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Nr. 104MinisterratssitzungDienstag, 25. April 1950 Beginn: 15 Uhr 30 Ende: 20 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Dr. Konrad (Justizministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium – Oberste Baubehörde), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Ministerialrat Leusser (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Wolf1 (Innenministerium).

Entschuldigt:

Staatsminister Dr. Pfeiffer (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).

Tagesordnung:

I. Bundesangelegenheiten. II. Entwurf eines Baugesetzes. III. [Nachwahl in Kulmbach]. [IV. 1. Mai 1950]. [V. Bauausstellung 1951 in Hannover]. [VI. Kündigung der Landesprüfer im Landwirtschaftsministerium]. [VII. Vorschläge der Gewerkschaften zum sozialen Wohnungsbau]. [VIII. Grundsteinlegung auf dem Leitenberg]. [IX. Hitler – Göring – Sammlung]. [X. Betreuung der KZ – Gräber]. [XI. Denkschrift des Herrn Staatssekretärs Jaenicke]. [XII.] Personalangelegenheiten.

I. Bundesangelegenheiten

1. Entwurf einer Verordnung zur Auflösung oder Überführung von zonalen Einrichtungen2

Ministerialrat Leusser berichtet, daß im Rechtsausschuß über die Frage zu entscheiden sei, ob nach Art. 130 des Grundgesetzes3 zonale Einrichtungen nur auf den Bund oder auch auf die Länder überführt werden könnten. Bisher habe der Rechtsausschuß mit seiner überwiegenden Mehrheit die Auffassung vertreten, daß eine Überführung nur auf den Bund möglich sei. Die Sache habe nun allerdings zwei Seiten. Einerseits erscheine es bedenklich, wenn durch eine Verordnung der Bundesregierung den Ländern Behörden aufoktroyiert würden. Andererseits bestehe die Gefahr, daß, wenn der Bund diese Behörden nicht auf die Länder verteilen könne, er sie selbst übernehme und auf diese Weise seine Zuständigkeit ausdehne. Das Problem sei bisher nur in der britischen Zone akut geworden, vor allem wegen zonaler Entnazifizierungsbehörden, hinsichtlich derer das Land Nordrhein-Westfalen sich weigere, sie zu übernehmen. In der amerikanischen Zone bestehe voraussichtlich keine Gefahr. Unter Umständen müsse aber auch dort damit gerechnet werden, daß den Ländern gewisse Behörden zugeteilt würden, so z.B. das Amt für Landeskunde in Landshut4 oder das Amt für Erdmessung in Bamberg.5 Das richtige wäre es wohl, wenn auf Gebieten, bei denen der Bund keine Zuständigkeiten habe, sich die Länder freiwillig über die Auflösung oder Überführung einigen könnten. Eine solche Einigung sei aber wohl nicht in allen Fällen zu erzielen.

Nach kurzer Aussprache beschließt der Ministerrat, daß in der Rechtsausschußsitzung zunächst einmal die Stellungnahme der anderen Länder, insbesondere Nordrhein-Westfalens abgewartet werden und Bayern noch keine endgültige Stimme abgeben solle.6

2. Wahrnehmung der Befugnisse nach dem Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft7

Ministerialrat Leusser berichtet über den Stand der Angelegenheit. Auf dem Gebiet der Energiewirtschaft nehme das Bundeswirtschaftsministerium entgegen dem Grundgesetz verschiedene Exekutivbefugnisse in Anspruch, was zu einem Einspruch von Nordrhein-Westfalen und Bayern geführt habe. Die Sache sei schon des öfteren im Rechtsausschuß behandelt worden. Nunmehr habe sich das Bundeswirtschaftsministerium grundsätzlich zu einer Note des Bayerischen Wirtschaftsministeriums vom Dezember 1949 geäußert.8 Hier werde das ganze Problem der Ausübung von Exekutivbefugnissen durch Bundesministerien angeschnitten. Gerade auf dem Gebiete der Energiewirtschaft könne dies aber für Bayern auch nachteilige Folgen haben; diese Auslegung habe bereits dazu geführt, daß Bayern keinen Einspruch gegen die Verlängerung des Energienotgesetzes9 eingelegt habe. Inzwischen sei zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium, dem Bayerischen Wirtschaftsministerium, dem Wirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen und der Bayerischen Obersten Baubehörde eine Vereinbarung zustande gekommen, durch welche bei Wahrung des gegenseitigen Rechtsstandpunktes bis zum Erlaß des neuen Energiegesetzes ein Modus vivendi festgelegt sei.10 Das Wirtschaftsministerium und die Oberste Baubehörde bezeichneten diese Regelung als erträglich. Mit Rücksicht hierauf werde vorgeschlagen, gerade bei dieser heiklen Materie keine grundsätzliche Regelung herbeizuführen, vor allem keine Entscheidung nach Art. 129 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes zu beantragen.11

Staatsminister Dr. Seidel stimmt diesen Ausführungen zu, worauf der Ministerrat beschließt, daß in der vorgeschlagenen Weise verfahren werden solle.

