PDF
Nr. 86MinisterratssitzungDienstag, 11. März 1952 Beginn: 9 Uhr Ende: 12 Uhr 15
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Dr. Müller, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Regierungsdirektor Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl.

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Entwurf eines Gesetzes über die vorläufige Ermächtigung des Staatsministeriums der Finanzen zur Aufnahme von Krediten zur Deckung von außerordentlichen Haushaltsausgaben sowie zur Aufnahme von Kassenkrediten im Rechnungsjahr 1952 (vorläufiges Kreditermächtigungsgesetz 1952). III. Beurlaubung von Staatsbeamten durch die Übernahme von kommunalen Ämtern. IV. Einführung der Hagelpflichtversicherung. V. Globalabfindung der JRSO. VI. Obersalzberg. VII. Gedächtnisstätte auf dem Leitenberg, jüdische Kultusgemeinden und KZ-Friedhöfe, Bayerisches Hilfswerk. VIII. Personalangelegenheiten. IX. [Vertretung der Bayerischen Staatsregierung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof]. [X. Anfragen und Interpellationen]. [XI. Feststellungsgesetz]. [XII. Beisetzungsfeierlichkeiten für den Bundesminister für Wohnungsbau Eberhard Wildermuth].

I. Bundesratsangelegenheiten

1. Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1952 (Haushaltsgesetz 1952)1

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet über die Empfehlungen des Finanzausschusses, in dem sich allerdings das Finanzministerium nicht habe durchsetzen können.2 Es spricht sich nach wie vor für die ersatzlose Streichung des §4 Abs. 2 aus.3

Auf Vorschlag von Staatsminister Zietsch wird beschlossen, an der Streichung festzuhalten und einen besonderen Antrag Bayerns zu stellen. Ebenso wird beschlossen, an der von Bayern erfolglos beantragten Streichung des § 5 Abs. 4 festzuhalten.4

Staatsminister Zietsch stellt dagegen fest, daß gegen § 7 von seiner Seite aus keine Bedenken mehr bestünden.5

Schließlich wird noch beschlossen, einen Antrag auf Streichung des §6 Abs. 1 zu stellen.6

2. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gesetze über die Landeszentralbanken7

Der Ministerrat beschließt, die Empfehlungen des Finanzausschusses zu unterstützen.8

3. Entwurf eines Gesetzes über die Steuerberechtigung und die Zerlegung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer (Zerlegungsgesetz)9

Es wird Zustimmung beschlossen.

4. Entwurf eines Gesetzes über den Niederlassungsbereich von Kreditinstituten10

Gemäß Empfehlung des Koordinierungsausschusses wird beschlossen, keinen Antrag nach Art. 77 Abs. 2  GG zu stellen.11

5. Entwurf einer Zweiten Verordnung über Zolländerungen12

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet, das Landwirtschaftsministerium lehne diese Verordnung grundsätzlich ab, da hierdurch das Gleichgewicht im Zollsystem empfindlich gestört werde.

Staatssekretär Maag begründet daraufhin eingehend den Standpunkt des Landwirtschaftsministeriums und macht vor allem auf die politischen Rückwirkungen, die daraus entstehen können, aufmerksam.

Nach eingehender Aussprache wird beschlossen, entgegen der Meinung des Landwirtschaftsministeriums, alle in der BR-Drucksache Nr. 82/1/52 enthaltenen Empfehlungen zu unterstützen, nicht dagegen die Empfehlungen des Wirtschaftsausschusses in der BR-Drucksache Nr. 82/2/52.13

6. Entwurf einer Grundsteuererlaßverordnung14

Staatsminister Zietsch weist darauf hin, daß das Finanzministerium seine Bedenken nicht aufrecht erhalten wolle, da es im Finanzausschuß keine Unterstützung gefunden habe.

Der Ministerrat beschließt daher, der Verordnung zuzustimmen.15

7. Entwurf einer Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft16

Staatssekretär Dr. Guthsmuths begründet die Empfehlungen des Wirtschaftsausschusses unter Ziff. II Nr. 1 zu dieser Vorlage, während Staatsminister Zietsch sich dafür ausspricht, an der Regierungsvorlage festzuhalten.

Der Ministerrat pflichtet der letzteren Auffassung bei.

Zu Ziff. II Nr. 2 erklärt Staatsminister Zietsch, der Finanzausschuß habe einstimmig beschlossen, bei der Regierungsvorlage zu verbleiben.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

Zu Ziff. II Nr. 3 und 4 wird beschlossen, diese Empfehlungen zu unterstützen.

