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Nr. 65MinisterratssitzungDienstag, 30. Oktober 1951 Beginn: 8 Uhr 45 Ende: 11 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirigent Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Regierungsdirektor Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Justizminister Dr. Müller, Kultusminister Dr. Schwalber, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Regelung der Dienstbezüge der noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter des bayerischen Staates vom 27. 7. 1950 (GVBl. S. 109  ). II. Langfristige Sicherung des sozialen Wohnungsbaues; hier: Memorandum des Baufinanzierungsausschusses der Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder der Bundesrepublik Deutschland und Berlin vom 9. Oktober 1951 zu Grundsatzfragen der Wohnungsbauförderung. III. Gesetz gegen nationalsozialistische Kundgebungen. IV. Entwurf einer Verordnung über die Umgliederung der Gemeinde Opferbaum, Landkreis Karlstadt, in den Landkreis Würzburg. V. Vorgriffsweise Genehmigung von Mitteln. 1. Vorgriffsweise Genehmigung von im ordentl. Haushalt Einzelpl. III Kap. 215 vorgesehenen Planstellen für die Bereitschaftspolizei, 2. Vorgriffsweise Bewilligung von Haushaltsmitteln des ao. Haushalts 1951 für Beteiligung und Darlehen des bayerischen Staates an der Österreichisch-Bayerischen Kraftwerke AG. VI. Ersatz der den Stadt- und Landkreisen durch die Teilbewirtschaftung des Brennstoffbedarfs erwachsenen Kosten (Beschluß des Bayer. Senats vom 11. Mai 1951). VII. Umbenennung des Ausschusses für Flüchtlingsfragen im Deutschen Bundesrat. VIII. Antrag des Abg. Ospald und Fraktion. IX. Tag der Opfer des Krieges (Totensonntag). X. Oberste Siedlungsbehörde im Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. XI. Abkommen zwischen der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung über die Ausübung der Paßnachschau in Bayern. XII. [Dokumentarfilm Cronauer]. [XIII. Lohnverhältnisse der Ministerfahrer]. [XIV. Deutsche Verkehrsausstellung 1953]. [XV. Gesetz über die Gewährung einer Sonderzulage an Beamte]. [XVI. Fall Kroupa]. [XVII. Handwerkstag/Statistisches Landesamt]. [XVIII. Übertragung der Entnazifizierungsaufgaben]. [XIX. Landkreisordnung].

I. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Regelung der Dienstbezüge der noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter des bayerischen Staates vom 27. 7. 1950 (GVBl. S. 109  )1

Staatsminister Zietsch führt aus, der Entwurf beabsichtige, das bayerische Gesetz vom 27. 7. 1950 an das Bundesgesetz zu Art. 131 GG anzugleichen; das bedeute eine gewisse Besserstellung der Angehörigen aller noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Beamten.2 Nachdem bereits alle Ministerien dem Entwurf zugestimmt hätten, stehe der Verabschiedung im heutigen Ministerrat nichts mehr im Wege.

Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen und ihn dem Landtag zuzuleiten.3

II. Langfristige Sicherung des sozialen Wohnungsbaues; hier: Memorandum des Baufinanzierungsausschusses der Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder der Bundesrepublik Deutschland und Berlin vom 9. Oktober 1951 zu Grundsatzfragen der Wohnungsbauförderung

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, das Memorandum befasse sich im wesentlichen mit der Finanzierung des Wohnungsbaues, für die eine Reihe von Alternativvorschlägen gemacht würde. Gedacht werde an ein Notopfer, das sich entweder nach der Grundsteuer oder nach dem Einkommen zu bemessen habe. Die Ministerkonferenz der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder habe um möglichst baldige Stellungnahme der Kabinette gebeten, damit bald einheitliche Beschlüsse gefaßt werden könnten.

Staatssekretär Dr. Oberländer weist darauf hin, daß am 8. November eine entscheidende Sitzung bei Bundesminister Wildermuth4 stattfinden werde und es notwendig sei, bis dahin zu einer Klärung zu kommen.

Staatsminister Zietsch ersucht, die Behandlung des Memorandums bis zur nächsten Ministerratssitzung zurückzustellen, da sich das Finanzministerium mit den Vorschlägen noch nicht habe befassen können.

Es wird beschlossen, diesen Punkt der Tagesordnung in der nächsten Ministerratssitzung zu erörtern.5

III. Gesetz gegen nationalsozialistische Kundgebungen

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß der Rechts- und Verfassungsausschuß des Bayer. Landtags am 28. August 1951 Beschluß gefaßt habe, die Staatsregierung zu ersuchen, dem Landtag umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach alle Kundgebungen nationalsozialistischen Inhalts, insbesondere das Abspielen und Singen von Musikstücken und Liedern betont nationalsozialistischen Charakters, unter schärfste Strafe gestellt werden.6 Das Innenministerium habe nun einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, der nationalsozialistische Kundgebungen verbiete und Veranstalter von Kundgebungen usw. mit Geld- oder Gefängnisstrafe bedrohe.

Tatsächlich nähmen ja die neonazistischen Bewegungen gefährliche Formen an; so sei z.B. eine Versammlung des Herrn von Knoeringen7 in Berchtesgaden beinahe gesprengt worden. Besonders bedenklich sei folgender Vorfall in Coburg: Dort habe der Deutsche Block des Herrn Meißner8 einen Deutschen Tag veranstaltet; trotz der dringenden Empfehlung des Innenministeriums, die Versammlung zu verbieten, habe der Oberbürgermeister dies nicht nur nicht getan, sondern sogar auf der Kundgebung gesprochen. Die Plakate seien überall in Oberfranken angeschlagen worden, ohne daß die Regierung von Bayreuth eingeschritten sei.

Staatssekretär Dr. Nerreter berichtet von ähnlichen Fällen in Mittelfranken.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, der jetzt vorliegende Gesetzentwurf stütze sich auf Art. 184 der Bayerischen Verfassung,9 der auch nach der Auslegung des Bayer. Verfassungsgerichtshofes besondere Maßnahmen gegen den Einfluß nationalsozialistischer Ideologien auf das politische Leben zulasse. Der Katalog der verbotenen Lieder und Märsche müsse möglichst klein sein, er glaube deshalb auch nicht, z.B. den Badenweiler Marsch aufnehmen zu können.

Staatssekretär Dr. Koch führt aus, das Justizministerium habe noch keine endgültige Stellungnahme bezogen. Selbstverständlich stehe es auf dem Standpunkt, daß etwas getan werden müsse. Immerhin seien einige rechtliche Einwendungen, die ihm vorgetragen worden seien, nicht von der Hand zu weisen.

Staatssekretär Dr. Ringelmann betont die Notwendigkeit einer staatlichen Polizeiverwaltung, da sonst die örtlichen Polizeiverwaltungen viel zu sehr freie Hand hätten.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es für dringend notwendig, daß vor allem die demokratischen Parteien sich gegen rechtsradikale Angriffe zur Wehr setzen. Er halte den Gesetzentwurf für notwendig, bitte aber, seine Behandlung bis zum nächsten Mal zu verschieben, da die Äußerung des Justizministeriums abgewartet werden müsse.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

In diesem Zusammenhang legt Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner auch eine Verordnung über die öffentliche Verbreitung von Plakaten, Flugschriften usw. vor.10 Er weist darauf hin, daß diese Verordnung, die wohl eine Verordnung der Staatsregierung sein müsse, an die Stelle der oberpolizeilichen Vorschriften von 1929 treten müsse. Der Wortlaut der Verordnung beruhe im wesentlichen auf den Vorschriften von 1929, allerdings sei § 1 abgeändert worden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann gibt zu erwägen, ob nicht das Bemalen von Hauswänden usw. dem Anschlag von Plakaten gleichgesetzt werden könnte.