3. a) Volkszählungsgesetz 195012

b) Wahlprüfungsgesetz13

Der Ministerrat beschließt, zu diesen beiden Gesetzentwürfen keine Bedenken geltend zu machen, nachdem die bayerischen Anregungen im wesentlichen berücksichtigt worden seien.14

4. Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Weizenabkommen15

Nachdem das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bereits erklärt hatte, daß diesem Abkommen zugestimmt werden müsse, beschließt der Ministerrat, daß keine Einwendungen dagegen erhoben werden sollen.

5. Zweites Haushaltsergänzungsgesetz 194916

Staatssekretär Dr. Müller erklärt, der Entwurf werde in der Finanzausschußsitzung noch behandelt.17

6. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes18

Ministerialrat Leusser berichtet, es sei wahrscheinlich nicht damit zu rechnen, daß dieses Gesetz schon im Plenum verabschiedet werde, da es im Finanzausschuß noch nicht abschließend beraten sei. Im übrigen bestehe nach bayerischer Auffassung kein Bedürfnis für eine bundesgesetzliche Regelung; die Mehrheit habe sich aber für eine solche Notwendigkeit ausgesprochen.

Staatssekretär Dr. Müller schließt sich an und weist darauf hin, daß es sich hier um eine reine Landessteuer handle, die den Bund in keiner Weise berühre. Es werde notwendig sein, die Angelegenheit nochmals zu besprechen; jedenfalls könne sich Bayern höchstens mit einem Rahmengesetz einverstanden erklären, aber sonst keine weiteren Zugeständnisse machen.19

7. Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit für die Erklärung der Mündelsicherheit von Wertpapieren und Forderungen20

Es wird beschlossen, entsprechend dem Ergänzungsantrag des Rechtsausschusses die Zustimmung des Bundesrats zu solchen Entscheidungen der Bundesregierung zu verlangen.

Das gleiche gilt für den Entwurf eines Gesetzes über die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten aus Aktien während der Wertpapierbereinigung.21

8. Schwerpunkte-Programm22

Staatsminister Dr. Seidel berichtet eingehend über das Schwerpunkte-Programm und betont einleitend, es sei außerordentlich schwierig, die einzelnen Arbeitsbeschaffungsprogramme der Bundesregierung zu unterscheiden. Es handle sich einmal um ERP-Mittel, dann um das sog. Schwerpunkte-Programm, weiter um das Exportfinanzierungsprogramm, die Programme für Bundesbahn und Bundespost und schließlich um die 50 Millionen DM betragenden Mittel für das Gewerbe; dazu käme dann noch das bayerische Arbeitsbeschaffungsprogramm.

Was das Schwerpunkte-Programm betreffe, so seien bekanntlich für die Industrie 49,5 Millionen DM vorgesehen, für Flüchtlingsbetriebe 10 Millionen DM. Die entsprechenden Listen seien bereits aufgestellt und in Bonn vorbesprochen worden, aber noch nicht endgültig genehmigt. Insgesamt seien für die gewerbliche Industrie in Bayern 59 Millionen DM vorgesehen, so daß noch ein Spielraum von 3 Millionen DM bestehe. Endgültig genehmigt seien auch

14 Millionen DM für die Landwirtschaft
6 Millionen DM für den Straßenbau
5,5 Millionen DM für die Gas- und Wasserversorgung
8 Millionen DM für den Wasserstraßenbau und
12 Millionen DM für Kleinkredite, wovon
10 Millionen DM für die Flüchtlingsbetriebe zweckgebunden seien.

zweckgebunden seien.

Neuerdings habe nun die Bundesregierung noch weitere 70 Millionen DM für Flüchtlingsbetriebe bereitgestellt, wovon die Länderwirtschaftsverwaltungen nicht das geringste gewußt hätten. Auch das Bundesflüchtlingsministerium habe mit den Wirtschaftsministerien der Länder keine Fühlung aufgenommen, sondern nur mit der Vereinigung der heimatvertriebenen Industriellen. Diese 70 Millionen DM seien nun, wie gesagt, ohne bayerische Beteiligung verteilt worden. Auf Bayern seien 7,2 Millionen DM entfallen, also viel zu wenig, besonders wenn man berücksichtige, daß Württemberg-Baden 8,3 Millionen DM erhalten habe. Die ganze Angelegenheit habe man nicht von den Herren der beteiligten Organisationen erfahren, sondern nur über die Wiederaufbaubank. Außerdem bestehe natürlich die Gefahr, daß aus den 70 Millionen DM oder dem auf Bayern entfallenden Teil irgendwelche Betriebe berücksichtigt würden, die bereits Zuweisungen erhalten hätten; eine Kontrolle sei für das Wirtschaftsministerium kaum möglich und er betrachte diese ganze Sache mit größten Bedenken.