Zu Ziff. III wird nach längerer Aussprache beschlossen, diese Empfehlungen abzulehnen, ebenso wie auch alle sonstigen Sonderwünsche.17

8. Verkauf des ehemaligen Standortlazaretts Heilbronn an die Stadt Heilbronn18

Bedenken werden nicht erhoben.

9. Entwurf eines Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen19

Es wird beschlossen, nach Maßgabe der Änderungsvorschläge des Rechts- und Verkehrsausschusses keine Einwendungen zu erheben.20

10. Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der gerichtlichen Zuständigkeiten auf den Gebieten des Bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts und des Strafrechts (Zuständigkeitsergänzungsgesetz)21

Regierungsdirektor Dr. Gerner führt aus, grundsätzlich seien wohl keine Einwendungen zu erheben. Es müsse aber wohl noch die Frage erörtert werden, ob wegen des §17 Abs. 1 (Einbeziehung der Sondergerichte) nicht ein eigener bayerischer Antrag gestellt worden solle.22 Allerdings werde sich auch der Rechtsausschuß noch mit dieser Frage befassen.

Staatssekretär Dr Koch erklärt, was hier geschehe, könne nicht gerechtfertigt werden. Er sei deshalb dafür, einen besonderen Antrag zu stellen, wenn der Rechtsausschuß die bayerischen Wünsche nicht übernehme.23

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.24

11. Entwurf eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten25

Regierungsdirektor Dr Gerner fährt fort, trotz gewisser Bedenken hätten die Ausschüsse empfohlen, dem Entwurf zuzustimmen, zumal Hamburg durch einen Initiativantrag diese Bedenken ausräumen wolle.

Auf Vorschlag von Herrn Staatssekretär Dr Koch, der gleichfalls der Meinung ist, trotz nicht unerheblicher Vorbehalte müsse dem Entwurf wohl zugestimmt werden, wird beschlossen, den Vermittlungsausschuß nicht anzurufen, gleichzeitig aber den Empfehlungen Hamburgs zuzustimmen.

12. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes26

Es wird Zustimmung beschlossen.27

13. Entwurf eines Gesetzes über die richterliche Vertragshilfe (Vertragshilfegesetz)28

Regierungsdirektor Dr. Gerner teilt die Auffassung des Koordinierungsausschusses mit, die dahin gehe, daß § 1 Abs. 4 des Entwurfs, welcher die Erweiterung durch den Bundestag vorsehe, noch einer gründlichen Überprüfung bedürfe.29

Staatssekretär Dr. Ringelmann fügt hinzu, es handelt sich hier vor allem um die BMW, die Messerschmidt und die Dornierwerke.

Wenn man, wie es nach dem neuen Abs. 4 des § 1 zu geschehen habe, die gesicherten Verbindlichkeiten nicht heranziehe, so bedeute das eine Benachteiligung der anständig arbeitenden Unternehmen.

Auch Ministerpräsident Dr. Ehard meint, entweder müsse Abs. 4 gestrichen oder zumindest eine Übergangslösung gefunden werden.

Staatssekretär Dr. Koch gibt zu bedenken, daß für Abs. 4 doch auch gewisse Gründe sprächen, so vor allem der Gesichtspunkt, daß Kreditinstitute gestärkt werden müßten.

Staatssekretär Dr. Ringelmann wiederholt, daß durch diese Bestimmung die Unternehmen keinerlei Hilfe mehr hätten. Wahrscheinlich sei Abs. 4 auf Betreiben der Banken hereingenommen worden, die ja ebenso wie die Versicherungen schon längst ihre Ausgleichsforderungen erhalten hätten.

Auf Vorschlag von Ministerpräsident Dr. Ehard wird beschlossen, den Vermittlungsausschuß mit dem Ziel der Streichung des § 1 Abs. 4 anzurufen.

