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Nr. 171MinisterratssitzungDienstag, 25. August 1953 in Tegernsee Beginn: 9 Uhr 30 Ende: 11 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Finanzminister Zietsch, Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), zu Punkt I der Tagesordnung: Ministerialdirektor Dr. Platz (Staatsministerium des Innern).

Entschuldigt:

Kultusminister Dr. Schwalber, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium).

Tagesordnung:

I. Aufhebung des Interzonenpaß-Zwangs. II. Teuerungszulage für die Mitglieder des Bayerischen Staatsopernorchesters. III. Ankauf des Botticelli-Gemäldes „Madonna mit singenden Engeln und Lilien“ des Grafen Raczynski durch Bund und Länder. IV. Personalangelegenheiten. V. Vollzug des Gesetzes über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiete der Sozialversicherung (Selbstverwaltungsgesetz) i.d.F. vom 13.8.1952 (BGBl. I S. 427); hier: Bestätigung der neugewählten Geschäftsführer der Landesversicherungsanstalt Ober- und Mittelfranken. VI. Freigabe von beschlagnahmten Kasernen für ein deutsches Kontingent. VII. Deutscher Brunnentag in München, 1. bis 3. Oktober 1953. VIII. Gründung eines Vereins für das Deutschtum im Ausland durch Rechtsanwalt Dr. Berthold, München. IX. Bau der Ringbrücke UlmNeu-Ulm.

I. Aufhebung des Interzonenpaß-Zwangs

Ministerialdirektor Dr. Platz berichtet, der Interzonenpaß beruhe auf den Kontrollratsdirektiven Nr. 43 und Nr. 49, wonach die Erlaubnis zum Übertritt der Zonengrenzen vom Besitz des Passes und vom Vorliegen einer Aufenthaltsgenehmigung abhängig sei.1 Die Bundesregierung habe nun die Anfrage an die Länder gerichtet, ob sie der Aufhebung des Paß-Zwanges zustimmten.

In eingehender Aussprache werden gegen die Aufhebung des Interzonenpaß-Zwangs erhebliche Bedenken politischer, polizeilicher, wirtschaftlicher und arbeitsmarktpolitische Natur geltend gemacht.

Der Ministerrat beschließt, die Zustimmung zwar nicht zu versagen, auf die bestehenden Bedenken aber mit Nachdruck aufmerksam zu machen und zu betonen, daß das Erfordernis der Aufenthaltsbewilligung unter allen Umständen aufrechterhalten bleiben müsse.

Ministerialdirektor Schwend und Ministerialdirektor Dr. Platz werden beauftragt, den Entwurf für die Antwort des Staatsministeriums des Innern an das Bundesministerium des Innern vorzubereiten.

Am Schluß des Ministerrats [sic!] verliest Ministerialdirektor Dr. Platz den inzwischen ausgearbeiteten Entwurf, der vom Kabinett einstimmig gebilligt wird.

II. Teuerungszulage für die Mitglieder des Bayerischen Staatsopernorchesters2

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert an den Beschluß des Ministerrats in der letzten Sitzung, sich den Vorschlägen des Staatsministeriums der Finanzen anzuschließen, wonach die für die Erhöhung der Teuerungszulage erforderlichen Mittel aus den allgemeinen Ausgabebewilligungen für die Staatstheater bestritten werden sollen.

Staatssekretär Dr. Brenner erklärt, es bestünden große Schwierigkeiten, diesen Beschluß durchzuführen, nachdem die Mittel aus Einzelplan 0561 bereits im einzelnen verplant worden seien und im übrigen der Rundfunk seinen Zuschuß heruntergesetzt habe.

Staatsminister Zietsch entgegnet, die Intendanz müsse versuchen, mit den ihr zur Verfügung stehenden Beträgen auszukommen.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, an dem bisherigen Beschluß festzuhalten. Selbstverständlich werde damit kein Präzedenzfall für etwa neu gestellte Forderungen des Chors und des Balletts geschaffen. Wenn insoweit Ansprüche gestellt würden, müsse nochmals verhandelt werden.

Der Ministerrat beschließt, an dem bisherigen Beschluß festzuhalten.

Teuerungszulage für Orchestermitglieder

III. Ankauf des Botticelli-Gemäldes3 „Madonna mit singenden Engeln und Lilien“ des Grafen Raczynski durch Bund und Länder4

Staatssekretär Dr. Brenner führt aus, dieses Gemälde sei seit mehr als 100 Jahren als ständige Leihgabe der Grafen Raczynski im Kaiser-Friedrich-Museum gewesen. Der jetzige Eigentümer, der seinen gesamten Besitz in Polen verloren habe und als Emigrant in Chile lebe, habe nun seine Ansprüche geltend gemacht.5 Er habe auch erreicht, daß ihm der Bundesgerichtshof das Gemälde zugesprochen habe.6 Das Land Hessen habe daraufhin das Bild wegen rückständiger Steuern usw. beschlagnahmt, auch insoweit schwebe jetzt ein Verfahren. Es bestehe große Gefahr, daß das Bild in den Vereinigten Staaten von Amerika verkauft werde, zumal schon sehr hohe Angebote vorlägen.

Das Bundesministerium des Innern habe deshalb am 24. Juli 1953 in einer Sitzung über die Frage beraten, in welcher Weise das Bild für Deutschland aufgekauft werden könne, wobei man sich darüber klar gewesen sei, daß es nicht möglich sei, mit amerikanischen Angeboten zu konkurrieren. Der Wert werde von Sachverständigen auf mindestens 2 bis 2,5 Millionen DM geschätzt. Der Vorschlag des Bundesinnenministeriums gehe dahin, eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über den Ankauf zu treffen, wobei nach einem Angebot des Bundesfinanzministers der Bund selbst ca. 50% des Kaufpreises übernehmen wolle, während der Rest nach dem Schlüssel des Königsteiner Abkommens unter den Ländern zu verteilen sei.7 Der Anteil Bayerns betrage 16,7%, bei einem Preis von 2 Millionen DM also ca. DM 167 000 bei einem solchen von 2,5 Millionen DM DM 208 000. Dies gelte unter der Voraussetzung, daß der Anteil des Bundes 50% betrage, man müsse aber versuchen, diesen auf etwa 70% zu erhöhen. Selbstverständlich könne das Staatsministerium für Unterricht und Kultus diesen Betrag nicht aus seinen Mitteln bezahlen.8

Andere Fragen, die mit dem Ankauf des Bildes zusammenhingen, seien weniger bedeutend; so werde z.B. angeregt, das Gemälde für gewisse Zeit als Leihgabe bei den Ländern zu belassen.

Staatsminister Zietsch erklärt sich mit dem Vorschlag einverstanden und meint, wenn das Gemälde in Form einer Stiftung erworben werden solle, so käme für die Länder nur der Schlüssel des Königsteiner Abkommens in Frage. Wenn sich alle anderen Länder daran beteiligten, werde sich Bayern nicht ausschließen. Allerdings müßten wohl noch nähere Einzelheiten über die Beteiligung von Bund und Ländern vereinbart werden.

Nachdem auch Ministerpräsident Dr. Ehard betont, daß dieser Botticelli für Deutschland erhalten werden müsse, wird beschlossen, die Anfrage des Bundesinnenministeriums dahin zu beantworten, daß sich Bayern an den Kosten für den Ankauf beteiligen werde.9

Ankauf durch Bund und Länder

IV. Personalangelegenheiten

1. Verlängerung der Amtszeit des Staatsrats im Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Dr. Hans Meinzolt10

Der Ministerrat beschließt, die Amtszeit des Staatsrats Dr. Hans Meinzolt für ein weiteres Jahr, nämlich bis 31. Oktober 1954, zu verlängern.

Gleichzeitig wird aber vereinbart. daß das Staatsministerium für Unterricht und Kultus in der Zwischenzeit eine geeignete Persönlichkeit als Nachfolger suchen solle.

2. Verlängerung der Amtszeit des Oberlandesgerichtspräsidenten Wilhelm Walther,11 Nürnberg

Der Ministerrat beschließt, die Amtszeit des Oberlandesgerichtspräsidenten Walther in Nürnberg um ein weiteres Jahr, d.h. bis 30. September 1954, zu verlängern.

V. Vollzug des Gesetzes über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiete der Sozialversicherung (Selbstverwaltungsgesetz) i.d.F. vom 13.8.1952 (BGBl. I S. 421 ); hier: Bestätigung der neugewählten Geschäftsführer der Landesversicherungsanstalt Ober- und Mittelfranken12

Staatssekretär Krehle führt aus, die Vertreter-Versammlung der Landesversicherungsanstalt Ober- und Mittelfranken habe am 9.7.1953 einstimmig die vom Vorstand vorgeschlagenen Herren Regierungsdirektor Dr. Anton Griesbauer13, Oberregierungsrat Dr. Walfried Schmiedl14 und Regierungsrat Dr. Ernst Hilbig15 als Geschäftsführer gewählt. Zum Vorsitzenden der Geschäftsführung sei einstimmig Regierungsdirektor Dr. Griesbauer vom Vorstand gewählt worden.

Nach § 8 Abs. 1 Buchst. c des Gesetzes über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung bedürfe der Vorsitzende sowie die übrigen Mitglieder der Geschäftsführung der Bestätigung durch die Landesregierung. Er bitte, diese zu erteilen, nachdem keinerlei Bedenken bestünden.

Der Ministerrat beschließt, die Bestätigung zu erteilen.

VI. Freigabe von beschlagnahmten Kasernen für ein deutsches Kontingent

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, einer Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 8.8.1953 zufolge habe die Bundesregierung mit HICOG eine Vereinbarung abgeschlossen, wonach die Besatzungsmacht ab 1.7.1953 eine Anzahl von beschlagnahmten Kasernen räume und der Dienststelle Blank16 übergebe.

Nachdem Bayern von der Vereinbarung nicht vorher verständigt worden sei, rege das Finanzministerium an, sowohl HICOG wie auch die für Bayern zuständigen Dienststellen der amerikanischen Armee zu verständigen, daß Bayern sich mit dieser Regelung nicht einverstanden erklären könne.

Er halte es nicht für zweckmäßig, einen offiziellen Schritt bei den Amerikanern zu unternehmen und empfehle stattdessen, nochmals mit dem Bundesfinanzministerium zu verhandeln und den Versuch zu machen, zu einer Einigung zu kommen.

Staatsminister Zietsch stimmt diesem Vorschlag zu, bittet aber, inoffiziell die Amerikaner von dem Standpunkt der Bayerischen Staatsregierung zu dieser Vereinbarung zu verständigen.

Der Ministerrat sichert zu, das Erforderliche zu veranlassen.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths ersucht in diesem Zusammenhang, die Dienststelle Blank mit Nachdruck darauf aufmerksam zu machen, daß unter allen Umständen eine Verständigung mit den zuständigen bayerischen Stellen über Übungsplätze usw. stattfinden müsse, bevor mit den Amerikanern verhandelt werde; die Dienststelle Blank versuche immer wieder, vollendete Tatsachen zu schaffen, z.B. jetzt bei der Abgrenzung des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr.

Ministerpräsident Dr. Ehard bittet, ihm einen entsprechenden Entwurf zuzuleiten; er werde sich dann nicht nur mit Herrn Blank,17 sondern auch mit dem Bundeskanzler selbst in Verbindung setzen.

VII. Deutscher Brunnentag in München, 1. bis 3. Oktober 1953

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt eine Einladung des Verbandes Deutscher Mineralbrunnen e.V. bekannt, in der er gebeten werde, die Schirmherrschaft über den diesjährigen deutschen Brunnentag, der vom 1. bis 3. Oktober in Bad Wiessee stattfinde, zu übernehmen. Er halte es aber für richtig, diesen Wunsch nicht selbst zu erfüllen, sondern bitte den Herrn Finanzminister, an seiner Stelle die Schirmherrschaft zu übernehmen.

Staatsminister Zietsch erklärt sich damit einverstanden.

VIII. Gründung eines Vereins für das Deutschtum im Ausland durch Rechtsanwalt Dr. Berthold,18 München19

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, das Auswärtige Amt habe beim Staatsministerium für Unterricht und Kultus angefragt, wie die Bayerische Staatsregierung in München Rechtsanwalt Dr. Berthold und seine Mitarbeiter beurteile, die beabsichtigten, den Verein für das Deutschtum im Ausland zu gründen.20

Staatssekretär Dr. Brenner erklärt, der Verein für das Deutschtum im Ausland habe ursprünglich sicher gut gearbeitet, er sei dann aber völlig von den Nationalsozialisten für ihre Zwecke ausgenützt worden. Eine Neugründung könne nur dann unterstützt werden, wenn den betreffenden Persönlichkeiten völliges Vertrauen geschenkt werden könne.

Der Ministerrat beschließt, die erforderlichen Prüfungen und Feststellungen durch die Staatsministerien des Innern und der Justiz treffen zu lassen, ferner auch eine Äußerung der Abt. V des Staatsministeriums des Innern21 herbeizuführen.22

Verein für das Deutschtum im Ausland

IX. Bau der Ringbrücke UlmNeu-Ulm

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, es sei notwendig, für den Neubau der Ringbrücke Ulm - Neu-Ulm, der von Baden-Württemberg und Bayern gemeinsam durchgeführt werde, den zunächst erforderlichen bayerischen Anteil in Höhe von DM 100 000 bereitzustellen.

Nachdem sich Staatsminister Zietsch einverstanden erklärte, wird beschlossen, den Betrag von DM 100 000 bereitzustellen.

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend Ministerialdirektor