Im Bundesarbeitsbeschaffungsprogramm seien weiterhin 300 Millionen DM für Exportfinanzierung vorgesehen. Er habe Bundesminister Dr. Erhard geraten, aus diesen 300 Millionen DM zunächst 100 Millionen DM für echte langfristige Investitionen für die Exportindustrie abzuzweigen, später aber von der Sache nichts mehr gehört. Nun habe Ministerialrat Drexl23 vor 14 Tagen bei der Wiederaufbaubank erfahren, daß tatsächlich 100 Millionen DM abgezweigt worden seien, Bayern aber überhaupt nicht berücksichtigt worden sei. Erst mit vieler Mühe sei es dann nachträglich gelungen, noch 6 Millionen DM zu erhalten; selbstverständlich habe er dagegen bei Bundesminister Dr. Erhard protestiert. Dies sei nur ein Beispiel dafür, wie es überhaupt auf dem Gebiet des Arbeitsbeschaffungsprogramms zugehe. Jedenfalls sei die Verwirrung ungeheuer und er befürchte ernste Rückwirkungen, möglicherweise sogar auf die Existenz der Bundesregierung selbst. Interessant sei z.B. auch, daß der Verwaltungsrat der Bank Deutscher Länder bereits Ende Februar die Finanzierung des Schwerpunkte-Programms für die Flüchtlingsländer besprochen und Richtlinien festgelegt habe. Bisher warte aber die Wiederaufbaubank vergebens auf entsprechende Nachrichten von Bonn, wo z. B. das Bundesarbeitsministerium von der besprochenen Finanzierung überhaupt keine Ahnung gehabt habe. Auch die einzelnen Firmen und Betriebe selbst hätten keinerlei Gewißheit, ob sie nun in die in Bonn zusammengestellten Listen aufgenommen würden oder nicht, ob sie, wenn aufgenommen, tatsächlich zum Zuge kämen usw.

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert daran, daß eine Anfrage des Abgeordneten Weidner24 vorliege und von Staatsminister Dr. Seidel im Landtag beantwortet werden müsse.25 Er halte es für notwendig, bei dieser Gelegenheit klar und deutlich von bayerischer Seite aus zu sagen, welche Bedenken man habe. Um so notwendiger sei es natürlich, in Bayern vernünftig zu koordinieren und hier keine Verwirrung einreißen zu lassen. Notfalls sei er auch bereit, an Bundeskanzler Adenauer einen deutlichen Brief zu schreiben.

Staatsminister Dr. Seidel betont nochmals die Notwendigkeit, das bayerische Arbeitsbeschaffungsprogramm, für das hauptsächlich die Oberste Baubehörde verantwortlich sei, zu verwirklichen. Außerdem müsse man dafür sorgen, daß die Öffentlichkeit über die einzelnen Programme genau aufgeklärt würde.

Der Meinung des Herrn Ministerpräsidenten, im Landtag eingehende Ausführungen zu machen, stimme er völlig bei, da tatsächlich auch in Bayern schon Unklarheit bestehe; er erinnere in diesem Zusammenhang an die Verwirrung, die z.B. in Passau wegen des dortigen Kraftwerks eingetreten sei.

Staatsminister Dr. Ankermüller erklärt, es gehe auch nicht an, daß Bundestagsabgeordnete, die teilweise sogar der CSU angehörten, unter Umgehung der bayerischen Regierung sich unmittelbar mit Bonner Stellen wegen der Interessen ihrer Wahlkreise in Verbindung setzten. Die Bundestagsabgeordneten hätten wirklich die Pflicht, sich mit besonderen Wünschen und Anträgen an die bayerische Vertretung in Bonn zu wenden, die ja jederzeit dann nach München berichten könne.

9. Finanzausgleich unter den Ländern für 1950, insbesondere Interessenquotenregelung der Länder nach Maßgabe der Steuereinnahmen26

Staatssekretär Dr. Müller verteilt und erläutert eine Aufstellung, aus der einmal ersichtlich ist, mit welchen Anteilen die einzelnen Länder die Belastung mit Kriegsfolgelasten zu tragen hätten, zum anderen, welcher Anteil auf die Länder nach der Einkommen- und Körperschaftsteuer 1950 und nach den gesamten Landessteuereinnahmen entfalle27 Während z. B. der bayerische Anteil an Kriegsfolgelasten 19% betrage, würden nach der Einkommen- und Körperschafsteuer 1950 gerechnet auf Bayern nur 14,7% entfallen, nach den gesamten Landessteuereinnahmen 16,6%. Über diese Frage habe in der vorigen Woche eine Besprechung in Königstein stattgefunden, bei der das B. Staatsministerium der Finanzen nachdrücklich vorgeschlagen habe, das Steueraufkommen zu berücksichtigen; unter anderem habe begreiflicherweise Nordrhein-Westfalen den gegenteiligen Standpunkt eingenommen.28

Die nächste Sitzung des Finanzausschusses werde sich nochmals mit dieser sogenannten Interessenquote beschäftigen und er ersuche um Zustimmung des Kabinetts, nach wie vor als bayerische Auffassung vertreten zu können, daß unter allen Umständen das tatsächliche Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer maßgebend sein müsse.29

Der Ministerrat stimmt diesem Vorschlag zu.30

10. Gesetz über die Finanzverwaltung31

Staatssekretär Dr. Müller wird auf seinen Antrag hin durch Beschluß des Ministerrats die Ermächtigung erteilt, in dieser Angelegenheit nach eigenem Ermessen vorzugehen.

Staatsminister Dr. Ankermüller weist darauf hin, daß die bayerischen Interessen auf dem Gebiet des Bauwesens von der Obersten Baubehörde wahrgenommen werden müßten, zumal Ministerialrat Fischer-Menshausen32 in dieser Hinsicht eine von der bayerischen abweichende Auffassung vertrete. Leider hätten die Finanzminister der Länder einen VermittlungsVorschlag gemacht, wonach die Finanzbauverwaltung den Finanzbehörden übergeben werden solle.

Staatssekretär Dr. Müller erwidert, an sich sei sich alles darüber klar, daß die Fragen der Bauverwaltung Angelegenheiten der Länder seien.

Staatssekretär Fischer sichert zu, einen Vertreter der Obersten Baubehörde zu den Besprechungen zu entsenden.

Staatssekretär Dr. Müller erklärt abschließend, er werde als bayerischer Vertreter sich mit allen Mitteln dafür einsetzen, daß der Standpunkt, Bauverwaltung sei Sache der Länder, durchgesetzt werde.33

11. Verzinsung für Ausgleichsforderungen auf Spareinlagen

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, in der Finanzausschuß-Sitzung in Bonn am 13. April34 sei die Verzinsung der Spareinlagen wiederum erörtert worden, wobei man beschlossen habe, die Kabinette sollten nochmals zur Frage der Verzinsung Stellung nehmen. Die Belastung für das Bundesgebiet an Mehrzinsen betrage insgesamt 22,9 Millionen DM, wovon auf Bayern nach Berechnung der Landeszentralbank ein Betrag von 6,1 Millionen DM entfalle. Die Erleichterungen, die für Bayern an sich durch den Übergang auf den Bund eintreten könnten, würden durch diese Belastung mehr als ausgeglichen. Die Entscheidung, ob man diese Belastung übernehmen könne, sei nicht einfach.

Staatssekretär Dr. Müller führt aus, an sich befürworte er aus volkswirtschaftlichen Gründen die Zinserhöhung der Ausgleichsforderungen für Spareinlagen, mit Rücksicht auf die Haushaltslage müsse er jedoch schwere Bedenken geltend machen. Nach reiflicher Überlegung sei er zu der Überzeugung gekommen, daß er bei der Sitzung des Finanzausschusses gegen die geplante Erhöhung auftreten müsse.

Ministerialrat Wolf betont, daß zwei Gesichtspunkte für die Erhöhung sprächen; zunächst einmal der Umstand, daß die Spareinlagen langsam anstiegen und ein Teil der Einleger, die für längere Zeit ihre Gelder einlegen wollten, ein Interesse an einer ausreichenden Verzinsung hätten. Die Spanne zwischen dem Pfandbriefzins und dem Zins der Spareinlagen sei noch nie so hoch gewesen wie heute. Infolgedessen seien sich auch alle Sachverständigen darüber klar, daß der Zins auf wenigstens 3% heraufgesetzt werden müsse.

Von großer Bedeutung sei aber auch der zweite Grund, nämlich die Frage der Rentabilität der Sparkassen, bei denen die Ausgleichsforderungen zum Teil bis zu 70 und 80% der gesamten Aktiven ausmachten, im Durchschnitt 54%. Die Sparkassen müßten heute im Durchschnitt Lombardkredite in Höhe von 80 Millionen DM in Anspruch nehmen. Die Ausgleichsforderungen seien nicht verkäuflich, sondern nur beleihbar und zwar mit Zinssätzen von 5%. Die Folge davon sei, daß kaum 30% der Sparkassen eine ausgeglichene Gewinn- und Verlustrechnung hätten. Ihr Ruf nach höherer Verzinsung sei außerordentlich dringlich und begründet. Wenn diese auch natürlich ihnen nicht ganz zugute komme, da sie ja höhere Zinsen zahlen müßten, so erhofften sie sich doch auf längere Sicht eine wesentliche Besserung ihrer Situation.

Staatsminister Dr. Ankermüller spricht sich dafür aus, dem Vorschlag des Finanzministeriums nicht zu folgen, dessen Standpunkt doch wohl auf der momentanen fiskalischen Lage beruhe. Es sei ein dringendes volkswirtschaftliches Gebot, den Sparwillen anzuregen, das könne aber nur durch Erhöhung der Verzinsung der Spareinlagen erreicht werden. Die Sparkassen drängten gegenwärtig auch immer mehr in Geschäfte, die ihnen eigentlich fremd seien, wozu sie aber mehr oder weniger gezwungen würden.

Staatssekretär Dr. Müller betont nochmals, daß 6,1 Millionen DM mehr zu verzinsen seien und der Etat das nicht leisten könne. Auch er berücksichtige volkswirtschaftliche Gesichtspunkte und habe seinerzeit in Frankfurt auch für die Erhöhung gestimmt, er müsse aber jetzt mit Rücksicht auf die Haushaltslage seinen Standpunkt revidieren. Die Frage müsse übermorgen entschieden werden und zwar allein im Finanzausschuß.35

Staatsminister Dr. Seidel unterstützt die Ausführungen des Herrn Ministerialrats Wolf und des Herrn Staatsministers Dr. Ankermüller.

Staatssekretär Dr. Müller fährt fort, man müsse eine erhebliche Senkung der Steuern erwarten, besonders bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Mit Rücksicht auf diese Entwicklung müsse er seine Bedenken aufrecht erhalten, dazu komme noch, daß noch nicht bekannt sei, was die Amerikaner zu der Erhöhung der Zinsen sagen würden, er glaube aber kaum an ihre Zustimmung. Außerdem sei ein Gesetz über Steuergutscheine angekündigt.36 Diese Steuergutscheine stellten aber auch nichts anderes dar, als einen Wechsel, für den wir heute eine Realisierung bekämen, den man aber in 3 Monaten revidieren müsse. Gegen die ganze Sache würden von Seiten der Banken, insbesondere von der Landeszentralbank, erhebliche Bedenken geltend gemacht.

Staatsminister Dr. Ankermüller fragt, wenn Bayern mit seiner Ablehnung allein stehe und im Finanzausschuß überstimmt werde, was dann geschehe.

Staatssekretär Dr. Müller antwortet, dann würden wir eben überstimmt.

Staatsminister Dr. Ankermüller fährt fort, nach seiner Meinung sei es nicht möglich, daß man jetzt dagegen stimme und dieses Odium auf sich nehme, nachdem in der Öffentlichkeit soviel davon gesprochen worden sei und wir die Sache selbst angekündigt hätten.

Staatssekretär Dr. Müller erwidert, Bayern stehe nicht allein da, alle finanzschwachen Länder seien anderer Ansicht. Die finanzschwachen Länder seien immer dagegen gewesen, wir seien zunächst dafür gewesen, da man vor drei Wochen geglaubt habe, man könne es machen. Aber jetzt habe sich die Sachlage als wesentlich ungünstiger herausgestellt.

Staatsminister Dr. Ankermüller hält seinen Standpunkt aufrecht, daß man die Sache so durchziehen müsse.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, das sei ganz gut, aber wo bringe man das Geld her.

Staatssekretär Dr. Müller meint, man müsse sich auch darüber im klaren sein, daß sich eine solche deflatorische Politik auf dem Gebiet des Bauwesens auswirke.

Staatsminister Dr. Seidel bittet hier um nähere Aufklärung.

Staatssekretär Dr. Müller erwidert, der Grund liege darin, daß man diese 6.1 Millionen DM dem Bauwesen dann nicht zur Verfügung stellen könne.

Staatssekretär Geiger tritt für die Erhöhung des Sparkassenzinsfußes ein, mit Rücksicht auf das durch diese Maßnahme zu schaffende Sparkapital. Wirtschaftlich sei es überhaupt nicht zu begründen, daß die Sparwilligen so niedrige Zinsen erhalten.

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt zu, daß dies richtig sei, verweist aber auf die Schwierigkeit, die notwendigen 6,1 Millionen DM bereitzustellen. Jedenfalls müsse die ganze Angelegenheit sehr sorgfältig überlegt werden.

Staatsminister Dr. Ankermüller verweist darauf, daß tatsächlich die Spareinlagen anstiegen und bei Steigerung des Zinsfußes damit gerechnet werden könne, daß sie den Betrag von 150 Millionen DM im Laufe des Jahres erreichen würden.

Staatssekretär Dr. Müller bleibt bei seiner ablehnenden Haltung bestehen.

Staatsminister Dr. Hundhammer erklärt, es scheine ihm kaum möglich, 6.1 Millionen DM als neue Aufgabe zu übernehmen, ohne daß entsprechende Einnahmen vorher sichergestellt würden. Die Steigerung der Spareinlagen bringe doch wohl von selbst mit der Zeit eine wesentliche Besserung des Status der Sparkassen mit sich.

Ministerpräsident Dr. Ehard betont die Notwendigkeit, zu einem endgültigen Ergebnis zu kommen. Vielleicht könne man doch einen Ausweg finden, die Sache noch etwas aufzuschieben, schon jetzt eine Ablehnung auszusprechen, könne er nicht empfehlen.

Staatsminister Dr. Ankermüller schlägt vor zu erklären, die Zinserhöhung trete nicht sofort ein, sondern erst nach 1/4 Jahr.

Auf Vorschlag des Ministerpräsidenten beschließt der Ministerrat, die Angelegenheit zunächst zwei Monate zu vertagen.37

12. Nachtragshaushalt des Bundesrates38

Ministerialrat Leusser erklärt, daß diese Angelegenheit erledigt sei.

13. Vermittlungsausschuß

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, seiner Meinung nach könne Mitglied des Vermittlungsausschusses nur ein Kabinettsmitglied sein. Gerade bei diesem Ausschuß könne es sich um Dinge handeln, bei denen einzelne Ressorts sehr stark beteiligt seien. Er halte es deshalb für richtig, folgendes vorzuschlagen: Als ständige Mitglieder des Vermittlungsausschusses werden die Ministerpräsidenten benannt mit der Befugnis, daß sie jeweils in ihrer Vertretung ein Kabinettsmitglied schicken können. Diese Anregung sei überdies auch schon von anderen Ländern gemacht worden.

Der Ministerrat beschließt einstimmig, diesem Vorschlag seine Zustimmung zu geben.

14. Fahrtkosten und Reisekosten

Der Ministerrat beschließt, auf bayerischer Seite an der bisherigen Regelung festzuhalten.

15. Weiterführung des Justizkollegiums39

Ministerialrat Leusser teilt mit, das Finanzministerium habe sich geweigert, die erforderlichen Kosten von DM 500,- im Monat für die Weiterführung des Justizkollegiums zu übernehmen. Diese Weigerung sei im Hinblick auf die Tatsache, daß Bayern zurzeit den Vorsitz führe, etwas unangenehm.

Staatssekretär Dr. Konrad erklärt, im Juli werde es sich entscheiden, ob das Justizkollegium weiter bestehen solle oder nicht.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten beschließt der Ministerrat, daß die erforderlichen Kosten in Höhe von monatlich DM 500,- bis einschließlich Juli übernommen werden sollen.

16. Fortführung der Schulspeisung40

Ministerialrat Leusser führt aus, in der nächsten Woche sei eine Konferenz der Innenminister, die sich mit der Frage der Fortführung der Schulspeisung befassen werde.41 Vorher sei wohl eine Besprechung der beteiligten Ministerien notwendig.42

Staatssekretär Dr. Müller meint, man könne jetzt die Schulspeisung fallen lassen, die außerordentlich hohe Mittel erfordere.

Es wird beschlossen, die Regelung dieser Sache den zuständigen Ministerien zu überlassen.43

17. Sitz des Bundesgerichts44

Ministerialrat Leusser erinnert daran, daß ein Beschluß des Bayer. Landtags vorliege, dafür einzutreten, daß das Bundesgericht nach Bamberg gelegt werde.45 Die Konkurrenz sei außerordentlich groß, viele Städte hätten bereits ihre Ansprüche angemeldet,46 immerhin seien die Aussichten für Bamberg nicht ungünstig. Allerdings würde das bedeuten, daß Bayern recht erhebliche Kosten übernehmen müsse, wobei noch zu beachten sei, daß Bamberg selbst schon erklärt habe, keine Wohnungen zur Verfügung stellen zu können. Geeignete Objekte für das Bundesgericht selbst in Bamberg zu finden, sei ebenfalls nicht einfach.

Staatsminister Dr. Seidel gibt zu überlegen, ob es nicht richtiger sei, sich für andere Bewerbungen zu entscheiden, die wichtiger seien und mehr Geld einbringen könnten, wie das Bundesgericht.

Staatsminister Krehle teilt mit, das Arbeitsministerium sei bereits in Verhandlungen bezüglich der Bundesanstalt für Sozialversicherung47 oder des Bundesversicherungsamtes.48 Die Bundesanstalt wäre ihm an sich lieber, weil sie finanzielle Vorteile mit sich bringen würde, allerdings müßten gegebenenfalls mindestens 100 Wohnungen erstellt werden. Bundesarbeitsminister Storch49 bemühe sich, die Anstalt nach Köln zu bringen.

Das Bundesversicherungsamt beanspruche gleichfalls viel Raum und eine erhebliche Zahl von Beamtenwohnungen, es bringe aber keine besonderen finanziellen Vorteile mit sich. Jedenfalls müsse man erreichen, daß nicht der Bundestag den Sitz dieser Ämter bestimmte, sondern die Selbstverwaltungsorgane. Wenn das Oberste Bundesgericht nach Bayern komme, seien wohl alle anderen Ansprüche erledigt.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, es sei vielleicht das beste, die Frage des Obersten Bundesgerichts hinhaltend zu behandeln und brieflich zunächst zu erklären, es bestehe die Möglichkeit, das Gericht in Bamberg unterzubringen.

Ministerialrat Leusser fügt hinzu, die Bayernpartei trete sehr stark für Bamberg ein, weshalb sich die bayerische Regierung nicht ausschalten könne.50

18. Kulturpolitische Angelegenheiten

Staatsminister Dr. Hundhammer teilt mit, er sei für Donnerstag, den 27. April 1950 zusammen mit Innenminister Menzel51 von Nordrhein-Westfalen und Finanzminister Hilpert52 von Hessen zu Bundeskanzler Dr. Adenauer geladen worden, um dort Etatfragen wegen der Referate der kulturpolitischen Angelegenheiten zu besprechen.

Ministerpräsident Dr. Ehard antwortet, man habe zwar den Bundeshaushalt genehmigt, aber nur unter der Voraussetzung, daß sich die Bundesregierung bereit erkläre, bestimmte Stellen, darunter die kulturpolitischen Referate, nicht zu besetzen.53 Endgültig müsse die Angelegenheit im Haushalt für 1950 erledigt werden. Vor allem müsse man dafür sorgen, daß in der Bundesregierung eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten erfolge und eine vernünftige Koordinierung vorgenommen werde.

Staatssekretär Dr. Müller berichtet, im Finanzausschuß habe man sich eingehend darüber unterhalten, ob der Etat für 1949 angenommen werden solle. Dabei sei man zu der Auffassung gekommen, daß der Bund zunächst einmal unbedingt klar die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern abzugrenzen habe. Immer wieder werde versucht, Ressorts einzurichten, die gegen die Grundsätze des Föderalismus seien. Die schließliche Ablehnung des Etats durch den Finanzausschuß habe große Aufregung hervorgerufen und Bundeskanzler Dr. Adenauer habe sogar mitteilen lassen, der Finanzausschuß möge doch seine Entscheidung ändern, die Bundesregierung sei zu allen Konzessionen bereit. Er selbst habe daraufhin erklärt, die einzelnen Stellen seien nicht ausschlaggebend, sondern die Überschneidung der verschiedenen Ministerien, die Beanspruchung von Rechten, die an sich Ländersache seien, z.B. in Fragen der kulturellen Angelegenheiten, der Gemeindepolitik usw. Der Finanzausschuß müsse verlangen, daß der Bund sich auch besonders über die Frage Zuständigkeiten klar und eindeutig äußere, sonst könne man nicht zustimmen.

II. Entwurf eines Baugesetzes54

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, das B. Staatsministerium des Innern habe einen Referentenentwurf eines Baugesetzes übermittelt mit der Anfrage, ob dieser an den Landtag und den Senat übermittelt werden könne.55Aus grundsätzlichen Erwägungen heraus habe er es für notwendig gehalten, diese Frage dem Ministerrat vorzulegen.

Staatsminister Dr. Seidel stellt fest, daß dieser Entwurf bereits überall angekündigt worden, den Ministerien aber noch nicht offiziell zugegangen sei. Er könne sich nicht dafür aussprechen, einen solchen Entwurf bereits dem Landtag und dem Senat zuzuleiten. Seiner Meinung nach müsse eine so schwerwiegende Sache zunächst unter den beteiligten Ministerien geklärt werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard schließt sich dieser Auffassung an und hält es für richtig, trotz verschiedener Zusicherungen, die vielleicht schon gegeben seien, den Entwurf soweit zu behandeln, daß er offiziell dem Kabinett vom Staatsministerium des Innern vorgelegt werden könne; erst wenn der Ministerrat dann entschieden habe, könne die Zuleitung an Landtag und Senat erfolgen. Es sei zwar schon ein paarmal vorgekommen, daß Referentenentwürfe weitergegeben worden seien, man dürfe aber ein solches Verfahren nicht zur Gewohnheit werden lassen, da man sonst jede Kontrolle verliere.

Staatsminister Dr. Ankermüller stimmt zu, gibt aber zu bedenken, daß die Oberste Baubehörde sehr stark von der Volksvertretung bedrängt werde und deshalb Herr Staatssekretär Fischer auch eine entsprechende Erklärung im Landtag abgegeben habe.56 Bei dem Baugesetz handle es sich aber doch um eine sehr schwerwiegende und grundsätzliche Sache, an der alle Ministerien beteiligt seien. Auch er sei deshalb dafür, die Stellungnahmen aller Ministerien einzuholen und dann endgültig im Kabinett zu beschließen.57

III. Nachwahl in Kulmbach

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt kurz mit, daß als Kandidat für den Bundestag im erledigten Bundeswahlkreis Kulmbach von der CSU Herr Dr. Semler58 aufgestellt worden sei. Die FDP habe sich bereit erklärt, die Kandidatur zu unterstützten, während die Landesleitung der Bayernpartei beschlossen habe, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Die örtliche Parteileitung der Bayernpartei habe aber nicht mitgemacht und sich schließlich gleichfalls bereiterklärt, Dr. Semler zu unterstützen.

[IV.]1. Mai 1950

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, er habe eine Anordnung an alle Ministerien hinausgegeben, alle öffentlichen Gebäude am 1. Mai 1950 zu beflaggen. Außerdem werde er zum 1. Mai einen Aufruf erlassen und bittet das Kabinett um Zustimmung. Der Ministerrat erklärt sich einverstanden.59

[V.] Bauausstellung 1951 in Hannover60

Staatssekretär Fischer erklärt, er habe sich wegen der erforderlichen Mittel für eine Beteiligung Bayerns an dieser Ausstellung mit dem B. Staatsministerium der Finanzen geeinigt und bitte nun, von der Staatskanzlei aus die offizielle Zusage nach Hannover zu geben.61

[VI.] Kündigung der Landesprüfer im Landwirtschaftsministerium62

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, die Gewerkschaften hätten sich wegen der Kündigung der Landesprüfer an ihn gewandt und auch Herr Staatsminister Dr. Schlögl habe gebeten, im Ministerrat zu besprechen, wie diese Leute weiter beschäftigt werden könnten.63

Staatsminister Dr. Seidel meint, man könne keine Verpflichtungen übernehmen, die Landesprüfer unterzubringen; auch er habe im Wirtschaftsministerium einen umfangreichen Abbau vornehmen müssen.

Staatssekretär Dr. Müller hält es für außerordentlich schwierig, die Landesprüfer in der Finanzverwaltung zu beschäftigen, da keine Etatmittel dafür zur Verfügung stünden, einzelne von ihnen könnten vielleicht untergebracht werden.

Nach kurzer Aussprache wird vereinbart, daß Staatsminister Dr. Schlögl mit dem Finanzministerium wegen einer evtl. Verwendung der Landesprüfer im Steuerfinanzdienst verhandeln solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt sich bereit, eine entsprechende Mitteilung an die Gewerkschaften zu machen.64

[VII]. Vorschläge der Gewerkschaften zum sozialen Wohnungsbau65

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich, ob es noch notwendig sei, daß er endgültig ein ablehnendes Schreiben an den Deutschen Gewerkschaftsbund Bayern in dieser Sache richte.