Der Anregung des Herrn Staatssekretärs Dr. Ringelmann, zunächst abzuwarten, ob nicht der Wirtschaftsausschuß die Sache aufgreife und erst verneinendenfalls selbst einen Antrag zu stellen, wird beigepflichtet.30

14. Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht31

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet über die Feststellungsklage der SPD wegen des Wehrbeitrags und führt unter anderem aus, er selbst habe die Meinung zum Ausdruck gebracht, daß für eine vorbeugende Feststellungsklage Voraussetzung sei, daß eine Vorlage da sei.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, Bayern solle keine Stellungnahme abgeben, während Staatsminister Dr. Oechsle zu bedenken gibt, daß diese Frage doch auch für die Länder von erheblicher Bedeutung sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt zu und meint, es handle sich um eine sehr grundsätzliche Frage, an deren Klärung die Länder ein erhebliches Interesse hätten. Wenn man darauf warte, bis ein Gesetz verkündet sei, könne es in vielen Fällen zu spät sein. Im übrigen glaube er, es sei richtig, überhaupt einmal festzustellen, in welchem Zeitpunkt eine vorbeugende Feststellungsklage möglich sei. Es frage sich, ob man nicht doch eine Stellungnahme des Bundesrats herbeiführen solle.

Staatssekretär Dr. Koch wirft die Frage auf, ob nicht ein Gutachten durch den Bundespräsidenten32 eingeholt werden könne, worauf Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, die Klage sei bereits anhängig, es werde also wohl nicht mehr möglich sein.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner wiederholt seinen Standpunkt, der Bundesrat solle sich nicht einmischen und nur das Bundesverfassungsgericht solle feststellen, von welchem Zeitpunkt ab eine Feststellungsklage überhaupt zulässig sei.

Staatssekretär Dr. Koch äußert dagegen Bedenken.

Der Ministerrat beschließt, für eine Beteiligung des Bundesrats einzutreten, dies aber von der Vorlage des Gesetzentwurfs abhängig zu machen.33

15. Entwurf eines Gesetzes über die Erhöhung der Einkommensgrenzen in der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung34

Bedenken werden nicht erhoben.

16. Entwurf eines Gesetzes betr. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Gastarbeitnehmer vom 23. November 195135

Auch hier werden keine Einwendungen erhoben.

17. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes36

Der Ministerrat beschließt nach kurzer Aussprache, die Empfehlungen des Ausschusses für Innere Angelegenheiten und des Rechtsausschusses zu unterstützen, dagegen nicht diejenigen des Agrarausschusses in der BR-Drucks. Nr. 62/1/52  .37

18. Entwurf eines Gesetzes über die Sorge für die Kriegsgräber (Kriegsgräbergesetz)38

Nach Maßgabe des Vorschlags des Ausschusses für Innere Angelegenheiten vom 6. März 1952 wird beschlossen, einen Antrag gem. Art. 77 Abs. 2  GG zu stellen.

19. Entwurf von Allgemeinen Verwaltungsvorschriften über die Änderung und Ergänzung der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden39

Der Ministerrat beschließt, nach Maßgabe der Änderungsvorschläge des Innenausschusses zuzustimmen.40

20. Entwurf von Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der versorgungsrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen41

und

21. Entwurf einer Verordnung über die Verlängerung der Zuckerungsfrist bei Wein des Jahrgangs 195142

Zu diesen beiden Entwürfen wird Zustimmung beschlossen.

22. Entwurf einer Verordnung zur Überführung des Instituts für angewandte Geodäsie in Frankfurt am Main in die Bundesverwaltung43

Der Ministerrat beschließt, dem Vorschlag des Koordinierungsausschusses zuzustimmen, der zu § 2 Abs. 2 folgenden Zusatz empfiehlt:

„soweit durch Satzungsänderungen die Rechtsverhältnisse des Instituts für angewandte Geodäsie berührt werden, ist die Zustimmung des Bundesinnenministeriums erforderlich“.44

Regierungsdirektor Dr.. Gerner berichtet ferner, der Ausschuß schlage außerdem vor, sich den Empfehlungen des Innenausschusses anzuschließen.45

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.46

23. Entwurf einer Verordnung zur Ergänzung der Verordnung NEM II/51 über Verwendungsbeschränkungen von Kupfer und Kupferlegierungen (Verordnung NEM I/5247

und

24. Entwurf einer Verordnung über Abgabentarife für den Nord-Ostsee-Kanal48

Hier wird Zustimmung beschlossen.

25. Entwurf einer Vierten Verordnung zur Änderung der Verordnung für die Besetzung der Kauffahrteischiffe mit Kapitänen und Schiffsoffizieren (Schiffsbesetzungsordnung)49

Der Ministerrat beschließt, nach Maßgabe der Empfehlungen des Ausschusses für Verkehr und des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik zuzustimmen.

