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Nr. 18Außerordentliche MinisterratssitzungFreitag, 30. Januar 1948 Beginn: 8 Uhr 55 Ende: 10 Uhr 15
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Innenminister Dr. Ankermüller, Unterrichtsminister Dr. Hundhammer, Finanzminister Dr. Kraus, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Schwalber, Staatssekretär Franz Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Landtagspräsident Dr. Horlacher.

Entschuldigt:

Stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Sonderminister Dr. Hagenauer.1

Tagesordnung:

I. Neugestaltung des Wirtschaftsrats.

[I. Neugestaltung des Wirtschaftsrats]

Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die Sitzung und berichtet über den Stand der Frankfurter Besprechungen. Für Dienstag Vormittag sei eine interne Ministerpräsidentenkonferenz angesetzt gewesen, die dann den ganzen Tag und Mittwoch Vormittag angedauert habe.2 Der Wirtschaftsrat habe sich gesondert mit dem Entwurf befaßt. Es sei auch rein zeitlich nicht mehr möglich gewesen, beide Gremien zusammenzufassen und eine Abstimmung der Meinungen zu erzielen. Dies wäre auch praktisch unmöglich gewesen. Die Ministerpräsidentenkonferenz sei durch folgende Tatsache von vornherein besonders charakterisiert gewesen: Die Herren von Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen, Bremen und Hamburg seien am Sonntag vorher nach Hannover eingeladen gewesen und seien von dort mit einer gebundenen Marschroute gekommen.3 So seien deren Beschlüsse in einer Reihe von entscheidenden Punkten festgelegt gewesen.4 Dadurch sei die Möglichkeit einer Einigung außerordentlich erschwert worden. Man sei deshalb auch nicht zu einer einheitlichen Stellungnahme gekommen. Allerdings seien der hessische Ministerpräsident und der Senatspräsident von Bremen5 durch die Kabinettsbeschlüsse der dortigen Koalitionsregierungen auch in einigen Punkten festgelegt gewesen, so daß sie die von Hannover vorgeschriebene Stellung nicht in allen Punkten hätten beziehen können. Das Ziel der gesonderten Verhandlungen des Wirtschaftsrats sei es gewesen, alle Kompetenzen für den Wirtschaftsrat möglichst zu erweitern, dagegen die sonstigen Organisationen der Zweizonenverwaltung, insbesondere den Länderrat, in ihren Funktionsmöglichkeiten weitgehend zu schwächen. Man habe sich dort auf die Formel zurückgezogen, man müsse jetzt ein rasch und zuverlässig funktionierendes Organ haben, das man nicht durch den Länderrat hemmen dürfe. Außerdem handle es sich um eine vorübergehende Institution, die sehr bald durch eine andere abgelöst werde.

Er (Dr. Ehard) habe demgegenüber betont, daß alles, was man in dieser Richtung vorbringe, mit viel besseren Gründen für das Gegenteil angeführt werden könne. Es sei nicht einzusehen, warum man eine Organisation mit uferlosen Zuständigkeiten schaffen solle, wenn diese nur kurze Zeit bestehen solle. Das Bild bei der Konferenz mit den Amerikanern und Engländern sei folgendes gewesen:6 Er habe in der internen Ministerpräsidentenbesprechung den Vorsitz geführt und habe den Ministerpräsidenten vorgeschlagen, es möge doch jemand aus dem oppositionellen Lager die Meinung der Opposition selber vortragen. Dies sei nicht gewünscht worden und man habe ihn beauftragt zu referieren und die Mehrheits- und Minderheitsvoten vorzutragen.7 Beim Wirtschaftsrat habe sich eine völlige Einheitlichkeit ergeben. Hier habe man keine Parteivarianten sehen können. Gleich zu Beginn der Sitzung hätten die Wortführer des Wirtschaftsrates, insbesondere der Präsident8 und Vizepräsident,9 sehr stark gegen die Stellungnahme der Ministerpräsidenten polemisiert. Er habe sich dies nur beim ersten Artikel gefallen lassen, dann ausgeführt, er habe nicht das Bedürfnis hier zu polemisieren, betone aber ausdrücklich, daß, wenn die Ministerpräsidenten keine Stellung zu den Vorschlägen des Wirtschaftsrates nähmen, daraus nicht der Schluß gezogen werden dürfe, daß sie mit diesen einverstanden seien. Bei der Stellungnahme zum Entwurf selbst habe er sich von Anfang an bemüht, wie besprochen, zwei Dinge zu unterscheiden, nämlich einmal eine grundsätzliche Stellung zu diesem Entwurf herauszuarbeiten, dann, abgesehen von dieser grundsätzlichen Stellung, Vorschläge für die einzelnen Bestimmungen selbst zu machen. Auch hier sei es nicht gelungen, auf Seiten der Ministerpräsidenten eine einheitliche Erklärung grundsätzlicher Art zustande zu bringen und zwar deshalb, weil es nicht möglich gewesen sei, den Gedanken des föderativen Aufbaues herauszustellen. So seien zwei Erklärungen abgegeben worden, eine für Bayern, Württemberg-Baden, Rheinland-Westfalen10 und für Hessen für die Person Dr. Hilperts. Diese Minderheit bedeutet bevölkerungsmäßig mehr als die Hälfte der Bizone, was man sich stets vor Augen halten müsse. Die grundsätzliche Erklärung für die anderen Ministerpräsidenten habe Kaisen abgegeben, die für die süddeutschen Länder mit Einschluß Nordrhein-Westfalens habe er (Dr. Ehard) verlesen. Er gebe diese beiden Erklärungen nunmehr bekannt.11