Der Ministerrat beschließt, der Verordnung in der vorliegenden Form zuzustimmen und sie als Verordnung der Staatsregierung bekannt zu machen.11

Staatsminister Zietsch wirft noch die Frage des Obersalzbergs auf und hält es für unbedingt erforderlich, daß bald eine endgültige Entscheidung getroffen werde. Vor kurzem habe übrigens eine Baufirma das Angebot gemacht, alle Ruinen abzutragen, dafür einen Preis von DM 30000 zu bezahlen und außerdem 200000 Steine für den Bau eines Jugendheims zur Verfügung zu stellen. Wenn die Freigabe tatsächlich erfolgt sei, könne man dieses Angebot in Erwägung ziehen.

Ministerialdirigent Dr. Schwend teilt mit, daß er soeben mit dem Landeskommissar gesprochen und erfahren habe, daß dieser heute einen Brief über die Freigabe des Obersalzbergs absenden werde. Sobald dieses Schreiben eingelaufen sei, könne sofort mit dem Abbruch begonnen werden.

Es wird festgestellt, daß für die Durchführung der Arbeiten auf dem Obersalzberg das Staatsministerium der Finanzen federführend ist.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich bereit, die erforderlichen Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen.

Es wird noch vereinbart, daß das Schreiben des Landeskommissars allen beteiligten Ministerien sofort zugeleitet werden soll.12

IV. Entwurf einer Verordnung über die Umgliederung der Gemeinde Opferbaum, Landkreis Karlstadt, in den Landkreis Würzburg13

Der Ministerrat stimmt der Verordnung, die nach Art. 9 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung14 der Zustimmung des Landtags bedarf, mit der Maßgabe zu, daß § 3 folgende Fassung erhält:

„Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Vollzugsvorschriften erläßt das Staatsministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen.“15

V. Vorgriffsweise Genehmigung von Mitteln

1. Vorgriffsweise Genehmigung von im ordentl. Haushalt Einzelpl. III Kap. 215 vorgesehenen Planstellen für die Bereitschaftspolizei16

Der Ministerrat beschließt, dem Bayer. Landtag einen Antrag vorzulegen, wonach 136 Planstellen für die Bereitschaftspolizei, die im ordentl. Haushalt Einzelpl. III Kap. 215 vorgesehen sind, vorweg genehmigt werden.17

2. Vorgriffsweise Bewilligung von Haushaltsmitteln des ao. Haushalts 1951 für Beteiligung und Darlehen des bayerischen Staates an der Österreichisch-Bayerischen Kraftwerke AG18

Der Ministerrat beschließt, dem Landtag einen Antrag vorzulegen, wonach einem Vorgriff auf den im Voranschlag des ao. Haushalts für das Rechnungsjahr 1951 vorgesehenen Ansatz für Beteiligung und Darlehen des bayer. Staates an der Österreichisch-Bayerischen Kraftwerke AG in Höhe von 5 Millionen DM zugestimmt wird.19

VI. Ersatz der den Stadt- und Landkreisen durch die Teilbewirtschaftung des Brennstoffbedarfs erwachsenen Kosten (Beschluß des Bayer. Senats vom 11. Mai 1951)20

Staatsminister Zietsch führt aus, nach Art. 2 des Finanzausgleichsgesetzes erhielten die Gemeinden Zuschüsse zu den Kosten, die ihnen aus Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises entstünden; der Zuschuß habe früher 4 DM pro Kopf betragen, er sei dann nach dem Wegfall der Ernährungs- und Wirtschaftsämter auf 2,50 DM ermäßigt worden. Da die Kosten für die Ernährungs- und Wirtschaftsämter pro Kopf 1,77 DM betragen hätten, bestehe in der Tat noch ein Spielraum von 27 Pfennigen, der die Gemeinden in den Stand setze, einmalige übertragene Aufgaben zu erfüllen. Jedenfalls reiche diese Differenz dazu aus, daß damit die Kosten für die Bewirtschaftung der Brennstoffe, die keinesfalls erheblich seien, getragen werden könnten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, das Ministerium des Innern stehe auf dem Standpunkt, daß es sich um neue Aufgaben handle und deshalb Art. 83 Abs. 3 [BV] einschlägig sei.21

Staatssekretär Dr. Nerreter fügt hinzu, die Gemeinden betrachteten diese Angelegenheit, bei der der Streitwert an sich geringfügig sei, als einen Präzedenzfall.

Staatssekretär Dr. Ringelmann ist der Auffassung, daß der Begriff „neue Aufgaben“ etwas anderes bedeute als die Erfüllung eines einmaligen vorübergehenden Auftrags.

Der Ministerrat beschließt, dem Senat auf seinen Beschluß vom 11. Mai 1951 durch den Herrn Ministerpräsidenten auf Grund eines Entwurfs des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen eine Antwort zu erteilen. Dabei soll das Argument des Herrn Staatsministers der Finanzen, daß noch in Gemeinden pro Kopf der Bevölkerung ein Betrag von 27 D-Pfennigen zur Erfüllung einmaliger Aufträge zur Verfügung stehe, verwendet werden.

VII. Umbenennung des Ausschusses für Flüchtlingsfragen im Deutschen Bundesrat

Staatssekretär Dr. Oberländer begründet kurz seinen Vorschlag, im Bundesrat den Antrag zu stellen, den Ausschuß für Flüchtlingsfragen in „Ausschuß für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen“ umzubenennen.

Der Ministerrat beschließt, diesen Antrag an den Präsidenten des Deutschen Bundesrates zu stellen.

VIII. Antrag des Abg. Ospald und Fraktion

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, der Abg. Ospald22 habe im Landtag den Antrag eingebracht, die Staatsregierung zu ersuchen, ihre nachgeordneten Dienststellen anzuweisen, beim Partei- und Schriftverkehr die Bezeichnung „DDR“ zu vermeiden und dafür die Bezeichnung „sowjetisch besetzte Zone“ zu gebrauchen.23 Der Antrag sei im Rechts- und Verfassungsausschuß zurückgestellt worden, um der Staatsregierung Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

Der Ministerrat beschließt, auf Vorschlag des Herrn Finanzministers Zietsch dem Landtag mitzuteilen, daß die Staatsregierung die Bezeichnungen „Regierung der sowjet-russischen Zone“ und „sowjetisch-russische Zone“ anstelle der Bezeichnung „DDR“ für richtig halte.

IX. Tag der Opfer des Krieges (Totensonntag)24

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner berichtet, die großen christlichen Konfessionen hätten sich auf den 25. November 1951 als Tag der Opfer des Krieges geeinigt. Die Durchführung der Feiern werde der Verband der Kriegsgeschädigten und Kriegshinterbliebenen und der Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge übernehmen. Anderen verfassungstreuen Organisationen bleibe es unbenommen, sich zu beteiligen. Notwendig sei es nur, den rechtsradikalen Bund der Kriegsbeschädigten und den kommunistisch beeinflußten Reichsbund der Kriegsbeschädigten auszuschalten. Der Ministerrat müsse wohl heute einen Beschluß fassen, daß der 25. November zum Tag der Opfer des Krieges bestimmt werde.

Der Ministerrat beschließt dem Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Hoegner entsprechend den 25. 11. als Tag der Opfer des Krieges zu bestimmen.25

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fügt noch hinzu, bei den Veranstaltungen werde wohl ein Mitglied der Staatsregierung und Herr Oberbürgermeister Wimmer26 sprechen.27

X. Oberste Siedlungsbehörde im Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Staatssekretär Maag führt aus, nach dem Tode des Herrn Ministerialrats Münsterer28 sei es notwendig geworden, einen Nachfolger als Leiter der Obersten Siedlungsbehörde zu ernennen. Herr Staatsminister Dr. Schlögl sei der Auffassung gewesen, im Hinblick auf die zahlreichen noch anhängigen Rechtsfälle könne die Leitung nur einem Juristen übertragen werden. Er habe deshalb Oberregierungsrat Dr. Engelhardt29 bestimmt. Dieser sei sehr gut bewährt, stamme wohl aus Bayern, sei aber als Flüchtling zu betrachten.

Staatssekretär Dr. Oberländer erwidert, es liege ihm fern, in die Kompetenzen des Herrn Landwirtschaftsministers einzugreifen. Hier handle es sich aber um eine Stelle, die für die Umsiedlung der heimatvertriebenen Bauern von großer Bedeutung sei. Er halte den bisherigen Stellvertreter des verstorbenen Ministerialrats Münsterer, Dr. Hertrich,30 für einen ausgezeichneten Fachmann und habe sich deswegen für ihn eingesetzt.31 Jedenfalls hätte die Frage der Nachfolge im Ministerrat besprochen werden müssen, da es sich hier um eine unmittelbar einem Ministerium unterstehende Stelle handle.32

Ministerpräsident Dr. Ehard und Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner bestätigen diese Auffassung, halten es aber für schwierig, jetzt nochmals eine Änderung vorzunehmen.

Staatsminister Zietsch meint, auch über Dr. Engelhardt lasse sich viel Gutes sagen.

Auf Vorschlag von Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner wird beschlossen, die Angelegenheit bis zur Rückkehr des Herrn Staatsministers Dr. Schlögl zurückzustellen und in seiner Abwesenheit keine Entscheidung zu treffen.33

XI. Abkommen zwischen der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung über die Ausübung der Paßnachschau in Bayern34

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt den Entwurf dieses Abkommens bekannt, demzufolge die Bundesregierung von der Errichtung von Paßkontrollstellen als Bundesunterbehörden im Gebiet des Landes Bayern absehe.35 Die Paßnachschau an den Landesgrenzen Bayerns werde durch die Bayerische Landesgrenzpolizei vorgenommen, die Staatsregierung erkläre sich aber mit der Entsendung von Beauftragten der Bundesregierung zu einzelnen Dienststellen der Landesgrenzpolizei einverstanden.

Der Ministerrat erklärt sich mit dem Abkommen einverstanden.36

XII. Dokumentarfilm Cronauer37

Staatsminister Zietsch teilt mit, das Finanzministerium habe am 29. Oktober 1951 dem Kultusministerium mitgeteilt, daß der für den Ankauf der Dokumentarfilme des Herrn Cronauer erforderliche Betrag ausgeworfen werden kann; damit sei diese Angelegenheit erledigt.38

[XIII.] Lohnverhältnisse der Ministerfahrer39

Staatsminister Zietsch fährt fort, hier müßte noch eine Reihe von Feststellungen getroffen werden, was voraussichtlich noch ungefähr 14 Tage in Anspruch nehme.

Staatssekretär Dr. Ringelmann macht darauf aufmerksam, daß in Bonn mit den Fahrern Tarifverträge abgeschlossen worden seien.

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß eine gleichmäßige Regelung für sämtliche Fahrer herbeigeführt werden müsse. Er glaube sicher, in 14 Tagen dem Ministerrat eine entsprechende Vorlage machen zu können.40

[XIV.] Deutsche Verkehrsausstellung 195341

Unter Bezugnahme auf die Besprechung im letzten Ministerrat macht Staatsminister Zietsch darauf aufmerksam, daß die Mitteilung des Herrn Staatsministers a.D. Frommknecht nicht zutreffend sei. Für die Durchführung der Ausstellung sei eine erste Rate in Höhe von 100000 DM veranschlagt worden. Dieser Betrag werde vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags zu einem Drittel vom bayerischen Staat und zu je einem weiteren Drittel vom Bund und der Stadt München getragen werden.42

[XV.] Gesetz über die Gewährung einer Sonderzulage an Beamte43

Staatsminister Zietsch berichtet, der Gesetzentwurf sei bereits im Haushaltsausschuß angenommen worden, dabei sei über die Zulagen an die Mitglieder der Staatsregierung nicht diskutiert worden. Ein Antrag des Abg. Lippert,44 den zweiten Halbsatz des § 3 zu streichen,45 sei nicht angenommen worden. Er halte es für notwendig, das Kabinett davon zu unterrichten.46

[XVI.] Fall Kroupa47

Staatssekretär Dr. Oberländer teilt mit, er habe am letzten Freitag die Nachricht bekommen, daß sich Kroupa‘ in Schleißheim befinde; bekanntlich werde dieses Lager in den nächsten Tagen auf die deutsche Verwaltung übertragen werden. Im Landeskommissariat sei ihm gesagt worden, der Fall Kroupa sei außerordentlich schwierig, die Amerikaner könnten ihn nicht ausliefern, aber auch nicht aburteilen.48 Er habe daraufhin in dieser Sache, die die Sudetendeutschen außerordentlich stark bewege,49 an Herrn Prof. Shuster geschrieben. Mündlich habe er ihm noch erklärt, entweder müßten die Amerikaner Kroupa aburteilen oder die deutschen Gerichte. Prof. Shuster habe daraufhin geantwortet, er wünsche mit dem Herrn Ministerpräsidenten selbst über diesen Fall zu sprechen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, der Landeskommissar habe ihm erklärt, Kroupa werde nicht freikommen, mit der Überweisung an deutsche Gerichte habe es aber große Schwierigkeiten.

Staatssekretär Dr. Oberländer fährt fort, er sei der Auffassung, daß unbedingt etwas unternommen werden müsse; er halte es für zweckmäßig, wenn sich der Herr Ministerpräsident nochmals mit dem Landeskommissar in Verbindung setze. Wenn es Kroupa gelingen sollte, zu entwischen, würde die Erregung der Sudetendeutschen und des Landtags außerordentlich groß sein.

Ministerpräsident Dr. Ehard sichert zu, sich mit Herrn Prof. Shuster nochmals in Verbindung setzen zu wollen.50

[XVII.] Handwerkstag/Statistisches Landesamt

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, der Handwerkstag habe sich darüber beschwert, daß das Statistische Landesamt den Gewerkschaften zur Vorbereitung der Betriebsrätewahlen die Adressen aller Handwerksbetriebe mit weniger und mit mehr als zehn Arbeitnehmern mitgeteilt habe. Der Handwerkstag erblicke darin eine Verletzung der Geheimhaltungspflicht der Statistik. Seiner Meinung nach handle es sich hier um einen Grenzfall. Der Handwerkstag beabsichtige nicht, diese Angelegenheit an die Öffentlichkeit zu bringen oder eine Anfrage im Bayer. Landtag stellen zu lassen. Er ersuche aber darum, geeignete Maßnahmen gegen die verantwortlichen Herren des Statistischen Landesamts in die Wege zu leiten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, auch er habe Bedenken gegen die Vermittlung von Adressen an die Gewerkschaften, wobei er auf dem Standpunkt stehe, daß man vor allem zwischen allgemeinen Angaben, die das Statistische Landesamt bekanntgeben könne, und der Vermittlung von Adressen unterscheiden müsse. Er selbst sei vom Leiter des Amtes nicht befragt worden.

Staatssekretär Dr. Koch meint gleichfalls, daß es sich hier um keine echten Aufgaben des Statistischen Landesamts gehandelt habe.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es vor allem für notwendig, alles zu vermeiden, was das Vertrauen zum Statistischen Landesamt erschüttern könne. Aus diesem Fall selbst wolle er nicht viel machen, immerhin müsse aber der Handwerkstag beruhigt werden.

Staatsminister Dr. Seidel schlägt vor, der Ministerpräsident möge dem Handwerkstag mitteilen, der Herr Staatsminister des Innern habe das Statistische Landesamt angewiesen, in Zukunft in solchen Grenzfällen seine Meinung einzuholen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.

[XVIII.] Übertragung der Entnazifizierungsaufgaben51

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert daran, daß noch keine Entscheidung darüber getroffen worden sei, welches Ministerium in Zukunft die Aufgaben der Entnazifizierung übernehmen solle, in Frage kämen wohl nur die Staatsministerien des Innern und der Justiz.

Es wird vereinbart, die Frage bis zur Rückkehr des Herrn Staatsministers Dr. Müller zurückzustellen.52

[XIX.] Landkreisordnung53

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, die gutachtliche Äußerung des Senats zur Landkreisordnung liege nun vor,54 er ersuche nun darum, Anfang nächster Woche eine Abendsitzung zur Besprechung der Landkreisordnung abzuhalten.

Ein Termin wird noch nicht festgelegt.

Anschließend wird vereinbart, die nächste Sitzung des Ministerrats für Dienstag, den 6. November 1951, vormittags 9 Uhr, festzusetzen.55

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Karl Schwend
Ministerialdirigent