26. Entwurf eines Gesetzes über Vergütungen und sonstige Leistungen an Lehrlinge und Anlernlinge in der privaten Wirtschaft in Württemberg-Baden50

Regierungsdirektor Dr. Gerner macht darauf aufmerksam, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werde.

27. Behandlung des Entwurfes eines Gesetzes über den Vertrieb jugendgefährdender Schriften im Bundestag51

Es wird beschlossen, sich einem etwaigen Absetzungsantrag nicht anzuschließen.52

28. a) Entwurf einer Verordnung zur Änderung von Vorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung über die Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen53

b. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen im Straßenverkehr (StVZO)54

Regierungsdirektor Dr. Gerner führt aus, der Verkehrsausschuß habe die Anträge Bayerns und Hamburgs in der Sitzung am 7. März 1952 erneut abgelehnt.55 Neuerdings habe nun Berlin einen Antrag gestellt, den Berliner Kraftfahrzeugen die bisherigen Kennzeichen zu belassen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, Bayern könne, ebenfalls aus politischen Gründen, die gleiche Behandlung wie Berlin verlangen.

Regierungsdirektor Dr. Gerner erkundigt sich, ob der bayerische Antrag erneut vorgelegt und zur Abstimmung gebracht werden soll.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner antwortet, Bayern müsse sich nach wie vor auf den Standpunkt stellen, daß ein Bedürfnis für eine einheitliche Regelung nicht vorliege.

Auch Ministerpräsident Dr. Ehard meint, über den bayerischen Antrag müsse endgültig abgestimmt werden.

Staatssekretär Dr. Nerreter gibt zu erwägen, ob der bayerische Antrag nicht auch noch auf Art. 72 Abs. 2 Ziff. 2 gestützt werden könne.

Der Ministerrat beschließt, den bayerischen Antrag aufrecht zu erhalten.56

29. Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde57

Regierungsdirektor Dr. Gerner teilt mit, hier sei der Vermittlungsausschuß angerufen worden.58

30. Bundesanstalt für Arbeitslosenvermittlung und -Versicherung59Staatsminister Dr. Oechsle macht darauf aufmerksam, daß der Vorstand der Bundesanstalt aus neun Mitgliedern bestehe und Nordrhein-Westfalen Anspruch auf den Ländervertreter erhebe. Er halte es für unmöglich, das Übergewicht von Nordrhein-Westfalen noch mehr zu verstärken und ersuche den Ministerrat um Zustimmung, diesen Standpunkt zu vertreten.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.60

31. Vertreter der Länder in der Deutschen Genossenschaftskasse61

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet abschließend, nach Auffassung der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums62 sei damit zu rechnen, daß in der Bundesratssitzung vom 14. März auch noch die Bestellung von Vertretern der Länder in der Deutschen Genossenschaftskasse behandelt werden könne. Es werde vorgeschlagen, sich den Empfehlungen des Agrarausschusses anzuschließen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.63

II. Entwurf eines Gesetzes über die vorläufige Ermächtigung des Staatsministeriums der Finanzen zur Aufnahme von Krediten zur Deckung von außerordentlichen Haushaltsausgaben sowie zur Aufnahme von Kassenkrediten im Rechnungsjahr 1952 (vorläufiges Kreditermächtigungsgesetz 1952)

Der Ministerrat beschließt, diesem vom Staatsministerium der Finanzen vorgelegten Gesetzentwurf zuzustimmen und ihn sofort dem Landtag zuzuleiten.64

