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Nr. 72MinisterratssitzungDienstag, 4. Dezember 1951 Beginn: 9 Uhr Ende: 12 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Dr. Müller, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschafts – minister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirigent Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Regierungsdirektor Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Presse- und Informationsamt).

Entschuldigt:

Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium).

Tagesordnung:

I. Personalangelegenheiten. II. Bundesratsangelegenheiten. III. Verfassungsänderung; hier: Einfügung eines Art. 120a [GG]. IV. [Geschäftsordnung für die Staatsregierung]. [V. Technische Hochschule München]. [VI. Staatliche Erfassungs-Gesellschaft]. [VII. Saalschlacht in Berchtesgaden]. [VIII. Deutsche Akademie]. [IX. Beschluß betr. nichtbayerische Betriebsvertretungen].

I. Personalangelegenheiten

1. Ernennung des Bayer. Bevollmächtigten in Bonn

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, er beabsichtige, den Richter am Bundesverfassungsgericht, Herrn Claus Leusser, zum Bevollmächtigten in Bonn zu ernennen; Herr Leusser sei auch bereit, diese Ernennung anzunehmen.

Staatsminister Dr. Oechsle schlägt dazu vor, eine weitere Persönlichkeit dem Bevollmächtigten als Vertreter der wirtschaftlichen Interessen Bayerns beizugeben, dabei denke er an das Vorstandsmitglied der Kraus-Maffei AG, Herrn Spieß,1 der früher als Oberregierungsrat im Arbeitsministerium tätig gewesen sei.

Nach längerer Aussprache wird beschlossen, keinen eigentlichen Vertreter des Bayer. Bevollmächtigten zu bestellen und lediglich im Falle der Verhinderung des Bevollmächtigten Herrn Regierungsdirektor Dr. Rigler2 die Stellvertretung übernehmen zu lassen.

Der Ministerrat beschließt, Herrn Leusser zum Ministerialdirektor zu ernennen und ihm die Stelle eines Bayer. Bevollmächtigten beim Bund zu übertragen.

2. Ministerialdirigent Dr. h.c. Schwend

Der Ministerrat beschließt, Herrn Ministerialdirigenten Dr. h.c. Schwend zum Ministerialdirektor zu ernennen unter der Voraussetzung, daß das Staatsministerium der Finanzen noch seine Zustimmung erteilt.3

3. Professor Dr. Glum4

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, der Verwaltungsgerichtshof mache Schwierigkeiten, Professor Glum als Richter5 am Verwaltungsgerichtshof zu übernehmen. Es werde nun vorgeschlagen, ihm die Stelle eines Präsidenten des Verwaltungsgerichts in Ansbach zu übertragen, die frei sei; damit sei auch der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, Herr Staatsrat Dr. Kollmann,6 einverstanden.

Der Ministerrat beschließt, nachdem auch Herr Staatsminister Dr. Hoegner zustimmt, Professor Dr. Glum zum Präsidenten des Verwaltungsgerichts in Ansbach zu ernennen.

II. Bundesratsangelegenheiten

1. Entwurf eines Arbeitsgerichtsgesetzes7

a) Regierungsdirektor Dr. Gerner führt aus, die Empfehlungen des federführenden Ausschusses für Arbeits- und Sozialpolitik wichen von denen des Rechtsausschusses erheblich ab, der im allgemeinen auf dem gleichen Standpunkt wie die Regierungsvorlage stehe.8 Bei den Meinungsverschiedenheiten handle es sich in erster Linie um die Frage, ob die Arbeitsgerichtsbarkeit wieder in eine gewisse Beziehung zur Justizverwaltung gebracht werden solle oder nicht. Der Regierungsentwurf sehe vor, daß die Arbeitsverwaltung federführend, jedoch in den wichtigsten Angelegenheiten an das Einvernehmen mit der Justizverwaltung gebunden sein solle, während der Sozialpolitische Ausschuß jede Verbindung mit der Justiz ablehne.9 Weitere Differenzpunkte seien die Fragen der Vorbildung der Arbeitsgerichts Vorsitzenden10 und der Zulassung von Anwälten.11

Staatsminister Dr. Oechsle weist darauf hin, daß es sich hier um eine sehr bedeutsame politische Entscheidung handle. Bisher habe eine ausschließliche Zuständigkeit des Arbeitsministeriums bestanden, er sehe auch nicht ein, warum nun die Justiz eingeschaltet und ihr Einvernehmen verlangt werden solle. In keiner anderen Sondergerichtsbarkeit seien derartige Tendenzen vorhanden, die für ein ganz unbegründetes Mißtrauen gegenüber den Arbeitsministerien sprächen. Der Sozialpolitische Ausschuß habe deshalb auch einstimmig den Entschluß gefaßt, alle Stellen des Entwurfs zu streichen, die ein Einvernehmen verlangen, z.B. in § 34,12 wo es gänzlich unnötig sei.