Staatsminister Dr. Ankermüller teilt mit, er habe bei der Eröffnung der Wohnungsbauausstellung, ebenso wie Herr Ministerialrat von Miller, gegen die Vorschläge der Gewerkschaften Stellung genommen und ihre Undurchführbarkeit aufgezeigt. Er werde aber nochmals auch schriftlich endgültig dazu Stellung nehmen.

[VIII]. Grundsteinlegung auf dem Leitenberg66

Staatssekretär Dr. Sattler berichtet über die Vorbereitungen für die Grundsteinlegung auf dem Leitenberg und weist unter anderem darauf hin, daß die Gesamtkosten ca. 750000 DM betragen würden.67

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß die Staatsregierung das Hauptgewicht auf die Grundsteinlegung am Sonntag, den 30. April, nachmittags 14 Uhr, lege, sich aber auch an den Feierlichkeiten im Lager vor dem Krematorium beteilige. Er bitte das Kabinett, möglichst vollzählig zu erscheinen.

Anschließend wird vereinbart, daß die Staatsregierung bei der Feier auf dem israelitischen Friedhof am Sonntag, vormittags 9 Uhr, durch Herrn Staatsminister Dr. Müller und Herrn Staatssekretär Dr. Sattler vertreten werden solle.68

[IX.] Hitler – Göring – Sammlung69

Staatssekretär Dr. Sattler teilt mit, Präsident Dr. Auerbach wolle anscheinend seine Pläne, die Hitler-Göring-Sammlung zu veräußern, wieder aufnehmen. Er bitte den Ministerrat um Zustimmung, daß in dieser Sache nichts geschehen solle, da noch die verschiedensten Fragen nicht geklärt seien.

Der Ministerrat stimmt diesem Vorschlag zu.

[X.] Betreuung der KZ – Gräber

Der Ministerrat vereinbart, in nächster Zeit sich mit der Frage der Betreuung der KZ-Gräber zu befassen. Die Bayer. Staatskanzlei solle entsprechende Vorarbeiten machen und dem Ministerrat sodann einen Vorschlag vorlegen.70

[XI.} Denkschrift des Herrn Staatssekretärs Jaenicke

Staatssekretär Jaenicke teilt mit, er habe einen Bericht mit dem Titel „Vier Jahre Betreuung der Vertriebenen in Bayern"71 herausgegeben, der im In- und Ausland ein außerordentlich großes Interesse gefunden habe. Die für eine neue Auflage und insbesondere für eine englische Übersetzung noch erforderlichen Mittel würden sich auf DM 4780 belaufen. Mit Rücksicht auf die Bedeutung dieser Denkschrift bitte er, die erforderlichen Mittel mögen durch das Staatsministerium der Finanzen übernommen werden.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird die Notwendigkeit, diese Mittel zur Verfügung zu stellen, anerkannt und beschlossen, daß sich Herr Staatssekretär Jaenicke mit dem Staatsministerium der Finanzen in Verbindung setzen und einigen solle.

[XII.] Personalangelegenheiten

Ministerialrat Helmerich72

Staatssekretär Dr. Müller teilt mit, Herr Helmerich erhalte das Gehalt eines Ministerialrats und dazu noch den Unterschiedsbetrag zu den Bezügen eines Staatsministers. Es habe sich nun die Frage ergeben, ob er bis Ende des Monats pensioniert werden solle, was unter Umständen zu Schwierigkeiten führen würde, nachdem er zu den politisch Verfolgten zähle.73 Andererseits habe Ministerialrat Helmerich eine Wiedergutmachung erfahren in einer Höhe, wie er sie sonst wohl nirgends bekommen hätte.

Staatsminister Dr. Seidel erklärt, ihn interessiere die Frage an sich nicht, er müsse sich aber dagegen wenden, daß Helmerich jetzt, wenn er pensioniert werden solle, auch noch den Differenzbetrag zur Ministerpension erhalten würde. Dies würde eine Bevorzugung der Beamten bedeuten, die unverständlich wäre. Er müsse sich auch dagegen verwahren, daß überhaupt die Pensionsgesetzgebung bezüglich der Kabinettsmitglieder nur auf die Beamten abgestellt sei.74

Ministerpräsident Dr. Ehard erwähnt, die Auskunft, die Staatsminister Dr. Kraus ihm einmal gegeben habe, scheine ihm mit der Regelung im Fall Helmerich nicht übereinzustimmen.

Staatsminister Frommknecht hält es für notwendig, die Frage der Pensionsbezüge des Ministerialrats Helmerich gesondert zu überprüfen.75

Staatssekretär Dr. Müller führt aus, er habe sich auf den Standpunkt gestellt, daß Voraussetzung für die Weiterbeschäftigung eines Beamten die sei, ob er verwendet werden könne, eine Voraussetzung, die hier zu verneinen sei.

Staatsminister Frommknecht fügt hinzu, die Weiterverwendung von Ministerialrat Helmerich bedeute für sein Ministerium eine unerhörte Belastung, zumal die von ihm geleitete Abteilung eigentlich nur auf ihn abgestellt sei. Er bitte dringend darum, Helmerich zu pensionieren, der in keiner Weise mehr geschädigt sei.

Nach kurzer Aussprache wird mit Mehrheit beschlossen, Ministerialrat Helmerich zum nächstmöglichen Termin zu pensionieren.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister