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Nr. 98MinisterratssitzungDienstag, 13. Mai 1952 Beginn: 9 Uhr Ende: 12 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Justizminister Dr. Müller.

Tagesordnung:

I. 8%ige Schatzanweisungen des Freistaates Bayern. II. Lastverteilung in bayerischen Grenzgebieten. III. Einführung eines Saisonabschlags für Milch. IV. Bierpreis. V. Alexander Wackerwerke. VI. Agfa-Camerawerk München. VII. Auerbach-Prozeß. VIII. Kehlsteinhaus. IX. Bundesangelegenheiten. X. Personalangelegenheiten. XI. [Olympische Gesellschaft, Landesstelle Bayern]. [XII. Internationales Falkenlager Murnau]. [XIII. Landfahrergesetz]. [XIV. Eröffnung des Julius-Spitals in Würzburg]. [XV. Staatsminister für politische Befreiung]. [XVI. Ludwig-Donau-Mainkanal]. [XVII. Anwesen Promenadeplatz 15 in München]. [XVIII. Entschließungen des Bayer. Senats]. [XIX. 500jähriges Jubiläum der Wallfahrt in Neukirchen bei Hl. Blut]. [XX. Fall Dr. Julius Spanier]. [XXI. Fall Graf Soltikow].

Zu Beginn der Sitzung gibt Ministerpräsident Dr. Ehard einen Überblick über die Koalitionsverhandlungen vom Montag, den 12. Mai und das aus ihnen hervorgegangene Ergebnis.

I. 8%ige Schatzanweisungen des Freistaates Bayern1

Staatsminister Zietsch teilt mit, daß das vorläufige Ergebnis der Anleihe sich auf rund 160 Millionen DM belaufe, wovon 20% auf Bayern entfielen; möglicherweise werde sich der Betrag noch etwas erhöhen, zumal auch noch Zeichnungen aus dem Ausland erwartet würden. Die Emissionsbank lege Wert darauf, daß die Anleihe für ausländische Zeichner noch weiter offen bleibe. Die Frage sei nun, ob der Ministerrat damit einverstanden sei, daß die Anleihe das ursprünglich gesetzte Limit von 150 Millionen DM um 10 Millionen DM übersteige.

Der Ministerrat erklärt sich mit dieser Überschreitung einverstanden.

Ministerpräsident Dr. Ehard kommt dann auf die Kontroverse im Senat zwischen Herrn Stadtkämmerer Hielscher2 und Ministerialrat Barbarino3 zu sprechen, die seiner Meinung nach keinen günstigen Eindruck gemacht habe.4

Staatsminister Zietsch antwortet, er selbst habe an der Sitzung des Senatsausschusses nicht teilgenommen und Ministerialrat Barbarino dahin unterrichten lassen, daß er lediglich den Beschluß des Ministerrats und die Gründe, die zu der Anleihe geführt hätten, mitteilen solle. Leider habe er sich aber nicht genau an diese Weisung gehalten, weshalb er sich auch gestern mit ihm auseinandergesetzt habe.

Diese Debatte im Senat sei natürlich den Präsidenten der Landeszentralbank und Staatsbank gegenüber sehr peinlich, in der Sache selbst müsse er aber mit diesen beiden Herren noch sprechen, da sie in einer seiner Auffassung nach nicht tragbaren5 Weise gegen die Aktion des Finanzministeriums aufgetreten seien.

Staatsminister Dr. Oechsle fügt hinzu, Herr Hielscher sei mit äußerster Schärfe vorgegangen, so daß man Herrn Barbarino doch in gewisser Weise entschuldigen müsse.6

II. Lastverteilung in bayerischen Grenzgebieten7

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner macht darauf aufmerksam, daß in den Erläuterungen zum Entschließungsentwurf des Staatsministeriums für Wirtschaft die Rede davon sei, daß bei früheren Verhandlungen einem Vorschlag des Landeslastverteilers durch das Staatsministerium für Wirtschaft am 4. Januar 1951 unter Vorherzeichnung der Staatskanzlei zugestimmt worden sei.8 Er halte es deshalb für notwendig, auch die früheren Vorgänge der Staatskanzlei beizuziehen.

Staatsminister Dr. Seidel entgegnet, die Staatskanzlei sei nur gehört worden, weil es sich um Besprechungen mit anderen Ländern gehandelt habe, er habe aber nichts dagegen, diesen Punkt nochmals zurückzustellen.

Der Ministerrat beschließt Zurückstellung bis zum nächsten Ministerrat.9

III. Einführung eines Saisonabschlags für Milch10

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt einen eingehenden Überblick über die bisherigen Verhandlungen in dieser Sache und betont, daß die Bayer. Staatskanzlei bereits im Juni des vergangenen Jahres ein Schreiben des Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbundes wegen dieses Saisonabschlags dem Wirtschafts- und dem Landwirtschaftsministerium zugeleitet habe.11 Während das Landwirtschaftsministerium den Vorschlag des DGB abgelehnt habe,12 sei von Seiten des Wirtschaftsministeriums noch keine endgültige Stellungnahme erfolgt. Inzwischen habe sich nun der Landesbezirksvorstand des DGB erneut der Sache angenommen und sich darüber beschwert, daß noch keine Entscheidung gefallen sei.13

Staatsminister Dr. Seidel betont zunächst, daß das Wirtschaftsministerium in dieser Angelegenheit eigentlich nur eine technische Stelle sei, die sich an die sachverständige Äußerung des Landwirtschaftsministeriums halten müsse. Staatsminister Dr. Schlögl führt aus, am 9. Mai 1952 habe das Bundeskabinett eine Verordnung verabschiedet, in der die Preise für Butter und Trinkmilch geregelt würden.14 Vorgesehen sei unter anderem, daß der Preis für Trinkmilch über 3% Fettgehalt freigegeben werde, so daß es in Bayern, wo der Mindestfettgehalt 3,4% betrage, überhaupt keine preisgebundene Trinkmilch mehr geben werde. Er halte es unter diesen Umständen nicht für möglich, daß ein einzelnes Land noch Maßnahmen auf dem Preisgebiet treffe.15 Wie sich der Preis für die Trinkmilch nach der Freigabe entwickle, könne noch nicht mit Sicherheit gesagt werden.

Staatsminister Dr. Seidel fügt hinzu, hier sei in der Tat eine neue Situation entstanden.

Auf Frage erklärt Staatsminister Dr. Schlögl, an sich sei ein Mindestpreis von 38 DPfg. pro Liter garantiert, bei einem Fettgehalt von 3,4% wie in Bayern koste aber der Liter 42 DPfg. Es könne also bei einer Freigabe der Preis sinken, aber nicht unter 38 DPfg. Irgendein Raum für einen Saisonabschlag bleibe aber nicht.

Staatssekretär Maag gibt zu bedenken, daß der Bauer ja tatsächlich nur einen Milchpreis von 25 – 26 DPfg. pro Liter erhalte.

Staatsminister Dr. Seidel stellt fest, daß in dem Augenblick, in dem die erwähnte Verordnung ergangen sei, die Festsetzung der Preise Bundessache16 sei. Theoretisch sei also wohl zu erklären, daß im Laufe des Sommers oder zwischen einer Zeit von ... bis ... pro Liter ein Preis von 40 DPfg. festgesetzt werde. Wenn allerdings die Verordnung erscheine, sei das nicht mehr möglich und es frage sich, ob man für eine kurze Zwischenzeit eine derartige Regelung treffen solle.

Staatsminister Dr. Schlögl. wirft ein, die Verordnung komme bereits in der nächsten Woche an den Agrarausschuß, aus diesem Grund halte er es für unmöglich, wegen 14 Tagen oder drei Wochen eine Übergangsregelung zu finden.

Staatsminister Dr. Seidel macht folgenden Vorschlag:

Er werde in der nächsten Ministerratssitzung den Entwurf einer Verordnung vorlegen, die sich mit dem Saisonabschlag beschäftige. In der Zwischenzeit werde er in Bonn zu klären versuchen, wie es mit der Verordnung der Bundesregierung sein werde.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.17

IV. Bierpreis18

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt einen Brief bekannt, wonach das Bundeswirtschaftsministerium annehme, daß Bayern mit der Freigabe des Bierpreises einverstanden sei, wenn nicht bis zum 15. Mai eine gegenteilige Erklärung abgegeben werde.

Staatsminister Dr. Seidel erwidert, am 15. Februar 1952 habe das Bundeswirtschaftsministerium ein längeres Schreiben an das Bayer. Wirtschaftsministerium gerichtet und darin seine Absicht mitgeteilt, den Ländern die Entscheidung darüber zu überlassen, ob die Bierpreisbindung aufrecht erhalten oder freigegeben werden solle. Der Ministerrat habe damals beschlossen, in Bayern an der Bindung festzuhalten. Das Fernschreiben des Bundeswirtschaftsministeriums habe er mit dem Ersuchen um Stellungnahme dem Bayer. Brauerbund zugeleitet, der sich, im Gegensatz zum Hotel- und Gaststättengewerbe, gegen die Absicht des Bundeswirtschaftsministeriums ausgesprochen habe. Es sei richtig, daß dieses ihm mitgeteilt habe, es werde seine Absicht verwirklichen und die Länder zur Freigabe ermächtigen, wenn nicht bis 15. Mai eine gegenteilige Auffassung bekannt werde; damit wolle es offensichtlich die Verantwortung abschieben. Wahrscheinlich werde die Mehrzahl der Länder, unter anderem auch der Südweststaat, dem Bonner Vorschlag folgen, Bayern allerdings müsse vor allem im Hinblick auf die Stellungnahme des Bayer. Brauerbundes daran festhalten, daß es entsprechend dem früheren Kabinettsbeschluß gegen die Freigabe sei. Er bitte deshalb, ihn zu ermächtigen, an das Bundeswirtschaftsministerium ein Fernschreiben zu richten, daß Bayern sich gegen die Ermächtigung der Länder ausspreche.

Der Ministerrat beschließt, seine Zustimmung zu erteilen.

Staatsminister Dr. Seidel fährt fort, allerdings sei es dann noch notwendig, über den vorliegenden Antrag auf Bierpreiserhöhung zu entscheiden; dies könne aber heute noch nicht geschehen. Er werde, wenn eine Erklärung vom Bundeswirtschaftsministerium eingelaufen sei, dem Kabinett eine entsprechende Vorlage machen.19

V. Alexander Wackerwerke20

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, bekanntlich seien 50% der Anteile an den Wackerwerken im Besitz der Familie Wacker, 50% im Besitz der IG. Diese Anteile seien verkäuflich.21 Zuerst habe ein Konsortium, an dem die Berliner Handelsgesellschaft beteiligt sei, ein Angebot gemacht, das aber die Alliierten auf Grund des Gesetzes Nr. 35 abgelehnt haben.22 Ein weiteres Angebot sei von einem Konsortium unter der Führung der Bayer. Staatsbank eingereicht worden. Von Herrn Präsidenten von Hellingrath23 habe er die Zusicherung, daß in diesem Konsortium nur solche Persönlichkeiten vereinigt seien, die tatsächlich im Interesse der bayerischen Wirtschaft arbeiten würden. Die Situation werde nun dadurch schwierig, daß die IG-Gruppe Hoechst an den Wackerwerken interessiert sei und andererseits der Bundeswirtschaftsminister sich noch nicht zu Gunsten von Wacker habe entscheiden können. Jetzt liege ein weiteres Angebot der Rhein-Stahl AG vor, also eines eisenschaffenden Unternehmens, das interessanterweise mit Hoechst zusammenarbeite. Er müsse nun vom Bundeswirtschaftsminister verlangen, daß endlich eine Entscheidung getroffen werde, die auch im Interesse der Wackerwerke dringend erforderlich sei. In diesem Sinne habe er schon an den Herrn Bundesminister Erhard geschrieben,24 er brauche aber auch die Gewißheit, daß der Ministerrat ihn bei seinen Bestrebungen unterstütze.

Der Ministerrat beschließt, den von Herrn Staatsminister Dr. Seidel bisher eingenommenen Standpunkt zu billigen.

Staatsminister Dr. Seidel fügt noch hinzu, über den der Friedrich Flick KG bezahlten Kaufpreis von 20 Millionen DM sei mit Ausnahme von drei Millionen DM, die der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung zur Verfügung gestellt worden seien, noch nicht verfügt worden.25 Der Rest liege vorläufig noch auf der Staatsbank. Er halte es für richtig, mit einem Teil dieser 20 Millionen DM Anteile der Familie Wacker zu erwerben, er habe nichts dagegen, wenn sich an diesem Unternehmen Herr Flick beteilige.

Der Ministerrat erklärt sich auch damit einverstanden.26

VI. Agfa-Camerawerk München27

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, bei dem Agfa-Camerawerk sei sich alles darüber einig gewesen, daß dieses Unternehmen aus dem IG-Konzern ausgegliedert und selbständig gemacht werde, bis sich am 31. März der Betriebsrat für den Anschluß an Leverkusen, wo die Agfafilme hergestellt würden, ausgesprochen habe.28 Der Betriebsrat sei dabei der Auffassung gewesen, daß bei einem Zusammenschluß mit Leverkusen auch die sozialen Vorrechte besser gewährleistet bleiben könnten.

Er habe dann versucht, eine Vorsprache des Betriebsrats bei Bundesminister Dr. Erhard zu ermöglichen, allerdings dann erfahren, daß keinerlei Aussicht bestehe, den Wunsch der Belegschaft zu verwirklichen.29 Trotzdem habe er nochmals versucht, eine Besprechung im Bundeswirtschaftsministerium mit Mr. Newman30 von der IG-Control-Group zu ermöglichen. Der Ministerrat müsse sich über seine endgültige Stellungnahme klar werden, bei der zu überlegen sei, daß das Agfa-Camerawerk in den letzten Jahren einen erstaunlichen Aufschwung genommen habe, im Gegensatz zu der Zeit seiner Verbindung mit der IG.31 Was nun das Argument der Verbindung des hiesigen Werkes mit dem Leverkusener Werk, das die Agfafilme herstelle, betreffe, so seien hier sehr günstige gemeinsame Kaufverträge usw. abgeschlossen worden, so daß die Verbindung keineswegs unbedingt notwendig sei. Wegen der sozialen Fragen habe er mit Mr. Newman gesprochen und von diesem die verbindliche Erklärung bekommen, daß nach den bestehenden Abmachungen die bisherigen IG-Sozialfonds bei der Ausgliederung aufgeteilt und garantiert würden, die wohlerworbenen Rechte der Belegschaftsmitglieder also nicht geschmälert werden könnten. Man könne feststellen, daß sich die sozialen Verhältnisse bei dem Agfa-Camerawerk keineswegs verschlechtert, sondern eher verbessert hätten.

Nochmals mit der Belegschaft zu sprechen, halte er für zwecklos, zumal durch das Zerlegungsgesetz32 das Steueraufkommen des Werkes bei Bayern verbleibe. Allerdings habe er die Befürchtung, daß für die Muttergesellschaft durch Gewinn- und Verlustrechnungen viele Manipulationsmöglichkeiten sich ergeben könnten. Wenn das Zerlegungsgesetz es nicht erlaube, daß Bayern in den Genuß der Steuern gelange, sei er dafür, diese Frage sehr sorgfältig zu prüfen und zu erklären, Bayern wünsche die Selbständigkeit des Werkes.

Staatsminister Zietsch erklärt, das Zerlegungsgesetz habe durchaus die Möglichkeit, diese Steuern für Bayern in Anspruch zu nehmen.

Staatssekretär Dr. Ringelmann fügt hinzu, wenn verschiedene Betriebe gemeinsam geführt würden, bestehe allerdings die Gefahr, daß Verluste, die entstehen, mit Gewinnen abgerechnet würden, eine Möglichkeit, die bei dem guten Stand dieser Industrie gegenwärtig keine Rolle spiele.

Staatsminister Dr. Oechsle meint, es sei an sich deprimierend, wenn ein in Bayern gelegener Betrieb in die Abhängigkeit von einem Unternehmen in anderen Teilen der Bundesrepublik gelange. Andererseits habe das Argument, daß das Agfa-Camerawerk mit dem Werk, das die Filme herstelle, verbunden bleiben müsse, schon etwas für sich. Die Arbeiter und Angestellten hätten die Befürchtung, daß die Basis des Werkes zu schmal werden könne und ihre sozialen Errungenschaften verloren gehen würden.

Ministerpräsident Dr. Ehard spricht sich dafür aus, für diese Selbständigkeit einzutreten, wenn tatsächlich die Verbindung der beiden Unternehmen durch Verträge gewährleistet sei.

Staatsminister Dr. Oechsle fährt fort, die Belegschaft gehe davon aus, daß durch diese Verbindung die soziale Sicherheit besser gewährleistet sei, ein Argument, das nicht ganz durchschlage, wenn ein Rückschlag in der chemischen Industrie komme. Ein solcher Rückschlag könne das Agfa-Camerawerk ebenso treffen, wenn es allein sei oder in Verbindung mit Leverkusen stehe.

Staatsminister Dr. Seidel weist noch darauf hin, daß ein Vergleich mit der Lech-Chemie33 nicht unbedingt schlüssig sei.

Staatsminister Dr. Oechsle erklärt sich dann ausdrücklich für eine bayerische Lösung.

Auch Ministerpräsident Dr. Ehard spricht sich dafür aus, der noch empfiehlt, den Versuch zu machen, noch einmal mit der Belegschaft zu sprechen.

Der Ministerrat faßt folgenden Beschluß:

Der Bayerischen Staatsregierung scheint eine Ausgliederung und Selbständigmachung des Agfa-Camerawerks in München die zweckmäßigste Lösung zu sein.34

VII. Auerbach-Prozeß35

Staatssekretär Dr. Ringelmann berichtet über seine Vernehmung im Auerbach-Prozeß, insbesondere über seine Aussage hinsichtlich der von Auerbach unmittelbar nach der Währungsreform gegebenen Kredite.

Außerdem bitte er den Ministerrat, über folgende Frage zu entscheiden:

Der Bayerische Staat habe sich seinerzeit verpflichtet, für eine von Auerbach abgeschlossene Lebensversicherung zum Teil die Prämien zu bezahlen. Nachdem dessen Familie ohne jede Mittel sei, seien Rückstände von 1 600 DM auf diese Prämien entstanden, so daß die Versicherung erlösche, wenn nicht bis 1. Juli die Rückstände entrichtet würden. Da Auerbach noch seine Haftentschädigung zustehe, könne man unter Umständen beschließen, daß diese Prämie als Vorschuß auf die Haftentschädigung gezahlt werden könnte.

Staatssekretär Dr. Koch empfiehlt, diese Verpflichtung zu übernehmen, sie aber damit zu begründen, daß der Bayerische Staat unter Umständen dann die Möglichkeit habe, die Lebensversicherung Auerbachs in Anspruch zu nehmen.

Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt zu, erkundigt sich aber, ob die rückständigen Prämien aus der Zeit nach der Verhaftung Auerbachs stammen.

Staatssekretär Dr. Ringelmann bejaht diese Frage und betont, daß Auerbach an sich keinen Anspruch mehr habe, daß der Staat einen Teil der Prämien entrichte.

Der Ministerrat faßt daraufhin folgenden Beschluß:

Der Ministerrat erklärt sich mit Rücksicht auf die Erhaltung des Anspruchs auf die von Auerbach abgeschlossene Lebensversicherung bereit, seine Haftentschädigung mit einem Betrag zu bevorschussen, der den rückständigen Versicherungsprämien entspricht. Auerbach muss sich damit einverstanden erklären, daß diese Beträge unmittelbar an die Versicherungsgesellschaft bezahlt werden.36

VIII. Kehlsteinhaus37

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt ein Schreiben des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen vom 9. Mai 1952 und einen Auszug aus den Bedingungen bekannt, die in den Pachtvertrag aufgenommen werden sollen, der zwischen dem Bayerischen Staat und dem Deutschen Alpenverein wegen des Kehlsteinhauses abgeschlossen wird.

Staatssekretär Dr. Brenner erkundigt sich, warum dieses Haus nicht einfach als Unterkunftshütte des Alpenvereins gebraucht werden könne.

Staatsminister Zietsch erwidert, ein Wirtschaftsbetrieb sei unumgänglich, da sonst das Objekt nicht wirtschaftlich sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß keine Bestimmung darüber enthalten sei, was zu geschehen habe, wenn Streitigkeiten entstünden.

Staatssekretär Dr. Koch erwidert, dies könne man ohne weiteres den ordentlichen Gerichten überlassen.

Der Ministerrat beschließt, den vom Staatsministerium der Finanzen aufgestellten Bedingungen über den Pachtvertrag zuzustimmen mit der Maßgabe, daß Ziff. 9 der Bedingungen wie folgt ergänzt wird:

„Der Unterpächter wird verpflichtet, sich den Bedingungen des mit dem Pächter abgeschlossenen Vertrags zu unterwerfen.“

Staatsminister Zietsch fährt fort, die Entscheidung über den Antrag des Landkreises Berchtesgaden, eine Omnibuslinie auf den Kehlstein zu genehmigen, hänge seiner Meinung davon ab, daß der Vertrag mit dem Alpenverein abgeschlossen werde. Wenn dies geschehen sei, werde er das Verkehrsministerium, das über den Antrag zu entscheiden habe, entsprechend unterrichten.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt abschließend noch fest, daß entgegen verschiedener in der Presse veröffentlichter Behauptungen kein Widerspruch zwischen dem Beschluß des Ministerrats und einem Schreiben des Hohen Kommissars, Mr. McCloy38 über das Kehlsteinhaus bestehe.39

IX. Bundesangelegenheiten

1. Europäische Verteidigungsgemeinschaft und nationale Polizei40

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert an die Besprechung dieser Angelegenheit im letzten Ministerrat, in der er den Entwurf des erwähnten Briefes des Innenministeriums bekanntgegeben habe. Dieses Schreiben sei nun nicht abgegangen, weil ein neuer Schnellbrief des Bundesinnenministeriums eingetroffen sei, in dem es heiße, in den letzten Verhandlungen in Paris sei es gelungen, den Standpunkt des Bundesinnenministeriums in dieser Frage durchzusetzen.

Er werde also keinen Protest mehr absenden, in einem Schreiben nach Bonn aber um Auskunft wegen des Begriffs der Polizeistreitkräfte bitten, der immer wieder vorkomme und dem Bayer. Innenministerium unbekannt sei.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.

2. Bundesanstalt Nürnberg41

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf Pressemitteilungen über Äußerungen des Präsidenten der Anstalt, Dr. Scheuble, die von Bayern nicht unwidersprochen hingenommen werden könnten.

Staatsminister Dr. Oechsle entgegnet, diese Pressemeldungen stimmen nicht in allen Punkten mit den Tatsachen überein, eine Befürchtung, daß über die Länder hinweggegangen werde, bestehe nicht. Jedenfalls habe nicht der Präsident der Anstalt, sondern der Verwaltungsrat die Grenzen der Landesarbeitsbezirke festzulegen; die Formulierung „im Benehmen mit den Ländern“, die schließlich zustande gekommen sei, bedeute praktisch ein Einvernehmen. Bayern werde von irgendwelchen Maßnahmen in dieser Richtung nicht berührt, die Frage könne allerdings akut werden, wenn das Pfalzproblem zu einer Lösung komme.42 Auch sei es nicht richtig, daß Herr Scheuble sonstige Vorwürfe gegen Bayern erhoben habe, er habe sogar besonders anerkannt, daß die bayerischen Landesarbeitsamtsbezirke mustergültig gearbeitet hätten. Scheuble habe nur erklärt, es sei dringend gewesen, die Anstalt zu schaffen, damit leistungsschwache Bezirke entlastet werden könnten, und jetzt sei man in der Lage, Schulden abzudecken. Auch mit Nürnberg habe er sich durchaus abgefunden und er sei überzeugt, daß gegen Nürnberg als Sitz der Anstalt nichts mehr unternommen werde.

Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.43

X. Personalangelegenheiten

Der Ministerrat beschließt, die Regierungsdirektoren im Staatsministerium für Unterricht und Kultus Dr. Georg Bögl,44 Josef Hummel45 und Dr. Emil Kessler46 zu Ministerialräten zu ernennen.

XI. Olympische Gesellschaft, Landesstelle Bayern47

Staatsminister Zietsch verliest ein Schreiben der Landesstelle Bayern der Olympischen Gesellschaft, in der der Bayerischen Staatsregierung für ihre Spende von 20000 DM der Dank ausgesprochen werde.48

[XII.] Internationales Falkenlager Murnau49

Staatsminister Dr. Oechsle erinnert an frühere Besprechung im Ministerrat, in der grundsätzlich beschlossen worden sei, der sozialistischen Jugend „Die Falken“ für ein internationales Lager im Jahre 1952 einen Zuschuß zu geben.

Staatsminister Dr. Schwalber stellt fest, daß das Kultusministerium aus seinen Mitteln bereits 5000 DM gegeben habe, zu weiteren Leistungen aber nicht in der Lage sei.

Staatsminister Dr. Oechsle entgegnet, für die Durchführung des Lagers würden ca. 10000 DM gebraucht.

Es wird vereinbart, daß die Herren Staatsminister der Finanzen, für Unterricht und Kultus und für Arbeit und soziale Fürsorge nochmals prüfen, ob und aus welchen Mitteln ein weiterer Zuschuß gewährt worden kann.50

[XIII.] Landfahrergesetz51

Auf Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Hoegner wird vereinbart, den Entwurf eines Landfahrergesetzes in der nächsten Kabinettssitzung zu behandeln.52

[XIV.] Eröffnung des Julius-Spitals in Würzburg53

Der Ministerrat beschließt, von seinem ursprünglichen Plan, am 19. Mai in Veitshöchheim eine Kabinettssitzung abzuhalten, abzusehen.

Es wird vereinbart, daß an der Eröffnungsfeier in Würzburg am 20. Mai die Herren Staatsminister Dr. Hoegner und Dr. Schlögl, sowie die Herren Staatssekretäre Dr. Nerreter, Maag und Dr. Brenner teilnehmen.

[XV.] Staatsminister für politische Befreiung

Staatssekretär Dr. Koch erklärt, er sei dazu bestimmt worden, die Geschäfte des Herrn Justizministers weiterzuführen, über die Geschäfte des Ministers für politische Befreiung sei aber nichts festgesetzt worden.54

Mit Zustimmung des Ministerrats erklärt Ministerpräsident Dr. Ehard, es sei selbstverständlich, daß Herr Staatssekretär Dr. Koch auch das Sonderministerium übernehme.

[XVI.] Ludwig-Donau-Mainkanal55

Ministerpräsident Dr. Ehard verweist auf ein Schreiben des Herrn Staatsministers des Innern vom 19. April 1952, das sich mit der Wiederinstandsetzung der Strecke Nürnberg-Erlangen des Ludwig-Donau-Mainkanals befaßt.56

Staatsminister Zietsch führt aus, er sei der gleichen Auffassung wie das Staatsministerium des Innern, daß nämlich der Landtag seine bisherigen Beschlüsse in dieser Sache nochmals überprüfen solle.57

Es wird beschlossen, daß das Staatsministerium des Innern in diesem Sinn an den Landtag herantreten solle.58

[XVII.] Anwesen Promenadeplatz 15 in München

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß im Grundstock keine freien Mittel vorhanden seien, dieses Anwesen, das allerdings unter Denkmalschutz stehe und besonders wertvoll sei, nun anzukaufen und damit vor dem Abbruch zu retten. Dies sei vielmehr nach Art. 83 der Bayer. Verfassung59 Sache der Stadt München.

Staatsminister Dr. Schwalber gibt zu bedenken, daß es sich hier um eine besonders schöne Rokokofassade handle, deren Verlust sehr schmerzlich sei.

Nachdem Staatsminister Zietsch nochmals darauf hinweist, über keine Mittel zu verfügen, wird die Angelegenheit als erledigt bezeichnet.

[XVIII.] Entschließungen des Bayer. Senats

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt zwei Entschließungen des Bayer. Senats bekannt, in denen der Erlaß eines Baugesetzes für den zusammenhängenden Wiederaufbau zerstörter Stadtkerne gefordert und ferner zu der Frage des sozialen Wohnungsbaues Stellung genommen wird.60

Staatsminister Zietsch entgegnet, daß diese beiden Entschließungen an sich keine besonderen neuen Gesichtspunkte brächten.

Staatsminister Dr. Oechsle fügt hinzu, daß sich in der letzten Zeit der Baumarkt außerordentlich gut entwickelt habe.

[XIX.] 500jähriges Jubiläum der Wallfahrt in Neukirchen bei Hl. Blut61

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest eine Einladung des Pfarramts Neukirchen bei Hl. Blut, in der unter anderem mitgeteilt werde, daß an dem Jubiläum auch der Päpstliche Nuntius für Deutschland, Exzellenz Erzbischof Muench,62 teilnehmen werde.

Es wird vereinbart, die Einladung dem Herrn Staatsminister für Unterricht und Kultus zuzuleiten.63

[XX.] Fall Dr. Julius Spanier

Ministerpräsident Dr. Ehard berichtet kurz über diese Angelegenheit und weist darauf hin, daß jetzt Dr. Spanier64 einen Zahlungsbefehl wegen des ihm früher zugeteilten Kraftwagens erhalten habe.

Staatssekretär Dr. Koch betont, daß die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichtshofes durch das Landeskommissariat etwa bestehende privatrechtliche Ansprüche nicht zerstört habe.

Staatsminister Dr. Schwalber gibt zu bedenken, daß das Urteil aufgehoben worden sei, also der Rechtstitel entfallen.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht Herrn Staatssekretär Dr. Koch, sich beim Landgericht München I zu erkundigen, wie diese Sache eigentlich stehe und dann den Versuch zu machen, sie in Ordnung zu bringen.

[XXI.] Fall Graf Soltikow65

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, daß Graf Soltikow jetzt eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Rechtsanwalt Senger66 und Oberstaatsanwalt Kurz67 eingereicht habe. Er werde dieses Schreiben Herrn Staatssekretär Dr. Koch zuleiten.68

Abschließend wird vereinbart, die nächste Ministerratssitzung am Mittwoch, den 21. Mai 1952, vormittags 9 Uhr, abzuhalten.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Karl Schwend
Ministerialdirektor