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Nr. 34MinisterratssitzungFreitag, 18. Juni 1948 Beginn: 9 Uhr 20 Ende: 13 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Finanzminister Dr. Kraus, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Krehle, Sonderminister Dr. Hagenauer, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Staatskanzlei), Staatssekretär Franz Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium).

Entschuldigt:

Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium).1

Tagesordnung:

I. Währungsreform. II. Beurlaubung von zu Landräten und Bürgermeistern gewählten Beamten. III. Gesetz zur Regelung des Jahresurlaubs der Arbeitnehmer. IV. Landeswahlgesetz. V. Aufruf der Staatsregierung zur Währungsreform. VI. Selbstkontrolle des Films. VII. Gesetz gegen Arbeitsverweigerung und Arbeitsscheu. VIII. Ausführungsverordnung zum Gesetz zur Überführung der bei der politischen Befreiung tätigen Personen in andere Beschäftigungen. IX. Ermächtigungsgesetz für die Währungsreform.

I. Währungsreform

Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die Sitzung und teilt zunächst mit, daß der Startschuß für die Währungsreform noch nicht gegeben sei. Mit einer endgültigen Entscheidung sei aber für heute zu rechnen. Schon im letzten Ministerrat habe man über das Problem gesprochen, was geschehen sollte, wenn Leute kämen, die nicht einmal die 60 RM für das Kopfgeld hätten. Er habe vorgeschlagen, daß unter allen Umständen Vorsorge getroffen werden müsse, daß jeder am Sonntag die 40 Mark Kopfgeld bekomme, auch wenn er kein Geld habe. Bei der Durchführung dieses vom Ministerrat gebilligten Vorschlags sei man aber auf die größten Schwierigkeiten gestoßen. Er sei jedoch der Meinung, daß man es unter allen Umständen machen müsse.2

Staatssekretär Dr. Müller bemerkt hiezu, er habe für diesen Zweck bei den Kassen draußen größere Beträge bereitstellen lassen.

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, auf jeden Fall werde diese Maßnahme durchgeführt. Widerstand, der von der Bankenseite, insbesondere von der Länderunionsbank gekommen sei,3 sei bei uns überwunden worden. In Wirklichkeit sei das Geld nur in einer etwas anderen Form der Wohlfahrtspflege gegeben worden. Daß es in dieser Form nicht über den Etat gelaufen sei, dafür übernehme er die Verantwortung. Im ganzen mache es vielleicht 3 Millionen RM aus. Das einzige Risiko bestehe vielleicht darin, daß einige Leute, die nicht Wohlfahrtsempfänger seien, auch einen Vorschuß bekämen. Man werde die 40 RM geben unter der Voraussetzung, daß der Empfänger auf die nachfolgenden 20 DM verzichte. Im großen und ganzen könne man doch damit rechnen, daß jeder seine 60 Mark aufbringe. Technische Schwierigkeiten seien auch überwunden. Nun müsse man aber auch einen Aufruf der Staatsregierung zur Währungsreform vorbereiten.4 Darüber hinaus müsse er und auch der Finanzminister im Rundfunk eine Rede halten.5 Zweckmäßigerweise warte man damit, bis man das Währungsgesetz kenne. Für den Aufruf der Staatsregierung sei schon ein Entwurf vorbereitet. Er bitte Staatsminister Dr. Pfeiffer, ihn zu verlesen.

Staatsminister Dr. Pfeiffer verliest den Entwurf und schlägt vor, ihn, während der Ministerrat weitertage, vervielfältigen zu lassen, damit im einzelnen dazu Stellung genommen werden könne.

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.6

Staatsminister Dr. Seidel weist darauf hin, daß im Volke große Beunruhigung herrsche durch das Gerücht, daß die DP's eine höhere Quote bekämen.7

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet dies als unrichtig. Die DP's bekämen die gleiche Quote. Der Umstand jedoch, daß sie das Geld nicht durch deutsche, sondern durch amerikanische Stellen bekämen, könne Anlaß zu falschen Deutungen geben.

II. Beurlaubung von zu Landräten und Bürgermeistern gewählten Beamten

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, eine Reihe von Beamten sei zu Landräten oder Bürgermeistern gewählt worden. Diese hätten nun um die Erlaubnis zur Übernahme dieses Amtes und gleichzeitig um Beurlaubung für die Dauer dieses Amtes nachgesucht. Es müsse nun grundsätzlich geklärt werden, ob man dieser Bitte nachkommen könne.

Staatsminister Dr. Kraus erwidert, nach reiflicher Überlegung müsse er sagen, daß man sich hier negativ verhalten solle. Die innere Verwaltung habe zwar ein Interesse daran, möglichst Berufsbeamte als Landräte zu bekommen. Man könne aber nicht für 4 Jahre eine Rückversicherung geben. Im übrigen müsse man anstreben, das System der Wahl der Landräte zu korrigieren.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, wenn es sich um Einzelfälle handle, ließe sich wohl darüber reden. Bei einer Mehrzahl von Fällen sei es dagegen unmöglich.

Staatsminister Dr. Hundhammer hält die Zahl für nicht zu hoch, insgesamt etwa 30 oder 40. Man habe doch ein Interesse daran, vernünftige Juristen in diese Positionen zu bringen. Deshalb sei er schon dafür, diese Maßnahmen zu unterstützen. Im übrigen halte er es schon für möglich, daß man Unterschiede mache.

