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Nr. 99MinisterratssitzungMittwoch, 21. Mai 1952 Beginn: 9 Uhr Ende: 12 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Regierungsdirektor Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Arnold1zu Punkt IV (Wirtschaftsministerium).

Entschuldigt:

Justizminister Dr. Müller, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium).

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Gesetz zur Bekämpfung des Landfahrer- und Arbeitsscheuenunwesens. III. Einführung eines Saisonabschlags für Milch. IV. Lastverteilung in bayerischen Grenzgebieten. V. Einführung der Zwangshagelversicherung. VI. [Auerbach-Prozeß]. [VII. Beflaggung am 23. Mai 1952]. [VIII. Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge der Ministerien]. [IX. Blaue Lampen an den Kraftfahrzeugen der Kabinettsmitglieder]. [X. Auslegung des § 118 Betriebsrätegesetz]. [XI.] Einladungen.

I. Bundesratsangelegenheiten

1. Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen2

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet zunächst über Ziff. I der in der BR-Drucks Nr. 121/1/52 zusammengestellten Empfehlungen der beteiligten Ausschüsse.3 Der Koordinierungsausschuß schließe sich allen Empfehlungen an, mit Ausnahme der zu § 77 a, bei der der Vertreter des Wirtschaftsministeriums4 der Auffassung gewesen sei, diese Bestimmung müsse gestrichen werden.5

Staatssekretär Dr. Koch spricht sich dafür aus, die Empfehlungen in Ziff. I unverändert, also einschließlich der zu § 77 a zu übernehmen.

Nach kurzer Aussprache wird beschlossen, sich sämtlichen Empfehlungen der beteiligten Ausschüsse anzuschließen.

Staatsminister Dr. Seidel kommt dann jedoch auf § 11 zu sprechen,6 der seiner Meinung nach von der bisherigen Praxis abweiche.7 Es liege ihm ein Schreiben der Industrie- und Handelskammer, ferner eines des Markenartikelverbands vor, in der die Beibehaltung der Preisbindung verlangt werde.8

Regierungsdirektor Dr. Gerner fügt hinzu, auch der Handwerkstag habe sich in dieser Richtung geäußert, es scheine, daß sich alle Verbände für die Preisbindung, auch bei der zweiten Hand, einsetzten. Wenn man diesem Wunsch stattgebe, könne die Empfehlung der Ausschüsse in Ziff. I zu §11 nicht unterstützt werden.

Staatsminister Dr. Seidel verliest anschließend die an ihn gerichteten Eingaben und schlägt vor, an der einschlägigen Bestimmung des Gesetzentwurfs festzuhalten. Man könne allerdings als Gegenargument anführen, daß es in der Vergangenheit Markenartikel nur in beschränkter Zahl gegeben habe, während jetzt immer mehr Artikel als Markenartikel bezeichnet würden.

Staatsminister Zietsch empfiehlt, lediglich § 11 Abs. 1 in der Fassung der Empfehlungen abzulehnen, sonst aber dem neuen Vorschlag zu Abs. 2 zuzustimmen.

Der Ministerrat faßt folgenden Beschluß:

§11 Abs. 1 des Gesetzentwurfs in der Fassung der Empfehlungen der vereinigten Ausschüsse wird abgelehnt, sonst aber wird diesen zugestimmt.

Ziff. II

Regierungsdirektor Dr. Gerner fährt fort, im Koordinierungsausschuß habe der Vertreter des Wirtschaftsministeriums sich gegen die in der Regierungsvorlage vorgesehenen und vom Rechts- und Wirtschaftsausschuß empfohlenen Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte mit Entschiedenheit ausgesprochen und angeregt, sich den Empfehlungen des Ausschusses für innere Angelegenheiten anzuschließen, welche das Verwaltungsstreitverfahren vorsehen.9

Staatssekretär Dr. Koch widerspricht dieser Auffassung und betont, es sei unbedingt notwendig, wie im Entwurf vorgesehen, das Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht einzuführen, wenn auch vielleicht gemäß Art. 93 der Bayer. Verfassung10 gewisse Schwierigkeiten entstehen könnten.

Der Ministerrat beschließt, den Empfehlungen der Ausschüsse unter Ziff. II Ziff. 1, wonach die ordentlichen Gerichte zuständig sein sollten, beizupflichten.

Regierungsdirektor Dr. Gerner kommt dann auf Ziff. III der Empfehlungen zu sprechen,11 die sich mit dem Geltungsbereich des Gesetzes auch für Kredit- und Versicherungsinstitute befassen. Hier sei der Wirtschaftsausschuß des Bundesrats und das Bayer. Wirtschaftsministerium anderer Meinung wie der Finanzausschuß und der Ausschuß für Innere Angelegenheiten.12

Staatsminister Zietsch spricht sich mit Nachdruck für die Unterstützung der letzteren Anträge aus.

Nach kurzer Aussprache beschließt der Ministerrat, sämtliche Empfehlungen unter Ziff. III 2 zu unterstützen und im übrigen keinen Eventualantrag zu stellen.13

Zu Ziff. IV14 erklärt Staatsminister Dr. Schlögl, er habe eben eine Mitteilung des Ernährungsministers von Nordrhein-Westfalen, Dr. Lübke,15 erhalten, wonach sich das Düsseldorfer Kabinett für die Empfehlungen des Agrarausschusses ausgesprochen habe, die zum Ziel hätten, die landwirtschaftlichen Genossenschaften herauszunehmen.16 Auch er halte es für richtig, dem Agrarausschuß zu folgen.17

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet weiter zu Ziff. V, die Vertreter des Finanz-,18 Wirtschafts- und Landwirtschaftsministeriums hätten sich gegen eine Befristung des Gesetzes auf 3 Jahre ausgesprochen.19

Staatsminister Dr. Seidel stellt fest, daß der Gesetzentwurf sehr umstritten sei und auf vielfachen Widerstand der Wirtschaft stoße, die anstatt eines Verbotsgesetzes lieber einen Entwurf gesehen hätte, der geeignet sei, Mißbrauch zu verhindern. Unter diesen Umständen müsse er eine Befristung des Gesetzes auf 3 Jahre befürworten, damit man entsprechende Erfahrungen machen könne. Allerdings sei er auch einverstanden, wenn die Frist auf 5 Jahre ausgedehnt werde.

Staatsminister Zietsch, unterstützt von Staatssekretär Dr. Koch, wendet sich gegen die Befristung, vor allem mit dem Hinweis, daß ja Änderungen jederzeit vorgenommen werden könnten.

Der Ministerrat beschließt, sich gegen eine Befristung auszusprechen.20

2. Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung kriegsbedingter gewerberechtlicher Vorschriften21

und

3. Entwurf eines Gesetzes betr. Protokoll vom 16.2.1952 über Zollvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei22

Bedenken werden nicht erhoben.

4. Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Eichgebühren23

Es wird beschlossen, der Verordnung nicht zuzustimmen.24

5. Entwurf eines Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr25

Bedenken werden nicht erhoben.

6. Entwurf eines Gesetzes über die Aufnahme eines Kredits durch den Bund im Rahmen der von den Vereinigten Staaten gewährten Wirtschaftshilfe26

Ein Antrag nach Art. 77 Abs. 2  GG wird nicht gestellt.

7. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts27

Der Ministerrat beschließt, nach Maßgabe der Abänderungsvorschläge des Finanz- und Sozialpolitischen Ausschusses Stellung zu nehmen und darüber hinaus keine weiteren Einwendungen zu erheben.28

8. Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Abkommen über den Internationalen Währungsfonds (International Monetary Fund) und über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (International Bank for Reconstruction and Development)29

Nachdem Staatsminister Dr. Seidel einen kurzen Überblick über den Inhalt dieses Gesetzentwurfs gegeben hat, wird beschlossen, Einwendungen nicht zu erheben.30

9. Entwurf einer Vermögensteuer-Durchführungsverordnung31

Auf Vorschlag von Staatsminister Zietsch wird beschlossen, sämtliche Empfehlungen des Ausschusses für Arbeits- und Sozialpolitik zu §5 Ziff. 3 zu unterstützen.32

10. Zustimmung des Bundesrates zur endgültigen Berechnung der Beiträge und Zuschüsse der Länder aus dem Finanzausgleich 1950 gemäß §5 Abs. 3 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern im Rechnungsjahr 1950 vom 26. Juni 1951 (BGBl. I S.408  )33

Zustimmung nach Maßgabe der Empfehlungen des Finanzausschusses.

11. Entwurf von vorläufigen Verwaltungsrichtlinien über Stundung und Erlaß bei der Investitionshilfe34

Staatsminister Dr. Seidel erklärt, es sei gelungen, für Bayern alles was nur irgendmöglich sei in diesen Entwurf hineinzubringen, nämlich große Teile Unterfrankens, Oberfrankens und fast der gesamte bayerische, böhmische und oberpfälzische Wald.

Der Ministerrat beschließt, unter Berücksichtigung der Abänderungsvorschläge in der BR-Drucks. Nr. 202/1/52  zuzustimmen.35

12. Entwurf eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien betr. Grenzgänger vom 18.1.1952

und

13. Entwurf eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien betr. Gastarbeitnehmer vom 18.1.195236

Keine Einwendungen.

14. Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer (Heimkehrergesetz) vom 13.7.195037

Zustimmung nach Maßgabe der Änderungen in der BR-Drucks. Nr. 146/1/52  .

15. Entwurf von Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Heimkehrergesetzes38

und

16. Entwurf einer Fünften Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten (Fünfte Berufskrankheiten-Verordnung)39

Zustimmung unter Berücksichtigung der Abänderungsvorschläge des Ausschusses für Arbeits- und Sozialpolitik.40

17. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln (Teuerungszulagengesetz) (Teuerungszulagenänderungsgesetz – TZÄndG –)41

Es wird festgestellt, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt wird.42

18. Benennung von Mitgliedern für zusätzliche Aufnahme- und Beschwerdeausschüsse für das Notaufnahmeverfahren in Berlin43

Staatssekretär Dr. Oberländer führt aus, bisher hätten die Länder in diesen Ausschüssen Vertreter gehabt, jetzt sei vereinbart worden, sich daraus zurückzuziehen und die Mitglieder ausschließlich aus Vertretern Berlins und Nordrhein-Westfalens bestehen zu lassen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.44

19. Entwurf eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1952/53 und über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1952/53)45

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet, diese Vorlage sei von der Bundesregierung zurückgezogen worden.46

20. Entwurf eines Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten47

und

21. Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (Bundesministergesetz)48

Stellungnahme nach Maßgabe der Empfehlungen des Innenausschusses.

22. Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Süßstoff-Verordnung49 Zustimmung.

23. Entwurf von Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Ausführung des Paßgesetzes50

Zustimmung nach Maßgabe der Änderungsvorschläge des Innenausschusses.

24. Entwurf einer Verordnung über Gebühren für die Ausfertigung von Pässen, sonstigen Reisepapieren und Sichtvermerken (Paßgebührenverordnung)51

Dieser Punkt wird von der Tagesordnung abgesetzt werden.52

25. Entwurf einer Verordnung zur Durchführung des §20 des Bundeswiedergutmachungsgesetzes für den öffentlichen Dienst53

und

26. Entwurf einer Sechsten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen54

Zustimmung.

27. Bericht des Rechtsausschusses über drei Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht55

Es wird beschlossen, von einer Äußerung und einem Beitritt abzusehen.

28. Ernennung des Oberstaatsanwalts Ludwig Martin56 zum Bundesanwalt57

Es wird festgestellt, daß keine Bedenken bestehen.

29. Neuwahl des Vorsitzenden des Rechtsausschusses und des Flüchtlingsausschusses

Regierungsdirektor Dr. Gerner führt aus, Vorsitzender des Rechtsausschusses sei bisher der Staatspräsident von Südwürttemberg-Hohenzollern, Herr Dr. Gebhard Müller,58 gewesen, voraussichtlich werde nun der Justizminister des Südweststaates, Herr Dr. Renner,59 vorgeschlagen werden.

Staatssekretär Dr. Oberländer fügt hinzu, wie er erfahren habe, werde das Präsidium des Bundesrats für den Rechtsausschuß Dr. Renner, für den Flüchtlingsausschuß den Sozialminister von Nordrhein-Westfalen, Dr. Weber,60 vorschlagen. Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, bisher sei es üblich gewesen, daß zunächst die Ausschüsse selbst ihre Kandidaten benannt hätten.

Staatssekretär Dr. Koch macht darauf aufmerksam, daß sich die Justizministerkonferenz, also praktisch bereits der Ausschuß, schon für Dr. Renner ausgesprochen habe.

Der Ministerrat erklärt sich mit den Vorschlägen einverstanden.

30. Bestellung des Ausschußsekretärs des Finanzausschusses61

Bedenken werden nicht erhoben.62

31. Benennung von Ländervertretern für den Aufsichtsrat und den zu bildenden Beirat der Vertriebenenbank AG63

Regierungsdirektor Dr. Gerner teilt noch mit, daß Nordrhein-Westfalen für den Aufsichtsrat und den Beirat der Vertriebenenbank AG einen Vertreter der Finanzverwaltung benennen wolle. Es sei nun zu erwägen, ob bayerischerseits nicht der bereits vorgeschlagene Präsident der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung, Dr. Gebhardt,64 als Vertreter der Vertriebenenverwaltung benannt werden könne.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.65

32. Biersteuerfreiheit für Angehörige der Besatzungsmacht

Staatssekretär Dr. Ringelmann wirft die Frage der Biersteuerfreiheit für die Angehörigen der Besatzungsmacht auf, die auch im Generalvertrag66 eine gewisse Rolle spielen werde. Tatsächlich bedeute sie einen Ausfall von 1,3 Millionen DM an Steuern für den bayerischen Staat. Allerdings sei zu bedenken, daß das Bier von der Besatzungsmacht eben aus anderen außerdeutschen Ländern bezogen werde, wenn Bayern auf der Biersteuer bestehe. Die Angelegenheit müsse also sehr sorgfältig überlegt worden.

Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.

33. Lastenausgleich67

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es für notwendig, eine Reihe von Punkten eingehend zu erörtern, wenn tatsächlich wegen des Lastenausgleichsgesetzes der Vermittlungsausschuß angerufen werden solle. Er stelle die Frage, ob man schon einen vollständigen Überblick über alles habe, zumal zweifellos die Tendenz bestehen werde, den Entwurf so rasch wie möglich auch vom Bundesrat aus zu verabschieden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann teilt mit, nach der gestrigen Besprechung des Sonderstabs Lastenausgleich68 in München seien zahlreiche Abänderungsanträge zu erwarten, die wahrscheinlich die Zustimmung der Mehrheit der Länder finden würden. In der Tat würden auch den Ländern in verschiedenen Punkten große Belastungen auferlegt.

Staatsminister Dr. Seidel meint, Endgültiges könne noch nicht gesagt werden, da erst am 28. Mai eine Sitzung des Sonderausschusses Lastenausgleich stattfinde, in der die Minister vertreten seien und in der die Ergebnisse der Beratungen des Arbeitsstabs erörtert werden sollten. Erst dann könne eine Kabinettssitzung angesetzt werden, in der das ganze Gesetz besprochen werden müsse.

Staatssekretär Dr. Oberländer fügt hinzu, auch der Vertriebenenausschuß werde in dieser Woche in München Zusammenkommen.

Der Ministerrat vereinbart, vorläufig noch das Ergebnis der verschiedenen Ausschußsitzungen abzuwarten.69

II. Gesetz zur Bekämpfung des Landfahrer- und Arbeitsscheuenunwesens70

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß noch erhebliche Differenzen zwischen dem Innen- und dem Justizministerium bestünden, so daß er eine weitere Referentenbesprechung für erforderlich halte.71 Vielleicht könne doch noch bei diesen Besprechungen, zu denen er die Staatskanzlei beizuziehen bitte, ein Ausgleich erreicht werden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich damit einverstanden.

Der Ministerrat erklärt sich mit der Verschiebung einverstanden, wobei vereinbart wird, daß die Einladungen zu der Referentenbesprechung von Herrn Staatssekretär Dr. Koch ausgehen sollen.72

III. Einführung eines Saisonabschlags für Milch73

Staatsminister Dr. Seidel erinnert daran, daß er im letzten Ministerrat beauftragt worden sei, die Rechtslage erneut zu prüfen. Er habe daraufhin einen Vorschlag ausarbeiten lassen und ihn mit Note vom 19. Mai allen Kabinettsmitgliedern zugeleitet.74 Die Rechtslage selbst sei auf Seite 2) der Note behandelt. Danach bliebe es den Ländern überlassen, entweder die bisherigen Preisvorschriften beizubehalten oder sie zu ändern oder künftig von Preisfestsetzungen überhaupt abzusehen.75 Der Entwurf sehe vor, daß in der Zeit vom 1. Juni bis 30. September ein Saisonabschlag von 2 Dpfg. je Liter vorgenommen werde.

Staatsminister Dr. Schlögl spricht sich dafür aus, unbedingt abzuwarten, bis die Verordnung der Bundesregierung erscheine.76 Wenn überhaupt ein Abschlag vorgenommen werde, müsse er den Milchausschuß77 zusammenrufen, in dem ja auch die Gewerkschaften vertreten seien.

Ministerpräsident Dr. Ehard empfiehlt, jedenfalls am nächsten Dienstag im Ministerrat eine Entscheidung zu treffen, bis dahin müsse sich das Kabinett grundsätzlich klar geworden sein.

Staatsminister Dr. Seidel schlägt vor, das Landwirtschaftsministerium möge die grundsätzliche Frage in einer eigenen Kabinettsvorlage erörtern, nachdem sie ja in seinem Ministerium habe offen bleiben müssen.

Der Ministerrat beschließt, die Angelegenheit nochmals bis zur nächsten Sitzung zurückzustellen.78

IV. Lastverteilung in bayerischen Grenzgebieten79

Der Referent für Energiefragen im Staatsministerium für Wirtschaft, Dr. Arnold, führt aus, es handle sich hier um Gebiete, die an der Westgrenze Bayerns lägen und von außerbayerischen Gebieten her versorgt würden. Einschlägig sei hier das Energienotgesetz, das bekanntlich acht Energieversorgungsbezirke bestimmt habe.80 Diese fielen zusammen mit den großen Landesversorgungsunternehmen, z.B. dem Bayernwerk, der Energieversorgung Schwaben AG, dem RWE usw. Die Funktion der Hauptlastverteiler sei es, zwischen den obersten Landesbehörden und den Energieversorgungsbezirken zu vermitteln, sie seien Ausführungsorgane der politischen Verwaltung innerhalb dieser Bezirke. Bisher habe im übrigen alles reibungslos funktioniert, der Bund verlange jetzt, daß für Lindau, das von der Schwaben AG aus versorgt werde, der Hauptlastverteiler dieses Gebiets, für Aschaffenburg, das die RWE in Anspruch nehme, der dortige Hauptlastverteiler zuständig sei. Selbstverständlich sollten die bayerischen Vorschriften über die Einschränkung des Stromverbrauchs usw. nach wie vor gelten, lediglich die technische Betreuung im Sinne des Energienotgesetzes erfolge durch den Hauptlastverteiler des stromliefernden Energiegebiets. Von Bund und Ländern werde übereinstimmend gewünscht, daß sich Bayern der allgemeinen Regelung anschließe.

Staatsminister Dr. Seidel unterstreicht nochmals den Unterschied zwischen dem Verwaltungsgebiet und Energiegebiet und betont, daß z.B. in Aschaffenburg keinerlei Schwierigkeiten bestünden. Im übrigen gehe zum Teil auch das Gebiet des Bayernwerks über Bayern hinaus.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß bisher überall in Bayern der bayerische Landeslastverteiler zuständig gewesen sei, während jetzt plötzlich der Bund eine Änderung verlange. Der bayerische Landeslastverteiler halte seine Zuständigkeit nach wie vor mit Rücksicht auf die Einheitlichkeit der Verwaltung für erforderlich und verweist unter anderem darauf, daß der Vertrag zwischen Aschaffenburg und dem RWE ablaufe, wenn das dortige Dampfkraftwerk errichtet sei.81

Dr. Arnold erwidert, die Verwaltung liege nach wie vor bei den obersten Landesbehörden, während beim Hauptlastverteiler des stromliefernden Energiebezirks lediglich die technische Betreuung liege.

Der Ministerrat beschließt nach kurzer Aussprache, die Angelegenheit nicht abzuschließen und in der nächsten Ministerratssitzung Herrn Dr. Arnold, wie den Landeslastverteiler, Herrn Dipl. Ing. Engl,82 nochmals zu hören.83

V. Einführung der Zwangshagelversicherung84

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß er die Vorschläge der Versicherungsgesellschaften den einzelnen Ministerien habe zuleiten lassen, Äußerungen seien aber bis jetzt noch nicht eingelaufen.

Es wird vereinbart, die Angelegenheit vorerst noch zurückzustellen.85

VI. Auerbach-Prozeß86

Staatssekretär Dr. Ringelmann berichtet über seine Vernehmung im Auerbach-Prozeß und die Berichterstattung in der Presse, die in wesentlichen Punkten von dem tatsächlichen Ablauf der Vernehmung abweiche.87

[VII.] Beflaggung am 23. Mai 1952

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest ein Fernschreiben des Bundesinnenministeriums, in dem die Länder gebeten werden, am 23. Mai 1952, dem Jahrestag des Inkrafttretens des Grundgesetzes, die öffentlichen Gebäude zu beflaggen.

Der Ministerrat beschließt, dem Wunsch des Bundesinnenministeriums zu entsprechen.

[VIII.] Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge der Ministerien

Der Ministerrat befaßt sich mit dem Landtagsbeschluß in dieser Angelegenheit88 und faßt folgenden Beschluß:

1. Die Kabinettsmitglieder behalten sich vor, selbst zu entscheiden, wie ihre Kraftwägen bezeichnet werden.

2. Das Ministerium des Innern wird beauftragt, Vorschläge über die Kennzeichnung mit Mustern vorzulegen.89

[IX.] Blaue Lampen an den Kraftfahrzeugen der Kabinettsmitglieder

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, bisher habe der Herr Ministerpräsident, der Herr Justizminister und er selbst als Staatsminister des Innern zusätzlich eine blaue Lampe am Kraftwagen geführt. Nach einer jetzt erschienenen Verordnung des Bundesverkehrsministeriums sei dies angeblich nicht mehr zulässig, Ausnahmen könnten nur durch die Regierungspräsidenten genehmigt werden.

Der Ministerrat stellt fest, daß das Staatsministerium des Innern diese Angelegenheit ohne weiteres an sich ziehen und die Genehmigungen erteilen könne.

[X.] Auslegung des §118 Betriebsrätegesetz90

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß hier Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Finanzministerium und den Gewerkschaften bestünden. Die Auffassung des Finanzministeriums, daß diese Bestimmung auf Beamte keine Anwendung finde, könne sich auf das Gesetz selbst stützen.

Staatsminister Zietsch entgegnet, diese Meinung beruhe auf dem Kommentar des Arbeitsgerichtspräsidenten Dr. Meissinger.91

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, diese Frage in der nächsten Ministerratssitzung nochmals zu behandeln, worauf Ministerpräsident Dr. Ehard Herrn Staatssekretär Dr. Koch ersucht, eine gutachtliche Äußerung des Staatsministeriums der Justiz herbeizuführen.92

[XI.] Einladungen

a) 100 Jahrfeier der Staatsbauschule Coburg

Es wird vereinbart, die Bayer. Staatsregierung bei dieser Feier durch den Regierungspräsidenten von Oberfranken vertreten zu lassen.

b) Vereinigung zur Wahrung der Staatsbürgerrechte Schweinfurt

Der Ministerrat beschließt, dieser Einladung nicht Folge zu leisten.

c) Tagung der Werbungsmittler

Es wird beschlossen, die Vertretung der Bayer. Staatsregierung dem Staatsministerium für Wirtschaft zu übertragen. Die Einladung des Verbands wird Herrn Staatssekretär Dr. Guthsmuths übergeben.

d) Bayer. Jugendaktion 195293

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, er habe das Kuratorium der Bayer. Jugendaktion 1952 für Mittwoch, den 28. Mai zur ersten Sitzung in die Staatskanzlei eingeladen.94

Er bitte die beteiligten Ministerien, Vertreter zu dieser Sitzung zu entsenden.95

Abschließend wird vereinbart, die nächste Kabinettssitzung am Dienstag, den 27. Mai abzuhalten, ferner eine Sondersitzung am Freitag, den 30. Mai, abends, auf der das Gesetz über den Lastenausgleich erörtert werden soll.96

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Karl Schwend
Ministerialdirektor