Dabei dürfe er darauf hinweisen, es werde jetzt gelegentlich geflissentlich verbreitet, die süddeutschen Länder hätten immer „Nein“ gesagt, die SPD dagegen habe zugestimmt. Das sei nicht richtig. Auch die SPD-Ministerpräsidenten hätten grundsätzlich Nein gesagt, sich aber bereit erklärt mitzuarbeiten, was auch wir getan hätten. Von Einzelheiten wolle er folgendes hervorheben: In Art. 312 sei bei den Zuständigkeiten in Ziffer 1 und 2 unterschieden. Er habe gefragt, worin der Unterschied bestehe, insbesondere ob es sich bei Ziffer 2 nur um eine Grundsatzgesetzgebung handle. Darauf seien sehr ausweichende Antworten gegeben worden. Er habe den Eindruck, daß kein Unterschied gemacht werde. Die Engländer hätten jedenfalls ausgeführt, auch Nummer 2 sei möglichst weit auszulegen. Der Wirtschaftsrat stehe auf dem Standpunkt, daß überhaupt kein Unterschied bestehe. Der Wirtschaftsrat habe überhaupt eine wesentliche Erweiterung der Zuständigkeiten verlangt z.B. für Bilanzwesen, Arbeitsrecht, Arbeitsvermittlung, Organisation der Selbstverwaltung, Forstwirtschaft. Außerdem habe er das gesamte Steuerwesen auf allen Gebieten gewollt und sämtliche Rohstoffe wie Kohlen, Eisen und Stahl.

Bei der Bereitstellung der Mittel für den Wirtschaftsrat habe sich folgendes ergeben: Nach dem Entwurf solle der Wirtschaftsrat das Haushaltsrecht haben, und zwar solle er nicht nur die Ausgaben beschließen, sondern auch Einnahmen erschließen. Dafür sollten die Überschüsse aus Post, Bahn und dem Fernmeldewesen zur Verfügung stehen, ferner die Beförderungssteuer, Zölle und Verbrauchssteuern und ein prozentualer Anteil an der Einkommensteuer. Das hätten die Ministerpräsidenten abgelehnt. Ein Teil von ihnen habe allerdings einen Teil der Verbrauchsabgaben zur Verfügung stellen wollen.13 Bezüglich des Anteils an der Einkommensteuer habe sich die Mehrheit der Ministerpräsidenten für eine vollkommene Streichung ausgesprochen, eine Minderheit habe aber daran festgehalten. Geschlossen hätten sie sich gegen die Errichtung einer eigenen Finanzverwaltung ausgesprochen. Bezüglich der Aufnahme von Anleihen hätten sich die Ministerpräsidenten geeinigt, daß dies nur bei außerordentlichem Bedarf und nur für Ausgaben für werbende Zwecke zulässig sein sollte. Gegen die Errichtung eigener bizonaler Gerichte hätten sich die Ministerpräsidenten und der Wirtschaftsrat übereinstimmend gewandt. Dies sei der einzige Punkt, bei dem die Minister präsidenten und der Wirtschaftsrat einig gewesen seien. Bei der sogenannten Kompetenz-Kompetenz sei man zu folgender Stellungnahme gekommen: Es bestehe eine Schwierigkeit darin, daß durch eine Genehmigung oder Zuweisung seitens des Bipartite Board14 dem Wirtschaftsrat weitere Gegenstände überwiesen werden könnten, auch wenn dieser seine Zuständigkeit überschritten habe. Diese Überschreitung werde durch die Genehmigung des Bipartite Board geheilt. Man habe sich dahin geeinigt, daß eine solche Erweiterung der Zuständigkeit sichtbar gemacht werden müsse, was nur auf Grund einer besonderen Proklamation möglich sei. Er glaube nicht, daß die Besatzungsbehörden darauf eingehen würden. Bemerkenswert sei aber, daß die Ministerpräsidenten übereinstimmend die Kompetenz-Kompetenz abgelehnt hätten.