Staatsminister Dr. Hagenauer wirft die Frage der Wahl von früheren PG’s auf.8 Anfangs der Woche habe er mit Staatssekretär Dr. Schwalber vereinbart, daß er bereit sei, diese durch den Generalkläger nachprüfen zu lassen. Er habe aber Staatssekretär Dr. Schwalber gebeten, ihm eine geeignete Kraft zur Verfügung zu stellen. Dafür sei nun Ministerialrat Schimmel9 vorgeschlagen worden. Eine solche Nachprüfung habe sicher in einer Vielzahl der Fälle zur Folge, daß der Nachzuprüfende auf den Posten verzichte.10

Staatsminister Dr. Ankermüller hält das System der Wahl der Landräte nicht für falsch, sondern nur für neu. An dem Wahlgesetz sei falsch, daß das an sich vorgesehene Bestätigungsrecht sowohl von den Amerikanern, als vom Landtagsausschuß abgelehnt worden sei, weil es einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht bedeute. Es gebe nun nur zwei Möglichkeiten: Entweder müsse man ein Nachtragsgesetz machen, das diese Bestätigungspflicht anordne; richtiger sei aber wohl der andere Weg, daß über den Kassationshof die Spruchkammerentscheidungen nachgeprüft würden. Für diesen Fall glaube auch er, daß manche der Gewählten freiwillig zurücktreten würden. Im übrigen bitte er bei der Freistellung von Beamten für solche Posten entgegenzukommen. Man brauche doch auch Leute, die nicht von der Parteien Gunst abhingen und die Möglichkeit hätten, in ihre Stellung zurückzukehren. Wenn man von der Seite des Staates nicht entgegenkomme, könne man auch nicht von Privaten verlangen, daß sie sich für eine bestimmte Zeit für ein solches Amt zur Verfügung stellen. Er glaube, daß es sich nur um 25–30 Fälle handle.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, man müsse zwei Dinge unterscheiden. Einmal die Frage der Nachprüfung der Gewählten. Diese sei schon in die Wege geleitet; man brauche sich mit ihr nicht mehr zu beschäftigen. Die andere Frage sei die, ob man die gewählten Beamten beurlaube oder ihnen einen Rücktrittsvorbehalt bewilligen könne.

Staatsminister Dr. Kraus weist darauf hin, man müsse diese beiden Möglichkeiten unterscheiden. Wenn man die Beamten beurlaube, dann behielten sie ihre vollen Rechte z.B. auf Vorrückungen, Versorgungsansprüche; sie könnten sogar befördert werden während dieser Zeit. Man könne sie aber auch entlassen und ihnen das Recht des Rücktritts geben. Das letztere sei für den Staat weniger gefährlich. Gegen die Beurlaubung habe er starke Bedenken. Man könne höchstens daran denken, die Beamten auf ein Jahr zu beurlauben, aber nicht für 4 Jahre.

Ministerpräsident Dr. Ehard hat ebenfalls Bedenken gegen eine Beurlaubung in infinitum. Es ergebe sich die Frage, ob die gewählten Landräte in irgendeiner Form gesichert seien.

Staatsminister Dr. Ankermüller erwidert, es sei ein Versorgungsgesetz in Vorbereitung. Augenblicklich bestehe noch keine Sicherung.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält vor allem eine individuelle Prüfung jedes Falles für notwendig.

Staatssekretär Dr. Lacherhauer erklärt, bei Beurlaubung bestünden für die Justiz große Schwierigkeiten, weil die Stelle nicht besetzt werden könne. Er schlage Entlassung mit Rücktrittsvorbehalt vor.

Staatsminister Dr. Kraus erklärt sich mit der Bewilligung des Rücktrittsrechts auf die Dauer von 4 Jahren einverstanden. Insoweit gehe er von seinem früheren Standpunkt ab.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt das allgemeine Einverständnis hiezu fest. Der Entwurf des Versorgungsgesetzes müsse aber beschleunigt behandelt werden.

III. Gesetz zur Regelung des Jahresurlaubs der Arbeitnehmer

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt an, ob die Schwierigkeiten wegen der Behördenangestellten und Arbeiter zwischen dem Finanzministerium und dem Arbeitsministerium ausgeglichen seien.11

Staatsminister Krehle führt aus, er stehe grundsätzlich auf dem Standpunkt, daß das Arbeitsministerium auch für die Arbeiter und Angestellten der öffentlichen Verwaltung zuständig sei. Dem Finanzministerium bleibe unbestritten die Regelung des Urlaubs für Beamte und Beamtenanwärter. Das Finanzministerium sei auch soweit interessiert, als der Staat als Arbeitgeber in Betracht komme. Man könne ihm aber nicht die Vertretung der sozialpolitischen Funktionen übertragen. Dies widerspreche der früheren Praxis im Reich und der jetzigen in den anderen Ländern. Wenn vom Finanzministerium bestritten worden sei, daß ihm eine Möglichkeit gegeben worden sei zu verhandeln, so stelle er hiezu fest, daß der Entwurf mit Ministerialrat Hundemer12 durchbesprochen worden sei. Wenn Hundemer seinem Minister nicht berichtet habe, so habe er das nicht zu verantworten. Er habe den Entwurf außerdem am 22. März allen Ministerien zugeleitet. Das Finanzministerium habe keine Erinnerungen erhoben. Die Vorschläge der anderen Ministerien seien berücksichtigt worden. Auf Grund dessen habe er annehmen können, daß das Finanzministerium mit dem Entwurf einverstanden sei. Er müsse verlangen, daß das Gesetz heute unter allen Umständen verabschiedet werde. Er weise auch darauf hin, daß ein Antrag des Landtags vom Oktober 1947 vorliege.13 Bemerken wolle er noch, daß über diesen Entwurf auf Länderratsbasis verhandelt worden sei. Den Ländern sei es aber freigestellt worden, das Gesetz selbst zu erlassen. In Württemberg-Baden sei das Gesetz schon durch. Dort seien in ihm auch die Beamten und Beamtenanwärter erfaßt. Das Gleiche gelte für Hessen. Er lege keinen Wert darauf, auch den Urlaub der Beamten und Beamtenanwärter zu regeln. Er müsse aber verlangen, daß die sozialen Belange der Arbeiter und Angestellten auch der öffentlichen Verwaltung vom Arbeitsministerium federführend behandelt würden. Zum materiellen Inhalt des Gesetzes sei sonst wenig zu sagen. Er habe im letzten Ministerrat beantragt, den Mindesturlaub der Jugendlichen auf 24 anstatt auf 18 Tage festzusetzen.14 Wenn dieser vom Ministerrat nicht bewilligt würde,15 müsse man damit rechnen, daß der Antrag im Landtag gestellt werde. Jedenfalls müsse man dann aber dafür sorgen, daß er von der eigenen Partei komme. Grundsätzlich bitte er, daß Übereinstimmung darüber erzielt werde, daß für die Frage der Löhne, der Arbeitszeit und der Arbeitsbedingungen auch für die öffentlichen Angestellten das Arbeitsministerium zuständig sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, das Finanzministerium sei bei den Behördenangestellten natürlich sehr erheblich beteiligt als Arbeitgeber. Es müsse hier ein Mitspracherecht haben. Im übrigen scheine ihm die vom Arbeitsminister vorgeschlagene Regelung richtig; wenn man einen Unterschied zwischen Beamten und Angestellten und Arbeitern mache, dann könnte man die Angestellten und Arbeiter nicht noch einmal teilen. Daß eine Abstimmung zwischen Arbeits- und Finanzministerium erfolgen müsse, sei selbstverständlich.

Staatsminister Krehle weist darauf hin, daß nach Art. 174 der Verfassung jeder Angestellte und Arbeiter ein Recht auf Urlaub habe. Die Angestellten und Arbeiter seien auch in der Sozialversicherung. Praktisch komme dazu, daß das Finanzministerium durch das Gesetz gar nicht berührt werde, weil der in den Tarifordnungen festgesetzte Mindesturlaub höher sei als im Gesetz.

Staatsminister Dr. Kraus möchte die Frage nicht so sehr vom finanzpolitischen als vom beamtenpolitischen Standpunkt aus betrachten. In diesem Zusammenhang sei der Hinweis sehr interessant, daß in Württemberg-Baden und Hessen der Urlaub der Beamten und Beamtenanwärter vom Arbeitsministerium geregelt werde. Die Beamten, Angestellten und Arbeiter des Staates arbeiteten doch nebeneinander; es bestehe dadurch eine Verzahnung.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, bei Tarifordnungen sei das Finanzministerium als Arbeitgeber Vertragspartner. Die allgemeine Urlaubsregelung sei aber eine ganz generelle Frage. Für diese Frage müsse das Arbeitsministerium federführend sein. Wenn das Finanzministerium für die Behördenangestellten eine besondere Regelung in Anspruch nehme, bedeute dies, daß diese Gruppe noch einmal unterteilt werde. Dies halte er praktisch nicht für möglich.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller schließt sich dieser Meinung an.

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt, ob man diesen Zuständigkeitsstreit nicht beenden könne. Das Arbeitsministerium müsse federführend sein. Selbstverständlich müsse das Finanzministerium bei den staatlichen Betrieben beteiligt werden.

Staatsminister Dr. Kraus kann sich nicht einverstanden erklären, da ihm Zuständigkeiten genommen würden.

Ministerpräsident Dr. Ehard verneint dies. Das Gesetz bringe nur einen Rahmen, der für alle gelte. Der Staat könne für seine Angestellten im Rahmen des Gesetzes durch die Tarifverträge Sonderregelungen treffen. Er glaube, daß man diese Vorlage an den Landtag machen könne. Bezüglich der Erhöhung des Mindesturlaubs der Jugendlichen auf 24 Tage frage er, ob ein besonderes Interesse daran bestehe, die 24 Tage auf 18 Tage zurückzuschrauben.

Es herrscht allgemeines Einverständnis mit der Erweiterung auf 24 Tage.

Staatsminister Dr. Seidel ist mit dem Entwurf grundsätzlich einverstanden, glaubt aber, daß im Zusammenhang mit diesem Gesetz die Feiertagsfrage geregelt werden müsse.16 In Bayern habe man mehr bezahlte Feiertage als in anderen Ländern. Dadurch werde die Wirtschaft zusätzlich belastet. Diese zusätzliche Belastung sei nicht mehr erträglich.