Staatssekretär Dr. Koch meint, wenn man die Frage entscheiden müsse, ob das Arbeitsministerium allein Rechtsangelegenheiten behandeln solle oder die Justiz, dann müsse man allerdings der Justiz den Vorzug geben. Er könne nicht einsehen, warum man diesen Teil der Justiz herausgezogen habe unter Veränderung von Grundsätzen, die sich überall bewährt hätten. Bis 192613 habe die Justiz die arbeitsgerichtlichen Verfahren unter Zuziehung von Beisitzern behandelt mit einem Ergebnis, das zweifellos zufriedenstellend gewesen sei. Er sehe ein, daß man den früheren Zustand nicht wieder herstellen könne; wenn man aber jetzt, wie in der Regierungsvorlage beabsichtigt, wenigstens eine gewisse Verbindung zwischen Arbeitsgerichtsbarkeit und Justiz herstelle, so sei dies zweifellos zu begrüßen. Auch er müsse sich mit den Vorschlägen des Rechtsausschusses einverstanden erklären.

Ministerpräsident Dr. Ehard bedauert es, daß die Arbeitsgerichtsbarkeit aus dem Rahmen der Justiz herausgenommen worden sei und sich dadurch zu einer Sondergerichtsbarkeit entwickelt habe. Mit den Verwaltungsgerichten oder sonstigen Sondergerichten könne man das wohl nicht vergleichen. Er sei sich dessen wohl bewußt, daß es sich hier um eine politische Entscheidung handle und glaube auch, daß man niemals durchsetzen könne, daß dieser Zweig in die allgemeine Justiz zurückkomme. Der Kompromiß der Regierungsvorlage gefalle ihm auch nicht recht, er halte es aber für notwendig, wenigstens diese Verbindung wieder herzustellen.

Die Entwicklung in der Arbeitsgerichtsbarkeit betrachte er mit Bedenken, man habe immer mehr Berufsrichter abgelöst mit der Wirkung, daß eine gewisse Gefahr für eine Klassenjustiz entstehe.

Staatsminister Dr. Oechsle widerspricht diesen Ausführungen und stellt fest, daß im Sozialpolitischen Ausschuß ein Kompromißvorschlag gemacht worden sei dahingehend, daß die Vorsitzenden der Arbeitsgerichte die Befähigung zum Richteramt haben müßten, daneben aber auch besonders befähigte Laienrichter genommen werden könnten. § 18 nach dem Vorschlag des Sozialpolitischen Ausschusses sehe vor, daß außer berufsmäßigen Richtern auch berufen werden könne, wer mindestens fünf Jahre hauptberuflich bei Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern mit der Rechtsberatung in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten und mit der Vertretung vor Arbeitsgerichten befaßt gewesen sei.14

Ministerpräsident Dr. Ehard hält seine Bedenken aufrecht, während Staatsminister Dr. Müller hinzufügt, er befürchte, daß eine unabhängige Rechtssprechung zumindest gefährdet werden könne.

Staatsminister Zietsch bemerkt, die bisherige Regelung mit einer dreijährigen Berufung sei unmöglich und tatsächlich ein organisatorischer Fehler gewesen.15 Dieser Fehler solle aber jetzt durch die lebenslängliche Berufung beseitigt werden.16 Im übrigen könne er aus Erfahrung sagen, daß sich bei den Arbeitsgerichten das Laienelement durchaus bewährt habe. Auch sei zu beachten, daß vor diesen Gerichten an sich sicher 80% der Fälle durch Vergleich erledigt würden. Er sehe nicht ein, warum man nicht einem ausgezeichnet befähigten Mann, der nicht Richter sei, die Möglichkeit geben solle, Vorsitzender eines Arbeitsgerichts zu werden. Er werde ja Richter auf Lebenszeit und damit ebenso unabhängig wie jeder andere auch. Er glaube, man sollte sich den Beschlüssen des Sozialpolitischen Ausschusses anschließen.