Weiter sei die Frage behandelt worden, wer die Ausführungsvorschriften erlassen solle. Der Wirtschaftsrat habe hier die Länder und den Länderrat möglichst ausschalten wollen. Die Ministerpräsidenten hätten sich auf folgende Linie geeinigt: Bei Gesetzen, deren Durchführung den Ländern obliege, sollten die Ausführungsvorschriften durch den Verwaltungsrat mit Zustimmung des Länderrats erlassen werden; bei Wirtschaftsratsgesetzen, deren Durchführung nicht den Ländern obliege, sollten die Ausführungsbestimmungen durch den Verwaltungsrat allein getroffen werden. Hierauf habe es eine heftige Debatte über die Reichsgesetze gegeben, die noch in Kraft und vom Wirtschaftsrat nicht geändert seien. Auch hier habe der Wirtschaftsrat seine Zuständigkeit in Anspruch nehmen und die Länderregierungen und den Verwaltungsrat ausschalten wollen. Hiergegen hätten sich die Ministerpräsidenten ausgesprochen. Wenn diese Reichsgesetze einer Änderung bedürften, solle der Wirtschaftsrat eine sichtbare Änderung vornehmen. Im übrigen solle man die Ausführung dieser Gesetze den Ländern überlassen.15 Es habe keinen Sinn, von vorneherein generell eine Zuständigkeit festzulegen. Der Wirtschaftsrat könne ja jederzeit sich mit diesen Gesetzen befassen. Die Ministerpräsidenten hätten übereinstimmend abgelehnt, daß der Wirtschaftsrat selbst die Behörden des Landes bestimme für die Durchführung von Gesetzen. Die Zuständigkeit, die Behörden innerhalb des Landes zu bestimmen, müsse den Landesregierungen überlassen bleiben.

Die im Entwurf enthaltene Bestimmung, daß der Wirtschaftsrat Unterbehörden für Berichterstattung, Statistik, Zwangsmaßnahmen usw. einrichten könne,16 habe der Wirtschaftsrat für außerordentlich günstig und zweckmäßig gehalten. Er (Dr. Ehard) habe den Standpunkt eingenommen, daß dadurch die Reichsexekutive festgelegt und die Handhabe geboten werde, Reichsvögte und Reichskommissare in die Länder zu schicken, ohne daß diese verfassungsmäßig festgelegte Zuständigkeiten hätten und ohne daß verfassungsmäßige Garantien für deren Verfahren gegeben seien. Die Ministerpräsidenten hätten ausdrücklich betont, man solle sich einmal darüber klar werden, daß die Länder bei vernünftigen Regelungen doch keine Obstruktion treiben wollten. Sie wehrten sich aber dagegen, daß vom grünen Tisch aus etwas gemacht werde und daß dann für ein Mißlingen die Länder verantwortlich gemacht würden. Die Länder sollten rechtzeitig eingeschaltet werden, um vernünftige Lösungen zu erreichen. Man habe sich nicht gegen eine gewisse Aufsicht ausgesprochen. Die Ministerpräsidenten hätten ihren guten Willen gezeigt, ohne dabei allerdings den Grundsatz aufzugeben. Sie hätten vorgeschlagen, diese Bestimmung hier herauszunehmen und in das Kapitel „Allgemeine Grundsätze“ zu stellen und hätten auch eine entsprechende Formulierung vorgeschlagen. Auch zur Zusammensetzung des Länderrats hätten die Ministerpräsidenten sich auf eine neue Fassung geeinigt. Die Gesetzentwürfe des Verwaltungsrats sollten nach Meinung der Ministerpräsidenten gleichzeitig dem Wirtschafts- und Länderrat zugeleitet werden.17 Der Wirtschaftsrat habe hier keine Änderung gegenüber der Proklamation gewollt. Er (Dr. Ehard) habe dieser Formulierung aber nicht zustimmen können. Es sei ihm auch gelungen, Württemberg-Baden und Nordrhein-Westfalen auf seine Seite zu bringen.

Was den Verwaltungsrat betreffe, so sei der Oberdirektor einmütig abgelehnt worden. Das werde aber nicht zugestanden werden, da auf diesen Mann die Besatzungsmächte besonderes Gewicht legten. Hier sei auch der Wirtschaftsrat der Meinung der Ministerpräsidenten gefolgt. Der Wirtschaftsrat wolle auch die Möglichkeit haben, den Oberdirektor abzuberufen. Der Wirtschaftsrat möge den Oberdirektor wählen, dem Länderrat müsse aber das Recht der Bestätigung vorbehalten werden.18 Eine sehr heftige Debatte habe folgende Vorschrift ausgelöst: Es sei vorgesehen, daß der Wirtschaftsrat die Aufgaben der Mitglieder des Verwaltungsrats und ihr Verhältnis zum Länderrat und den Ländern regle.19 Die Ministerpräsidenten hätten verlangt, daß die Worte „zu den Ländern“ gestrichen würden, weil damit Verfassungsbestimmungen erlassen werden könnten, und weil sonst durch einfache Ausführungsvorschriften die Verfassungen der Länder geändert werden könnten.20 Die Ministerpräsidenten hätten weiter ausdrücklich verlangt, daß die Vorschrift, wonach Bestimmungen des Wirtschaftsrats Länderrecht brächen, auf Gesetze beschränkt werden solle.21

Was die anderen bizonalen Behörden, das Personalamt, das Statistische Amt und das Rechtsamt angehe, hätten die Ministerpräsidenten einstimmig beschlossen, diese schon bestehenden Ämter ausdrücklich so zu bezeichnen, daß sie ihre Zuständigkeiten nicht ausdehnen könnten.22 Das Personalamt solle sich nur auf die bizonalen Verwaltungen erstrecken, an Stelle des Rechtsamts solle nur ein Justitiaramt geschaffen werden, ein Gesetzgebungsamt; es solle alles vermieden werden, was aussehen könnte wie ein Justizministerium. Die Amerikaner und Engländer hätten erklärt, das wollten sie selbst nicht. Er habe es vermieden, in Frankfurt mit einem Pressevertreter zu reden, weil er der Meinung gewesen sei, er könne eine Erklärung für die Presse erst abgeben, wenn er die Möglichkeit gehabt habe, dem Kabinett Bericht zu erstatten.23

Staatsminister Dr. Pfeiffer ergänzt diese Ausführungen. Über die ganzen Verhandlungen sei ein Protokoll aufgenommen worden, das zur Verfügung stehe.24 Er habe schon das letzte Mal darauf hingewiesen, daß man im Verlaufe der Ministerpräsidenten-Besprechungen allmählich auch bei den neugebildeten Ländern ein gewisses Staatsbewußtsein und bei ihren Ministerpräsidenten ein Bewußtsein für die Stellung und Wichtigkeit ihrer Länder habe feststellen können. Diese Feststellung sei auch auf Grund der neuerlichen Erfahrungen nicht zu annullieren. Man habe zwar gewußt, daß Hannover einen Befehl herausgegeben habe. Es sei interessant, wie die SPD-Ministerpräsidenten darauf reagiert hätten. Diese hätten zwar die Befehle befolgt, hätten aber durchblicken lassen, daß sie es großenteils25 nur mit Widerwillen täten. Nordrhein-Westfalen habe dieses Mal eine klar unterstützende Haltung eingenommen, Württemberg-Baden sei durch Köhler26 vertreten gewesen, mit Stock sei auch Hilpert erschienen.27 Bei der Schlußerklärung sei Hessen zweimal vertreten gewesen, einmal durch Stock bei der SPD-Vertretung, das andere Mal durch Hilpert bei unserer Erklärung. Der englische Vertreter habe in seiner einleitenden Rede absolut versucht, die ganze Sache zu bagatellisieren. Es handle sich nur um vorläufige Dinge, die keine Folgen hätten. Dies habe er vor allem zur Erklärung des starken Drängens gebracht. Dr. Ehard habe dieses Drängen als sehr unbillig hingestellt, da die Entwicklung doch dazu führen werde, daß es sich um sehr entscheidende Dinge handle. Die SPD-Ministerpräsidenten hätten sich nicht mehr zu einer einheitlichen Stellungnahme zusammenfinden können. Sie seien innerlich aber sehr widerstrebend gewesen und hätten im Rahmen ihrer Möglichkeiten jedes Entgegenkommen bewiesen. Anders sei das Bild beim Wirtschaftsrat. Hier habe man sehr düstere Erfahrungen gemacht. Er erkläre in aller Form, daß er als Politiker in schärfste Opposition übergehe. Der Vizepräsident, welcher der SPD angehöre,28 nehme nicht nur mit Widerwillen, sondern mit vollster Überzeugung Weisungen von Hannover entgegen. Köhler von der CDU29 nehme diese auf und polemisiere gegen unseren Ministerpräsidenten. Die Fraktion der CDU-CSU sei bereit gewesen, auch bei der Frage der Finanzhoheit umzufallen, wenn Hilpert nicht im letzten Moment eingegriffen hätte. Die CDU hätte sich zum Wortführer des Zentralismus gemacht. Wenn man Köhler nicht als Vorsitzenden des Wirtschaftsrats absetze, gebe das Wasser auf die Mühlen der Bayernpartei und zwar einen riesigen Strom.