Staatsminister Krehle geht hiemit einig. Er glaube nicht, daß 13 Feiertage aufrecht erhalten werden könnten. Man müsse sich gegenseitig abstimmen, daß nur noch 9 bezahlte Feiertage bestehen blieben.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, daß man diese Frage mit dem Entwurf jetzt nicht verknüpfen könne.

Staatsminister Krehle hält eine baldige Regelung für erforderlich.

Staatsminister Dr. Ankermüller bemerkt, daß schon Verhandlungen im Gange seien.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht das Innenministerium im Benehmen mit dem Kultusministerium, Arbeits- und Wirtschaftsministerium, die Feiertagsfrage unter dem Gesichtspunkt der Bezahlung zu betrachten.

Das wird von Staatsminister Dr. Ankermüller zugesichert.17

Staatsminister Dr. Seidel erhebt noch Einwände gegen die Hereinnahme der Heimarbeiter in Art. 1 Absatz 3.18 Diese Frage habe schon früher eine Rolle gespielt. Bei der Durchsetzung dieses Anspruchs hätten schon immer Schwierigkeiten bestanden.

Staatsminister Krehle erwidert, die Heimarbeiter hätten schon nach ihren Tarifverträgen Urlaubsansprüche. Im alten Heimarbeitergesetz19 seien Bestimmungen, die weit über Art. 1 Abs. 3 hinausgingen. Über ein neues Heimarbeitergesetz schwebten z.Zt. Verhandlungen.20 Er kenne die Schwierigkeiten. Er bitte trotzdem darum, daß die Heimarbeiter in das Gesetz aufgenommen würden.

Staatsminister Dr. Seidel stellt keinen ausdrücklichen Abänderungsantrag. Er habe nur auf die Bedenken aufmerksam machen wollen. Weiter müsse er Bedenken gegen Art. 6 Abs. 2 erheben.21 Man müsse sich darüber im klaren sein, daß Satz 2 lediglich deklaratorische Bedeutung habe.

Staatsminister Krehle bemerkt hiezu, Art. 174 der Verfassung bestimme, daß der Urlaub zur Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit benützt werden solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet dies als richtig. Der Grundsatz und die praktischen Ergebnisse seien aber zwei verschiedene Dinge. Welche Konsequenzen ergäben sich, falls diese Bestimmung verletzt werde?

Staatsminister Dr. Hundhammer bittet darum, diese Bestimmung zu belassen aus den Erfahrungen, die er gemacht habe. Die Bühnen-Angehörigen verlangten Urlaubsverlängerung, weil sie sonst nicht arbeitsfähig seien. Gleichzeitig wollten sie aber die Erlaubnis für Gastspiele während des Urlaubs.

Staatsminister Dr. Seidel stellt daraufhin seine Bedenken zurück.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend fest, daß der Gesetzentwurf in der vorgelegten Fassung unter Erhöhung des Mindesturlaubs der Jugendlichen auf 24 Tage dem Landtag vorgelegt werden soll.22

IV. Landeswahlgesetz23

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, daß das Landeswahlgesetz heute verabschiedet werden müsse.

Staatsminister Dr. Ankermüller beantragt folgende Änderungen:

Art 1 Abs. 224

Stimmberechtigt sind auch die Angehörigen ehemaliger deutscher Minderheiten.25

Absatz 2 Nr. 2

könne ganz entfallen, da hier das Gesetz Nr. 108 vom 27. März 1948 einschlägig sei.26

Art. 2 Abs. 2 Nr. 227

Personen, die durch rechtskräftige Entscheidung einer Spruchkammer als Hauptschuldige oder Belastete eingereiht worden sind, sowie Minderbelastete, denen durch rechtskräftige Spruchkammerentscheidung das Wahlrecht aberkannt worden ist.

Art. 6 Abs 228

Stimmberechtigte Beamte, Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst, die ihren Wohnsitz aus beruflichen Gründen aus Bayern in einen Ort nahe der Landesgrenze verlegen mußten sowie die stimmberechtigten Angehörigen ihres Hausstandes sind auf Antrag in das Wählerverzeichnis einer benachbarten bayerischen Gemeinde einzutragen.

Art. 9 Abs. 429

Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte über die Entscheidung der Rechte der Stimmberechtigten wird dadurch nicht berührt. Die Beschwerde zur Aufsichtsbehörde tritt an die Stelle des Einspruchs im Sinne des § 38 des Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 25. September 1946. Anfechtungsgegner ist der Staat. Der Anfechtungsklage kommt keine aufschiebende Wirkung zu.30

Art. 13a

Gegen die Versagung eines Wahlscheins ist Beschwerde an die Staatsaufsichtsbehörde zulässig, die endgültig entscheidet, Art. 9 Abs. 4 gilt entsprechend.31

Art. 15a

Räumliche Gliederung.32

Abs. 1

Jeder Kreis (Regierungsbezirk) bildet einen Wahlkreis (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung).33

Abs. 2

Jeder Bezirk (Landkreis) und jede kreisunmittelbare Stadt (Stadtkreis), in größeren Städten jeder Stadtbezirk mit durchschnittlich 60 000 Einwohnern bildet einen Stimmkreis (Art. 14 Abs. 1 Satz 3 der Verfassung).34 Die sich hiernach ergebenden Stimmkreiseinteilungen sind aus der Anlage zu ersehen.35

Abs. 3

Für die Stimmabgabe teilen die Bezirksverwaltungsbehörden ihre Verwaltungsbezirke in Stimmbezirke ein (Art. 19).

