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Nr. 104MinisterratssitzungDienstag, 17. Juni 1952 Beginn: 16 Uhr Ende: 19 Uhr 15
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend1 (Bayer. Staatskanzlei), Regierungsdirektor Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgartner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Kultusminister Dr. Schwalber, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium).

Tagesordnung:

I. Lage an der Zonengrenze in Oberfranken. II. Bundesratsangelegenheiten. III. Außerordentlicher Haushalt. IV. Entwurf eines Verwaltungsabkommens über den Erlaß und den Vollzug von Rechtsvorschriften über den Verkehr mit pyrotechnischen Gegenständen. V. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen. VI. Bierpreisfrage. VII. Verordnung über die Vorbildung, Ernennung und die Laufbahnen der bayerischen Beamten (Laufbahn-Verordnung). VIII. Personalangelegenheiten. IX. [Ehemaliges Reichsfilmvermögen]. [X. Gesetz zur Bekämpfung des Landfahrer- und Arbeitsscheuenunwesens]. [XI. Mitbestimmungsgesetz und Bayer. Berg-, Hütten- und Salzwerke AG (BHS)]. [XII.] Veranstaltungen.

I. Lage an der Zonengrenze in Oberfranken2

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, der von ihm in der letzten Sitzung angekündigte Bericht des Herrn Ministerialdirektors Platz3 über die Verhältnisse in Oberfranken sei inzwischen eingetroffen, er habe Abschrift an den Herrn Ministerpräsidenten, Herrn Staatsminister der Finanzen und die Oberste Baubehörde gegeben. Die Zahl der Flüchtlinge belaufe sich jetzt auf ca. 1 520 Personen. Durch die Absperrung der Eisenbahn, von Straßen und Elektrizitätsversorgungen sei eine Reihe von Maßnahmen vordringlich geworden.

Was zunächst den Straßenbau betreffe, so müsse unbedingt die Rennsteigstraße vor dem Winter ausgebaut werden, insbesondere eine Strecke von 3,5 km. Wichtig sei auch der Ausbau einer Strecke bei Tettau, mit dem sofort begonnen werden müsse, nachdem die Industrie-Eisenbahn zwischen Tettau-Pressig unterbrochen sei. Für die Kosten müsse der Bund aufkommen; bis die Frage der Zuständigkeit geklärt sei, werde es aber notwendig, Sofortmaßnahmen zu treffen.

Vielfach seien den Arbeitern durch die Sperrungen tägliche Mehrausgaben von 3 DM erwachsen. Auch diesem Punkt müsse besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Was die Energieversorgung betreffe, so werde der Bau von weiteren Transformatoren für notwendig gehalten, wofür gleichfalls Staatszuschüsse benötigt würden.

Dem Bericht zufolge brauche man auch Sondermittel für den sozialen Wohnungsbau und zwar für Facharbeiter, die bisher auf ostzonalem Gebiet gearbeitet hätten. Verlangt werde unter anderem der Bau von 20 Häusern mit 40 Wohnungen in Tettau. Schließlich sage der Bericht noch, daß die Industrie den Erlaß der Investitionshilfe fordere.

Dieser Bericht beziehe sich im wesentlichen auf den Landkreis Kronach, während die Verhältnisse im Grenzgebiet von Hof günstiger seien. Er schlage vor, daß sich alle beteiligten Ministerien in Verbindung setzten, um Sofortmaßnahmen zu besprechen. Er betone nochmals, daß das Gebiet um Tettau besonders vordringlich unterstützt werden müsse, weil dort die Gefahr einer Massenarbeitslosigkeit bestehe.

Staatsminister Dr. Seidel erklärt, auch er habe den Bericht eingehend studiert und darüber hinaus Herrn Ministerialdirektor Dr. Heilmann4 nach Oberfranken entsandt. Was die Rennsteigstraße betreffe, so sei man der Meinung, daß diese schon jetzt benützt werden könne und nur einige zu enge Stellen ausgebaut werden müßten. Er nehme an, daß die Oberste Baubehörde, die schon mit diesem Bau beschäftigt sei, auch über Mittel verfüge, um die Straße bis September fertigzustellen.

Weiter sei zu beachten ein Straßenstück in Schauberg von 80 m Länge, das zwar bisher noch nicht gesperrt sei; wo aber immerhin auch mit einer Sperrung gerechnet werden müsse.

Eine Industriebahnstraße Steinbach-Alexanderhütte sei ein alter Wunsch der Gegend, der der Bundesbahn schon längst bekannt sei.5 Es wäre wohl Sache des Verkehrsministeriums, nunmehr ernsthafte Verhandlungen mit dem Bundesverkehrsministerium einzuleiten.

Die Verkehrsregelung sei so vorgenommen worden, daß alle gesperrten Bahnstrecken durch Personenkraftwagen der Bundesbahn mit Steinbach verbunden seien, während der Stückgutverkehr durch Lastkraftwagen erledigt werde. Darüber hinaus habe man Straßenroller6 vorgesehen, worüber noch Verhandlungen mit der Hauptverwaltung in Offenbach im Gange seien.7

Gestern habe er von Bonn eine Mitteilung erhalten, daß heute oder morgen im Bundeswirtschaftsministerium eine Besprechung aller Fragen stattfinden solle, Bayern sei gebeten worden, Material zu liefern, was in der Zwischenzeit auch geschehen sei. Jedenfalls müsse Bayern rechtzeitig eingeschaltet werden und darauf bestehen, daß es nach dieser Vorbesprechung beteiligt werde.

Die Frage der Energieversorgung sei im Bericht zutreffend dargestellt, dagegen halte er den Wunsch nach Wohnungen nicht für besonders vordringlich. Was schließlich die Investitionshilfe betreffe, so seien bereits durch die 2. Durchführungsverordnung zum Investitionshilfegesetz für Grenz- und Sanierungsgebiete wesentliche Erleichterungen geschaffen worden, so daß hier nichts besonderes mehr zu tun sei.

Das einzige, was wirklich gefährlich sei, sei seiner Meinung nach die Mehrbelastung der Industrie mit Frachtkosten, einer Industrie, die an sich schon vorbelastet sei. Die Bundesbahn verlange jetzt auf Grund der Unterbrechung Nahverkehrstarife, was einen jährlichen Mehraufwand für einen Betrieb z.B. von 130 000 DM betrage. Er schlage vor, die bayerischen Bemühungen darauf zu konzentrieren, daß

1. der Industrie eine Bahnstrecke gebaut werde,

2. daß die Bundesbahn einen vernünftigen Verkehrstarif schaffe oder – wenn dies nicht möglich sei – wenigstens das Bundesfinanzministerium einen Ausgleich durch Übernahme der Mehrkosten gewähre.

Er glaube nicht, daß heute alle Maßnahmen im Ministerrat eingehend besprochen werden könnten und rege an, das einer Besprechung unter den beteiligten Ministerien zu überlassen.

Staatsminister Zietsch schließt sich diesen Ausführungen an, glaubt aber, daß die Oberste Baubehörde im Rahmen ihres Volumens Beträge für die notwendigsten Aufgaben selbst aufbringen müsse.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, wenn diese Mittel aus den normalen der Obersten Baubehörde zur Verfügung stehenden Geldern genommen würden, befürchte er, daß diese besonderen Ausgaben Bayern zur Last fielen. Man könne nur einen Vorschuß geben, während der Bund endgültig bezahlen müsse.

Staatsminister Dr. Seidel stimmt zu und betont, daß man unbedingt daran festhalten müsse, hier handle es sich nur um Vorschüsse der Obersten Baubehörde.

Staatsminister Zietsch bleibt darauf bestehen, daß die Oberste Baubehörde sich überlegen müsse, was sie aus eigenen Mitteln machen könne.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß die Oberste Baubehörde für dieses Jahr schon ihren Gesamtplan aufgestellt habe und zum Teil auch schon die Aufträge vergeben habe.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, man müsse bei der Obersten Baubehörde feststellen, über welche Mittel sie allenfalls disponieren könne.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths erklärt unter Hinweis auf die bereits stattgefundenen Verhandlungen wegen der Straße Deggendorf-Grafenau,8 daß die Oberste Baubehörde nichts mehr habe und andere schon verplante und vergebene Projekte fallen lassen müßte.

Staatsminister Zietsch rät dazu, daß die Oberste Baubehörde aus ihren Betriebsmitteln zahle und diese Summen vom Bund angefordert würden.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird beschlossen, daß sich die beteiligten Ministerien in allernächster Zeit wegen der Lage in Oberfranken besprechen sollen und zwar unter Federführung des Staatsministeriums des Innern. Dabei wird festgestellt, daß noch beteiligt sind die Staatsministerien der Finanzen, für Wirtschaft, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und für Arbeit und soziale Fürsorge.9

II. Bundesratsangelegenheiten

1. Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten vom 26.5.1952, einschl. Anlagen und Zusatzverträgen10

2. Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder vom 26.5.1952

3. a) Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vom 27;5.195211

b) Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vom 27.5.1952

4. Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen über die Rechtsstellung der Europäischen Verteidigungs-Streitkräfte und über das Zoll- und Steuerwesen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vom 27.5.1952

Ministerpräsident Dr. Ehard weist zunächst darauf hin, daß die Entwürfe zu 1. und zu 3. dem Bundesrat in einem Abstand von einer Woche zugestellt worden seien. Das erste und das dritte Gesetz bedürften nach Meinung der Bundesregierung nicht der Zustimmung des Bundesrats, während die Gesetze Nr. 2 und Nr. 4 auch nach der Auffassung der Bundesregierung Zustimmungsgesetze seien.

Bisher hätten sich der Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten und der Rechtsausschuß12 eingehend mit den Entwürfen befaßt, wobei der erstere zu folgender Überlegung gekommen sei:13

Es sei unter allen Umständen notwendig, diese Verträge in allen ihren Einzelheiten zu überprüfen. Die Aufteilung in einfache und Zustimmungsgesetze halte man für unglücklich und rechtlich nicht begründet. Daß es sich in allen Fällen um Zustimmungsgesetze handle, sei nach der Meinung des Auswärtigen Ausschusses eingehend durch den Rechtsausschuß begründet worden. Die zur Verfügung stehende Zeit reiche aber unmöglich aus, um alle Ausschüsse mit den Einzelheiten der Gesetzentwürfe zu befassen.

Im Auswärtigen Ausschuß sei ferner die Frage der Verfassungsänderung bzw. Verfassungsergänzung aufgeworfen worden, zumal ja schon ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig sei.14 Dazu komme, daß der Bundespräsident15 ein Gutachten gerade über die Frage erbeten habe, ob eine Verfassungsänderung bzw. Ergänzung notwendig sei,16 dazu aber auch über die andere Frage, ob beide Verträge zustimmungsbedürftig seien.

Man halte es also weder für zweckmäßig noch für möglich, abschließend Stellung zu nehmen und wolle dem Bundesratsplenum vorschlagen, nur Kenntnis zu nehmen und zum Ausdruck zu bringen, daß es notwendig sei, besonders die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit nachzuprüfen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. In der Zwischenzeit könnten sich dann auch die weiteren Ausschüsse des Bundesrats mit der Materie befassen, ebenso auch das Plenum und zwar in ähnlicher Form wie beim Schumanplan.17

Dies sei also die Auffassung des Auswärtigen Ausschusses bisher gewesen, seine Bedenken hätten sich in der Zwischenzeit verdichtet, so daß am Donnerstag eine weitere Sitzung angesetzt sei.18 Er nehme an, daß alle Länder mit dieser Behandlung einverstanden seien und ersuche das Kabinett, sich dem anzuschließen. Eine formulierte Erklärung werde noch ausgearbeitet.

Staatsminister Zietsch gibt zu erwägen, ob nicht die finanziellen Bedenken, mit denen sich der Finanzausschuß schon beschäftigt habe, in die Erklärung aufgenommen werden sollten.19

Das erste Bedenken richte sich gegen die noch unabsehbaren finanziellen Verpflichtungen im sogenannten Finanzvertrag, die hier noch ganz unbestimmt geregelt seien.20 Wenn von Seiten der Bundesregierung erklärt werde, diese Fragen sollten noch durch einen Schriftwechsel geklärt werden, so könne das nicht befriedigen.

Der zweite Einwand befasse sich mit der Höhe des Verteidigungsbeitrages in Art. 4. Zu den bisherigen 850 Millionen DM monatliche Besatzungskosten kämen noch die Leistungen hinzu, die die Verteidigungstruppen in Anspruch nehmen könnten, ein Betrag, der auf monatlich 50 Millionen DM beziffert werde. Vorgesehen sei, diese Summe entweder durch den Bund übernehmen zu lassen oder zwischen Ländern und Gemeinden aufzuteilen.

Alles in allem müsse man mit einem jährlichen Aufwand von 11 Milliarden DM rechnen, also mit weit mehr als bisher.

Das dritte Bedenken behandle eine grundsätzliche Frage: Im 6. und 8. Teil des Finanzvertrags21 werde auf das Auslandsvermögen endgültig verzichtet.22 Der Finanzausschuß halte mit Rücksicht auf die Vorgänge bei der Schuldenkonferenz von London23 einen solchen generellen Verzicht für höchst bedenklich. Die Frage sei nun wie gesagt, ob man diesen Einwand in die Erklärung des Auswärtigen Ausschusses hineinbringen könne oder nicht.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, in der letzten Sitzung habe sich der Auswärtige Ausschuß auf den Standpunkt gestellt, daß die übrigen Ausschüsse noch ihre Äußerungen abgeben und Einwendungen bringen sollen, vor allem der Rechtsausschuß und der Finanzausschuß. Deshalb glaube man, es sei richtig, zunächst nur generell zu sagen, daß mit Rücksicht auf die Kürze der Zeit keine endgültige Erklärung abgegeben werden könne, die Arbeiten müßten aber fortgesetzt werden, bis die Entwürfe zur endgültigen Stellungnahme zurückkämen.

Er betone nochmals, daß es in erster Linie um die Frage der Verfassungsänderung oder -ergänzung und um die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit gehe.

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, er halte es nicht für richtig, über die vom Auswärtigen Ausschuß vorgesehene Erklärung hinauszugehen und sich auf Einzelfragen einzulassen. Die Ausführungen des Herrn Finanzministers seien zweifellos sehr interessant gewesen, immerhin stünden aber in den von ihm angeführten Punkten Auffassung gegen Auffassung. Was die Auslandsschulden anlange, so sei diese Bestimmung zweifellos psychologisch gefährlich. Ein Teil des Auslandsvermögens sei aber bereits verwertet, weshalb vorgeschlagen werde, darüber hinweg zu gehen und es der deutschen Gesetzgebung zu überlassen, wie deutsche Staatsbürger entschädigt werden könnten.24 In zahlreichen Fällen sei aber bisher nur beschlagnahmt, aber noch nicht verwertet worden, so daß auch er glaube, hier könne man sich nicht auf einen Verzicht einlassen. Wenn im Überleitungsvertrag vorgesehen sei, daß in solchen Fällen bilaterale Verhandlungen möglich seien, so müsse man sich allerdings fragen, ob eine solche Bestimmung realisierbar sei.25 Jedenfalls handle es sich um ein Problem, das nicht einfach zu erledigen sei und wohl kaum in die Erklärung des Bundesrats eingebaut werden könne. Alles in allem müsse er empfehlen, die drei vom Finanzausschuß aufgeworfenen Fragen nicht in die Erklärung aufzunehmen.

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, die Bundesregierung scheine sich damit abgefunden zu haben, daß der Bundesrat noch nicht endgültig Stellung nehme. Er persönlich glaube auch nicht, daß die Verabschiedung im Bundestag rasch erfolgen werde, zumal es doch noch eine Reihe von Dingen gebe, die eines eingehenden Kommentars bedürfen. Er verweise hierbei nur auf Seite 103 des Generalvertrags.26

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet, der Rechtsausschuß habe sich mit dem ersten und zweiten Gesetzentwurf befaßt,27 der Unterausschuß habe dann auch die Punkte 3 und 4 geprüft,28 allerdings mit Ausnahme der Frage der Verfassungsänderung.

Staatssekretär Dr. Koch meint, wenn die Klage beim Bundesverfassungsgericht aus formalen Gründen abgewiesen werde, müsse man doch wohl Material haben, das der Rechtsausschuß beschaffen müsse.

Regierungsdirektor Dr. Gerner erwidert, die Überlegungen seien nur unter dem Gesichtspunkt der Zustimmungsbedürftigkeit angestellt worden. Der Rechtsausschuß habe sich zu Punkt 1 und 2 mit ziemlicher Einmütigkeit auf die Auffassung festgelegt, daß diese Entwürfe der Zustimmung bedürften. Hier ergebe sich eine Reihe von Gesichtspunkten, insbesondere aus Art. 84 Abs. 1  GG,29 87 Abs. 3 Satz 230 und 105 Abs. 3.31 Selbst wenn alle Fälle der weiteren Auslegung ausgeklammert würden, ergebe sich eine Reihe von Punkten, in denen schon auf Grund des Art. 84 Abs. 1 die Zustimmungsbedürftigkeit zweifellos gegeben sei.

Der Rechtsausschuß habe dann ausdrücklich erklärt, auch die Vorschriften zu prüfen, die nach der weiteren Auslegung des Bundesrats noch zusätzlich die Zustimmung begründeten. Schließlich habe man folgendes Problem geprüft:

Nach einer Reihe von Stellen des Vertrags übernehme die Bundesregierung die Verpflichtung, künftig eine Regelung zu schaffen, die mit gewisser Wahrscheinlichkeit oder nahezu zwingender Sicherheit zustimmungsbedürftig sein würde. Die Frage sei nun, ob das jetzt schon die Zustimmungspflicht begründe.

Der Rechtsausschuß habe das verneint und zwar aus folgender Erwägung heraus: Selbst wenn das begründet sei, so sei mit der Schaffung dieser Verpflichtung nichts darüber gesagt, ob der Bundesrat oder der Bundestag diese Gesetze auch erlassen würden, insbesondere, ob der Bundesrat zustimmen werde.

Staatssekretär Dr. Koch weist darauf hin, daß im Schiedsvertrag32 festgestellt sei, daß solche Gesetze durch das internationale Schiedsgericht erlassen werden könnten.

Regierungsdirektor Dr. Gerner erwidert, der Rechtsausschuß sei zu der Meinung gekommen, es wäre besser, diese Verpflichtung nicht als zustimmungsbedürftig zu erklären, weil es sonst heißen könnte, der Bundesrat sei bereits gebunden und müsse zustimmen. Hier hinein spiele unter anderem die Frage des Art. 11 des Vertrags.33 Hier verpflichteten sich die unterzeichneten Staaten, wie schon Herr Staatssekretär Dr. Koch dargetan habe, einer Entscheidung des internationalen Schiedsgerichts nachzukommen. Dieses Gericht könne eine Reihe von Maßnahmen treffen, es könne sogar selbst Recht setzen an Stelle der nationalen Gesetzgebungsorgane. Diese Bestimmung scheine allerdings durch Art. 24 Abs. 1 des Grundgesetzes gedeckt zu sein.34

Staatssekretär Dr. Koch bezweifelt es, ob daran gedacht worden sei, als der parlamentarische Ausschuß das Grundgesetz beraten und formuliert habe.

Staatsminister Dr. Seidel entgegnet, er wisse genau, daß man dabei gerade eine solche Möglichkeit im Auge gehabt habe.

Regierungsdirektor Dr. Gerner bestätigt diese Auffassung und fährt fort, soweit das Gericht nicht selbst tätig werde, sondern die Bundesregierung ersuche, eine Entscheidung durchzuführen, sei ein Fall des Art. 84  GG gegeben. Aus Art. 11 habe man keine verfassungsrechtliche Unzulässigkeit herausfinden können, dies sei die einhellige Auffassung aller Beteiligten gewesen.

Staatssekretär Dr. Koch äußert Bedenken dagegen, daß eine Übertragung auf ein übernationales Institut vorgesehen sei, da dies mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung im Widerspruch stehe.

Regierungsdirektor Dr. Gerner bemerkt, daß die Befugnisse des Gerichts nur auf Art. 24 Abs. 1  GG begründet werden können.

Was Punkt 2 betreffe, so sei hier die Lage einfach, da die Bundesregierung selbst die Zustimmungsbedürftigkeit zugebe, die einwandfrei auf Art. 105 Abs. 3 GG beruhe. Der Rechtsausschuß habe sich dazu geäußert und eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen.

Am nächsten Donnerstag werde der Rechtsausschuß sich mit den Punkten 3 und 4 befassen. Was Punkt 4 betreffe, so sei dieser Gesetzentwurf getragen durch Art. 24  GG und zwar Abs. 1 und 2.35 Der Unterausschuß habe Erwägungen darüber angestellt, in welcher Form die Übertragung von Hoheitsrechten nach Abs. 2 erfolgen könne und in welcher Weise die Durchführungzu denken sei.36 Die Zustimmungsbedürftigkeit habe man aus folgendem Grund festgestellt:

Wenn die Hoheitsrechte durch die zwischenstaatliche Organisation nichtausgeübt, sondern an den Bund übertragen würden, so gehe das nur über eine bundeseigene Verwaltung, diese aber sei wieder nur möglich über Art. 87Abs. 3,37 wobei die Zustimmung des Bundesrats erforderlich sei.

Ein weiteres Problem sei folgendes, ob die Tatsache, daß Bestimmungen vorgesehen seien, die nur im Wege der Bundesverwaltung gedeckt warden könnten, schon durch ihre Aufnahme in den Vertrag die Zustimmungspflicht dieses Vertrags begründeten oder nicht; er verweise hierbei auf Seite 6/7.38 Wenn man der Auffassung sei, daß der Bund dies tun könne, so sei dies nicht mehr eine Regelung, die ihrerseits erst eine Regelung nach Art. 87 Abs. 3 voraussetze, sondern dann sei hier schon von der Möglichkeit des Art. 87 Gebrauch gemacht worden. Insoweit also werde nicht die Grundlage für eine künftige Regelung getroffen, sondern hier habe der Bund insoweit schon eine eigene Verwaltung eingerichtet. Aus diesem Grunde käme der Unterausschuß zu der Auffassung, daß auch die Gesetzentwürfe unter Punkt 3 zustimmungspflichtig seien.

Was schließlich Punkt 4 betreffe, so sei es die Auffassung der Bundesregierung, daß hier ein Zustimmungsgesetz nach Art. 105 Abs. 3  GG vorliege.

Der Rechtsausschuß halte also sämtliche Verträge für zustimmungspflichtig. Dabei habe man sich auch über die Frage des Junktims zwischen Punkt 1 und 3 beschäftigt, die formell und auch sachlich gegeben sei.39 Der Unterausschuß habe allerdings gemeint, man könne nicht sagen, daß eine auch formelle Verbindung ein anderes Gesetz zu einem Zustimmungsgesetz mache.

Ministerpräsident Dr. Ehard faßt die bisherige Aussprache dahin zusammen, daß zweifellos der Standpunkt des Auswärtigen Ausschusses richtig sei.

Der Ministerrat beschließt, sich grundsätzlich mit der vom Auswärtigen Ausschuß vorgeschlagenen Linie einverstanden zu erklären.40

5. Entwurf eines Verwaltungszustellungsgesetzes41

Zustimmung gem. Art. 78  GG.

6. Entwurf eines Gesetzes über die vorläufige Errichtung neuer Apotheken42

Regierungsdirektor Dr. Gerner führt aus, es handle sich hier um ein Zustimmungsgesetz, bei dem der Koordinierungsausschuß vorschlage, die Zustimmung nach Art. 78  GG nicht zu erteilen, da die Zuständigkeit des Bundes weder nach Art. 74 Ziff. 19 noch nach Art. 74 Ziff. 11 GG43 gegeben sei.44 Wenn man mit diesem Antrag nicht durchdringe, könnte man die Anrufung des Vermittlungsausschusses zunächst mit dem Ziel beantragen, daß in § 1 folgender Satz 2 eingefügt werde:45

„In Bayern verbleibe es bei dem Gesetz über das Apothekenwesen vom 16. Juni 1952.“46

Bleibe auch dieser Antrag ohne Erfolg, so sollte man die Empfehlung des Innenausschusses unterstützen, die dann allerdings dahin zu ergänzen sei, daß nach den Worten „im Lande Baden-Württemberg“ die Worte „und im Lande Bayern“ eingefügt würden.47

Staatssekretär Dr. Koch erklärt, er halte den letzteren Weg für richtig und befürworte, so zu verfahren.

Der Ministerrat schließt sich dieser Auffassung an.48

7. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Polizeiverordnung über den Verkehr mit giftigen Pflanzenschutzmitteln49

Stellungnahme nach Maßgabe der Abänderungsvorschläge des Ausschusses für Innere Angelegenheiten.50

8. Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1952 (Haushaltsgesetz 1952)51

Kein Antrag nach Art. 77 Abs. 2 und Stimmenthaltung für den Fall, daß der Vermittlungsausschuß angerufen werde.52

9. Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Kapitalmarkts durch steuerliche Begünstigung festverzinslicher Wertpapiere53

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß sich der Finanzausschuß noch nicht habe abschließend äußern können und deswegen am Donnerstag nochmals zusammenkomme. Er bitte abzuwarten, was der Finanzausschuß vorschlage.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.54

10. Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer von Vorschriften auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft55

Zustimmung gem. Art. 78  GG.

11. Entwurf eines Gesetzes über Wirtschaftsprüfer im Genossenschaftswesen56

Regierungsdirektor Dr. Gerner führt aus, es handle sich um einen Rückläufer, gegen den der Ministerrat am 15. Januar 1952 keine grundsätzlichen Bedenken erhoben habe. Das Wirtschaftsministerium halte aber jetzt eine Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen für die Landesregierungen für notwendig.

Staatsminister Dr. Seidel erklärt, auf einen Antrag nach Art. 77  GG verzichten zu wollen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.57

12. Entwurf eines Gesetzes über das am 25.4.52 Unterzeichnete Zusatzabkommen zum Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20.12.195158

Keine Einwendungen nach Art. 76 Abs. 2  GG.59

13. a) Entwurf einer Ersten Verordnung zur Verlängerung der Geltungsdauer von auf Grund des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft erlassenen Verordnungen (Verlängerungsverordnung)60

b) Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Verlängerung der Geltungsdauer von auf Grund des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft erlassenen Verordnungen (Zweite Verlängerungsverordnung)61

Zustimmung nach Maßgabe der Abänderungsvorschläge des Wirtschaftsausschusses.62

14. Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung der Mannschaftsrolle und Bordliste auf Binnenschiffen63

Regierungsdirektor Dr. Gerner fährt fort, der Ausschuß für Verkehr und der Ausschuß für Innere Angelegenheiten empfehlen, einen Antrag nach Art. 77 Abs. 2 zu stellen.64 Der Koordinierungsausschuß sei allerdings der Ansicht gewesen, man sollte sich der Stimme enthalten, da die Unterstützung des Antrags eine zentralistische Regelung fordern könne.65

Staatssekretär Dr. Koch hält es nicht für richtig und empfiehlt, die alte Regelung bestehen zu lassen. Er sei deshalb dafür, den Antrag, den Vermittlungsausschuß anzurufen, zu unterstützen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.66

15. Entwurf eines Gesetzes über die Untersuchung der Rheinschiffe und -flöße und über die Beförderung brennbarer Flüssigkeiten auf Binnenwasserstraßen67

Keine Einwendungen nach Art. 76 Abs. 2  GG

16. Entwurf einer Verordnung zur Durchführung einer Statistik über den Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen68

Zustimmung nach Maßgabe der Änderungsvorschläge des Verkehrs- und Finanzausschusses.

17. Entwurf eines Bundesjagdgesetzes69

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet, der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums70 sei der Ansicht, man sollte diesem Gesetzentwurf grundsätzlich nicht zustimmen, da kein Bedürfnis für eine bundeseinheitliche Regelung bestehe.71 Der Koordinierungsausschuß glaube, daß man mit diesem Antrag nicht durchdringen werde, es sich aber auch nicht empfehle, die Vorschläge des Agrarausschusses auf Anrufung des Vermittlungsausschusses zu unterstützen.72

Staatssekretär Maag setzt sich dafür ein, wenn man mit dem Antrag nicht durchdringe, wenigstens den Agrarausschuß zu unterstützen.

Regierungsdirektor Dr. Gerner erwidert, wenn man ganz konsequent sein wolle, dürfe man das eigentlich nicht tun.

Der Ministerrat beschließt, auf alle Fälle den Antrag zu stellen, daß dem Gesetz die Zustimmung zu versagen ist, im übrigen sich der Stimme zu enthalten, wenn die Empfehlungen des Agrarausschusses angenommen würden.73

18. Entwurf einer Verordnung M Nr. 1/52 über Preise für Milch, Butter und Käse74

Regierungsdirektor Dr. Gerner fährt fort, die Empfehlungen des Agrar- und Wirtschaftsausschusses widersprächen sich, das Wirtschaftsministerium habe aber gegen die Empfehlungen des Agrarausschusses keine Bedenken.75

Staatsminister Dr. Seidel erklärt ebenfalls, er habe nichts dagegen, den Agrarausschuß zu unterstützen.

Regierungsdirektor Dr. Gerner frägt dann an, ob ein zusätzlicher Antrag für den vorgeschlagenen neuen § 3 a (Notierungskommissionen) gestellt worden solle.76

Staatsminister Dr. Seidel schlägt vor, wie schon gesagt, den Empfehlungen des Agrarausschusses zuzustimmen, ebenso aber der Ziff. 3 der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses, nämlich dem neuen § 3 a.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren und außerdem einen Antrag im Sinne der Ziff. 14 der Mitteilung des Sekretariats des Agrarausschusses vom 5.6.1952 zu stellen.77 Anschließend daran wird eingehend die Frage erörtert, ob nun ein Saisonabschlag für Milch vorgenommen werden solle oder nicht.78

Der Ministerrat beschließt, diese Angelegenheit auf die Tagesordnung der nächsten Kabinettssitzung zu setzen.79

19. Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Vorschriften über die Aufhebung des Mieterschutzes bei Geschäftsräumen und gewerblich genutzten unbebauten Grundstücken80

Regierungsdirektor Dr. Gerner weist darauf hin, daß es sich hier um ein Zustimmungsgesetz handle, mit dem sich der Rechtsausschuß am 19. Juni nochmals befassen werde. Nach Meinung des Koordinierungsausschusses bestünden keine Bedenken. Es müsse aber wohl vorgesehen werden, daß eine Rückwirkung eintrete.81

Übrigens habe sich der Landesverband der Mietervereine an den Herrn Ministerpräsidenten gewandt mit dem Wunsch, daß die bayerischen Vertreter im Bundesrat diese Vorlage ablehnen sollten.

Staatssekretär Dr. Koch erkundigt sich, ob die Rückwirkung bedeute, daß Nachzahlungen gefordert werden könnten?

Regierungsdirektor Dr. Gerner erwidert, die Preisbehörde erkläre, das sei nicht möglich, er selbst glaube auch, daß Nachzahlungen nur gefordert werden könnten, wenn der Vermieter bereits gekündigt habe.

Staatssekretär Dr. Koch erklärt, wenn die Rückwirkung nur bedeute, daß Fälle, die strittig geworden seien, gedeckt würden, könne man sich einverstanden erklären.

Auch Staatsminister Dr. Seidel spricht sich dafür aus, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Man könne aber zusätzlich eine Erklärung abgeben, daß Bayern die rückwirkende Kraft so auslege, daß nur strittige Fälle erfaßt würden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner wendet ein, daß an eine solche Erklärung die Gerichte nicht gebunden seien.

Staatssekretär Dr. Koch schlägt vor, das Staatsministerium der Justiz einen eigenen Antrag ausarbeiten zu lassen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.

Staatsminister Dr. Seidel kommt dann auf die Verordnung über den Mietzuschlag bei Altraummieten zu sprechen.82 Es habe in den letzten Tagen eine Aussprache zwischen dem Wirtschafts- und Wiederaufbauausschuß sowie Vertretern des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesministeriums für Wiederaufbau stattgefunden mit dem Ergebnis, daß die Frage innerhalb der Länderregierungen nochmals überprüft werde. Es sei nun notwendig, innerhalb des bayerischen Kabinetts die Frage zu klären, ob man sich für die 10%ige Erhöhung der Altraummieten aussprechen wolle oder nicht. Dabei spiele vor allem eine Rolle, daß der Ausschuß für Wiederaufbau an sich zwar der Erhöhung um 10% zustimme, diese Erhöhung aber gekoppelt wissen wolle mit einer 15%igen Wohnungsbauabgabe; dazu könne sich aber bis jetzt die Bundesregierung noch nicht entschließen. Eine weitere Forderung sei die, daß eine Zweckbestimmung in die Verordnung eingebaut werde, dahingehend, daß die 10% tatsächlich für Reparaturen verwendet werden müßten. Seiner Meinung nach sei aber diese Forderung technisch nicht realisierbar.

Die bayerische Regierung sei an sich an einen Landtagsbeschluß gebunden, der besage, daß die Zustimmung zu der Verordnung nur dann gegeben werden dürfe, wenn Mittel für den Wohnungsbau gesichert würden.83 Dabei verweise er noch auf die Zuschrift, die der Herr Ministerpräsident vom Bayer. Hausbesitzerverband bekommen habe und die vom Handwerkstag und Bauernverband unterstützt werde.84

Stv. Ministerpräsident Dr Hoegner erinnert noch an den Antrag des Herrn Abg. Euerl,85 10 Millionen DM für Hausreparaturen bereitzustellen.86

Staatssekretär Dr. Nerreter meint, der Vorschlag von Nordrhein-Westfalen sei für Bayern annehmbar,87 da tatsächlich die Erhöhung der Mieten damit 25% betrage und außerdem sogar die Eigenheime erfaßt würden. Er halte überhaupt die Verbindung der Mieterhöhung mit der Mittelbeschaffung für nicht glücklich.

Staatssekretär Dr. Oberländer bezeichnet die Mieterhöhung für sehr bedenklich, da sie eigentlich nur diejenigen Räume treffe, die überhaupt noch der Wohnungsbewirtschaftung unterlägen.

Es wird vereinbart, den von Herrn Staatsminister Dr. Seidel erwähnten Landtagsbeschluß zu beschaffen und die Angelegenheit im nächsten Ministerrat zu erörtern.88

20. Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht89

Von einer Äußerung und einem Beitritt wird abgesehen.

III. Außerordentlicher Haushalt90

Der Ministerrat vereinbart, die Vorlage des Staatsministeriums der Finanzen über den außerordentlichen Haushalt in der nächsten Ministerratssitzung zu behandeln.91

IV. Entwurf eines Verwaltungsabkommens über den Erlaß und den Vollzug von Rechtsvorschriften über den Verkehr mit pyrotechnischen Gegenständen92

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, es handle sich darum, den vom Staatsministerium des Innern vorgelegten Entwurf eines Verwaltungsabkommens zu genehmigen, damit er dann den übrigen Ländern zugeleitet werden könne.93

Der Ministerrat beschließt, Zustimmung zu erteilen.94

V. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen95

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, dieser Gesetzentwurf habe in der vorliegenden Fassung die Zustimmung der Staatsministerien der Justiz, für Wirtschaft und für Arbeit und soziale Fürsorge gefunden. Durch das Gesetz solle die Möglichkeit geschaffen werden, im Verordnungsweg die Erlaubnisschein- und Registerführungspflicht auf Schwarzpulver und schwarzpulverähnliche Sprengstoffe auszudehnen, um auch deren mißbräuchliche und unsachgemäße Verwendung auszuschließen und eine scharfe Kontrolle zu gewährleisten.

Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen.96

VI. Bierpreisfrage97

Staatsminister Dr. Seidel verweist zunächst auf seine Vorlage vom 3. Juni 1952 und gibt dann einen Überblick über die bisher vom Bayer. Brau- und Gaststättengewerbe gestellten Anträge. Das Braugewerbe beantrage jetzt eine Erhöhung der Brauereiabgabepreise um 6 DM je hl, während das Gaststättengewerbe sich für die Freigabe des Bierpreises oder, wenn dies nicht möglich sei, für eine Erhöhung der Schanknutzenspannen um 10–11 DM je hl ausgesprochen habe.

Das Staatsministerium für Wirtschaft habe, einem Beschluß des Ministerrats vom 31. Juli 1951 zufolge, eingehend die Kosten, Ertrags- und Umsatzlage der Brauereien und Gaststättenbetriebe überprüft und weiterhin noch Ergänzungsprüfungen angeordnet. Außerdem liege ein ausführliches Gutachten der Landesbuchstelle Weihenstephan vor. Tatsache sei, daß in sämtlichen übrigen Bundesländern der Bierpreis erheblich über dem bayerischen Preis liege.

Staatsminister Zietsch gibt zu bedenken, daß im vorigen Jahr eine Steuerermäßigung durchgeführt worden sei, was einen Ausfall um rund 40 Millionen DM bedeutet habe. Er befürchte nun, daß mit einer Preiserhöhung der Verbrauch zurückgehen und damit ein weiterer Steuerausfall eintreten werde. Wenn tatsächlich eine Preiserhöhung vorgenommen werde, müsse natürlich die Frage des Steueranteils neu geprüft werden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner betont, daß der Bierpreis in Bayern immer eine politische Frage erster Ordnung gewesen sei. Er halte es doch für richtig, die angekündigte Verordnung der Bundesregierung über die völlige Freigabe abzuwarten.

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, seiner Meinung nach werde der Verbrauch nicht wesentlich abfallen, die Erhöhung werde sich dann aber auch günstig auf die Steuer auswirken. Wenn die Freigabe tatsächlich erfolge, werde sich ein Bierpreis herausbilden, der ungefähr da liege, wohin jetzt der Antrag des Braugewerbes ziele.

Staatsminister Dr. Schlögl unterstützt die Auffassung des Fierrn Staatsministers Dr. Seidel.

Staatsminister Dr. Seidel erklärt noch, der Preis für einen Liter Bier werde sich keinesfalls nach der Erhöhung höher als 1 DM stellen einschl. des üblichen Trinkgelds.98

Staatsminister Zietsch erklärt sich einverstanden unter der Voraussetzung, daß tatsächlich der Preis von 1 DM nicht überschritten werde.

Der Ministerrrat beschließt daraufhin, dem Antrag des Fierrn Staatsministers Dr. Seidel zuzustimmen.99

VII. Verordnung über die Vorbildung, Ernennung und die Laufbahnen der bayerischen Beamten (Laufbahn-Verordnung)100

Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß der Ministerrat in seiner letzten Sitzung bei der Beratung der Laufbahnverordnung den § 21 gestrichen habe. Diese Streichung habe nun zur Folge, daß die Staatsregierung in vollem Umfange an die Laufbahnvorschriften gebunden sei und Ausnahmen auch bei den durch die Staatsregierung zu ernennenden Beamten nur durch das Landespersonalamt gem. § 40 Abs. 1 bewilligt werden könnten. Es sei deshalb notwendig, die gestrichene Bestimmung im § 46 Abs. 2 wieder einzufügen, der Wortlaut dieser Bestimmung müßte wohl wie folgt lauten:

„(2) Für die Bewilligung von Ausnahmen ist das Landespersonalamt zuständig; sie setzt einen Antrag der obersten Dienstbehörde voraus. Bei den Beamten, die gemäß Art. 55 Nr. 4 der Bayerischen Verfassung101 vom Ministerrat ernannt oder befördert werden, bewilligt die Ausnahmen die Staatsregierung.“

Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden und beschließt, die Laufbahnverordnung insoweit abzuändern.102

VIII. Personalangelegenheiten

1. Es wird beschlossen, den Regierungsdirektor im Staatsministerium der Finanzen, Dr. Heinrich Göttel,103 zum Ministerialrat zu ernennen.

2. Der Ministerrat beschließt, mit Rücksicht auf die Abwesenheit des Herrn Staatsministers für Unterricht und Kultus, den Vorschlag, den Ministerialrat in Staatsministeriun für Unterricht und Kultus, Albert Fruth,104 zum Ministerialdirigenten zu ernennen, noch zurückzustellen.105

IX. Ehemaliges Reichsfilmvermögen106

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, es liege der Entwurf eines Gesetzes zur Abwicklung und Entflechtung des ehemaligen Reichsfilmvermögens vor, der unter anderem einen Beirat vorsehe, dem auch Mitglieder des Bundestags angehören sollten.107 Die Länder seien nun ersucht worden, sich zu äußern ob sie mit dieser Regelung einverstanden seien, er selbst schlage vor, der Einschaltung der Parlamente nicht zuzustimmen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.108

[X.] Gesetz zur Bekämpfung des Landfahrer- und Arbeitsscheuenunwesens109

Es wird vereinbart, diesen Punkt auf die Tagesordnung des nächsten Ministerrats zu setzen.110

[XI.] Mitbestimmungsgesetz und Bayer. Berg-, Hütten- und Salzwerke AG (BHS)111

Auch dieser Punkt soll in der nächsten Sitzung behandelt werden.112

[XII.] Veranstaltungen

1. 480. Stiftungsfest der Universität München

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt die Einladung des Rektors der Universität München zum 480. Stiftungsfest bekannt, das am 28. Juni um 10 Uhr in der Aula stattfinden werde und ersucht um zahlreiche Beteiligung der Staatsregierung.

2. Luisenburg-Festspiele in Wunsiedel113

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest eine Einladung des 1. Bürgermeisters der Stadt Wunsiedel zur Eröffnung der diesjährigen Festspiele am 28. Juni.

Staatsminister Zietsch erklärt sich bereit, die Staatsregierung dabei zu vertreten.

3. Verbandstagung des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie

Die Staatsregierung wird durch Herrn Staatsminister Dr. Seidel bei dieser Tagung vertreten werden.

4. Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich, ob Herr Staatssekretär Krehle als Vertreter der Staatsregierung an dem Bierabend am 19. Juni in Nürnberg teilnehmen könne, der vom Verwaltungsrat der Bundesanstalt veranstaltet werde. Staatssekretär Krehle sagt zu, als Mitglied des Verwaltungsrats und der Staatsregierung anwesend zu sein.

5. 150 jähriges Jubiläum der Gemeinde Großkarolinenfeld

Es wird festgestellt, daß diese Feier am 13. Juli, also am gleichen Tag wie die Eröffnung des Kiliansfestes in Würzburg stattfindet, die Beteiligung eines Mitglieds der Staatsregierung deshalb nicht möglich sei.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner sichert zu, den Regierungspräsidenten von Oberbayern114 mit der Vertretung zu beauftragen.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Karl Schwend
Ministerialdirektor