III. Beurlaubung von Staatsbeamten durch die Übernahme von kommunalen Ämter

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß jetzt die Frage zur Debatte stehe, in welcher Weise Staatsbeamte, die als Landräte oder berufsmäßige Bürgermeister gewählt werden, beurlaubt werden können. Die Rechtslage sei bisher noch nicht geklärt, er selbst habe sich auf den Standpunkt gestellt, daß solche Beamte beurlaubt werden könnten und der Rücktritt offen gehalten werden müsse. Allerdings müßten dann die Versorgungslasten zwischen dem Staat und der betreffenden Gemeinde usw. geteilt werden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann gibt zu bedenken, daß dazu ein Gesetz notwendig sei; bisher hätten sich die Landräte nur durch Verträge gesichert. Das Ministerium des Innern habe den Rücktritt vorbehalten mit der Folge, daß die entsprechenden Stellen gesperrt worden seien. Das Finanzministerium habe vorgeschlagen, den Rücktritt vorzubehalten, wenn das nicht möglich sei, eine Art Wartegeld einzuführen; ferner habe man die Teilung der Pensionslasten vorgesehen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, es liege bereits ein Gesetzentwurf vor, der in dieser Woche mit den kommunalen Spitzenverbänden beraten werden solle. Er frage nun, ob grundsätzlich die Meinung des Ministerrats dahin gehe, daß solche Beamte beurlaubt werden könnten, mit der Folge, daß die betreffende Stelle nicht Vorbehalten bleibe und unter der Bedingung, daß die Versorgungslasten geteilt würden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann meint, wenn das Rücktrittsrecht gewahrt werde, habe der betreffende Beamte einen Rechtsanspruch auf eine gleiche oder gleichwertige Stelle, dazu brauche man aber die Einrichtung des Wartegeldes.

Auf Frage von Staatsminister Dr. Oechsle erklärt Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner, hauptamtliche Stadträte müßten aus dem Staatsdienst ausscheiden.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, für den Augenblick könne wohl nichts anderes geschehen als zu erklären, daß Beamte beurlaubt werden könnten unter Vorbehalt des Rücktrittsrechts; es handle sich aber lediglich um ein Übergangsstadium.

Staatssekretär Dr. Ringelmann ersucht, das Ministerium des Innern möge seinen Entwurf den anderen Ministerien bekanntgeben, damit gleichmäßig verfahren werden könne.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, dies sei schon geschehen.

Der Ministerrat beschließt, daß Beamte beurlaubt werden können unter Vorbehalt des Rücktritts, wobei aber noch die Frage der Pensionslasten geregelt werden müßte.65

IV. Einführung der Hagelpflichtversicherung66

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, der Gesetzentwurf sei nun fertiggestellt, die Regierung sei aber in schwieriger Lage, nachdem der Ernährungsausschuß des Landtags beschlossen habe, den entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion abzulehnen.

Staatssekretär Dr. Ringelmann stellt fest, nach einem Beschluß des Haushaltsausschusses sei die Regierung verpflichtet, einen Gesetzentwurf über die Einführung der Hagelpflichtversicherung vorzulegen. Soviel er sich erinnern könne, sei dieser Beschluß noch in das Plenum gekommen.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht, genau festzustellen, ob dies tatsächlich der Fall gewesen sei.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, man könne ja das Schicksal des Beschlusses des Ernährungsausschusses im Plenum abwarten.

Notfalls könne man einfach erklären, der Finanzminister sei mit Zustimmung des Ministerrats der Auffassung, daß in Zukunft bei Hagelkatastrophen keine staatlichen Zuschüsse mehr gezahlt werden könnten.

Staatsminister Zietsch schließt sich dieser Meinung an und stellt fest, daß im kommenden Haushaltsjahr das Finanzministerium keinerlei Reserven für solche Zwecke habe.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner weist noch darauf hin, daß er im Auftrag des Ministerrats vor ungefähr drei Wochen an die privaten Versicherungen geschrieben und sich zu einer Aussprache bereiterklärt habe. Bisher habe er noch keinerlei Antwort auf sein Schreiben erhalten.

Der Ministerrat beschließt, zunächst abzuwarten.67

V. Globalabfindung der JRSO68

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest ein Telegramm von Professor Loewenstein69 aus den Vereinigten Staaten, in dem mitgeteilt werde, daß große Beunruhigung über den letzten Beschluß des Ministerrats bestehe.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, bekanntlich habe der Ministerrat beschlossen, bei dem Angebot von 20 Millionen DM zu bleiben, mit dem Vorbehalt, daß die Fälle, die noch erledigt werden, abgezogen werden könnten. Für diesen Abzug berechne man ungefähr 1 bis 2 Millionen DM, so daß also praktisch 18 Millionen DM angeboten würden, daran werde offensichtlich besonders Anstoß genommen. Wahrscheinlich werde er zusammen mit dem Herrn Finanzminister mit dem Hohen Kommissar, Mr. McCloy,70 über das Angebot noch sprechen müssen, der sich besonders dafür interessiere. Könne man vielleicht so Vorgehen, daß man mitteile, die Bayerische Regierung bleibe bei ihrem Angebot von 20 Millionen DM, begrenze aber die Summe der Beträge, die abgerechnet werden müssen, auf eine Million DM. Er ersuche um Vollmacht des Ministerrats, mit Mr. McCloy in diesem Sinne verhandeln zu können.