Art. 1936

Abs. 1

Die Stimmbezirke sollen möglichst mit den Gemeindebezirken zusammenfallen. Kleine Gemeinden oder Teile von Gemeinden können mit benachbarten Gemeinden oder Gemeindeteilen zu einem Stimmbezirk vereinigt werden.

Abs. 2

Gemeinden mit mehr als 2500 Einwohnern sind in Stimmbezirke einzuteilen. Kein Stimmbezirk soll mehr als 2500 Stimmberechtigte umfassen.

Art. 23 Abs. 237

Sie dauern von 8 Uhr bis 18 Uhr. Die Kreiswahlleiter können für die einzelnen Gemeinden oder Landkreise aus besonderen Gründen die Abstimmungszeit ausdehnen, jedoch nicht über 21 Uhr hinaus.38

Art. 27 Abs. 139

Der Wahlvorstand entscheidet über alle bei der Abstimmung sich ergebenden Anstände endgültig. Art. 9 Abs. 4 gilt entsprechend.40

Abs. 2

Er entscheidet auch endgültig über die Gültigkeit der Stimmen.

Art. 3641

soll entfallen.

Die Abänderungsvorschläge werden einstimmig angenommen.

Art. 39 Absatz 442

Der letzte Satz dieses Absatzes soll gestrichen werden.43 An die Stelle des gestrichenen letzten Satzes dieses Absatzes sollen folgende Sätze treten: Die Delegiertenversammlung des Wahlkreises kann Bewerber für den Wahlkreis unmittelbar benennen (Wahlkreisbewerber). Ihre Zahl darf unter Aufrundung von Bruchzahlen 10 v.H. der für den Kreiswahlvorschlag zugelassenen Zahl von Stimmkreisbewerbern nicht übersteigen. Als Wahlkreisbewerber kann auch gewählt werden, wer bereits als Stimmkreisbewerber aufgestellt worden ist. Für die Wahl dieser Bewerber finden die Bestimmungen des Abs. 3 entsprechende Anwendung, ebenso gelten für die Fertigung von Niederschriften dieser Versammlungen die Vorschriften des Abs. 3 entsprechend.

Staatsminister Dr. Ankermüller bezeichnet es als strittig, ob Stimmkreisbewerber auch als Wahlkreisbewerber auftreten könnten, wie es hier vorgeschlagen sei. Man könne auch festlegen, daß die Stimmkreisbewerber nicht Wahlkreisbewerber sein könnten.

Staatsminister Dr. Pfeiffer meldet die allergrößten Bedenken gegen die Aufstellung von Wahlkreisbewerbern überhaupt an. Er könne diesem Vorschlag nicht zustimmen.

Staatsminister Dr. Ankermüller erklärt auch, er habe diese Bedenken gehabt. Darum habe man die Zahl der Wahlkreisbewerber in der vorgeschlagenen Weise beschränkt.44

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, es müßten aber auf jeden Fall Flüchtlinge als Kandidaten untergebracht werden und zwar auf aussichtsreichen Stellen.45 Es bestehe andererseits die Gefahr, daß nach Gruppen oder Berufen gewählt werde.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller meint, man müsse schon einen positiven Ausweg suchen. Schon die Begrenzung der Zahl halte er nicht für ganz richtig.

Staatssekretär Sühler hat ebenfalls Bedenken. Bei dieser Regelung gerieten die Stimmkreisbewerber zweifellos ins Hintertreffen. Außerdem führe der Vorschlag schon zu einem Kampf innerhalb der einzelnen Parteien.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, man müsse die dafür- und dagegensprechenden Gründe abwägen. Er glaube, daß die überwiegende Meinung dahin gehe, daß man es nicht bei einer negativen Auswahl belassen solle, sondern dem Wähler eine zusätzliche Auswahlmöglichkeit geben, diese aber zahlenmäßig begrenzen solle. Es handle sich hier um eine Willensentscheidung. Die Gründe für und gegen seien erörtert. Er sei der Meinung, daß man den Vorschlag des Innenministers als einen mäßigen und angemessenen Vorschlag übernehmen solle.46

Staatssekretär Dr. Lacherbauer meint, die Wahlkreiskandidaten als Interessengruppenvertreter würden wohl von den Interessenten gewählt werden.

Staatsminister Dr. Hundhammer hat ebenfalls Bedenken und erläutert diese anhand von Beispielen. Er wolle sich nicht grundsätzlich gegen den Vorschlag wenden, halte es aber für notwendig, die Zahl der Wahlkreisbewerber noch herabzusetzen.

Der Abänderungsvorschlag wird gegen 4 Stimmen angenommen.47

Staatsminister Dr. Ankermüller wirft die Frage auf, ob nunmehr Art. 44 Abs. 348 gestrichen werden solle.

Staatsminister Dr. Hundhammer schlägt vor, ihn zu belassen.

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.49

Staatsminister Dr. Ankermüller kommt noch einmal auf Art. 39 Abs. 4 zurück und schlägt vor, daß Stimmkreisbewerber nicht Wahlkreisbewerber sein können.

Staatsminister Dr. Hundhammer und Stv. Ministerpräsident Dr. Müllermeinen, man solle in dieser Hinsicht kein Verbot in den Entwurf aufnehmen.

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.

Staatsminister Dr. Ankermüller fährt mit den Abänderungsvorschlägen fort:

Art. 39 Abs. 6 Nr. 350

Jeder Kreiswahlvorschlag darf höchstens so viele Bewerber enthalten, als im Wahlkreis Stimmkreise vorhanden sind und Wahlkreisbewerber aufgestellt werden dürfen.

Staatsminister Dr. Pfeiffer fragt, ob bei den Bruchzahlen, welche für die Zahl der Kreiswahlbewerber entscheidend sind, immer aufgerundet oder bei 0,5% abgerundet werden solle.

Staatsminister Dr. Ankermüller spricht sich für die Aufrundung aus.

Art. 44 Abs. 151

Jeder Wähler kann seine Stimme nur für einen der Bewerber abgeben:

1. die in einem der von dem Kreiswahlleiter öffentlich bekanntgemachten Kreiswahlvorschläge für den Stimmkreis als Bewerber aufgeführt sind,

oder

2. die in einem Kreiswahlvorschlag als Wahlkreisbewerber benannt sind.52

Art. 47 Abs. 1 Nr. 253

... wie viele gültige Stimmen für jeden der im Stimmkreis zur Wahl stehenden Bewerber...54

Art. 48 Abs. 155

Innerhalb der Kreiswahlvorschläge werden die nach Art. 47 festgestellten Sitze an die einzelnen Bewerber nach der Stimmenzahl verteilt, die auf jeden Bewerber entfallen ist, der

1. als Stimmkreisbewerber innerhalb der Stimmkreise, für die er im Wahlkreis aufgestellt worden ist,

2. als Wahlkreisbewerber innerhalb des ganzen Wahlkreises.

Staatsminister Dr. Hundhammer hält es für richtig, daß ein Kandidat nicht nach der Zahl der auf ihn entfallenen Stimmen, sondern nach der Prozentzahl der Stimmen, die er in seinem Stimmkreis erhalten hat, gewählt sein solle.

Staatsminister Dr. Seidel kommt noch einmal zurück auf die Bestimmung, daß Stimmkreiskandidaten als Wahlkreiskandidaten auftreten können. Er glaube, wenn man das zulasse, werde die Absicht, die mit der Ergänzung verfolgt werde, nicht erreicht. Dann werde nämlich kein Flüchtling aufgestellt, sondern nur ein Prominenter, der durchgebracht werden solle.

Staatsminister Dr. Pfeiffer erklärt, diese Sache habe man schon in den verschiedensten Formen gehabt, bei den Landesmandaten und bei den Listen nach dem Reichswahlrecht. Das Problem gehe darauf hinaus, wohin man innerhalb der Partei den Kampf lege. Man könne es nur meistern, wenn man auch ein Wahlstatut der Parteien schaffe.

Staatssekretär Sühler meint, die Landesmandate entsprächen nicht der Verfassung, ebenso nicht eine Landesliste.

Staatsminister Dr. Hundhammer schlägt vor, den Entwurf so laufen zu lassen.56

Staatsminister Dr. Ankermüller fährt in seinen Ergänzungsanträgen fort:

Art. 55 Abs. 157

Die Wahlprüfung obliegt dem Landtag.

Abs. 2 Nr. 458

Die vertretungsberechtigte Vorstandschaft einer Landespartei, die auf Grund der 10%-Klausel des Art. 14 Abs. 4 der Verfassung im Landtag nicht vertreten ist.59

Art. 61 Abs. 360

Über den Verlust der Mitgliedschaft beschließt der Landtag. Gegen den Landtagsbeschluß kann der Abgeordnete und der Landtag selbst die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs begehren. Die gleiche Befugnis steht auch einer Minderheit des Landtags zu, die wenigstens 1/3 der gesetzlichen Mitgliederzahl umfaßt (§ 42 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof vom 3. Juli 1947).61

Art. 67 Abs. 162

Wird dem Zulassungsantrag stattgegeben, so macht das Staatsministerium des Innern das Volksbegehren in der gesetzlich vorgeschriebenen Form öffentlich bekannt und setzt Beginn und Ende der Frist fest, während deren die Eintragungen für das Volksbegehren vorgenommen werden können.63

Zu Art 6564

bemerkt Staatsminister Dr. Ankermüller, die dort vorgesehenen Zahlen seien in der letzten Ministerratssitzung65 als zu niedrig bezeichnet worden. Im früheren Landeswahlgesetz sei ein Unterstützungserfordernis von 1000 bzw. 10 000 Personen vorgesehen gewesen.66 Man habe dies jetzt auf eine Zahl erhöht, wie sie früher für das ganze Reich maßgebend gewesen sei.67 Er selbst sei für eine weitere Erhöhung, seine Referenten hätten sich aber dagegen ausgesprochen.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, eine weitere Erhöhung sei wohl schwer durchzusetzen.68

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller glaubt, daß man von einer Erhöhung absehen könne, wenn man eine Vorschußzahlung verlangen könne.

Staatsminister Krehle hat Bedenken, daß eine Vereinigung einen Zulassungsantrag stellen könnte. Nach seiner Meinung sollten hiezu nur Parteien berechtigt sein.

Staatsminister Dr. Hundhammer schließt sich dieser Auffassung an, ebenso Ministerpräsident Dr. Ehard.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer hält Art. 65 Abs. 269 überhaupt nicht für notwendig.

Staatssekretär Sühler meint, dann müsse auch Absatz 3 gestrichen werden.70 Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, dies sei nicht notwendig. Man könne den Eingang von Absatz 3 dann so fassen: „Mitglieder von Wählergruppen“.71

Staatssekretär Dr. Lacherbauer führt aus, nach Art. 7472 der Verfassung könne nur 1/10 der Stimmberechtigten ein Volksbegehren stellen. Wenn man für den Antrag zum Ingangsetzen eines Volksbegehrens die Unterschrift von nur 5000 Stimmberechtigten verlange, sei man von der Verfassung weit entfernt. Wenn die Verfassung das Erfordernis von 1/10 aufstelle, könne nicht der Startschuß von l% der Stimmberechtigten gegeben werden. Er sei schon der Auffassung, daß hiezu wieder mindestens 10% derjenigen erforderlich seien, die ein Volksbegehren tragen könnten, das seien 50000 Stimmberechtigte.

Staatsminister Dr. Seidel hält dies für zwingend und schließt sich dem Vorschlag an.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß nach allgemeiner Meinung der staatliche Apparat des Volksbegehrens erst dann zur Verfügung gestellt werden könne, wenn 1/10 des für ein Volksbegehren erforderlichen 1/10 der Stimmberechtigten = 1 % der Stimmberechtigten, diesen Antrag stellt.

Die Zahl in Art. 65 Abs. 1 solle auf 50 000 erhöht werden,73 es sei aber wichtig, diesen Gedankengang in die Begründung hereinzunehmen.74

Staatsminister Dr. Ankermüller bemerkt zu Art. 77,75 daß in der letzten Ministerratssitzung eine Vorschußleistung angeregt worden sei.76 Diese halte er nicht für erforderlich, da die Antragsteller für die Herstellung und Besorgung der Eintragungslisten zu sorgen hätten. Wenn die Listen nicht geliefert würden, komme das Volksbegehren überhaupt nicht in Gang.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer erwidert, die Materialkosten spielten keine Rolle. Die größeren Kosten seien die Personalkosten. Von der Besatzungsmacht werde aber wahrscheinlich eingewendet werden, daß man die staatsbürgerlichen Rechte von der Zahlung der Gebühren abhängig mache. Dem könne man entgegenhalten, daß man von den Kandidaten für das englische Parlament einen Vorschuß von 150 Pfund verlange.

Staatsminister Dr. Ankermüller fragt, wie die Berechnung dieser personellen Kosten vorgenommen werden solle.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer bezeichnet dies als sehr schwierig. Ministerpräsident Dr. Ehard vertritt die Ansicht, wenn man das Eintragungserfordernis von 50 000 Stimmberechtigten heraufsetze, brauche man die Erlegung eines Kostenvorschusses nicht vorzuschreiben, der überdies nur Angriffe im Gefolge habe.

Es wird beschlossen, keine Bestimmung über einen Kostenvorschuß einzusetzen.77

Staatsminister Dr. Ankermüller schlägt folgende Neufassung des Art. 8478 vor: Zur Annahme eines Gesetzes im Wege des Volksentscheids ist erforderlich:

1. ...

2. Bei verfassungsändernden Gesetzen die Beteiligung von mehr als der Hälfte der Stimmberechtigten und die Zustimmung der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, die jedoch mehr als 2/5 der Stimmberechtigten betragen muß.

Art. 9079

soll folgendermaßen lauten:

Zur Abberufung des Landtags durch Volksentscheid ist erforderlich die Beteiligung von mehr als der Hälfte der Stimmberechtigten und die Zustimmung der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, die jedoch mehr als 2/5 der Stimmberechtigten betragen muß.

Hierauf kommt Staatsminister Dr. Ankermüller noch einmal auf Art. 3780 zurück: Hier seien noch einmal Bedenken von seinen Referenten vorgebracht worden, die er aber nicht teile. Es sei von diesen vorgeschlagen worden, die Abgeordneten nach der Wahlbeteiligung in den einzelnen Wahlbezirken zu verteilen. Dies stimme nach seiner Meinung jedoch nicht mit der Verfassung überein.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller meint, daß sich, wenn die Ansiedlung der Flüchtlinge durchgeführt sei, eine ganz neue Struktur ergebe.

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt, ob noch grundsätzliche Erinnerungen dagegen bestünden, daß die Vorlage in dieser Form an den Landtag gemacht werde.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer weist auf Art. 39 Abs. 2 hin.81 Die Einreichung der Wahlvorschläge am 28. Tage vor dem Wahltage sei mit Rücksicht auf Art. 18 Abs. 4 der Verfassung nicht möglich.82 Diese Frist müsse wie beim alten Wahlgesetz auf 17 Tage herabgesetzt werden.

Staatsminister Dr. Ankermüller sichert eine Nachprüfung dieser Bestimmung zu.83

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß der Entwurf nunmehr möglichst rasch dem Landtag zugeleitet werden solle. Zuvor solle er aber noch vom Innenministerium unter Zuziehung des Justizministeriums und der Staatskanzlei redaktionell überprüft werden.84

V. Aufruf der Staatsregierung zur Währungsreform

Staatsminister Dr. Pfeiffer verliest den Text des Aufrufs, der nach eingehender Debatte mit kleinen Änderungen genehmigt wird. Er soll vom Ministerpräsidenten für die Staatsregierung unterschrieben werden.85

Staatssekretär Dr. Lacherbauer wirft die Frage auf, ob man die Verantwortung für die Währungsreform übernehmen könne. Jeden Tag werde man sich mehr bewußt, daß man nur Vollzugsorgan sei. Könne vor allem die CSU-Regierung allein die Verantwortung tragen? Er sei der Auffassung, daß die SPD für diese Sache in irgendeiner Form die Verantwortung mit übernehmen müsse.

Staatsminister Dr. Hundhammer meint, die Situation sei so, daß man die Verantwortung übernehmen könne.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer hält dies für sehr optimistisch. Mit dem normalen Spiel: Regierungs- und Oppositionspartei, lasse sich diese Sache nicht regeln. Nach seinem Dafürhalten müsse das in einer Diskussion im Landtag zum Ausdruck kommen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, man müsse die Sache auch einmal von der anderen Seite her sehen. Was der Einzelne für einen Beschluß fasse, sei seine Sache. Was aber das Gesamt-Kabinett und darüber hinaus die CSU betreffe, sei die Lage folgendermaßen: Wenn man heute sagen würde, daß man die Verantwortung ablehne und die Währungsreform nicht durchführe, wäre die Folge eine Katastrophe, für die die Verantwortung nicht zu tragen sei.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer erwidert, er sei wohl mißverstanden worden. Seine Frage sei nicht dahin gegangen, ob man die Verantwortung übernehmen oder ablehnen müsse, sondern dahin, ob man auch die anderen Parteien einschalten und erklären solle, daß es sich hier nicht um eine parteipolitische Angelegenheit, sondern um eine solche des ganzen Volkes handle. Er sei deshalb dafür, daß der Ministerpräsident bei der ersten Sitzung im Landtag auf diesen Gesichtspunkt hinweisen und die Opposition sich dazu äußern solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard sichert dies zu.86 Die SPD-Mitglieder des Wirtschaftsrats hätten bisher keinesfalls gesagt, sie machten bei der Währungsreform nicht mit. Jedenfalls sei er aber der Auffassung, daß man schon betonen müsse, daß die Währungsreform keine Sache sei, die parteipolitisch ausgewertet und parteipolitisch durchgeführt werden könne. Sie betreffe alle und müsse von allen durchgeführt werden.

VI. Selbstkontrolle des Films

Staatsminister Dr. Hundhammer wirft die Frage der Selbstkontrolle des Films auf.87 Durch diese solle eine eventuelle Staatskontrolle ersetzt werden88 Sie sei zunächst als Versuch für 3 Jahre geplant.89 Er selbst trete dafür ein. Auf Einzelheiten wolle er nicht eingehen, sondern nur fragen, ob der Ministerrat grundsätzlich damit einverstanden sei.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer fragt, wer in diesem Kontrollausschuß sei.

Staatsminister Dr. Hundhammer gibt die Zusammensetzung bekannt.90

Staatssekretär Dr. Lacherbauer weist darauf hin, daß in dem Ausschuß also die Produzenten die Mehrheit hätten. Außerdem gebe es gegen die Entscheidungen dieses Ausschusses keinen Rechtsbehelf. Er halte die Sache für gefährlich.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, dies sei eine Angelegenheit, die man ohne Vorbereitung nicht entscheiden könne.

Staatsminister Dr. Hundhammer ist mit einer Zurückstellung einverstanden. Die Vorarbeiten sollen aber fortgeführt werden.91

VII. Gesetz gegen Arbeitsverweigerung und Arbeitsscheu92

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, daß die Gewerkschaften auf die Vorlage des Gesetzentwurfs an den Landtag verzichtet haben.93

VIII. Ausführungsverordnung zum Gesetz zur Überführung der bei der politischen Befreiung tätigen Personen in andere Beschäftigungen94

Staatsminister Dr. Hagenauer berichtet kurz über diese Verordnung.95

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt, wer darüber entscheide, wohin die zu überführenden Personen zugewiesen werden.

Staatsminister Dr. Kraus erwidert, das Landespersonalamt im Benehmen mit dem Finanzministerium. Der Entwurf sei mit dem Finanzministerium durchbesprochen. Die Frage sei nur, ob man die erforderlichen Stellen habe. Die Durchführungsverordnung könne man aber erlassen.

Mit dem Erlaß dieser Verordnung herrscht allgemeines Einverständnis.96

IX. Ermächtigungsgesetz für die Währungsreform

Staatsminister Dr. Kraus weist darauf hin, daß man vorsorglich einen solchen Entwurf verabschieden müsse.97

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, daß der Entwurf nur vorsorglich für den Fall gelten solle, daß das Währungsgesetz98 keine ausreichende Ermächtigung enthalte. Im übrigen sei die Sache nicht so eilig, da der Landtag in der nächsten Woche nicht zusammentrete.

Die Angelegenheit wird mit allgemeinem Einverständnis zurückgestellt.

Ministerpräsident Dr. Ehard weist abschließend darauf hin, daß man in der nächsten Woche im Ministerrat zu allgemeinen Verfassungsfragen Stellung nehmen müsse, weil diese vielleicht schon Anfang oder Mitte nächster Woche an uns herangetragen würden.99

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
gez.: Claus Leusser
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister