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Nr. 181MinisterratssitzungDienstag, 10. November 1953 Beginn: 9 Uhr Ende: 12 Uhr 15
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes. II. Entwurf eines Gesetzes über die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen des bisherigen Bayer. Landesversicherungsamtes und der bisherigen Oberversicherungsämter. III. Weihnachtsbeihilfen 1953 für Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. IV. Lehrer- und Richterbesoldung. V. Weihnachtszuwendungen für Beamte, Angestellte und Arbeiter. VI. Krise auf dem Hopfenmarkt. VII. Ankauf des Botticelli-Gemäldes „Madonna mit singenden Engeln und Lilien“ des Grafen Raczynski . VIII. Verein „Förderer der Alten Pinakothek in München“. IX. Infektionskrankenhaus in Buxheim. X. Wahl der Richter des Verfassungsgerichtshofs. XI. Instandsetzungsarbeiten am Regensburger Dom. XII. Fall Gräfin Wrbna-Kaunitz. XIII. Verkündung der neuen Verfassung des Landes Baden-Württemberg. XIV. Besichtigungsfahrt des Deutsch-Amerikanischen Landesausschusses. XV. Volkstrauertag am 15. November 1953.

Zu Beginn der Sitzung spricht Staatsminister Dr. Hoegner dem Herrn Ministerpräsidenten zum Geburtstag seine und des Kabinetts beste Glückwünsche aus.

I. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes1

Staatsminister Dr. Oechsle erklärt, daß gegen den Gesetzentwurf von keiner Seite mehr Einwendungen erhoben würden. Allerdings kämen jetzt Anregungen verschiedener Abgeordneter, nicht wie in dem Entwurf vorgesehen fünf, sondern sieben Sozialgerichte zu errichten.2 Das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge sei der Meinung, daß aber die vorgesehenen fünf Gerichte ausreichten, zumal nach Regensburg und Bayreuth detachierte Kammern kommen sollten. Er bitte den Ministerrat, auch dann fest zu bleiben, wenn Anträge kommen sollten.

Nachdem auch Ministerpräsident Dr. Ehard die Vermehrung der Sozialgerichte von fünf auf sieben als unmöglich bezeichnet hat, wird beschlossen, dem Entwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen.

Staatsminister Dr. Oechsle fährt fort, durch ein Versehen sei Art. 3 fehlerhaft, der letzte Halbsatz müsse wie folgt lauten:

„es bestellt den aufsichtführenden Vorsitzenden, die Vorsitzenden der Kammern und die Hilfsrichter.“

Staatssekretär Dr. Koch schlägt vor, in Art. 2 Abs. 2 vor dem Wort „Gebietsteile“ noch das Wort „auf“ einzufügen.

Der Ministerrat erklärt sich mit diesen Änderungen einverstanden. Außerdem wird noch beschlossen, Art. 11 Abs. 1 wie folgt zu fassen:

„Dieses Gesetz ist dringlich. Es tritt am 1. Januar 1954 in Kraft.“3

Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes in Bayern (AGSGG) vom 21. Dezember 1953

II. Entwurf eines Gesetzes über die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen des bisherigen Bayer. Landesversicherungsamtes und der bisherigen Oberversicherungsämter4

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, gegen die vorliegende Fassung des Gesetzentwurfs seien von verschiedenen Ministerien grundsätzliche Einwendungen erhoben worden, die im wesentlichen darauf hinausliefen, anstelle einer Angliederung der Oberversicherungsämter deren Aufgaben und Befugnisse den betreffenden Regierungen zu übertragen. Außerdem werde vorgeschlagen, Art. 2 Abs. 2, wonach das bisherige Prüfungsamt beim Landesversicherungsamt in das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge eingegliedert werden solle, dahin abzuändern, daß dieses Prüfungsamt eine dem Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge unmittelbar nachgeordnete Dienststelle werde.

Staatsminister Dr. Oechsle begründet den Entwurf seines Ministeriums und betont, die bisherige Regelung hinsichtlich des bisherigen Bayer. Landesversicherungsamtes und der5 Oberversicherungsämter habe sieh durchaus bewährt und müsse s.E. beibehalten werden. Er warne davor, die Oberversicherungsämter den Trägern der Sozialversicherung gegenüber verschwinden zu lassen. Was das Prüfungsamt betreffe, so halte er zwar die Regelung des Entwurfs für zweckmäßig, er habe jedoch nichts dagegen, wenn dem Vorschlag des Staatsministeriums der Finanzen, den Herr Ministerialrat Dr. Gerner soeben vorgetragen habe, zugestimmt werde.

Der Ministerrat beschließt nach kurzer Aussprache, Art. 2 Abs. 2 wie folgt zu fassen:

„Das bisherige Prüfungsamt beim Landesversicherungsamt wird unter der Bezeichnung ‚Bayerisches Landessozialprüfungsamt‘ eine dem Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge unmittelbar nachgeordnete Dienststelle. Es ist in der Durchführung seiner Aufgaben unabhängig.“

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt dann nochmals die Frage zur Debatte, ob im übrigen dem Entwurf zugestimmt oder die vorgeschlagenen Änderungen angenommen werden sollen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner äußert Bedenken gegen die Errichtung einer Sonderverwaltung, die aus der allgemeinen Verwaltung ausgeschaltet werde. Er halte es deshalb für richtig, bei den Regierungen eigene Abteilungen zu errichten, die natürlich selbständig arbeiten könnten.

Staatsminister Dr. Oechsle wendet sich dagegen und erklärt, man könne nicht ausgerechnet bei der Sozialversicherung damit beginnen, die frühere Einheitlichkeit der Verwaltung wieder herzustellen. Er sei damit einverstanden, wenn Art. 2 Abs. 1 Satz 2 folgendermaßen gefaßt werde:

„Dieses kann Aufgaben und Befugnisse des bisherigen Bayerischen Landesversicherungsamtes durch Rechtsverordnung den Oberversicherungsämtern bei den Regierungen (Art. 3 Abs. 2) übertragen.“

Entsprechend könne dann der letzte Absatz des Art. 3 wie folgt lauten:

„Die Oberversicherungsämter bei den Regierungen unterstehen jedoch der Fach- und Dienstaufsicht des Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge. Die unmittelbare Dienstaufsicht führt der Regierungspräsident.“

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend als Meinung des Kabinetts fest, daß diesen Änderungen zugestimmt, im übrigen aber der Entwurf gebilligt wird.

Nachdem sich das Kabinett grundsätzlich einig sei, müsse der Gesetzentwurf wohl nur mehr redaktionell überarbeitet worden, vielleicht von den Staatsministerien des Innern und für Arbeit und soziale Fürsorge gemeinsam, so daß er dann ohne nochmalige Beratung im Ministerrat dem Landtag zugeleitet werden könne.

Schließlich wird noch beschlossen, Art. 6 folgendermaßen zu fassen:

„Dieses Gesetz ist dringlich. Es tritt am 1. Januar 1954 in Kraft.“6

Gesetz über die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen des Bayerischen Landesversicherungsamtes und der Oberversicherungsämter (Aufgabenübertragungsgesetz zum Sozialgerichtsgesetz – AÜGSGG) vom 21. Dezember 1953

III. Weihnachtsbeihilfen 1953 für Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung7

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert daran, daß der Ministerrat am 3. November 1953 beschlossen habe, diesen Punkt nochmals zurückzustellen, damit sich Herr Staatsminister Dr. Oechsle in der Zwischenzeit bei den anderen Ländern erkundigen könne, welche Maßnahmen diese ergreifen würden, falls der Bund nach wie vor die Übernahme der Weihnachtsbeihilfen ablehne.