Landtagspräsident Dr. Horlacher führt aus, er schlage vor, daß man heute Nachmittag im Länderratsausschuß Beschluß fasse und zwar, daß man sich der Stellung des Bayerischen Ministerpräsidenten anschließe.30 Der Kampf gegen Köhler müsse mit aller Schärfe eröffnet werden. Er denke auch daran, daß ein Teil unserer Vertreter in Frankfurt ausgewechselt werden müsse. Es müßten unbedingt Leute dorthin, die auch von staatsrechtlichen und hochpolitischen Dingen etwas verstünden.31 Im allgemeinen habe sich ein sehr düsteres Bild ergeben. Der Hauptgrund liege bei Frankfurt, insbesondere bei Köhler. Bei der Neuwahl unserer Vertreter müsse man folgenden Standpunkt einnehmen: Wenn wir von den Besatzungsmächten nicht in unseren Lebensgrundlagen abhängig wären und zwar rohstoff- und ernährungsmäßig, würde er sagen, daß wir unsere Vertreter aus Frankfurt zurückziehen sollten. Das könnten wir aber nicht. Wir seien hier in einer Zwangslage und unterlägen einem Diktat der Besatzungsmächte.

Staatsminister Dr. Pfeiffer bemerkt noch, die drei Tage seien außerordentlich anstrengend gewesen. Aber auch jene Leute, die vom schwärzesten Tag des Föderalismus gesprochen hätten,32 hätten ihre Bewunderung dafür aussprechen müssen, wie der Ministerpräsident die bayerischen Interessen wieder vertreten habe.

Staatssekretär Dr. Schwalber erklärt, bei der Wahl für die zusätzlichen Vertreter in Frankfurt dürfe man nicht wieder von berufsständischen oder regionalen Grundsätzen ausgehen.

Staatsminister Dr. Kraus fügt hinzu, man müsse auch einmal einen tüchtigen Finanzpolitiker, der von Steuer- und Haushaltswesen etwas verstehe, dorthin schicken.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt noch, die Geschichte mit Semler33 könne sehr unangenehme Folgen haben.34 Bei der Wahl des Oberdirektors, den die Amerikaner sich aussuchten, sei in erster Linie an Hilpert gedacht. Dieser stehe heute auf dem Standpunkt, daß er nicht daran denke, diesen Posten zu übernehmen. Die Frage der Person des zukünftigen Oberdirektors könne über die künftige Struktur Deutschlands entscheiden. Es gebe nicht sehr viele Leute, die für diesen Posten in Frage kämen.35

Staatssekretär Dr. Lacherbauer regt an, sich über die Frage, welche Leute nach Frankfurt geschickt werden sollten, auch im Kabinett zu unterhalten und hier Vorschläge zu machen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, dies könne im nächsten Ministerrat geschehen, der für Freitag Nachmittag vorgesehen sei. In der nächsten Woche müsse man überdies einen ausgiebigen Ministerrat halten, da sehr viel Material vorliege.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär
des Ministerrats
gez.: Claus Leusser
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister