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Nr. 134MinisterratssitzungDienstag, 28. November 1950 Beginn: 15 Uhr 30 Ende: 18 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Konrad (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium), Ministerialrat Leusser (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Oberste Baubehörde), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium).

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Personalangelegenheiten. III. [Besprechung von Sicherheitsfragen mit US-Vertretern in Heidelberg]. [IV. US-Pionierübungsplatz Staffelsee]. [V. Bestimmung der bayerischen Vertreter für Bundesratssitzung]. [VI. Rücktritt von Staatsminister Pfeiffer in den bayerischen Staatsdienst].

I. Bundesratsangelegenheiten

1. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes1

2. Entwurf eines Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegs- und Nachkriegsvorschriften gehemmten Fristen2

3. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Verschollenheitsrechtes3

4. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Fideikommiß- und Stiftungsrechts4

Gegen diese vier Gesetzesentwürfe werden Bedenken nicht erhoben.

5. Entwurf einer Anordnung zur Verordnung über Sachverständige für den Kraftfahrzeugverkehr mit Prüfungsordnung5

Der Ministerrat beschließt, sich dem Votum des Rechtsausschusses vom

9. November 1950 anzuschließen, daß nämlich die Entscheidung nach Art. 129 Abs. 1 [GG]6 und die Verordnung getrennt werden sollen, weil die Entscheidung nach Art. 129 [GG] von der Bundesregierung getroffen werde, während die Verordnung vom Bundesverkehrsministerium allein zu erlassen sei.7

6. Verordnung zur Überführung des Spruchsenats beim Hauptamt für Soforthilfe8

Ministerialrat Leusser führt aus, der Rechtsausschuß habe auch in der Sitzung vom 23. November 1950 mit Mehrheit für die Zulässigkeit der beabsichtigten Verordnung entschieden.9 Von Bayern sei aber bisher der Standpunkt vertreten worden, daß ein formelles Gesetz erforderlich sei,10 weshalb der Koordinierungsausschuß empfehle, auch weiterhin den Entwurf abzulehnen.11

Staatsminister Dr. Ankermüller erklärt gleichfalls, man könne dem Verordnungsentwurf nicht zustimmen.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß von Bayern aus an dem bisherigen Standpunkt festgehalten werde.12

7. Verordnung zur Überführung der Ausführungsbehörde für Unfallversicherung in der britischen Zone13

Ministerialrat Leusser macht darauf aufmerksam, daß dieser Entwurf wahrscheinlich von der Tagesordnung abgesetzt werde; vorsorglich empfehle aber der Koordinierungsausschuß, der vorliegenden Fassung nicht zuzustimmen.14

Staatsminister Krehle meint, die ganze Angelegenheit sei noch recht ungeklärt, wahrscheinlich sei beabsichtigt, mit dieser Verordnung neue Bundesbehörden zu schaffen. Voraussichtlich würden auch die übrigen Länder dem Entwurf nicht zustimmen und sich für die Absetzung aussprechen.15

8. Entwurf eines Gesetzes über Schifferdienstbücher16

Bedenken werden hiergegen nicht erhoben.

9. Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung17

Ministerialrat Leusser führt aus, der Koordinierungsausschuß habe gegen den Regierungsentwurf eine Reihe grundsätzlicher Bedenken erhoben.18 Der Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrates sei in der Sitzung vom 24. November 1950 auch der Mehrzahl der bayerischen Anregungen gefolgt und habe eine Neufassung beschlossen.19

Von Bedeutung sei jetzt vor allem noch folgendes:

In § 1 Satz 1 und 2 und im § 2 des Entwurfs müßte jeweils das Wort „errichten“ durch das Wort „einrichten“ ersetzt werden. Außerdem müsse im § 2 Abs. 1 aus einer Muß-Bestimmung eine Kann-Bestimmung gemacht werden.20

Staatsminister Krehle fügt hinzu, auch er spreche sich dafür aus, „einrichten“ zu sagen.21 Im übrigen sei die Angelegenheit für Bayern an sich von keiner großen Bedeutung, nachdem hier bereits besondere Verwaltungsbehörden für die Kriegsopferversorgung errichtet seien.22 Andererseits glaube er nicht, daß man die Umwandlung des § 2 Abs. 1 in eine Kann-Bestimmung erreichen werde.

Ministerialrat Leusser fährt fort, auch § 5 müsse in verschiedener Hinsicht geändert werden; z. B. habe Abs. 1 Satz 1 folgende Fassung zu erhalten:

„Die Versorgungs- und Landesversorgungsämter sollen binnen drei Monaten. nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ihre Aufgaben als Sonderbehörden übernehmen.“

Außerdem werde § 5 Abs. 2 mit Rücksicht auf die Neufassung von § 1 überflüssig. Schließlich bestünden zwar gegen § 5 Abs. 4 inhaltlich keine Bedenken,23 es wird aber insoweit keine Bundeszuständigkeit für gegeben erachtet, weshalb der Koordinierungsausschuß die Streichung empfehle.24

Der Ministerrat beschließt, sich noch nicht endgültig festzulegen und Herrn Ministerialrat Leusser die Vertretung des bayerischen Standpunkts in Bonn zu überlassen25

10. Verordnung über die Änderung und Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Hessischen Verordnung über die Arbeitslosenfürsorge26

Es wird beschlossen, von bayerischer Seite aus gegen den Entwurf dieser Verordnung zu stimmen.27

11. Entwurf eines Gesetzes über die Erstattung von Leistungen der Sozialversicherung an Flüchtlinge durch den Bund28

Ministerialrat Leusser meint, es bleibe wohl nichts anderes übrig, als diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Der Ministerrat schließt sich dieser Auffassung an.

12. Beratung der Abänderungsanträge zu den Einzelplänen VI, IX, X, XII, XIV, XV und XVI des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 195029

Ministerialrat Leusser teilt mit, das Finanzministerium habe der Staatskanzlei und sämtlichen Ministerien die Ergänzungsvorschläge des Finanzausschusses vom 16. November 1950 zugeleitet,30 in denen alle bayerischen Gesichtspunkte berücksichtigt worden seien.

Staatsminister Dr. Seidel weist darauf hin, daß in der Bundesratssitzung am Freitag zu jedem Einzelplan Stellung genommen und abgestimmt werden müsse. Man müsse sich darüber klar werden, ob man das Votum des Finanzausschusses im Bundesrat unterstützen wolle oder nicht. Da die bayerischen Interessen berücksichtigt zu sein scheinen, könne man sich wohl für die Zustimmung entschließen.31 Er schlage aber vor, es den Verhandlungen in Bonn selbst vorzubehalten, ob im einzelnen Fall so oder so zu entscheiden sei.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.32

13. Entwurf eines Gesetzes über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz)33

14. Entwurf einer Verordnung über die Beschriftung der Kraftfahrzeuge des gewerblichen Straßengüterfernverkehrs34

15. Entwurf einer ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen35

Bedenken werden nicht erhoben.

16. Bestellung eines Ländervertreters für den Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau36

Ministerialrat Leusser berichtet, der Koordinierungsausschuß schlage an Stelle des ausgeschiedenen bisherigen Wirtschaftsministers von Nordrhein-Westfalen, Dr. Nölting,37 als neuen Landesvertreter den jetzigen Wirtschaftsminister Dr. Sträter38 vor.39

Staatsminister Dr. Seidelfügt hinzu, im Wirtschaftsausschuß des Bundesrates habe die SPD beantragt, Herrn Nölting weiter im Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau zu belassen. Er habe daraufhin erklärt, Nordrhein-Westfalen sei bisher durch seinen Wirtschaftminister vertreten worden und es bestehe keine Veranlassung, von dieser Übung abzuweichen. In erster Linie sei es Sache des Landes Nordrhein-Westfalen, wen es benennen wolle.

17. Entwurf einer Entschließung des Bundesrates wegen Gewährung von Blindengeld an Friedensblinde40

Ministerialrat Leusser meint, nachdem in Bayern schon eine derartige Regelung bestehe,41 könne ohne weiteres dem Entwurf zugestimmt werden.

Staatsminister Krehle stimmt zu, macht aber darauf aufmerksam, daß es sich eigentlich hier um eine Fürsorgeangelegenheit handle, die nur deshalb bisher vom Arbeitsministerium geregelt worden sei, weil von Seiten der Besatzungsmacht jede gehobene Fürsorge verboten gewesen sei. Das Bundesinnenministerium arbeite bereits daran, die Frage der Versorgung von Blinden in seinen Bereich zu übernehmen.

18. Entwurf einer Verordnung zur Änderung von Preisen für Steinkohle, Steinkohlenkoks und Steinkohlenbriketts aus den Revieren Ruhr und Aachen42

19. Entwurf einer Verordnung über die Preise von Roheisen, Walzwerkerzeugnisse und Schmiedestücke43

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, es handle sich hier um eine der wichtigsten Entscheidungen der letzten Monate. Letzten Freitag habe eine gemeinsame Sitzung der Wirtschaftsausschüsse des Bundestages und des Bundesrates stattgefunden,44 wobei er eigentlich der Meinung gewesen sei, daß lediglich sachliche Gesichtspunkte besprochen würden, er habe aber feststellen müssen, daß die ganze Angelegenheit auch ein politisches Gesicht erhalten habe. Daraufhin habe er den Antrag gestellt, die Diskussion zu vertagen, um die Unterlagen eingehend prüfen zu können und auch erreicht, daß keine Beschlüsse gefaßt worden seien. Außerdem habe er mit aller Deutlichkeit erklärt, daß im Interesse der eisenverarbeitenden Industrie Bayerns eine vorherige Begrenzung der Frachtbasen eine unabdingbare Forderung Bayerns sei und ohne Erfüllung dieser Forderung in eine Erörterung der beantragten Preiserhöhung überhaupt nicht eingetreten werden könne.

Am Mittwoch werde die entscheidende Sitzung im Bundestagsausschuß45 und am Donnerstag im Bundesratsausschuß stattfinden.46 Beide Verordnungen seien nach Art. 80 Abs. 2  GG47 Zustimmungsverordnungen, wenn also Bundestag oder Bundesrat nicht zustimmen würden, kämen diese Verordnungen nicht zustande.

Was den Kohlenpreis betreffe, so seien die Löhne im Ruhrbergbau neuerdings mit Wirkung vom 1. November 1950 ab um 10% erhöht worden, insgesamt im Laufe der letzten Monate um 19%. Darüber hinaus seien mit der Gewerkschaft Bergbau zusätzliche Schichten vereinbart worden, für die 50%ige Lohnzuschläge gezahlt würden. Diese Lohnerhöhungen zusammen mit dem sogenannten Unterschuß hätten die deutsche Kohlenbergbauleitung zu dem Antrag auf Preiserhöhung veranlaßt. Der Unterschuß betrage pro Tonne 3,70 DM, die Lohnerhöhung ab 1. November 1950 1,76 DM und die vorhergehende Lohnerhöhung 90 Pfg., außerdem sei noch für Abschreibungen usw. ein Betrag von 1,18 DM pro Tonne vorgesehen, sodaß die von der Kohlenbergbauleitung beantragte Erhöhung des Kohlenpreises alles in allem durchschnittlich 7,54 DM betrage.

Das Bundeswirtschaftsministerium habe auf Grund einer komplizierten Formel eine Erhöhung des Preises um 6 DM errechnet, in der alle Lohnerhöhungen berücksichtigt seien, dagegen der Betrag von 1,18 DM gestrichen worden sei.48 Die Preiserhöhung bedeute, daß sich z. B. beim Hausbrand der Preis für den Zentner Kohle um ca. 20 Pfg. erhöhe.

Die Preiserhöhung habe zum Ziel, die schon durchgeführten Lohnerhöhungen aufzufangen und gebe dem Bergbau die Möglichkeit, seine Verdienstspanne zu erweitern, um damit noch nicht genügend durchgeführte Rationalisierungen zu betreiben. Wenn man den vom Bundeswirtschaftsministerium vorgesehenen Betrag von 80 Pfg. pro Tonne für den Unterschuß außer acht lasse, ergebe sich fast genau eine Erhöhung von 5 DM pro Tonne. Von der einen Seite werde geltend gemacht, es habe keinen Sinn, jetzt schon vor der Neuordnung des Bergbaues diesen in die Lage zu versetzen, durch besondere Gewinne zu rationalisieren. Bekanntlich arbeiten die sogenannten Randzechen mit einem Verlust bis 12 DM pro Tonne; auf der anderen Seite gebe es vor allem im Herzen des Ruhrgebiets Zechen, die mit einem Gewinn bis zu 8 DM arbeiteten. Die Annäherung dieser beiden Extreme könne nur durch eine vernünftige Neuordnung in der Weise geschehen, daß Zechen mit guten Ergebnissen eine Randzeche, die mit Verlusten arbeite, angegliedert und nach Möglichkeit modernisiert werde. Wenn jetzt schon die Gewinnspanne erhöht werde, käme dies nur den guten und leistungsfähigen Zechen zugute, während die schlechten keinen Nutzen davon hätten. Es gebe also Sachverständige, die lediglich eine Preiserhöhung um 5 DM pro Tonne vorschlügen, während das Bundeswirtschaftministerium einen Betrag von 6 DM für unbedingt notwendig halte; dabei werde erklärt, der Betrag von 80 Pfg. spiele nur eine untergeordnete Rolle. Wenn man jetzt um 6 DM erhöhe, laufe man Gefahr, daß die Zechen die zusätzlichen Schichten nicht mehr durchführten und dann die angestrebte Förderung von 400000 to pro Tag nicht geleistet werde. Wenn man die Preisfrage mit der bestehenden Mangellage verbinde,49 ergebe sich geradezu ein Zwang zur Zustimmung. Falls es aber gelingen sollte, das jetzt bestehende Exportsoll von 8 Millionen to auf 5,1 Millionen to zu ermäßigen, habe man die Kohlenknappheit überwunden und könnte einer Erhöhung nur um 5 DM zustimmen. Die politischen Parteien hätten besser daran getan, in großen Kundgebungen zum Widerstand gegen die Exportauflage aufzurufen, als die beantragte Kohlenpreiserhöhung für wahltaktische Zwecke zu benutzen.

Es ergebe sich nun die Frage, welchen Standpunkt die bayerischen Vertreter einnehmen sollten. Daß man einer Erhöhung um 5 DM zustimmen müsse, stehe außer Frage, da zweifellos die Lohnerhöhungen ausgeglichen werden müßten. Zweifelhaft sei nur, ob auch einer Erhöhung um 6 DM von Seiten der bayerischen Vertreter die Genehmigung erteilt werden könne. Angesichts der außerordentlich schwierigen Situation möchte er persönlich vorschlagen, dem Plan des Bundeswirtschaftsministeriums zu folgen, durch den der Engpaß in der Kohlenversorgung überwunden werden könne. Das Bundeswirtschaftsministerium habe überdies in einem Schreiben darauf hingewiesen, daß die Erhöhung des Kohlenpreises um 6 DM höchstens eine Erhöhung des Indexes um 0,67% bedeute, bei dem Index der Lebenshaltungskosten lediglich um 0,50%. Das seien natürlich nur theoretische Berechnungen und er glaube, daß die Auswirkungen schon erheblicher seien. Trotzdem müsse er dafür eintreten, sich mit 6 DM einverstanden zu erklären. Damit sei übrigens auch die Gewerkschaft Kohlenbergbau einverstanden.

Staatssekretär Geiger unterstützt die Ausführungen des Herrn Wirtschaftsministers nachdrücklich und betont, wenn Bayern nicht zustimme, bestehe die große Gefahr, daß zwei Sonntagsschichten wegfallen würden und die Kohlenknappheit weiter bestehe, was gerade mit Rücksicht auf die Revierferne für die bayerische Wirtschaft verhängnisvoll sei.

Staatsminister Dr. Seidel fährt fort, Bayern sei auch unmittelbar an der Frage interessiert wegen der oberbayerischen Pechkohle,50 da durch die vorgeschlagene Erhöhung auch der bayerische Bergbau sich besser stellen werde. Übrigens müsse er noch darauf aufmerksam machen, daß bisher im Gegensatz zur Industrie im Kohlenbergbau keine Gewinne erzielt worden seien, was an sich gewollt und richtig gewesen sei. Auf die Dauer gehe es aber nicht, daß der Bergbau durch gestoppte Preise gedrückt und andererseits von ihm erhöhte Förderleistungen gefordert würden.

Nach kurzer Aussprache stimmt der Ministerrat einem Vorschlag51 des Herrn Staatsministers Dr. Seidel zu, wonach dieser grundsätzlich52 im Wirtschaftsausschuß für eine Erhöhung des Kohlenpreises um 6 DM eintrete, die endgültige Haltung Bayerns aber erst unmittelbar vor der Bundesratssitzung am Freitag festgelegt werden solle. Wenn tatsächlich sich eine große Mehrheit im Wirtschaftsausschuß und damit auch im Bundesrat für eine Erhöhung um lediglich 5 DM ausspreche, werde Bayern keine Sonderrolle spielen.

Staatsminister Dr. Seidel fährt sodann fort, was den Stahlpreis betreffe, so sei nach dem ersten Weltkrieg im Zusammenhang mit Kartellbildungen das System der sogenannten Frachtbasen eingeführt worden, d.h., der Eisenpreis werde so berechnet, daß er überall automatisch festgestellt werden könne. Für Nürnberg bedeute das beispielsweise, daß zu dem festen Eisengrundpreis von 225 DM die Fracht für die Entfernung von der Frachtbasis Oberhausen in Höhe von 36,90 DM dazu komme, der Preis in Nürnberg also 261,90 DM betrage, ganz gleich, wo das Eisen bezogen werde. Vor dem ersten Weltkrieg habe als Frachtbase Dietenhofen gegolten, später dann Neunkirchen und Oberhausen. Außerdem sei damals ein für Süddeutschland um 6 Mark billigerer Preis festgesetzt worden, was bedeutet habe, daß für die süddeutsche Industrie gleiche Startverhältnisse bestanden hätten. 1948 habe man dann den ermäßigten süddeutschen Eisenpreis und [die] Frachtbasis Neunkirchen gestrichen und einen einheitlichen Eisenpreis eingeführt; das bedeute natürlich eine wesentliche Verschlechterung für Süddeutschland und die bayerische Industrie, ein Zustand, der unter allen Umständen geändert werden müsse.

Dabei müsse von bayerischer Seite aus versucht werden, auch für den entferntesten Ort eine Fracht von höchstens 20 DM zu erreichen. Natürlich müßte dann auch eine Ausgleichskasse geschaffen werden, in der die Hütten von den erzielten Preisen einen gewissen Betrag einzuzahlen hätten. Dabei habe man sich schon auf 2 DM pro Tonne geeinigt, über die letzten 0,50 DM sei aber keine Übereinstimmung erzielt worden. Die eisenschaffende Industrie habe zwar nicht ganz ausweichen können, sie habe aber den Schachzug gemacht, daß vor der Feststellung der Auswirkungen des Schumanplans53 eine solche innerdeutsche Regelung nicht möglich sei, weil dadurch die Verhandlungsbasis mit den übrigen europäischen Ländern verschoben würde. Diese Auffassung könne er nicht anerkennen, zumal die Realisierung des Schumanplans wohl noch sehr lange Zeit dauern werde.

Zusammenfassend schlage er deshalb vor, daß von Bayern aus der Eisenpreiserhöhung nur dann zugestimmt werde, wenn vorher die Begrenzung der Frachtbasen verbindlich auf 20 DM festgelegt werde. Es werde wohl sicher gelingen, die übrigen süddeutschen Länder auf den bayerischen Standpunkt zu bringen, ferner Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden.54

II. Personalangelegenheiten

Der Ministerrat beschließt zuzustimmen

1. der Ernennung des Regierungsdirektors Dr. Walter Schultheiß55 im Staatsministerium für Wirtschaft zum Ministerialrat, nachdem festgestellt wird, daß das Bundesinnenministerium eine verbindliche Zusicherung auf Übernahme des Dr. Schultheiß in den Bundesdienst gegeben habe,

2. der Ernennung des Regierungsdirektors Dr. Gottfried Amann56 zum Ministerialrat im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Ministerialforstabteilung,

3. der Ernennung des Ministerialrats Prof. Dr. Gustav Seiffert,57 dem Leiter der Gesundheitsabteilung im Staatsministerium der Innern, zum Ministerialdirigenten.

Ferner wird beschlossen, die Ernennungen der Regierungsdirektoren Dr. Wilhelm Wiedemann58 und August Syndikus59 im Staatsministerium des Innern und des Regierungsdirektors Hans Veith60 im Staatsministerium der Finanzen zurückzustellen.

Schließlich wird noch beschlossen, auch die Frage der Höhe61 der Versorgungsbezüge des früheren Staatsbankpräsidenten Albert Gorter zurückzustellen.62

Staatsminister Dr. Ankermüller schlägt vor, die Regierungsdirektorstelle im Amt für Verfassungsschutz63 mit Amtsgerichtsrat Grillenberger64 zu besetzen.

Ministerpräsident Dr. Ehard äußert Bedenken, diese Ernennung jetzt vorzunehmen, da sämtliche Parteien daran äußerst interessiert seien und es wohl zweckmäßiger sei, den Zusammentritt des Landtags abzuwarten.

Staatsminister Dr. Ankermüllermacht auf die Schwierigkeiten aufmerksam, die entstehen könnten, wenn man das Amt längere Zeit nicht besetze.

Ministerpräsident Dr. Ehardentgegnet, trotzdem sei er dafür, im Hinblick auf die politische Bedeutung des Amts für Verfassungsschutz diese Stelle vorläufig nicht zu besetzen.

Staatsminister Dr. Ankermüllererklärt sich damit einverstanden.

III. [Besprechung von Sicherheitsfragen mit US-Vertretern in Heidelberg]

Staatssekretär Dr. Schwalberberichtet über seinen Aufenthalt in Heidelberg, bei dem von amerikanischer Seite verschiedene Sicherheitsfragen besprochen worden seien.65

[IV. US-Pionierühungsplatz Staffelsee]66

Staatssekretär Dr. Müllerteilt mit, er habe wegen des geplanten Pionierübungsplatzes der amerikanischen Armee am Staffelsee mit dem zuständigen Oberst verhandelt.67 Offensichtlich hätten sich die Amerikaner in dieser Sache schon sehr stark festgelegt, sie hätten aber zugesichert, die deutschen Vorstellungen nochmals sehr eingehend zu überprüfen. Ob allerdings noch eine Möglichkeit bestehe, in der Frage Staffelsee etwas zu erreichen, sei recht zweifelhaft.68

[V. Bestimmung der bayerischen Vertreter für Bundesratssitzung]

Anschließend wird beschlossen, daß die bayerische Regierung bei der nächsten Bundesratssitzung in Bonn durch den Herrn Ministerpräsidenten, die Staatsminister Dr. Ankermüller, Dr. Seidel und Dr. Pfeiffer, sowie durch Staatssekretär Dr. Konrad vertreten werde.

[VI. Rücktritt von Staatsminister Pfeiffer in den bayerischen Staatsdienst]

Staatsminister Dr. Pfeiffer wurde auf seinen Antrag der Rücktritt in den bayerischen Staatsdienst binnen drei Jahren zugesichert.69

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staats minister