Staatsminister Dr. Oechsle regt an, ob man nicht statt „Einvernehmen“ die Fassung „Benehmen“ wählen könne.

Staatsminister Dr. Müller hält das nicht für zweckmäßig und meint, entweder müsse ein Einvernehmen bestehen oder überhaupt nichts derartiges.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es nicht für gut, daß die Verbindung einfach abgerissen werde. Er spreche hier nicht als Jurist, sondern als ein Mann, der jahrzehntelang in der Gerichtsbarkeit tätig gewesen sei. Wenn man die Arbeitsgerichtsbarkeit als ordentliche Gerichtsbarkeit aufrecht erhalten wolle, dann müsse sie auch in Verbindung mit der Justiz stehen, da sie ja nichts anderes sei, als ein Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Ob tatsächlich in allen Punkten ein Einvernehmen notwendig sei, darüber könne man sich zweifellos noch unterhalten, nur am Grundsatz müsse s.E. festgehalten werden. Er wiederhole nochmals, daß eine Unterstellung der Arbeitsgerichtsbarkeit unter die Justiz nicht mehr möglich sei.

Staatsminister Dr. Oechsle beantragt abschließend, den Anträgen des Sozialpolitischen Ausschusses beizutreten.

Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, diesem Antrag nicht zu folgen und der Regierungsvorlage zuzustimmen.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht dann nochmals, daß sich die Staatsminister der Justiz und für Arbeit und Soziale Fürsorge wegen der Einzelheiten nochmals in Verbindung setzten möchten.

Staatssekretär Dr. Koch wirft noch ein, der Grundsatz der Gewaltenteilung gestatte es eigentlich nicht mehr, die Justiz aufzuspalten; er überlege, ob er diesen Standpunkt nicht einmal in der Literatur vertreten solle.

Regierungsdirektor Dr. Gerner macht noch darauf aufmerksam, daß im Bundesrat die beiden Vorschläge des Sozialpolitischen und des Rechtsausschusses zur Abstimmung gebracht würden. Er dürfe die Frage stellen, ob dann für den Fall, daß eine Mittellösung gefunden werde, dies als Antrag Bayerns gestellt werden könne? Der Ministerrat müsse wohl insoweit dem Ausschuß der beteiligten Ministerien eine Ermächtigung erteilen.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten beschließt der Ministerrat nochmals ausdrücklich, an der Regierungsvorlage festzuhalten. Die beteiligten Ministerien sollen aber prüfen, ob tatsächlich ein Einvernehmen in allen Fällen notwendig sei.

b) Prozeßvertretung

Staatsminister Dr. Oechsle erklärt, der Sozialpolitische Ausschuß sei an sich gegen die Zulassung von Anwälten in der ersten Instanz.17 Er sehe aber ein, daß dies in schwierigen Fällen notwendig sein könne und schlage deshalb vor, Anwälte durch Gerichtsbeschluß zuzulassen.18 Der Ausschuß befürchte, daß die Zahl der Vergleiche andernfalls zurückgehen werde. Entscheidend sei aber der Umstand, daß der wirtschaftlich Schwächere in eine schwierige Lage kommen könne, wenn die Gegenpartei die Möglichkeit habe, einen Anwalt zu nehmen.

Staatsminister Dr. Seidel erwidert, auf Grund seiner Erfahrungen anderer Meinung zu sein. Der wirtschaftlich Schwächere sei immer durch die Gewerkschaften vertreten, wenn er ihnen angehöre. Er sei nicht damit einverstanden,19 daß man einen Berufsstand ausgerechnet bei arbeitsgerichtlichen Sachen ausschließe.

Auch Ministerpräsident Dr. Ehard hält es nicht für logisch, daß in Arbeitsgerichtsprozessen jedermann Vertreter sein könne, nur nicht der Anwalt, der doch eigentlich zur Vertretung berufen sei.

Staatsminister Zietsch wirft ein, die jetzt vorgeschlagene Fassung habe sich schon seit 1926 bewährt. Der Arbeitsgerichtsprozeß sei nun einmal etwas Besonderes, er müsse rasch erledigt werden können, weshalb er die damaligen Gründe auch heute noch für beachtlich halte.

Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, in der Frage der Prozeßvertretung § 11 der Regierungsvorlage zuzustimmen.

c) § 18: Bestellung der Vorsitzenden20

Der Ministerrat beschließt, bei Abs. 1 dieser Bestimmung dem Rechtsausschuß zu folgen.

Abs. 2 und 3:

Es wird beschlossen, die Vorschläge des Sozialpolitischen Ausschusses zu übernehmen.

Abs. 4:

Staatsminister Dr. Oechsle begründet die Notwendigkeit, hier dem Sozialpolitischen Ausschuß zu folgen.21

Staatsminister Dr. Müller stimmt ebenfalls zu mit dem Hinweis, daß sich dadurch vielleicht eine Qualitätsverbesserung erreichen lasse.

Es wird beschlossen, auch hier die Vorschläge des Sozialpolitischen Ausschusses zu übernehmen.

Regierungsdirektor Dr. Gerner fügt hinzu, einige Länder hätten den Wunsch geäußert, noch nebenamtliche Richter vorzusehen; der Rechtsausschuß habe dafür einen Vorschlag ausgearbeitet.

Es wird beschlossen, dem Vorschlag des Rechtsausschusses zuzustimmen.

Abs. 7:

Der Ministerrat beschließt, auch hier dem Sozialpolitischen Ausschuß zu folgen.

d) § 1922

Regierungsdirektor Dr. Gerner weist darauf hin, daß der Sozialpolitische Ausschuß beantragt habe, in Abs. 2 dieser Bestimmung das Wort „hauptamtlich“ zu streichen.

Der Ministerrat beschließt, den Vorschlag des Sozialpolitischen Ausschusses nicht zu unterstützen.

e) § 3623

Hier wird beschlossen, dem Vorschlag des Rechtsausschusses beizupflichten.

f) § 4024

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet, diese Bestimmung in Abs. 1 sehe vor, daß das Bundesarbeitsgericht seinen Sitz in Kassel haben solle. Der Sozialpolitisches Ausschuß habe beantragt, „Kassel“ zu streichen und vorläufig durch zu ersetzen.

Der Ministerrat beschließt, bei dem Sitz in Kassel zu verbleiben.

g) § 10825

Es wird festgestellt, daß die Vorschläge des Sozialpolitischen und des Rechtsausschusses zu dieser Bestimmung übereinstimmen und übernommen werden können.

h) § 11226

Der Ministerrat beschließt, den Vorschlag des Sozialpolitischen Ausschusses zu unterstützen.

i) § 11327

Staatssekretär Dr. Koch teilt mit, der Vertreter des Justizministeriums in der Koordinierungsbesprechung habe beantragt, dem Ministerrat vorzuschlagen, daß Bayern im Bundesrat einen Antrag auf Streichung des § 113 des Regierungsentwurfs stelle;28 er selbst könne sich aber mit diesem Antrag nicht einverstanden erklären.

Der Ministerrat beschließt, keinen Antrag auf Streichung des §113 zu stellen.

j) § 11729

Der Ministerrat stellt fest, daß die Vorschläge zu dieser Bestimmung noch geklärt werden müßten, grundsätzlich aber die Anregung des Sozialpolitischen Ausschusses übernommen werden könne.30

2. Entwurf eines Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen31

Staatsminister Dr. Oechsle weist darauf hin, daß dieser Gesetzentwurf im Bundestag eine äußerst knappe Mehrheit gefunden habe.

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet über die Besprechung im Koordinierungsausschuß und schlägt vor, sich auf den Standpunkt zu stellen, daß es sich hier um ein Zustimmungsgesetz handle, dem aber nach Art. 78 [GG]32 zugestimmt werden könne.33 Dabei sollte man lediglich den rechtlichen Standpunkt darlegen. Die Fachausschüsse hätten sich auch dafür ausgesprochen, den Vermittlungsausschuß nicht anzurufen.

Der Ministerrat beschließt, diesem Vorschlag zu entsprechen.

Staatsminister Dr. Seidel erklärt allerdings, er sei gegen den Gesetzentwurf, da er ihn nicht für notwendig halte.34

3. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes35

Regierungsdirektor Dr. Gerner fährt fort, die Fachausschüsse hätten beschlossen, keinen36 Antrag nach Art. 77 Abs. 2  GG zu stellen. In der gestrigen Koordinierungssitzung sei aber beschlossen worden, wegen des § 10a nun doch den Vermittlungsausschuß anzurufen.37

Der Ministerrat beschließt, keinen Antrag nach Art. 77 Abs. 2  GG zu stellen.38

4. Entwurf eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll39

5. Entwurf eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll und drei Zusatzvereinbarungen40

Zu diesen beiden Punkten wird beschlossen, keinen Antrag nach Art. 77 Abs. 2  GG zu stellen.

6. Entwurf einer Verordnung zur Durchführung einer Statistik der Gehalts- und Lohnverhältnisse41

Regierungsdirektor Dr. Gerner führt aus, der Koordinierungsausschuß empfehle die Unterstützung der Empfehlungen des Sozial- und des Finanzausschusses.

Staatsminister Dr. Schlögl tritt dafür ein, auch die Empfehlungen des Agrarausschusses zu übernehmen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.42

7. Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung des Landes Württemberg-Hohenzollern über die Arbeitslosenfürsorge43

Regierungsdirektor Dr. Gerner fährt fort, voraussichtlich werde der Entwurf von der Bundesregierung zurückgezogen werden.

8. Entwurf eines Gesetzes über den Niederlassungsbereich von Kreditinstituten44

9. Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung von Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen auf dem Gebiet der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer45

Es wird beschlossen, keine Einwendungen zu erheben.

10. Entwurf einer Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr 195146

Der Ministerrat beschließt, dem Entwurf nach Maßgabe der Änderungsvorschläge des Finanzausschusses zuzustimmen.

11. Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Facharztordnung für die deutschen Ärzte an die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und Praxis47

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet, der Rechtsausschuß habe einmütig die Anrufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziele der Beseitigung des Gesetzes vorgeschlagen,48 während in der Koordinierungssitzung der Vertreter des Innenministeriums49 mitgeteilt habe, der Innenausschuß habe wegen der großen politischen Bedeutung des Gesetzes seine Bedenken zurückgestellt und Zustimmung vorgeschlagen.50

Der Ministerrat beschließt, den Vermittlungsausschuß mit dem Ziele der Beseitigung des Gesetzes anzurufen.51

12. Entwurf eines Gesetzes über das Paßwesen52

Der Ministerrat beschließt, den Vermittlungsausschuß nach Maßgabe der Vorschläge des Rechtsausschusses anzurufen.53 In diesem Zusammenhang macht Staatssekretär Dr. Ringelmann darauf aufmerksam, daß der Vermittlungsausschuß sich stets auf den Standpunkt stelle, er könne nicht Stellung nehmen, dies sei vielmehr Sache des Bundespräsidenten. Er halte es für notwendig, neuerdings diese Frage aufzugreifen. Im übrigen sei auch die Präambel seiner Meinung nach ein Bestandteil des Gesetzes.54

13. Einsetzung eines ständigen Bundesratsausschusses für Wiedergutmachungsfragen55

Es wird festgestellt, daß zu diesem Punkt ein Vorschlag des Präsidiums des Bundesrates zu erwarten sei.

14. Entwurf eines Gesetzes über das Inkrafttreten von Vorschriften des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande56

15. Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung von Gebühren durch die Außenhandelsstelle des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten57

16. Entwurf eines Gesetzes über die Außenhandelsstelle für Erzeugnisse der Ernährung und Landwirtschaft58

Es wird beschlossen, keinen Antrag nach Art. 77 Abs. 2  GG zu stellen.

17. Entwurf eines Gesetzes über gesetzliche Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei59

Der Ministerrat beschließt, dem Entwurf gem. Art. 78 GG60 zuzustimmen.

18. Entwurf einer Fünften Durchführungsverordnung zum Getreidegesetz – Abgabeordnung für die Mühlenstelle61

Es wird beschlossen, dem Entwurf nach Maßgabe der Empfehlungen des Agrarausschusses zuzustimmen.62

19. Festsetzung des neuen Schlüssels für die Verteilung von Zuwanderern aus der sowjetischen Besatzungszone, die in Uelzen und Gießen Notaufnahme erhalten63

Staatssekretär Dr. Oberländer betont, daß Bayern nur ein Interesse daran haben könne, daß überhaupt ein neuer Verteilungsschlüssel zustande komme; er schlage deshalb vor, von Bayern aus zuzustimmen. Daß bei nahen Verwandtschaftsverhältnissen Ausnahmen gemacht werden müssen, sei selbstverständlich.

Der Ministerrat beschließt, zuzustimmen.

20. Entschließung über die Behandlung der Frage der Verteilung nichtdeutscher Flüchtlinge auf die Länder des Bundesgebietes64

Der Ministerrat beschließt, die vom Ausschuß für Flüchtlingsfragen vorgeschlagene Entschließung zu unterstützen.65

21. Benennung von zwei Vertretern des Bundesrates zur Teilnahme an den Beratungen des Ausschusses für Heimatvertriebene des Bundestages betr. das Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz)66

Auf Vorschlag des Koordinierungsausschusses wird beschlossen, die Empfehlung des Ausschusses für Flüchtlingsfragen zu unterstützen67 Für den Fall, daß nur ein Vertreter benannt werden soll, wird beschlossen, die Benennung des Regierungsvizepräsidenten Dr. Schumann zu unterstützen.

22. Bestellung von 19 Mitgliedern für die Aufnahme- und Beschwerdeausschüsse im Notaufnahmeverfahren in Berlin68

Es wird beschlossen, die Empfehlung des Ausschusses für Flüchtlingsfragen zu unterstützen.69

23. Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht70

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet, der Koordinierungsausschuß schlage vor, die Empfehlungen des Rechtsausschusses zu unterstützen, die dahin gingen, daß sich der Bundesrat an den Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht beteiligen solle.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.71

24. Entschließung betr. Bereitstellung von Bundeshaushaltsmitteln zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues72

Regierungsdirektor Dr. Gerner glaubt, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werde.73

25. Vorübergehende Außerkraftsetzung der Zölle für Schlachtvieh und Fleisch bis zum 30. Juni 195274

Der Ministerrat beschließt, nach Maßgabe der gemeinsamen Empfehlung des Agrar- und des Wirtschaftsausschusses zuzustimmen.

III. Verfassungsänderung; hier: Einfügung eines Art. 120a [GGJ]75

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, nicht einsehen zu können, daß schon jetzt das Grundgesetz geändert werden solle; wenn schon eine Änderung beschlossen werde, dann die des Feststellungsgesetzes.76

Regierungsdirektor Dr. Gerner weist darauf hin, daß schon ein Antrag vorliege auf ausschließliche Zuständigkeit des Bundes in allen Vertriebenenfragen. Der Entwurf des Feststellungsgesetzes habe in der Tat einfach eine Änderung des Grundgesetzes vorausgesetzt.

Staatssekretär Dr. Oberländer bezeichnet es als schwierig, das Feststellungsgesetz abzuändern.

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, die Bedeutung und die Tragweite dieses Entwurfs sei noch nicht zu übersehen. Er müsse aber grundsätzlich daran festhalten, daß die Änderung des Grundgesetzes aus Anlaß eines bestimmten Einzelfalles abzulehnen sei. Seiner Meinung nach bedürfe die geplante Gesetzgebung über den Lastenausgleich auch der Änderung des Grundgesetzes nicht, da auch ohne eine solche Änderung die Durchführung des Lastenausgleichs möglich sei, etwa im Wege entsprechender Verwaltungsvereinbarungen. Was die Aufbringungsseite betreffe, so werde ja die Soforthilfe insbesondere bereits durch die Länder verwaltet, wobei sich diese Verteilung gut eingespielt habe. Was dagegen die Leistungsseite anlange, so könne die Rechtsgrundlage für ein etwa erforderlich erachtetes Weisungsrecht des Präsidenten des Bundesausgleichsamtes durch ein Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern geschaffen werden.

Der Ministerrat beschließt, einer Änderung des Grundgesetzes nicht zuzustimmen, dagegen aber für eine Umarbeitung des Feststellungsgesetzes einzutreten.

Staatsminister Dr. Seidel fügt hinzu, § 2 des Feststellungsgesetzes gebe zu großen Bedenken Anlaß.

Staatssekretär Dr. Oberländer erwidert, diese Bestimmung sei vom gesamtpolitischen Gesichtspunkt aus notwendig; diese Feststellungen müßten getroffen werden.77

IV. Geschäftsordnung für die Staatsregierung78

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß er den Entwurf einer Geschäftsordnung für die Staatsregierung allen Ministern zugeleitet habe;79 bisher habe er eine Stellungnahme nur vom Herrn Staatsminister für Unterricht und Kultus bekommen.80

Ministerpräsident Dr. Ehard antwortet, er habe auch schon entsprechende Vorschläge ausarbeiten lassen und schlage vor, in einer der nächsten Sitzungen darüber zu sprechen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.81

[V.] Technische Hochschule München

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, er habe Informationen erhalten, wonach Professor Vorhoelzer82 seiner Aufgabe, die Technische Hochschule wieder aufzubauen,83 nicht mehr gewachsen sei, so daß unter Umständen Schwierigkeiten zu befürchten seien.

Staatsminister Dr. Schwalber erklärt, ähnliche Berichte auch erhalten zu haben, unter anderem von dem bisherigen Direktor, Professor Piloty.84 Er werde der Angelegenheit nachgehen und dann den Ministerrat wieder verständigen.

[VI.] Staatliche Erfassungs-Gesellschaft

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, am 10. Dezember sei eine Gesellschaftssitzung der StEG,85 bei der auch die Frage behandelt werden solle, ob die Angestellten die von ihnen verlangte 20%ige Teuerungszulage erhalten sollten. Die Angestellten der StEG lägen zur Zeit etwa 15% über dem allgemeinen Lohnniveau und forderten jetzt weitere 5%. Allerdings hätten sie beim Ausscheiden gewisse Vergünstigungen je nach dem Einkommen. Den Gesellschaftern liege nun eine Rundfrage vor, die er beantworten müsse. Wenn das Finanzministerium der Meinung sei, daß 5% mehr gegeben werden könnten, würde er nicht widersprechen.

Staatsminister Zietsch meint, so weit er orientiert sei, käme man nicht darum herum, weil entsprechende Dienstverträge vorlägen.

Staatsminister Dr. Seidel ersucht, der Herr Finanzminister oder Herr Staatssekretär Dr. Ringelmann möchten doch am 10. Dezember an der Sitzung in Stuttgart teilnehmen und diese Erklärung abgeben.

Staatsminister Zietsch sichert zu, diese Frage nochmals überprüfen zu lassen.

[VII.] Saalschlacht in Berchtesgaden

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner berichtet, bei einer Versammlung der SPD in Berchtesgaden habe zum ersten Mal eine Art Saalschlacht stattgefunden.86 Die Berichte der Gemeindepolizei und der Landpolizei lauteten allerdings dahin, daß nichts wesentliches vorgekommen sei, der Rundfunk habe aber anders berichtet. Man müsse mit großen Bedenken die Entwicklung, die sich jetzt schon wieder anbahne, betrachten. Vielleicht sei es notwendig, daß wenigstens zwei Mitglieder der Staatsregierung nach Berchtesgaden gingen, um die Bevölkerung über die Entscheidung hinsichtlich des Obersalzbergs aufzuklären. In diesem Zusammenhang richte er die Frage an den Herrn Finanzminister, ob die Abbrucharbeiten, bei denen tatsächlich nur 20 Leute beschäftigt sein sollen, rechtzeitig fertiggestellt würden?

Staatsminister Zietsch erwidert, er werde veranlassen, daß mit der beauftragten Firma gesprochen werde. Vertraglich stehe fest, daß bis Ende Mai der Abbruch durchgeführt sein müsse. Im übrigen sei er nach wie vor der Meinung, daß die Entscheidung hinsichtlich des Kehlsteinhauses nicht überstürzt gefällt werden dürfe. Allerdings bestehe eine gewisse Gefahr, daß auch Abgeordnete der Koalitionsparteien sich für das Kehlsteinhaus interessierten.

Abschließend erklärt Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner, daß er die Untersuchung über die Vorfälle in Berchtesgaden durchführen werde.

[VIII.] Deutsche Akademie87

Staatsminister Dr. Schwalber macht darauf aufmerksam, daß neuerdings die Frage der Deutschen Akademie wieder aufgetaucht sei.88 Er halte es für notwendig, auch über diese Angelegenheit demnächst im Ministerrat zu sprechen.

[IX. Beschluß betr. nichtbayerische Betriebsvertretungen]

Auf Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Oechsle wird folgender Beschluß gefaßt:

Auch die nichtbayerischen Betriebsvertretungen haben sich nach dem Bayer. Betriebsrätegesetz zu richten.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Karl Schwend
Ministerialdirigent