Staatsminister Zietsch meint, die Entscheidung sei politischer Natur, man könne nicht gut die ganzen Verhandlungen an einer Million scheitern lassen. Er glaube auch nicht, daß die Verhältnisse für Bayern durch Zeitablauf günstiger würden. Wenn nämlich die JRSO die einzelnen Ansprüche durchfechten müsse, werde es zu größter Beunruhigung kommen und die Betroffenen würden sich mit der Bitte um Hilfe an den Bayerischen Staat wenden. Auch er glaube, daß mit einem Angebot von 20 Millionen DM und der Limitierung der Abzüge auf eine Million DM ein Einverständnis erzielt werden könne. Schwieriger sei der Streit wegen der Schmucksachen, nachdem das Abkommen nur für den Bereich Bayern gelte, nicht aber für die Gegenstände, die aus Bayern heraus nach Berlin gekommen seien. Herr Katzenstein71 wünsche, daß diese Fälle, wobei es sich um Objekte im Wert zwischen 150 bis 300 DM handle, auch noch herausgenommen würden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann fügt hinzu, hier mache der strittige Punkt ungefähr 2 Millionen DM aus. Er halte es ebenso wie der Herr Finanzminister nicht für möglich, hier auch noch entgegenzukommen. Insgesamt würden sich damit die gesamten Ausfälle auf ungefähr 8 Millionen DM beziffern.

Ministerpräsident Dr. Ehard befürchtet eine Versteifung der Haltung der JRSO und schlägt nochmals vor, zunächst den Versuch zu machen, mit Mr. McCloy zu verhandeln.

Der Ministerrat faßt daraufhin folgenden Beschluß:

1. Das Angebot von 20 Millionen DM wird aufrecht erhalten mit der Maßgabe, daß die Anrechnung der Ausfälle auf eine Million limitiert wird.

2. Was die Ansprüche gegen das frühere Reich betrifft, soweit es sich um die Pfandleihanstalten dreht, so werden diese in das Abkommen nicht einbezogen.72

VI. Obersalzberg73

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, von Berchtesgaden aus sei der Antrag gestellt worden, die Gemeindewahl mit einer Volksabstimmung zu verbinden, wonach der Berghof und der Platterhof erhalten bleiben soll. Er schlage folgenden Ministerratsbeschluß vor:

1. Die Schleifung der Ruinen auf dem Obersalzberg, zu denen im übrigen der Platterhof nicht gehört, wurde von der Besatzungsmacht für die Freigabe des Geländes zur Bedingung gemacht.

2. Sowohl bei den Beratungen in den Ausschüssen wie in der Schlußabstimmung im Landtag über die Gemeinde- und Kreisordnung wurde eine Volksbefragung ausdrücklich abgelehnt.

Der Ministerrat beschließt, diesem Vorschlag zuzustimmen.74

VII. Gedächtnisstätte auf dem Leitenberg, jüdische Kultusgemeinden und KZ-Friedhöfe, Bayerisches Hilfswerk75

Staatsminister Zietsch gibt einen kurzen Überblick über die Vorschläge, die in der Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 3. März 1952 enthalten sind.76

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß er entgegen dem Wortlaut der Note sich niemals bereit erklärt habe, die KZ-Friedhöfe auf das Innenministerium zu übernehmen.

Staatsminister Dr. Schwalher erklärt, das Kultusministerium verfüge über keinerlei Unterbau, deswegen sei es auch nicht in der Lage, die Aufsicht über diese Friedhöfe durchzuführen.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es für unmöglich, den jetzigen Zustand aufrecht zu erhalten und spricht sich dafür aus, nun endlich einmal klare Zuständigkeit zu schaffen.

Staatsminister Zietsch meint, die Gemeinden müßten die Friedhöfe übernehmen, deshalb schlage das Finanzministerium auch die Oberaufsicht des Innenministeriums vor. Die Mittel stünden an sich zur Verfügung, die Durchführung müsse aber ab 1. April das Innenministerium übernehmen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner hält es dagegen für richtig,77 die Verwaltung der Verwaltung der Staatl. Schlösser, Gärten und Seen, die auch über den erforderlichen Unterbau verfüge, zu übertragen.

Nachdem sich Staatsminister Zietsch damit einverstanden erklärt, beschließt der Ministerrat, so zu verfahren.

Zu der Frage der jüdischen Kultusgemeinden wird grundsätzlich beschlossen, die Zuschüsse hiefür mit dem Rechnungsjahr 1953 im Etat des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus auszubringen.78

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, die Einzelheiten müssten noch zwischen dem Finanz- und Kultusministerium vereinbart werden. Dagegen bleibt die Frage noch offen, ob für Zuschüsse an das Bayer. Hilfswerk mit dem Rechnungsjahr 1953 das Staatsministerium des Innern zuständig sein soll.79

VIII. Personalangelegenheiten

Der Ministerrat faßt folgende Beschlüsse:

1. Zum Präsidenten des Bayer. Obersten Rechnungshofs wird der Ministerialdirigent im Staatsministerium der Finanzen, Richard Kallenbach80 ernannt, zum Vizepräsidenten der Ministerialrat im Bayer. Obersten Rechnungshof, Ernst Fischer.81

2. Der Ministerialdirigent im Staatsministerium der Finanzen, Dr. Alfred Kiefer, wird zum Präsidenten der Verwaltung der Staatl. Schlösser, Gärten und Seen ernannt.82

3. Der Leiter der Staatlichen Lotterieverwaltung, Regierungsdirektor Hermann Düll,83 wird zum Direktor der Staatlichen Lotterieverwaltung ernannt.

IX. [Vertretung der Bayerischen Staatsregierung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof]84

Der Ministerrat beschließt, als Vertreter der Bayerischen Staatsregierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof85 am 14. März 1952 über den Antrag des Rechtsanwalts Dr. Otto Gritschneder86 den Ministerialrat Fritz Held87 im Staatsministerium des Innern zu bevollmächtigen.88

X. Anfragen und Interpellationen

Der Ministerrat beschließt, die bisher vorliegenden Anfragen und Interpellationen wie folgt beantworten zu lassen:

a) Anfrage Abg. Brüchen89

Ministerium des Innern.90

b) Anfrage Georg Bauer:91

Fall Kroupa - Ministerium des Innern.92

c) Anfrage Abg. Gaßner:93

Grundgesetzänderung hinsichtlich der Todesstrafe - Ministerpräsident.94

d) Anfrage Abg. Behringen95

Bayer. Lagerversorgung - Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.96

In diesem Zusammenhang stellt Staatsminister Zietsch fest, daß die Bayer. Lagerversorgung ausgezeichnet gearbeitet habe.

Im übrigen könne er erklären, daß sie keinerlei Kredite erhalten habe.

e) Interpellation Meixner97 und Fraktion:

Staatsministerium für Unterricht und Kultus.98

f) Interpellation betr. Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer:

Staatsministerium der Finanzen.99

g) Interpellation sozialer Wohnungsbau.

Ministerium des Innern.100

h) Interpellation betr. Rundholzpreise:

Staatsministerium für Wirtschaft.101

i) Interpellation Abg. Dr. Baumgartner102 und Fraktion betr. Wehrbeitrag und gesamtdeutscher Plan:

Ministerpräsident.103

XI. Feststellungsgesetz104

Staatssekretär Dr. Oberländer berichtet, hier habe das Bundesfinanzministerium keine Vorschläge gemacht, mit denen die Länder einverstanden sein könnten. Unter anderem handle es sich darum, daß der bisherige Zustand im Hauptamt für Soforthilfe105 bis zum Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes106 beibehalten werde. Bayern müsse nun entweder zustimmen oder Gegenvorschläge machen, nachdem die Vertreter aller anderen Länder, vorbehaltlich der Zustimmung ihrer Kabinette, schon zugestimmt hätten.

Staatssekretär Dr. Ringelmann gibt zu bedenken, daß hier ein falsches Verfahren eingeschlagen worden sei. Die Verwaltungsvereinbarung komme dadurch zustande, daß das Finanzministerium eine Erklärung abgebe. Dies werde es im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern tun.107

XII. Beisetzungsfeierlichkeiten für den Bundesminister für Wohnungsbau Eberhard Wildermuth]

Der Ministerrat beschließt, als Vertreter Bayerns bei den Beisetzungsfeierlichkeiten für den verstorbenen Bundesminister Dr. Wildermuth108 in Tübingen Herrn Staatssekretär Dr. Nerreter zu beauftragen.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Karl Schwend
Ministerialdirektor