Staatsminister Dr. Oechsle bemerkt, es scheine insofern ein Mißverständnis eingetreten zu sein, als trotz eines gegenteiligen Beschlusses des Ministerrats das Finanzministerium einen Antrag vorgelegt habe, der Bundesrat wolle beschließen, die Bundesregierung um Übernahme der Weihnachtsbeihilfen für Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung zu ersuchen,

Was nun die Erkundigung bei den übrigen Ländern betreffe, so habe er alle angeschrieben und von den meisten die Auskunft erhalten, daß auch in diesem Jahr den Empfängern von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung die Weihnachtsbeihilfe gewährt werde. Er glaube, daß heute schon ein endgültiger Beschluß gefaßt werden könne.

Der Ministerrat beschließt,

1. keinen Antrag im Bundesrat einzubringen,

2. im Anschluß an die übrigen Länder der Bundesrepublik die Weihnachtsbeihilfe auch in diesem Jahre zu gewähren und dafür zusätzlich einen Betrag von 2 Millionen DM zur Verfügung zu stellen.

Staatsminister Dr. Oechsle fügt hinzu, wenn der Bund wider Erwarten sich doch zu der Übernahme entschließe, so ändere das ja an dem Beschluß nichts. Er bitte aber jedenfalls, diesen vorläufig noch nicht zu veröffentlichen, auch wenn jetzt schon Vorbereitungen für die Auszahlung getroffen werden.

Der Ministerrat stellt fest, daß der heutige Beschluß vorläufig8 vertraulich behandelt werden muß.

Weihnachtsbeihilfen (Arbeitslosenfürsorge)

IV. Lehrer- und Richterbesoldung9

Ministerpräsident Dr. Ehard nimmt Bezug auf die Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 5. November 1953,10 die sich unter anderem mit den Beschlüssen des Landtags vom 6. Mai und 23. Juni 1953 über die Verbesserung der Lehrerbesoldung und der Besoldung der Richter und Staatsanwälte befasse.11 Außerdem hätten ja jetzt auch der Abg. Dr. Fischer12 und einige weitere Abgeordnete am 1. Oktober 1953 im Landtag den Entwurf eines Gesetzes über die Besoldung der Richter und Staatsanwälte eingebracht.13 Das Staatsministerium der Finanzen stelle in erster Linie die Frage, wie angesichts des Fehlbetrages im laufenden Haushalt und des voraussichtlich noch wesentlich größeren Fehlbetrags im Haushalt 1954 diese Mehrausgaben gedeckt werden sollten. Außerdem sei zu beachten, daß mit Sicherheit entsprechende Forderungen der anderen Gruppen von Beamten kommen würden, wenn die Besoldung der Richter und der Lehrer verbessert werde. Seiner Meinung nach müsse sich der Ministerrat heute wohl darüber klar werden, ob außerhalb der Haushaltsberatungen, die ja in Kürze beginnen sollten, gewissermaßen im Vorgriff Richter- und Lehrerbesoldung verbessert werden sollten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner spricht sich dafür aus, die Angelegenheit unbedingt bis zum Ablauf der vom Ministerrat kürzlich beschlossenen Drei-Wochenfrist zu verschieben und erst im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen wieder aufzugreifen.14

Ministerpräsident Dr. Ehard macht darauf aufmerksam, daß im Haushaltsausschuß bereits in der nächsten Woche ein Gesetzentwurf des Abg. Dr. Fischer beraten werden solle.

Staatsminister Zietsch erwidert, er werde versuchen, diese Beratung zurückstellen zu lassen.

Staatsminister Dr. Oechsle bittet um eine grundsätzliche Äußerung des Kabinetts, wonach alle Kategorien von Richtern in gleicher Weise berücksichtigt werden sollen.

Staatssekretär Dr. Nerreter wendet sich gegen diesen Vorschlag.

Ein Beschluß wird nicht gefaßt.

Staatsminister Weinkamm führt aus, es handle sich nicht um eine Bevorzugung der Richter, sondern darum, daß deren Benachteiligung ausgeglichen werde.

Der Ministerrat beschließt, die Beratung des Punktes bis zur Aufnahme der Besprechungen des Haushalts zurückzustellen.15

V. Weihnachtszuwendungen für Beamte, Angestellte und Arbeiter16

Staatsminister Zietsch gibt einen Brief des Bundesfinanzministers bekannt, wonach in diesem Jahr der Bund keine Weihnachtszuwendungen gewähren werde und die Länder auffordere, sich dem anzuschließen. Nach Meinung des Bundesfinanzministers würde jede Zuwendung gegen die noch bestehende Sperrvorschrift verstoßen.17

Der Ministerrat beschließt, sich der Maßnahme der Bundesregierung anzuschließen.18

Weihnachtszulagen

VI. Krise auf dem Hopfenmarkt19

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt ein Schreiben und ein Memorandum des Herrn Landtagsabgeordneten Dr. Baumgartner20 zur Krise auf dem Hopfenmarkt bekannt. Danach seien in der Hallertau zur Zeit noch rund 60 000 Ztr. Hopfen unverkauft, die natürlich auf den Preis drückten. Praktisch sei jetzt der Hopfen nur mehr zu einem Preis abzusetzen, der erheblich unter den Gestehungskosten liege. Herr Dr. Baumgartner sei der Meinung, daß die Krise nur dadurch behoben werden könne, daß die 60 000 Ztr. zu Preisen von DM 150,- bis DM 210,- auf den Markt gelangen würden. Dafür sei aber ein Betrag von 10 Millionen DM notwendig, wofür wieder eine Ausfallbürgschaft des Staates in Höhe von 5 Millionen DM auf drei Jahre erforderlich sei.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths stellt fest, daß wirtschaftlich gesehen dieser Vorschlag nicht zu verwirklichen sei.

Staatssekretär Maag führt aus, auf Veranlassung des Landwirtschaftsministeriums sei in den letzten Tagen eine Sitzung mit dem Hopfenhandel und den Hopfenerzeugern abgehalten worden, an der auch verschiedene Bundestagsabgeordnete teilgenommen hätten. Das Ministerium beschäftige sich sehr eingehend mit dem Problem der Preise auf dem Hopfenmarkt, übrigens werde auch ein entsprechender SPD-Antrag kommen. Die Hauptforderung von Handel und Erzeugern sei, die Anbaufläche zu verringern, ein Wunsch, der, wenn überhaupt, nur unter großen finanziellen Opfern erfüllt werden könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt abschließend, das Schreiben des Herrn Abg. Dr. Baumgartner den Staatsministerien der Finanzen, für Wirtschaft und Verkehr und Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Abschrift zuzuleiten.

VII. Ankauf des Botticelli-Gemäldes „Madonna mit singenden Engeln und Lilien“ des Grafen Raczynski21

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, daß am 29. Oktober 1953 in Bonn ein Vertrag über den Ankauf dieses Gemäldes durch Bund und Länder abgeschlossen worden sei.22 Er habe nun ein Schreiben des Rechtsanwalts des Grafen Raczynski erhalten, in dem dieser darum ersuche, die finanzielle Abwicklung möglichst zu beschleunigen.23 Außerdem liege ihm der Abdruck einer Note des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 3. November 1953 an das Staatsministerium der Finanzen vor, in dem um Mitteilung über die Bereitstellung außerplanmäßiger Mittel in Höhe von 16,7% aus 950 000 DM vorsorglich gebeten werde.24

Staatsminister Dr. Schwalber erklärt, der Ministerrat habe zwar dem Ankauf des Bildes durch Bund und Länder zugestimmt, er bitte aber die Entscheidung über die Bereitstellung der Mittel noch zurückzustellen, da er nicht damit einverstanden, sein könne, daß der auf die Länder entfallende Anteil mindestens zum Teil für die Zahlung von rückständigen Steuern an den Bund verwendet werde. Auch sei es mißlich, daß die Eigentumsverhältnisse nach dem Erwerb des Gemäldes recht ungeklärt seien.

Übrigens komme jetzt ein neues Angebot, und zwar auf den Ankauf eines berühmten Evangeliars aus dem Besitz des ehemaligen Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha25; dieser Codex werde zur Zeit in der Bayer. Staatsbibliothek aufbewahrt.26 Da für dieses Kunstwerk ein hohes amerikanisches Angebot vorliege, werde jetzt ebenfalls angeregt, es gemeinsam durch Bund und Länder zu erwerben.27 Grundsätzlich sei dazu zu sagen, daß man auf diese Art und Weise in ein völlig neues Stadium der Kulturpolitik komme und eine Art Kaufgemeinschaft zwischen Bund und Ländern entstehe,28 bei der niemand wisse, wer nun eigentlich der Eigentümer der erworbenen Kunstwerke sei.

Wenn der Bund schon beträchtliche Mittel für kulturelle Zwecke zur Verfügung habe, sollte er von sich aus Dinge, bei denen die Gefahr bestehe, daß sie ins Ausland abwanderten, ankaufen. In diesem Zusammenhang müsse man sich ernstlich überlegen, ob man tatsächlich das Königsteiner Abkommen, das bekanntlich vor dem Entstehen der Bundesrepublik liege,29 noch weiter ausbauen solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, er sei der Meinung gewesen, bei dem Botticelli-Gemälde handle es sich um eine einmalige Sache. Er stimme Herrn Staatsminister Dr. Schwalber zu, daß man sich in Zukunft zum mindesten sehr zurückhalten müsse und derartige gemeinsame Ankäufe von Bund und Ländern vermeiden solle.

Auf Vorschlag von Staatsminister Dr. Schwalber wird dann der Beschluß gefaßt, daß der auf Bayern fallende Anteil an dem Kaufpreis des Botticelli-Gemäldes nicht zur Zahlung von Steuern an den Bund verwendet werden dürfe.30

Ankauf durch Bund und Länder

VIII. Verein „Förderer der Alten Pinakothek in München“

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, vor kurzem habe sich auf Initiative des Herrn Generaldirektors Dr. Buchner dieser Verein gebildet, dessen Schirmherrschaft Kronprinz Rupprecht von Bayern31 übernehmen solle. Außerdem sei ein Kuratorium unter dem Vorsitz des Herrn Staatsministers Dr. Schwalber vorgesehen, dem als Ehrenmitglieder der Bundespräsident, der Bundeskanzler und der Bayerische Ministerpräsident angehören sollten. Ihm persönlich gefalle dieser Plan keineswegs. Er halte es nicht für erfreulich, wenn ein Verein ein Projekt fördere, das an sich Sache des Staates sei. Die Wiederherstellung der Pinakothek sei eine ureigene bayerische Aufgabe, bei der man nicht ein Kuratorium mit allen möglichen Persönlichkeiten brauche.

Staatsminister Dr. Schwalber stellt fest, daß er ausdrücklich erklärt habe, er gebe seine Hand nicht dazu, daß indirekt bayerische Kulturinstitute dem Bund übereignet würden.

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, der Bundeskanzler, der offensichtlich bereits angeschrieben worden sei, habe recht ausweichend geantwortet. Er selbst könne nur wiederholen, daß er es nicht für angezeigt halte, Bundespräsident und Bundeskanzler einzuschalten. Er bitte Herrn Staatsminister Dr. Schwalber, Generaldirektor Dr. Buchner kommen zu lassen und ihn entsprechend zu unterrichten.

Auch Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt sich auf den Standpunkt, daß Dr. Buchner als bayerischer Beamter ohne Zustimmung des Kultusministeriums hier nicht hätte tätig werden dürfen.

Der Ministerrat stimmt der Auffassung des Herrn Ministerpräsidenten und des Herrn Staatsministers Dr. Hoegner zu.

Staatsminister Dr. Schwalber sichert zu, in den nächsten Tagen mit Generaldirektor Dr. Buchner zu sprechen.

IX. Infektionskrankenhaus in Buxheim32

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, seit längerer Zeit versuche das Bayer. Rote Kreuz das von ihm betriebene Infektionskrankenhaus Buxheim vom Bayerischen Staat zu erwerben. Diese Sache sei auch Gegenstand einer Anfrage des Herrn Abg. Dr. Soenning33 im Landtag gewesen, die der Herr Finanzminister dahin beantwortet habe, daß sein Ministerium bereit sei, das Anwesen an das Bayer. Rote Kreuz zu verkaufen. Gegen die Übereignung hätten sich aber der Landrat von Memmingen, Herr Abg. Dr. Lenz34 und die Gemeinde Buxheim gewendet.35

Er habe den Eindruck, daß diese Sache bald zu einem Abschluß gebracht werden müsse und schlage deshalb vor, daß sich die beteiligten Ministerien, also Innen- und Finanzministerium, in Verbindung setzten. Gegebenenfalls sei er gerne bereit, sich auch einzuschalten.

Staatsminister Zietsch erwidert, der Landrat von Memmingen stelle sich auf den Standpunkt, er könne nicht zustimmen, solange dieses Krankenhaus ein Infektionskrankenhaus sei. Das Rote Kreuz habe übrigens nichts dagegen, daß die Übertragung des Eigentums noch zurückgestellt werde.36 Die Schwierigkeiten, die jetzt eingetreten seien, gingen wohl auf gewisse persönliche Differenzen zwischen den Abg. Dr. Lenz und Dr. Soenning zurück, er sei deshalb mit dem Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten, eine Besprechung abzuhalten, durchaus einverstanden.

Staatssekretär Dr. Nerreter erklärt, es sei ein Bedürfnis, daß Infektionskrankenhäuser bestünden und er halte es für ein Glück, wenn das Rote Kreuz bereit sei, das Objekt zu erwerben. Natürlich müsse die Gewähr für eine entsprechende Abwasserbeseitigung gegeben sein. Er halte dies aber für keinen Hinderungsgrund, das Objekt zu verkaufen,

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht abschließend nochmals, bald zu der angeregten Besprechung einzuladen.37

X. Wahl der Richter des Verfassungsgerichtshofs38

Ministerpräsident Dr. Ehard macht darauf aufmerksam, daß die Frage der Wahl des Landgerichtspräsidenten Dr. Herrmann von Deggendorf als Richter am Verfassungsgerichtshof noch nicht geklärt sei. Er bitte deshalb Herrn Staatsminister Weinkamm, die notwendigen Erkundigungen einzuziehen.

Staatsminister Weinkamm erwidert, bisher habe er noch nicht erfahren können, was gegen Landgerichtspräsident Herrmann eingewendet werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard bittet, dies bald zu klären, da Herrmann entweder neu vorgeschlagen oder ein anderer Richter benannt werden müsse.

Die zweite Frage sei die Wahl des Vizepräsidenten, die ebenfalls der Landtag vornehmen müsse. Gegen Oberlandesgerichtspräsident Dr. Wintrich, der als Vizepräsident vorgesehen sei, bestünden anscheinend keine Bedenken, außerdem habe ja der jetzige Präsident selbst diesen Wunsch geäußert. Er bitte den Herrn Staatsminister der Justiz, die beiden Fragen bis zur nächsten Kabinettssitzung zu klären und der Staatskanzlei einen entsprechenden Vortrag zu machen, damit dann ein Schreiben an den Landtag gerichtet werden könne.

Staatsminister Weinkamm sichert zu, dies in Bälde zu tun.39

Wahl richterlicher Mitglieder

XI. Instandsetzungsarbeiten am Regensburger Dom40

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, Herr Abg. Dr. Fischer habe ihm wegen der Instandsetzungsarbeiten am Regensburger Dom geschrieben und darauf hingewiesen, daß noch vor Einbruch des Winters 50 000 DM für besonders vordringliche Reparaturen benötigt würden.

Staatsminister Dr. Schwalber erwidert, es seien bereits 56 000 DM aus einem besonderen Titel für die Erhaltung von Domen zur Verfügung gestellt worden. Er habe aber keine Mittel mehr, um jetzt weitere 50 000 DM zu geben. Haushaltsrechtlich sei es nicht erlaubt, wenn ein besonderer Titel bestehe, Mittel aus einem anderen Titel zur Verfügung zu stellen, also hier z.B. aus dem Titel „Erhaltung historischer Kunstwerke.“

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner hält es trotzdem für notwendig, etwas zu tun und bezeichnet es als unwürdig, den Regensburger Dom verfallen zu lassen.

Der Ministerrat beschließt, daß zunächst geprüft werden muß, wie die vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus gegebenen 56 000 DM verwendet worden sind.41

XII. Fall Gräfin Wrbna-Kaunitz42

Ministerpräsident Dr. Ehard kommt darauf zu sprechen, daß Zeitungsmeldungen zufolge er sich in diesen Fall eingeschaltet und Ministerrat und Bundeskanzler verständigt habe;43 beides sei natürlich nicht der Fall.44

Er sei in diese Sache dadurch hereingezogen worden, daß Prinzessin Pilar45 mit Gräfin Kaunitz vor kurzem bei ihm gewesen seien und berichtet hätten, es seien Sperrmarkkonten freigegeben worden, um verschiedene Bauvorhaben durchzuführen, wobei ungefähr 11 – 12 Millionen umgesetzt worden seien. Da diese Gelder zum Teil auch für andere Zwecke als für Bauten verwendet worden seien, habe man zu Beginn des Jahres die freigegebenen Konten gesperrt.46 Dadurch seien nun erhebliche Schwierigkeiten eingetreten, vor allem da Bauunternehmer nicht mehr hätten bezahlt werden können.

Er selbst habe sich daraufhin mit Oberfinanzpräsident Prugger und dann auch mit Herrn Staatsminister Weinkamm und Staatssekretär Dr. Ringelmann in Verbindung gesetzt. Trotzdem wisse er aber noch nicht,47 wie sich eigentlich die ganze Sache verhalte, wie die Gelder beschafft worden seien usw.

Gräfin Kaunitz habe ihn nun gebeten, einmal dafür zu sorgen, daß wenigstens ein Betrag von 600 000 DM freigegeben werde, der ausreiche, um die angelaufenen Forderungen der Baufirmen zu decken und ferner anzuordnen, daß das anhängige Unterwerfungsverfahren,48 das inzwischen an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden sei, wieder an die Oberfinanzdirektion zurückgegeben werde.49 Zu beiden Bitten habe er erklärt, er könne hier nicht50 eingreifen, zumal sich anscheinend auch das Bundesfinanzministerium schon darum gekümmert habe. Auch Oberfinanzpräsident Prugger habe ihm nicht genau sagen können, um welche Verfehlungen es sich eigentlich handle und warum die Sperrung der freigegebenen Konten erfolgt sei.

Das Konto sei plötzlich beschlagnahmt worden und zwar von der Zollfahndungsstelle in Auftrag der Staatsanwaltschaft.51 Wie nun die Sache weitergehe, könne er nicht sagen; er habe es aber doch für notwendig gehalten, den Ministerrat heute52 zu unterrichten.53

XIII. Verkündung der neuen Verfassung des Landes Baden-Württemberg54

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest eine Einladung des Präsidenten der Verfassunggebenden Landesversammlung des Landes Baden-Württemberg ,55 der Herr Ministerpräsident möge an dem Staatsakt der feierlichen Verkündigung der Verfassung teilnehmen.

Nachdem er selbst durch den Besuch des amerikanischen Hohen Kommissars am 19. November verhindert sei, bitte er Herrn Staatsminister Dr. Hoegner als Vertreter der Bayerischen Staatsregierung an diesem Tag nach Stuttgart zu fahren.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich dazu bereit.

XIV. Besichtigungsfahrt des Deutsch-Amerikanischen Landesausschusses56

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, die für 16. November vorgesehene Besichtigungsfahrt des Landesausschusses zum Jochenstein müsse verschoben werden, da sich für den gleichen Tag der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Herr Karl Arnold, zu einem Besuch in München angesagt habe.

Es wird vereinbart, daß die Besichtigungsfahrt am 18. November 1953 stattfindet.

Deutsch-Amerikanischer Landesausschuß

XV. Volkstrauertag am 15. November 195357

Es wird vereinbart, daß Herr Staatsminister Dr. Hoegner die Ansprache am Volkstrauertag hält.

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend Ministerialdirektor