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Nr. 101[Außerordentliche] MinisterratssitzungFreitag, 30. Mai 1952 Beginn: 19 Uhr 15 Ende: 22 Uhr 15
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Regierungsdirektor Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Zu Beginn der Sitzung teilt Ministerpräsident mit, daß der frühere Herr Staatsminister der Finanzen, Dr. Johann Georg Kraus,1 verstorben sei und würdigt dessen Verdienste um den Bayerischen Staat.

Es wird vereinbart, daß bei der Beisetzung der Herr Ministerpräsident sowie Herr Staatssekretär Dr. Ringelmann für das Finanzministerium sprechen werden.

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Gesetzes über den Lastenausgleich. II. Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. III. Einführung eines Saisonabschlags für Milch. IV. Kehlsteinhaus. V. Ausgleichszahlung in Höhe eines halben Monatsgehalts für die Beamten des bayerischen Staates. VI. Federführung in Heimkehrerfragen.

I. Entwurf eines Gesetzes über den Lastenausgleich2

Regierungsdirektor Dr. Gerner führt aus, der Ministerrat werde wohl zu drei Fragenkomplexen Stellung nehmen, nämlich zum Gesetz selbst, ferner zur Verfassungsänderung und schließlich zu der Frage der Teuerungszuschläge.

Zuerst habe sich mit dem Gesetzentwurf der Arbeitsstab befaßt, dann der Sonderausschuß Lastenausgleich, ferner habe der Flüchtlingsausschuß zu den einzelnen Punkten Stellung genommen, danach noch der Rechtsausschuß sowie der Ausschuß für Wiedergutmachungsfragen.

Die Vorschläge des Flüchtlingsausschusses gingen im wesentlichen darauf aus, alle Anregungen abzulehnen, die unter Umständen zu einer Schmälerung des Aufkommens führen könnten. Vielleicht sei es am zweckmäßigsten, von den Empfehlungen des Sonderausschusses Lastenausgleich auszugehen, die in der BR-Drucks. Nr. 210/1/52  niedergelegt seien. In erster Linie werde aber wohl die Frage zu entscheiden sein, ob grundsätzlich der Vermittlungsausschuß angerufen werden solle oder nicht.

Im Sonderausschuß seien die Vertreter aller Länder ziemlich einheitlich der Meinung gewesen, die Anrufung des Vermittlungsausschusses sei nicht zu vermeiden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann fügt hinzu, eine Reihe von Ländern hättn schon Kabinettsbeschlüsse nach dieser Richtung gefaßt, die sich im wesentlichen mit der Stellungnahme des Sonderausschusses deckten.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, an sich sei es natürlich erwünscht, daß der Lastenausgleich möglichst bald durchgeführt werde und man von einem Antrag nach Art. 77 Abs. 2  GG absehen könne. Wahrscheinlich komme man aber um diesen Antrag nicht herum, da die Einwendungen des Sonderausschusses doch sehr bedeutsam seien. Auf alle Fälle sei er aber der Meinung, die Anrufung müsse sich auf ein Minimum beschränken.

Der Ministerrat beschließt grundsätzlich, den Vermittlungsausschuß anzurufen, im einzelnen aber auf Grund der BR-Drucks. Nr. 210/1/52  festzulegen, aus welchen Gründen dies geschehen soll.

Punkt 1: § 5 Abs. 1 Ziff. 5

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet, in der Begründung zu diesem Antrag werde darauf hingewiesen, daß die Übertragung von Vermögenswerten aus dem Eigentum des Bundes und der Länder in den Lastenausgleichsfonds dem Grundsatz widerspreche, daß Mittel der öffentlichen Hand nicht für Zwecke des Lastenausgleichs herangezogen werden sollten.

Der Ministerrat beschließt, die Empfehlung des Sonderausschusses zu unterstützen.

Punkt 2: § 15 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 1 (Befreiung von der Vermögensabgabe)

Staatssekretär Dr. Ringelmann führt aus, die Heranziehung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens wird Bayern sehr erheblich belasten, beim forstwirtschaftlichen Vermögen allein mit jährlich 12 Millionen DM.

Staatssekretär Dr. Oberländer spricht sich dafür aus, dieser Empfehlung nicht zu folgen, sondern beim Wortlaut des Gesetzentwurfs zu verbleiben.

Staatsminister Zietsch erwidert, es würden ja auch Gegenvorschläge gemacht dahingehend, daß der Bund und die Länder die Gewähr dafür übernehmen sollten, daß gemeinsam versucht werden solle, etwa auftretende Fehlbeträge zu ersetzen.

Staatssekretär Dr. Ringelmann stellt fest, die Länder vertreten den Gesichtspunkt, es sei nicht notwendig, sofort für den Ausgleichsfonds vom Bund und den Ländern 100 + 150 Millionen DM bereitzustellen, man solle vielmehr zunächst abwarten, was die Vermögensabgabe bringen werde, die wahrscheinlich wie erwartet sein wird. Erst wenn dies tatsächlich nicht der Fall sei, sollten die Länder einspringen und den Ausgleichsfonds durch Zuschüsse erhöhen; auf alle Fälle solle keine Minderung des Aufkommens eintreten.

Staatssekretär Dr. Nerreter äußert Bedenken gegen den Versuch, das land- und forstwirtschaftliche Vermögen des Staates auszunehmen.

Staatsminister Zietsch entgegnet, wenn überhaupt ein Vermögen der Allgemeinheit diene, dann sei es das des Staates, so daß es durchaus vertretbar sei, der Empfehlung des § 15 zu folgen.

Staatsminister Dr. Seidel meint, wenn dieses Vermögen für den Sonderzweck des Lastenausgleichs belastet werde, so sei die Folge, daß die Etatmittel geschmälert würden und die Minderung auf die Staatsbürger zusätzlich umgelegt werden müsse. Auch er müsse deshalb dem Vorschlag des Sonderausschusses zustimmen.

Staatssekretär Dr. Oberländer betont, in erster Linie komme es darauf an, daß die Eingliederung erfolgen könne. Wenn die Eingänge größer seien wie man erwarte, so käme das dann in der Form von Rückflüssen den Ländern zugute. Er könne nicht einsehen, warum das öffentliche Vermögen ausgenommen werde und befürchte in diesem Fall politische Schwierigkeiten.

Staatsminister Dr. Oechsle glaubt, im Falle einer Ausfallsgarantie werde Bayern besonders günstig wegkommen, da der bayerische Staat über besonders großen Waldbesitz verfüge. Wenn diese seine Meinung zutreffend sei, könnte er der Empfehlung zu § 15 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 1 zustimmen.

Staatsminister Zietsch bejaht diese Frage, während Staatssekretär Dr. Nerreter seine Bedenken noch nicht für ausgeräumt erklärt.

Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, die Empfehlungen des Sonderausschusses zu unterstützen.

Punkt 3: § 15 Abs. 1 Ziff. 10

Unterstützung.

Punkt 4: § 38

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet, § 38 bestimme, in welchem Ausmaß Schäden berücksichtigt worden sollen. Auch hier sei der Sonderausschuß zu einer Auffassung gelangt, die von dem Regierungsentwurf abwichen, und habe deshalb § 38 neu formuliert. In der Koordinierungsbesprechung habe sich auch der Vertreter der Vertriebenenabteilung3 für die Unterstützung ausgesprochen.4

Der Ministerrat beschließt, die Empfehlungen des Sonderausschusses zu unterstützen.

Punkt 5: § 39 Abs. 1 Ziff. 2

Staatssekretär Dr. Oberländer erklärt, er bestehe nicht darauf, die Empfehlungen des Vertreters der Vertriebenenabteilung im Koordinierungsausschuß aufrecht zu erhalten.5

Der Ministerrat beschließt daraufhin die Unterstützung der Empfehlungen des Sonderausschusses.

Punkt 6: §§ 84 – 122 (Vermögensteuer)

Regierungsdirektor Dr. Gerner führt aus, es sei insbesondere verfassungsrechtlich nicht möglich, die Vermögensteuer für Zwecke des Bundes in Anspruch zu nehmen, nachdem nach Art. 107  GG die endgültige Verteilung der Steuer auf den Bund und die Länder spätestens bis zum 31. Dezember 1952 durch ein Bundesgesetz vorgenommen werde, das der Zustimmung des Bundesrats bedürfe.6 Der Rechtsausschuß habe sich bereits im vergangenen Jahr eingehend mit dieser Frage befaßt und die Verfassungswidrigkeit festgestellt. Für Bayern würde es einen Betrag von rund 20 Millionen DM ausmachen. Alle Mitglieder des Koordinierungsausschusses hätten sich für die Unterstützung der neuen Vorschläge ausgesprochen mit Ausnahme des Vertreters der Vertriebenenabteilung, der eine Verminderung der Einnahmen befürchte.7

Staatsminister Zietsch verweist ebenfalls auf die Verfassungswidrigkeit des Entwurfs, er beziffert dann den Ausfall auf rund 130 Millionen DM.

Staatssekretär Dr. Ringelmann verweist auf das Grundgesetz, das ausdrücklich einen Unterschied zwischen einmaliger Abgabe für den Lastenausgleich und den übrigen Vermögensteuern mache. Der Entwurf der Bundesregierung gehe dahin, allgemeine Steuermittel in den Lastenausgleich hineinzulegen, was nicht zulässig sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard unterstreicht die Tatsache, daß hier einfach der Art. 107  GG8 vorweggenommen werde.

Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, dem Sonderausschuß folgend für die Streichung der §§ 84 – 122 einzutreten.

Punkt 7: § 163 Abs. 4

Unterstützung der Empfehlungen des Sonderausschusses.

Punkt 8: § 170 Abs. 3

Staatssekretär Dr. Ringelmann begründet die Notwendigkeit, den vom Sonderausschuß vorgeschlagenen Zusatz zu übernehmen und verweist dabei auf § 5 Abs. 2 Ziff. 2

Es wird beschlossen, diese Empfehlung zu unterstützen.

Punkt 9: § 232

Regierungsdirektor Dr. Gerner erläutert die vom Sonderausschuß vorgeschlagene Neufassung und bemerkt, daß der Vertreter der Vertriebenenabteilung die Unterstützung des Vorschlags des Flüchtlingsausschusses zu Ziff. 9 empfohlen habe.

Der Ministerrat beschließt, die Empfehlungen des Sonderausschusses zu unterstützen.

Punkt 10: § 239 Abs. 1 Ziff. 1

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet, bei diesem Vorschlag seien sich die Vertreter aller Ressorts einig gewesen, lediglich das Landwirtschaftsministerium empfehle, an der Fassung des Entwurfs festzuhalten.

Es wird beschlossen, auch hier der Empfehlung des Sonderausschusses zu folgen.

Punkt 11: § 269 und 269 a

StaatssekretärDr. Ringelmannerklärt, er sehe nicht ganz ein, warum bei der allgemeinen Not alle Schäden in unbeschränkter Höhe anerkannt werden sollten und glaube, es sei besser, bei der Schadensgruppe II aufzuhören.

StaatssekretärDr. Oberländerverweist dagegen auf den neu vorgeschlagenen § 269 a.

Der Ministerrat beschließt, die Empfehlung des Sonderausschusses zu unterstützen.

Punkt 12: § 282 Abs. 3

StaatssekretärDr. Oberländer begründet den vom Flüchtlingsausschuß vorgeschlagenen neuen Abs. 2 Satz 2 und empfiehlt, einen entsprechenden Antrag zu stellen.

Der Ministerrat beschließt, die Empfehlungen des Sonderausschusses zu unterstützen, gleichzeitig aber einen zusätzlichen Antrag entsprechend der Empfehlung des Flüchtlingsausschusses zu stellen.

Punkt 13: § 283 Abs. 1

Unterstützung des Sonderausschusses.

Punkt 14: §291,293, 299.

Unterstützung der Empfehlungen des Sonderausschusses.

Regierungsdirektor Dr. Gernerweist darauf hin, daß sich der Vertreter der Vertriebenenabteilung und der Vertreter des Landesamts für Soforthilfe gegen die Unterstützung ausgesprochen hätten. Die Mehrheit der anderen Referenten empfehle aber den Empfehlungen des Sonderausschusses zu folgen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

Punkt 16: § 300

Unterstützung des Sonderausschusses.

Punkt 17: § 309 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3

Unterstützung des Sonderausschusses.

Punkt 18: § 315 und 384 Ziff. 2

Ministerpräsident Dr. Ehardstellt fest, daß der Sonderausschuß auch hier sich grundsätzlich gegen die Belastung des öffentlichen Haushalts zu Gunsten des Lastenausgleichssfonds ausspreche. Allerdings müsse ein etwaiger Ausfall auf andere Weise gesichert werden.

Staatsminister Dr. Seidelschlägt vor, bis zum nächsten Ministerrat die vorgesehene Solidarhaftung von Bund und Ländern endgültig zu formulieren. Am besten sei es wohl, eine Formulierung zu finden, die als eigene Bestimmung in den Entwurf aufgenommen werden könne. Unter Umständen müsse das von Bayern aus als eigener Antrag eingebracht werden.

Der Ministerrat beschließt, den Empfehlungen zu § 315 und 384 Ziff. 2 zu folgen, aber einen formulierten Antrag über die Solidarhaftung vorzulegen, in der Überzeugung, daß eine einfache Erklärung nicht genügt.

Es wird vereinbart, daß die Formulierung gemeinsam vom Finanzministerium und Staatsministerium des Innern – Vertriebenenabteilung – vorgenommen werden soll.

Staatsminister Dr. Oechsleerklärt dazu, wenn dieser Antrag zu § 315 nicht durchgehe, müsse sich wohl auch die Stellungnahme des Bayer. Ministerrats zu der Streichung der einzelnen Bestimmungen ändern, nachdem gerade mit § 315 alles andere Zusammenhänge.

Ministerpräsident Dr. Ehardbestätigt diese Auffassung.

Punkt 19: § 326 Abs. 2

Unterstützung des Sonderausschusses.

Punkt 20: § 339 (Bundesausgleichsamt)

Regierungsdirektor Dr. Gerner führt aus, der Vertreter der Vertriebenenabteilung habe angeregt, einen zusätzlichen Antrag zu stellen, wonach die Dienstaufsicht über das Bundesausgleichsamt nicht dem Bundesminister der Finanzen sondern dem Bundeskanzler zu übertragen sei. Schon bisher sei eine derartige Konstruktion von allen beteiligten Ländern abgelehnt worden, zumal erhebliche verfassungsrechtliche auf Art. 65  GG gestützte Bedenken bestünden.

Der Ministerrat beschließt, diesen Antrag nicht zu stellen und die Empfehlungen des Sonderausschusses zu unterstützen.

Punkt 21: § 340 Abs. 1

Punkt 22: § 346 Abs. 2 Satz 3 und

Punkt 23: § 347 Abs. 2 Satz 1

Unterstützung des Sonderausschusses.

Punkt 24: § 350 Abs. 1 Satz 1

Regierungsdirektor Dr. Gernermacht darauf aufmerksam, daß die überwiegende Mehrheit des Koordinierungsausschusses sich dafür ausgesprochen habe, diese Empfehlung zu unterstützen.9 Der Vertreter der Obersten Baubehörde habe darüber hinaus gewünscht, daß für den Fall, daß von der Inanspruchnahme der Vermögensteuer für Zwecke des Lastenausgleichs usw. nicht abgesehen werde, eine neue Fassung des § 350 zu beantragen sei.

Der Ministerrat beschließt, die Empfehlung des Sonderausschusses zu unterstützen, dagegen nicht den Vorschlag der Obersten Baubehörde.

Punkt 25: § 374 Abs. 2 Satz 1

Unterstützung.

Punkt 26: § 377 Abs. 2

Regierungsdirektor Dr. Gernerfährt fort, der Sonderausschuß schlage folgenden Zusatz vor:

„Der Bund erstattet die Hälfte dieser Kosten.“

Hier liege aber ein Landtagsbeschluß vor, der die bayerische Regierung binde, so daß ein eigener Antrag Bayerns gestellt werden müsse, der folgenden Wortlaut haben sollte:

„Der Bund erstattet diese Kosten.“

Der Ministerrat beschließt, diesen Antrag zu stellen.

Punkt 27: § 379 Abs. a

Punkt 28: § 381 Abs. 1 und

Punkt 29: § 382 Abs. 4

Unterstützung.

Punkt 30: § 384 Ziff. 2

Regierungsdirektor Dr. Gernerweist darauf hin, daß diese Empfehlung im Zusammenhang mit § 315 stehe und unterstützt werden könne.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

Punkt 31: § 385 Abs. 2 und

Punkt 32: a) § 314 Abs. 2, b) § 383 Abs. 2

Unterstützung.

Punkt 33: § 397

Unterstützung.

Regierungsdirektor Dr. Gerner kommt dann auf die Verfassungsänderung zu sprechen und berichtet, daß der Arbeitsstab Lastenausgleich einen Beschlußentwurf für ein Gesetz zur Einfügung des Art. 120 a in das Grundgesetz vorgelegt habe,10 der eine echte Mischverwaltung vorsehe.

Der Ministerrat beschließt, diesen Beschlußentwurf zu übernehmen.

Anschließend wird ein weiterer Beschlußentwurf des Arbeitsstabs Lastenausgleich zu einem Gesetz über Teuerungszuschläge zur Unterhaltsbeihilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz behandelt,11 wobei dem Bundesrat vorgeschlagen werde, dem Gesetz die Zustimmung zu versagen.

Der Ministerrat beschließt, diesen Beschluß zu unterstützen.

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet dann noch über die zusätzlichen Empfehlungen des Rechtsausschusses des Bundesrats vom 26. Mai 1952, wobei beschlossen wird, die Empfehlungen zu § 153 Abs. 3, 153 Abs. 5 und 162 Abs. 1 zu unterstützen.

Das Finanzministerium erhebe dagegen Bedenken gegen den vorgeschlagenen Abs. 2 des § 162 dahingehend, daß dadurch für die Finanzämter nicht nur eine starke zusätzliche Arbeitsbelastung, sondern auch die Gefahr von Haftungen herbeigeführt werden könne. Vielleicht käme man um diese Bedenken herum, wenn die Finanzämter in zweifelhaften Fällen keine Auskunft oder nur Auskunft mit einer salvatorischen Klausel erteilen würden.

Staatssekretär Dr. Koch erklärt, durch diesen neuen Absatz könnte das Finanzamt den öffentlichen Glauben des Grundbuches ersetzen; er sei deshalb auch für die Streichung des vorgeschlagenen neuen Abs. 2.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.


Vorschlag des Sonderausschusses für Wiedergutmachungsfragen

Es wird festgestellt, daß diesen Vorschlägen durch die Empfehlungen des Sonderausschusses Lastenausgleich unter Ziff. 29 Rechnung getragen ist.


Vorschlag des Kultusministeriums

Der Ministerrat beschließt, den Vorschlag des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zu § 15 Abs. 1 Ziff. 15 nicht zu übernehmen.

§ 282 Abs. 2 Satz 2:

Regierungsdirektor Dr. Gerner teilt noch mit, im Koordinierungsausschuß habe der Vertreter der Vertriebenenabteilung eine neue Fassung dieser Bestimmung im Sinne der Empfehlung des Flüchtlingsausschusses zu Ziff. 12 vorgeschlagen.12 Der Ministerrat beschließt, diesen Vorschlag zu unterstützen.

§ 372:

Es wird beschlossen, den Vorschlag des Vertreters der Obersten Baubehörde zu dieser Bestimmung nicht zu übernehmen.13

§ 350 Abs. 2:

Regierungsdirektor Dr. Gerner führt aus, es sei wohl notwendig, einen Antrag zu stellen, daß hinsichtlich des Abs. 2 dieser Bestimmung der Vorschlag des Arbeitsstabes übernommen werde, den der Sonderausschuß nicht in seine Empfehlungen aufgenommen habe.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

Abschließend erkundigt sich Regierungsdirektor Dr. Gerner, wie es mit den anderen Anträgen der Länder, die wohl in zahlreichen Fällen gestellt würden, gehandhabt werden solle?

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, man werde wohl kaum in der Lage sein, noch weiteren Änderungen zuzustimmen, jedenfalls keinen abweichenden, sondern höchstens zusätzlichen Anträgen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

Staatssekretär Dr. Koch verweist auf das Problem der Hypothekengewinnabgabe und bezweifelt die Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen des Gesetzentwurfs.

Es wird vereinbart, daß an der Bundesratssitzung Herr Staatsminister Dr. Seidel und die Herren Staatssekretäre Dr. Ringelmann und Dr. Oberländer teilnehmen werden.14

II. Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer15

Staatssekretär Dr. Ringelmann führt aus, in der letzten Finanzausschußsitzung sei der Vorschlag gemacht worden, dem Bund ab 1.4.1952 auf ein halbes Jahr 32% der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu geben. Er selbst habe demgegenüber angeregt, diesen Prozentsatz entweder auf ein Jahr oder bis auf weiteres zu geben. An sich seien 32% wohl eine Grundlage, auf der man weiter verhandeln könne.16

Herr Bundesfinanzminister Schäffer habe noch keine Stellung eingenommen, sondern lediglich gesagt, er werde mit den Vertretern des Bundesrats im Vermittlungsausschuß noch gesondert sprechen; allerdings scheine er dies Angebot nicht für annehmbar zu halten und stehe auf dem Standpunkt, er hätte es als Vermittlungsvorschlag ansehen können, wenn der Bundesrat für die ersten sechs Monate 35% und dann 45% anbiete. Der Bundesfinanzminister habe denn noch erklärt, wenn tatsächlich an 32% festgehalten werde, müsse er seinen Rücktritt erklären.

Staatsminister Zietsch wirft ein, daß er auch gegen 32% Bedenken habe.

Staatssekretär Dr. Ringelmann fährt fort, die Stimmung im Bundesrat sei nicht gut gewesen, zumal Berechnungen, die man vorgenommen habe, ergeben hätten, daß höhere Steuereingänge nicht zu erwarten seien. Offensichtlich wolle sich Schäffer im Hinblick auf Art. 107  GG17 eine sehr breite Steuerbasis sichern. Dazu komme, daß durch die Zusatzverträge18 nach seiner Befürchtung sich so hohe finanzielle Anforderungen ergeben würden, daß er noch keine Lösung sehe. Offensichtlich gehe er davon aus, daß zwar für den Generalvortrag keine neuen Steuern gebraucht würden, daß aber die Länder einspringen müßten.

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß es sich hier um eine schwerwiegende politische Frage handle. Die Auseinandersetzung über Art. 107 werde gar nicht ernst genommen, darüber werde kaum gesprochen. Offensichtlich versuche man, über Art. 106 Abs. 319 Voraussetzungen zu schaffen, um damit Art. 107 vorweg zu nehmen. Der Bund übernehme Verpflichtungen, die auf die Länder zurückwirkten und ihnen völlig ihre Bewegungsfreiheit nähmen. Jedes Prozent mehr koste 15 Millionen DM. Auch er sei der Meinung, daß für 1953 nicht mehr mit den gleichen Steuereinnahmen wie bisher gerechnet werden könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß der Bundesfinanzminister behaupte, die von ihm vorgeschlagene Regelung wirke sich für die steuerschwachen Länder günstig aus, weil die Mittel wieder an diese zurückfließen würden.

Staatssekretär Dr. Koch meint, diese Auffassung sei in gewisser Hinsicht im Hinblick auf Art. 106 Abs. 3 richtig.

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, jedenfalls halte er es für notwendig, sich mit den Argumenten des Bundesfinanzministers auseinander zu setzen.

Staatssekretär Dr. Ringelmann glaubt, man könne diese Auffassung schwer widerlegen, es sei aber auch nicht leicht, genaue Berechnungen aufzustellen.

Staatsminister Zietsch erklärt, bisher habe Herr Schäffer noch nicht nachweisen können, was er eigentlich brauche. Sein Fehler liege darin, daß er sich darauf festgelegt habe, keine neuen Steuern herauszubringen. Das bedeute aber, daß die neuen Belastungen, die sich aus dem Verteidigungsbeitrag ergeben, auf die Länder zurückfielen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich nochmals, wie viel das Bundesfinanzministerium an freiwilligen Leistungen eigentlich streichen könne. Wenn der Bundesanteil nicht auf 32% erhöht werde, spare Bayern zwar 75 Millionen, es könne aber sein, daß es z.B. dann 200 Millionen weniger vom Bund erhalte.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erwidert, es gebe Bundesausgaben im engeren Sinne, die nicht gestrichen werden könnten, dazu kämen dann die Besatzungskosten, die sozialen Kriegsfolgelasten, sonstige Soziallasten usw. In all diesen Fragen könne der Bund seine Leistungen nicht einstellen. Anders sei es mit folgenden drei Posten: Wirtschaftsförderung, sonstige Förderungsmaßnahmen von übergebietlicher Bedeutung und außerordentliche Haushaltsmittel. Was diese Posten im einzelnen für Bayern ausmachten, sei sehr schwer festzustellen.

Staatsminister Dr. Seidel erinnert daran, daß sich der Ministerrat schon einmal über die Steigerung des Bundesanteils auf 27% unterhalten habe. Damals habe Herr Staatssekretär Dr. Ringelmann eine Berechnung vorgelegt, aus der sich ergeben habe, daß Bayern einen finanziellen Nachteil erleide, wenn es der Erhöhung nicht zustimme.20

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt abschließend vor, die Diskussion heute zu unterbrechen und die Frage bis zur nächsten Ministerratssitzung nochmals unter dem Gesichtspunkt nachzuprüfen, in welchem Falle Bayern die größeren Nachteile erleide.21

III. Einführung eines Saisonabschlags für Milch22

Staatsminister Dr. Schlögl teilt mit, am vergangenen Montag habe der marktwirtschaftliche Ausschuß für Milch und Fett,23 dem auch Vertreter der Gewerkschaften angehörten, getagt und sich übereinstimmend auf den Standpunkt gestellt, Bayern solle vor dem Erlaß der angekündigten Bundesverordnung keine eigene Regelung treffen. Von dem Ergebnis dieser Sitzung habe er alle Kabinettsmitglieder unterrichtet.24 Er erwähne noch, daß sowohl von Bundesminister Dr. Niklas25 wie von Präsident Hermes,26 Dr. Horlacher27 usw. Fernschreiben eingelaufen seien, in denen dringend vor einer bayerischen Sonderregelung gewarnt werde.28 Zweifellos hätte die Einführung eines Saisonabschlags für Milch in Bayern allein große Rückwirkung auf die Milchwirtschaft im gesamten Bundesgebiet. Übrigens sei auch eine Bundesregelung sehr schwierig, sie stoße auf verfassungsrechtliche Bedenken. Deshalb sei auch vom Bundeskabinett die Entscheidung noch zurückagestellt worden.

Der Ministerrat beschließt, von einem Saisonabschlag für Milch vorläufig abzusehen.29

IV. Kehlsteinhaus30

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, er habe eine Vormerkung des Staatsministeriums der Finanzen erhalten, in der Bedenken dagegen erhoben würden, daß am sogenannten Hintereck auf dem Obersalzberg eine Haltestelle der Omnibuslinie errichtet werde; das Ministerium befürchte, daß dadurch Ansammlungen mit allen möglichen nachteiligen Folgen entstehen könnten. Das Verkehrsministerium teile diese Bedenken allerdings nicht.

Er selbst halte es für viel notwendiger, eine Garantie dafür zu schaffen, daß am Endpunkt der Linie auf dem Kehlstein selbst nicht zuviele Besucher auf einmal zusammenkämen. Andererseits werde es wohl kaum möglich sein, den Betrieb der Omnibuslinie auf die Dauer überhaupt zu verhindern.

Staatsminister Zietsch äußert Bedenken gegen die Linie und gibt zu erwägen, ob für das letzte Stück der Bergfahrt der Verkehr mit den Omnibussen genehmigt werden könne.

Staatsminister Dr. Oechsle weist darauf hin, daß das Bestreben von Anfang dahin gegangen sei, daß auf dem Kehlstein kein nationalsozialistischer Wallfahrtsort entstehe, er befürchte, daß durch den Autobusbetrieb gerade dafür gewisse Voraussetzungen geschaffen würden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, er habe kein Vertrauen zur Verkehrssicherheit des Betriebes. Die Strecke sei doch sehr steil und gefährlich und ein Absturz könnte verhängnisvolle Folgen haben.

Staatsminister Dr. Seidel wendet ein, die Befürchtung, es könne eine Wallfahrtsstätte entstehen, sei bei den Ruinen auf dem Obersalzberg berechtigt gewesen, auf dem Kehlstein sei dies aber nicht der Fall, der wegen seiner beherrschenden Lage ein sehr beliebter Ausflugsort sei. Wenn auf dem Gipfel ein Wirtschaftsbetrieb errichtet werde, seien am allerwenigsten die Voraussetzungen für nationalsozialistische Reminiszenzen gegeben. Selbstverständlich müsse der Wirtschaftsbetrieb von einwandfreien Leuten übernommen werden.

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß erst über die Omnibuslinie gesprochen werden körne, wenn endgültig ein Pächter bestellt und der Betrieb in Gang gekommen sei. Vorher könne seines Erachtens die Genehmigung für den Omnibusbetrieb nicht erteilt werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt zu bedenken, daß von amerikanischer Seite erklärt worden sei, sie hätten nichts mehr einzuwenden. Er habe aber nichts dagegen, wenn vor der Genehmigung der Linie noch die Frage des Pächters und die Frage der Verkehrssicherheit geklärt werde.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß jedenfalls der Ministerrat die Verantwortung tragen müsse, wenn ein Unfall passiere. Die entscheidende Frage sei wohl, ob auf der Straße selbst nicht noch besondere Sicherungen eingebaut werden müssen an Stelle der an einigen Punkten angebrachten niedrigen Mauer.

Der Ministerrat fasst daraufhin folgenden Beschluß:

1. Die Genehmigung für den Omnibuslinienverkehr Berchtesgaden-Kehlsteinhaus kann erst erteilt werden, wenn endgültig ein Pächter für den Wirtschaftsbetrieb bestellt ist.

2. Das Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten wird beauftragt, durch Sachverständige prüfen zu lassen, ob es beim jetzigen Zustand der Straße möglich ist, Spezialomnibusse fahren zu lassen, oder ob noch weitere Sicherungen vorgenommen werden müssen.31

V. Ausgleichszahlung in Höhe eines halben Monatsgehalts für die Beamten des bayerischen Staates

Staatssekretär Dr. Ringelmann gibt eine Vorlage des Staatsministeriums der Finanzen an den Ministerrat über die Zahlung eines halben Monatsgehalts für die Beamten des bayerischen Staates bekannt. Dem Vorschlag des Staatsministeriums der Finanzen entsprechend wird folgender Beschluß gefaßt:

1. Die Staatsregierung bittet den Ausschuß für den Staatshaushalt des Bayer. Landtags, vorbehaltlich einer späteren gesetzlichen Sanktionierung, der vorschußweisen Zahlung einer einmaligen nichtruhegehaltsfähigen Ausgleichszahlung an die am 1.6.1952 im Dienst des Staates stehenden Beamten in Höhe eines halben Monatsbezuges (Grundgehalt einschließlich ruhegehaltsfähige Zulagen, Wohnungsgeldzuschuß und Kinderzuschlag) wie beim Bund, zuzustimmen.

2. Das Staatsministerium der Finanzen wird ermächtigt, mit dem Ausschuß für den Staatshaushalt die entsprechenden Verhandlungen zu führen und nach dessen Zustimmung die erforderlichen Verwaltungsanordnungen zu treffen.

VI. Federführung in Heimkehrerfragen

Der Ministerrat beschließt, das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge – Heimkehrerreferat zur federführenden Stelle für Heimkehrerfragen von allgemeiner oder grundsätzlicher Bedeutung zu erklären.

Am Schluß der Sitzung gibt Staatsminister Dr. Hoegner bekannt, der Leiter des Bundesamts für Verfassungsschutz, Dr. John,32 habe sich in einem an ihn gerichteten Schreiben gegen das Buch des Engländers Colvin33 gewandt und im einzelnen dargelegt, daß dieses Buch in keiner Weise die historischen Tatsachen richtig wiedergebe.34 Dr. John stelle anheim, von diesem Schreiben einen beliebigen Gebrauch zu machen. Es frage sich nun, ob man diesen Brief veröffentlichen solle, der zweifellos Herrn Dr. Müller weitgehend von dem Vorwurf des Landesverrats entlaste. Nachdem sich gerade die Bayernpartei auf das Buch von Colwin gestützt habe, halte er es für richtig, etwas zu tun; es sei nur zu fragen, in welcher Art und Weise das geschehen solle. Er selbst habe Herrn Dr. Müller inzwischen schon von dem Schreiben Dr. Johns verständigt.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird vereinbart, dieses Schreiben nicht allgemein zu veröffentlichen, sondern es an einige zuverlässige Journalisten herauszugeben.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Karl Schwend
Ministerialdirektor