb ein kleines Gremium vor, bestehend aus den Herren Staatssekretären Dr. Koch, Dr. Nerreter, Herrn Präsident Dr. Konrad, Herrn Staatsrat Dr. Kollmann22 und ihn selbst. Anschließend könne dann eine endgültige Vorlage an den Ministerrat gegeben werden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner regt noch an, dazu auch Vertreter des Kultus- und Wirtschaftsministeriums zuzuziehen, während Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht, auch Ministerialrat Dr. Baer von der Bayer. Staatskanzlei einzuschalten.

Staatsminister Dr. Seidel spricht sich noch dafür aus, auch die Vorschläge des Landesverbands der Bayer. Industrie zu berücksichtigen, worauf Präsident Dr. Konrad zusichert, das zu tun.

Der Ministerrat beschließt, möglichst noch im Laufe der Woche die angeregte Besprechung abzuhalten.23

IV. Verwaltungsabkommen über die Abrundung von Jagdbezirken an innerdeutschen Landesgrenzen zwischen den Ländern Bayern und Württemberg-Baden24

Staatsminister Dr. Schlögl ersucht, dem Verwaltungsabkommen zuzustimmen, das von keiner besonderen Bedeutung sei und lediglich die jagdlichen Verhältnisse in einigen kleineren Enklaven regeln solle.

Staatssekretär Dr. Nerreter fügt hinzu, von Seiten des Innenministeriums bestünden keine Bedenken.

Der Ministerrat beschließt, der Unterzeichnung des Abkommens zuzustimmen.25

V. Entwurf einer Verordnung über die Umgliederung von Teilen der gemeindefreien Forstbezirke Zerzabelshof und Forsthof (Landkreis Nürnberg), Kraftshof (Landkreis Erlangen) und Eibach (Landkreis Schwabach) in die Stadt Nürnberg26

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß gegen diese Verordnung Einwendungen wohl nicht zu erheben seien, immerhin scheine das rückwirkende Inkrafttreten der Verordnung etwas bedenklich zu sein.27 Außerdem halte er es für nicht notwendig, Änderungen von Gerichtsbezirken in der Umgliederungsverordnung zu verfügen, da diese vom Staatsministerium der Justiz ohne Genehmigung des Landtags verordnet werden könnten; es sei deshalb wohl richtig, den Abs. 3 des §2 zu streichen.28

Staatsminister Zietsch regt an, im § 5 des Entwurfs noch aufzunehmen, daß der Erlaß von Vollzugsvorschriften im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen erfolgen solle, wie dies auch schon in früheren Fällen geschehen sei.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich mit den beantragten Änderungen einverstanden.

Der Ministerrat beschließt daraufhin, dem Entwurf der Verordnung zuzustimmen, mit der Maßgabe, daß der Abs. 3 des §2 gestrichen wird und §5 folgende Fassung erhält:

„Etwaige zur Durchführung dieser Verordnung notwendige Vollzugsvorschriften erläßt das Staatsministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen.“29

VI. Entwurf einer Verordnung über Neubildung einer Gemeinde Gröbenzell im Landkreis Fürstenfeldbruck30

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, die Bildung dieser neuen Gemeinde solle so rechtzeitig erfolgen, daß die Gemeindewahl am 30. März 1952 dort bereits durchgeführt werden könne.31

Es handle sich hier ja um einen schon lange bestehenden Plan, der allerdings auf den Widerstand der Stadt München gestoßen sei.32

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, der Widerstand der Stadt München bestehe zwar fort, die jetzige Regelung sei aber nicht mehr zu umgehen oder hinauszuschieben.

Was den § 1 betreffe, so bitte er, an der Fassung dieser Bestimmung festzuhalten.33

Der Ministerrat beschließt, der Verordnung zuzustimmen, mit der Maßgabe, daß auch hier im §5 das Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen aufgenommen wird.34

VII. Entwurf einer Verordnung über die Umgliederung von Teilen des gemeindefreien Forstbezirks Hauptsmoor (Landkreis Bamberg) in die Stadt Bamberg35

Ministerpräsident Dr. Ehard berichtet kurz über den Inhalt der Verordnung, die vorsehe, daß Flächen im Gesamtausmaß von 93 ha aus dem gemeindefreien Forstbezirk Hauptsmoor (Landkreis Bamberg) in die Stadt Bamberg umgegliedert werden sollen. Das wichtigste Teilstück, nämlich das, auf dem sich die Greiff-Werke befänden, werde noch nicht umgegliedert, da hier noch keine Einigung zwischen der Stadt Bamberg und der Gemeinde Memmelsdorf zustande gekommen sei. Vor einiger Zeit habe eine Besprechung bei ihm stattgefunden, bei der er angeregt habe, daß nun auch die Gemeinde bzw. der Landkreis Bamberg Vorschläge einreichen sollte. Offensichtlich sei aber in der Zwischenzeit die Angelegenheit noch nicht weiter gediehen.36

Der Ministerrat beschließt, der Verordnung zuzustimmen mit der Maßgabe, daß im §4 des Entwurfs - ebenso wie bei den anderen Verordnungen - noch hinzugefügt wird, daß die Vollzugsvorschriften im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen erlassen werden sollen.37

VIII. Ergänzung zum Haushalt des Bayer. Obersten Rechnungshofes für 1951

Staatsminister Zietsch führt aus, diese Ergänzung sei vor allem deswegen nötig geworden, weil das Gesetz über die staatliche Rechnungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsprüfung vom 6. Oktober 1951 dem Obersten Rechnungshof eine Erweiterung seiner Aufgaben gebracht habe und die Errichtung von Rechnungsprüfungsämtern vorschreibe.38 Der Ergänzungshaushalt sei nach eingehenden Beratungen zwischen dem Finanzministerium und dem Obersten Rechnungshof aufgestellt worden; die zusätzlich angeforderten Haushaltsmittel betrügen 302 350 DM.

Der Ministerrat beschließt, dem Ergänzungshaushalt in der vorliegenden Form zuzustimmen.

IX. Antrag des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus auf vorgriffsweise Genehmigung der im ao. Haushalt 1951 vorgesehenen Haushaltsmittel für den Neubau der Stickereifachschule in Naila39

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner macht darauf aufmerksam, daß der Haushalt des Kultusministeriums bereits in der nächsten Woche von der Vollversammlung des Landtags verabschiedet werde, der vorliegende Antrag auf vorgriffsweise Genehmigung der Mittel deshalb nicht mehr weitergeleitet werden müsse.

Es wird beschlossen, den Antrag nicht einzureichen.

X. Personalangelegenheiten

Der Ministerrat beschließt, Herrn Josef Remold zum Präsidenten der Bayer. Bereitschaftspolizei zu ernennen.40

XI. Hagelpflichtversicherung41

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich, ob nun grundsätzlich beschlossen werden könne, daß eine Hagelpflichtversicherung eingeführt werde. Es sei ihm mitgeteilt worden, einige Versicherungen seien bereit, sich zusammenzuschließen und die Sache zu übernehmen. Vielleicht sei es zweckmäßig, diese Vorschläge zu prüfen und zu überlegen, ob der Staat damit nicht besser fahre.

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, es sei richtig, wenn die Privatversicherungen behaupteten, eines Tages werde mit aller Wahrscheinlichkeit eine Nachschußpflicht des Staates kommen. Dagegen sei zu sagen, daß jetzt der Staat auch bezahlen müsse und zwar endgültig, da die Vorschüsse wohl kaum je zurückbezahlt werden könnten. Er halte trotz gewisser Bedenken den Vorschlag der Bayer. Versicherungskammer für richtig und durchführbar.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß eine Pflichtversicherung in doppelter Weise eingeführt werden könne, und zwar entweder vom Staat aus oder von einem Konsortium von Versicherungsgesellschaften. Der Versicherungsnehmer habe dann die Auswahl, wo er sich versichern wolle.

Staatssekretär Dr. Koch weist auf die Schwierigkeiten hin, die aus der verschiedenen Hagelgefährdung der einzelnen bayerischen Gebiete komme und spricht sich dafür aus, Vorschläge der Versicherungsgesellschaften einzuholen.

Staatsminister Dr. Seidel berichtet kurz über die Denkschrift der privaten Versicherungen, die sich gegen einen Zwang, besonders aber gegen ein Staatsmonopol wendeten. Er glaube, sie seien durchaus bereit, Vorschläge zu unterbreiten und regt an, den Gesellschaften anheimzustellen, die in Ziff.11 ihrer Denkschrift angekündigten Vorschläge zu präzisieren.

Staatsminister Zietsch betont, daß er die Stellungnahme der Bayer. Versicherungskammer zu dieser Denkschrift für richtig halte.

Auf Anregung von Herrn Staatsminister Dr. Seidel wird dann folgender Beschluß gefaßt:

Das Bayer. Staatsministerium des Innern fordert auf Grund der Denkschrift der Arbeitsgruppe Private Versicherung und deren Schreiben vom 1. Februar 1952 die Arbeitsgruppe auf, Vorschläge einzureichen. Dabei soll mitgeteilt werden, daß nach Meinung des Kabinetts eine Versicherungspflicht unvermeidlich sei.

Auf Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Schlögl wird noch beschlossen, der Arbeitsgruppe Private Versicherung einen Termin für die Abgabe ihrer Erklärung zu setzen.42

XII. Parlamentarischer Ausschuß zur Untersuchung der Vorgänge im Landesentschädigungsamt (Auerbach-Ausschuß)43

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, der Konflikt, der zwischen dem Landtag und dem Landgericht München I wegen der Vernehmung Auerbachs44 im Ausschuß eingetreten sei, bereite ihm Sorge.45 Wenn es tatsächlich zu einem Verfassungsstreit komme, müsse dieser zum Teil vor dem Bayer. Verfassungsgerichtshof, zum Teil vor dem Bundesverfassungsgericht behandelt werden. Bestehe eine Aussicht, daß das Gericht seinen Standpunkt ändere?

Staatsminister Dr. Müller verneint diese Frage mit dem Hinweis, daß das Oberlandesgericht München schon früher die Vorführung abgelehnt habe.

Staatssekretär Dr. Koch fügt hinzu, er müsse sich fragen, ob es tatsächlich einen Sinn habe, es hier zum Äußersten kommen zu lassen. Leider sei die ganze Angelegenheit zu einer Prestigesache geworden. Jedenfalls werde aber noch rechtzeitig eine Mitteilung an den Landtag erfolgen.46

XIII. Öffentliche Sammlung zu Gunsten des Wiederaufbaues der Insel Helgoland47

Die Angelegenheit wird zurückgestellt, nachdem feststeht, daß noch keine offizielle Anfrage der Regierung von Schleswig-Holstein vorliegt.48

XIV. Kehlsteinhaus49

Staatsminister Zietsch berichtet, das Finanzministerium habe sich jetzt entschlossen, das Kehlstein-Haus der Sektion Berchtesgaden des Alpenvereins zu übergeben, nachdem sich auch die anderen Verbände, z.B. die Naturfreunde, damit einverstanden erklärt hätten. Man könne also dem Landeskommissar für Bayern diese Entscheidung mitteilen. Wenn dann die offizielle Freigabe erklärt werde, würden die Verhandlungen mit dem Alpenverein über die Einzelheiten des Vertrags, insbesondere über die Sicherungen, die eingebaut werden müßten, um jedes Aufleben nationalsozialistischer Propaganda zu vermeiden, geführt werden. Er bitte, der Presse eine kurze Veröffentlichung zu geben.

Der Ministerrat beschließt, dem Vorschlag des Finanzministeriums entsprechend das Kehlsteinhaus dem Alpenverein zu übertragen und dies der Presse bekanntzugeben.50

XV. Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten51

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß er noch vor dem 1. April 1952, also vor Beginn des neuen Haushaltsjahres, einen Beschluß des Landtags über die Auflösung des Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten haben müsse.52

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, er habe sich schon vorgemerkt, daß diese Angelegenheit im Haushaltsausschuß besprochen werde.53

XVI. Fall Otto Straßer54

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, daß sich in dieser Angelegenheit nichts Neues ergeben habe.

[XVII.] Fall Kroupa55

Staatssekretär Dr. Oberländer berichtet, der stellv. Polizeipräsident von München, Dr. Weitmann,56 habe ihm erklärt, die Polizei habe Kroupa vor einigen Tagen festgenommen; dieser sei nicht im Besitz von Papieren gewesen, also auch nicht von gefälschten und habe wieder freigelassen werden müssen, es sei also wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß er demnächst verschwinden werde. Bisher habe man Anfragen im Landtag vermeiden können, auf die Dauer werde dies aber nicht möglich sein. Bestehe nicht die Möglichkeit, Kroupa einfach festzusetzen und den Amerikanern zu übergeben?

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, seiner Meinung nach hätte ihn die Polizei festhalten und dem Richter vorführen können, weil er nicht im Besitz der Ausweispapiere sei, da bekanntlich noch die amerikanische Anordnung bestehe, daß jedermann seine Kennkarte bei sich führen müsse. Er schlage deshalb vor, ihn nochmals festzunehmen und ihn dem Richter vorzuführen. Er könne dann zu drei Tagen Haft verurteilt werden, was dann den Amerikanern mitgeteilt werden könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt diesem Vorschlag zu, worauf Staatssekretär Dr. Koch hinzufügt, auf alle Fälle müsse die Polizei sofort eine entsprechende Mitteilung an den Landeskommissar machen, falls sie Kroupa festnehme.57

[XVIII.] Schirmherrschaft über Ausstellungen

Auf Vorschlag von Herrn Staatsminister Dr. Seidel wird folgender Beschluß gefaßt:

„Bei Ausstellungen (teilweise auch als ,Messen' bezeichnet), von nur örtlicher oder regionaler Bedeutung wird den Mitgliedern der Landesregierung empfohlen, von einer Übernahme der Schirmherrschaft oder auch einer amtlichen Teilnahme an der Eröffnung abzusehen. Die genannten Repräsentationsaufgaben sollen in diesen Fällen den örtlichen Stellen überlassen werden.“

[XIX.] Friedhof auf dem Leitenberg58

Staatsminister Zietsch teilt mit, das Finanzministerium bereite eine Vorlage vor, wonach die Betreuung aller KZ-Friedhöfe dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus übertragen werden solle.59 Er bitte deshalb, diesen Punkt für heute noch zurückzustellen.60

[XX.] Verordnung Nr. 106 über die Aufgaben des Bayer. Bauernverbands61

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, diese Verordnung ermächtige in §6 Ziff. 3 den Bayer. Bauernverband, seine Ausgaben und Aufwendungen durch Erhöhung von Beiträgen nach dem Grundsatz der Freiwilligkeit zu bestreiten. Das Landwirtschaftsministerium sei nun an ihn herangetreten mit der Bitte, darauf hinzuwirken, daß die Bürgermeister bei der Erhebung der Beiträge behilflich seien. Seine Referenten hätten ihn darauf aufmerksam gemacht, daß bejahendenfalls auch die Gewerkschaften mit ähnlichen Wünschen kommen könnten; er bitte deshalb um Stellungnahme des Ministerrats.

Staatsminister Zietsch hält diese Mitwirkung der Bürgermeister nicht für möglich, auch Staatssekretär Dr. Nerreter hält es nicht für richtig, die Gemeinden als ortspolizeiliche Behörden tätig werden zu lassen.

Staatsminister Dr. Seidel gibt zu bedenken, daß man diese Mitwirkung schon genehmigen könne, wenn der Bauernverband eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stimmt zu und betont, daß der Bauernverband nach bayerischem Recht zweifellos diese Eigenschaft habe und verliest daraufhin das Schreiben des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Da von keiner Seite des Ministerrats dagegen Einspruch eingelegt wird, daß der Bauernverband in der Tat als Körperschaft des öffentlichen Rechts betrachtet werden muß, schlägt Staatsminister Dr. Seidel vor, durch einen Beschluß des Kabinetts das Ministerium des Innern zu ermächtigen, die Kommunalbehörden zu ersuchen, dem Wunsch des Bauernverbands entsprechend zu verfahren.

Der Ministerrat erklärt sich durch Beschluß damit einverstanden.62

[XXI.] Bewilligung von Mitteln für die Stärkung des demokratischen Gedankens

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, verschiedene Vorkommnisse der letzten Zeit lassen es richtig erscheinen,63 Mittel nicht nur zur Abwehr von Angriffen gegen die Demokratie, sondern auch zur positiven Förderung von Organisationen bereitzustellen, die überparteilich seien und sich mit der Pflege und Verteidigung des demokratischen Gedankens befaßten. Wenn auch wohl noch keine Entscheidung getroffen werden könne, so bitte er doch, sich diesen Gedanken einmal zu überlegen.

Staatsminister Dr. Schwalber stimmt zu und regt an, dem Ministerium des Innern in dessen Haushalt einen gewissen Fonds für derartige Zwecke zur Verfügung zu stellen.

Ein Beschluß wird nicht gefaßt.64

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
In Vertretung
gez.: Dr. Fritz Baer
Ministerialrat