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Nr. 74MinisterratssitzungDienstag, 11. Dezember 1951 Beginn: 9 Uhr Ende: 13 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Dr. Müller, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirigent Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Presse- und Informationsamt).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Gesetzes über gebührenpflichtige Verwarnungen durch die Polizei (Verwarnungsgesetz). II. Beratung des außerordentlichen Haushalts für das Rechnungsjahr 1951. III. Personalangelegenheiten. IV. Weihnachtszuwendungen. V. Obersalzberg. VI. Anstalt für Serumherstellung in Fürth. VII. Kunstseidefabrik Bobingen. VIII. Anorgana Gendorf. IX. Flüchtlingsfragen. X. Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. XI. Neuorganisation der Staatstheater. XII. Kurze Anfragen im Bayerischen Landtag. XIII. [Sicherheits-Ausstellung in Nürnberg].

I. Entwurf eines Gesetzes über gebührenpflichtige Verwarnungen durch die Polizei (Verwarnungsgesetz)1

Staatssekretär Dr. Nerreter hält § 1 des vorliegenden Entwurfs nicht für glücklich und meint, man hätte wenigstens an der ursprünglichen Fassung festhalten sollen.2 Nach der jetzigen Fassung sei es doch so, daß zunächst ein Polizeibeamter feststellen könne, an der Herbeiführung einer strafgerichtlichen Entscheidung bestehe kein Interesse, während andererseits für den Fall, daß der Täter die Gebühr nicht bezahle, der Staatsanwalt festzustellen habe, daß doch ein öffentliches Interesse gegeben sei.

Staatssekretär Dr. Koch widerspricht und macht darauf aufmerksam, daß bei der Weigerung eines Täters, die Gebühr zu bezahlen, ein anderer Tatbestand gegeben sei, der geeignet sei, das öffentliche Interesse hervorzurufen.

Der Ministerrat beschließt, dem Entwurf in der vorliegenden Fassung zuzustimmen und an den Landtag weiterzuleiten.3

II. Beratung des außerordentlichen Haushalts für das Rechnungsjahr 1951

Staatsminister Zietsch ist der Auffassung, daß die vorliegende Einzelübersicht zum außerordentlichen Haushalt ohne weiteres an den Landtag gegeben werden könne. Er mache nur darauf aufmerksam, daß vorläufig darin die 20 Millionen DM für den Erwerb der Anteile an der Maxhütte GmbH nicht enthalten seien.4 Dieser Betrag könne aber nachträglich5 bei der Beratung des ao. Haushalts im Landtag eingefügt werden.

Der Ministerrat beschließt, die Einzelübersicht zum außerordentlichen Haushalt für das Rechnungsjahr 1951 dem Landtag zuzuleiten.6

III. Personalangelegenheiten

1. Ernennung des Ministerialdirigenten in der Bayer. Staatskanzlei Dr. h.c. Schwend zum Ministerialdirektor

Staatsminister Zietsch erinnert daran, daß der Ministerrat in der letzten Sitzung vorbehaltlich der Zustimmung des Finanzministeriums der Ernennung grundsätzlich zugestimmt habe.7 Er könne heute mitteilen, daß von seiten des Finanzministeriums keine Erinnerung erhoben werde.

Der Ministerrat nimmt diese Erklärung zur Kenntnis.

2. Ernennungen im Staatsministerium für Wirtschaft

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, der Herr Staatsminister für Wirtschaft habe die Ernennung des Ministerialdirigenten Dr. Heilmann8 zum Ministerialdirektor, des Ministerialrats Dr. Zehler9 zum Ministerialdirigenten und des Regierungsdirektors Dr. Hessel10 zum Ministerialrat beantragt.

Staatsminister Zietsch wendet ein, das Finanzministerium sei noch nicht verständigt worden, er ersuche, ihm die Vorschläge zuzuleiten. Er bitte auch in Zukunft so zu verfahren, daß bei allen Beförderungen usw. das Finanzministerium vorher verständigt werde.

Staatsminister Dr. Seidel weist darauf hin, daß die entsprechenden im Haushalt vorgesehenen Stellen unbesetzt seien.

Der Ministerrat beschließt, den Ernennungen vorbehaltlich der Zustimmung des Finanzministeriums zuzustimmen.

IV. Weibnachtszuwendungen

Staatsminister Zietsch erklärt, es sei beabsichtigt, den Beamten, Angestellten und Arbeitern im Staatsdienst je Kind eine Weihnachtszuwendung von 8 DM zu gewähren; diese Zuwendung erfordere Mittel in Höhe von rund 480000 DM.

Der Ministerrat faßt daraufhin folgenden Beschluß:

„Die Staatsregierung beschließt, daß den planmäßigen und außerplanmäßigen Beamten sowie den Angestellten und Arbeitern des bayer. Staates die in § 2 der VO vom 16. 12. 1939 (RGBl. I S. 2425  ) vorgesehenen Weihnachtszuwendugen für das Weihnachtsfest 1951 wieder gewährt werden. Das Staatsministerium der Finanzen wird ermächtigt, in einer Bekanntmachung die für den Vollzug erforderlichen Bestimmungen zu erlassen.“11

V. Obersalzberg12

Staatsminister Zietsch teilt mit, er habe kürzlich in Reichenhall mit dem Bauunternehmer Schmölzl, der die Abbrucharbeiten durchführe, über den Stand der Arbeiten gesprochen und festgestellt, daß 35 Arbeitskräfte mit den erforderlichen Maschinen eingesetzt seien; zum Teil sei der Abbruch schon ziemlich weit fortgeschritten. Bei normalen Witterungsverhältnissen könne der dem Unternehmer gestellte Termin, 31. Mai 1952, ohne weiteres eingehalten werden, zumal die Firma Schmölzl bisher keine Schwierigkeiten gehabt habe und bestimmt annehme, daß auch in Zukunft der Fortgang der Arbeiten nicht gestört werde.13

Staatssekretär Dr. Guthsmuths macht darauf aufmerksam, daß auf dem Obersalzberg ein sehr wertvolles Kabel verlegt sei, dessen Wert auf ungefähr 160000 DM geschätzt werde.

Staatsminister Dr. Seidel meint, man könne vielleicht der Firma Schmölzl vorschlagen, das Kabel der Post anzubieten.

Staatsminister Zietsch erwidert, er werde der Sache nachgehen und prüfen, ob die Post an diesem Kabel vielleicht noch Eigentum habe.

Staatsminister Dr. Seidel fährt fort, vielleicht sei es doch zweckmäßig, bei dem Abschluß solcher Verträge auch das Wirtschaftsministerium einzuschalten.14

VI. Anstalt für Serumherstellung in Fürth15

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, es sei im Hinblick auf die Knappheit an Serum zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche notwendig, die in Fürth bereits bestehende Anstalt entsprechend auszubauen, wofür ein Betrag von 100–200000 DM erforderlich sei.16 Es werde gesagt, damit könne man im Frühjahr schon so weit sein, daß dann die Produktion aufgenommen werden könne. Jedenfalls müsse unter allen Umständen etwas geschehen, da die Maul- und Klauenseuche sich schon bedrohlich ausgebreitet habe. Die erforderlichen Mittel könnten aus dem Haushaltsposten des Landwirtschaftsministeriums von 450000 DM für statistische Aufnahmen des Privatwaldes genommen werden.

Staatsminister Dr. Schlögl wendet ein, daß hier nicht das Landwirtschaftsministerium, sondern das Innenministerium zuständig sei und fährt fort, selbstverständlich sei auch er an einem Ausbau des Fürther Instituts interessiert, zumal die Forschung auf dem Gebiet der Maul- und Klauenseuche noch sehr in den Kinderschuhen stecke. Er schlage aber vor, den Etatansatz des Innenministeriums entsprechend zu erhöhen. Außerdem halte er es für unbedingt notwendig, die Tierseuchenkasse aufzustocken und insoweit das Staatsministerium des Innern zu unterstützen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, eines stehe jedenfalls fest, daß nicht genügend Impfstoffe vorhanden seien und deshalb der Ausbau der Anstalt in Fürth höchst zweckmäßig wäre.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, da die Stadt Fürth sich auch beteiligen wolle, käme man wohl mit 100000 DM zurecht.

Staatsminister Dr. Seidel macht die grundsätzliche Bemerkung, in der gewerblichen Wirtschaft bestehe ein ähnliches Interesse, Forschungsinstitute zu fördern, was auch in weitem Umfang geschehe. Er glaube, daß der Bauernverband so dotiert sei, daß er zweifellos aus seinen Mitteln auch etwas leisten könne, während er eigentlich nur auf die Hilfe durch den Staat zu warten scheine.

Ministerpräsident Dr. Ehard weist noch darauf hin, daß es eigentlich Aufgabe der Tierärztlichen Hochschule sei, auf dem Gebiet der Seuchenbekämpfung tätig zu werden. Im Augenblick müsse man sich aber wohl auf das Fürther Institut beschränken.

Staatsminister Zietsch betont, seiner Meinung nach könne das Landwirtschaftsministerium aus seinem Etat 200000 DM zur Weiterführung und zum Ausbau des Instituts verwenden, da doch zu den Aufgaben des Landwirtschaftsministeriums die Bekämpfung der Tierseuchen gehöre.

Staatsminister Dr. Schlögl erwidert nochmals, es handle sich hier um eine ausschließliche Aufgabe des Innenministeriums, er könne nicht in ein fremdes Ressort eingreifen.

Der Ministerrat faßt dann folgenden Beschluß:

Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat 200 000 DM aus vorhandenen Haushaltsmitteln für den Ausbau des Instituts für Serumherstellung in Fürth zu stellen.17

VII. Kunstseidefabrik Bobingen

Staatsminister Dr. Seidel verliest ein Schreiben der IG-Farbenkontrollgruppe der Alliierten Hohen Kommission, wonach die Kunstseidefabrik Bobingen entweder mit der neuen Maingau-Gesellschaft (Farbwerke Hoechst AG) oder mit der Nachfolgegesellschaft Casella-Farbwerke verbunden werden könne.18

Die Kontrollgruppe ersuche den Bundesminister für Wirtschaft sowie den bayerischen und hessischen Ministerpräsidenten um Stellungnahme, die Anfang nächster Woche der Bundesregierung bekanntgegeben werden müsse.

Anschließend gibt Staatsminister Dr. Seidel einen Überblick über die Gesellschaften, die bei der Entflechtung der IG entstanden seien, und schildert im einzelnen die wirtschaftliche Tätigkeit der Casella-Farbwerke. Diese errichte ein großes Werk in Regensburg, wobei die Finanzierung ebenso wie die Grundstücksverhältnisse im wesentlichen geklärt seien. Dieses Werk werde auch vom Bundeswirtschaftsministerium anerkannt und gefördert.19 Aus dem eingeholten Gutachten ergebe sich, daß die Erträgnisse von Casella selbst, des Regensburger und Bobinger Werkes ausreichten, um die für den Ausbau von Bobingen erforderlichen Mittel bereitzustellen.20 Für Bayern ergebe sich die Tatsache, daß nach Abwägung aller Umstände die Kunstseidefabrik Bobingen bei Casella besser gesichert sei als bei der Hoechst-Gruppe. Er schlage deshalb vor, in diesem Sinn das Schreiben der IG-Kontrollgruppe zu beantworten.

Im übrigen halte er es für richtig, Casella mitzuteilen, daß Bobingen ebenso wie Regensburg mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet werden solle; dieser Vorschlag findet zweifellos Zustimmung. Casella sei damit einverstanden, Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu gründen. Nicht zu übersehen sei auch, daß Casella wahrscheinlich den Sitz der Hauptverwaltung nach Bayern verlegen werde, wenn die beiden Werke miteinander verbunden würden. Sehr wesentlich sei auch, daß Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard zugesagt habe, keine Entscheidung zu treffen, ohne sich vorher mit der bayerischen Regierung in Verbindung zu setzen.21

Wenn der Ministerrat seine Vorschläge billige, werde er dem Herrn Ministerpräsidenten eine eingehende Denkschrift ausarbeiten und unterschriftsfertig machen lassen, die dann an die Hohe Kommission weitergeleitet werden könne.22 Er füge noch hinzu, daß es sich sowohl bei Bobingen wie bei Casella zu 100% um ehemaliges IG-Vermögen handle.

In diesem Zusammenhang müsse er aber auch noch die Frage aufwerfen, was geschehen könne, um die übrigen IG-Beteiligungen unter bayerischen Einfluß zu bringen. Er denke dabei unter anderem an die Alexander Wackerwerke,23 an denen sich Herr Flick gerne beteiligen würde; jedenfalls habe Bayern ein sehr starkes Interesse daran, daß die 50%ige IG-Beteiligung bei Wacker nicht in irgendwelche Hände komme. Er habe schon einmal daran gedacht, ob es nicht zweckmäßig sei, wenn der bayerische Staat mit bayerischen Banken zusammen eine Gesellschaft gründe mit der einzigen Aufgabe, die IG-Beteiligungen innerhalb Bayerns zu erwerben. Jedenfalls dürfe dieses Problem nicht auf die lange Bank geschoben werden, es dürfe auch nicht das persönliche Interesse der augenblicklichen Treuhänder zu stark in den Vordergrund treten.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht, ihm noch Material über die anderen Fragen vorzulegen, über die er in nächster Zeit in Bonn mit dem Bundesfinanzminister und Bundeswirtschaftsminister sprechen wolle.

Staatsminister Dr. Seidel hält es für notwendig, diese Rücksprache unter allen Umständen in Bonn abzuhalten, damit die zuständigen Referenten dabei seien und gleich die Weisungen ihrer Minister empfangen könnten.24

Der Ministerrat beschließt, dem Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Seidel entsprechend der IG-Farbenkontrollgruppe der Alliierten Hohen Kommission mitzuteilen, daß die bayer. Regierung sich für die Vereinigung der Kunstseidefabrik Bobingen mit den Casella-Farbwerken Mainkur ausspreche.25

VIII. Anorgana Gendorf26

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, daß auch bezüglich der Anorgana Gendorf ein Schreiben der IG-Farbenkontrollgruppe eingetroffen sei. Darin werde allerdings erklärt, daß von bayerischer Seite aus keine geeigneten Vorschläge gemacht worden seien und Bayern zum letzten mal aufgefordert werde, der Kontrollgruppe die notwendige Unterstützung bei der Lösung der Probleme in Gendorf zu geben.27

Staatssekretär Dr. Ringelmann führt aus, bei der Anorgana seien drei Vermögensgruppen zu unterscheiden: Die Liegenschaften gehörten der Montangesellschaft,28 dazu käme die IG-Masse und schließlich das, was die Anorgana in den letzten Jahren selbst erarbeitet habe. Das Finanzministerium habe schon vor längerer Zeit den Bundesfinanzminister um seine Zustimmung gebeten, daß die Verwaltung auf den bayerischen Staat übergehe.29 Auch er sei der Überzeugung, daß hier sehr bald etwas geschehen müsse, allerdings seien leider die Verhältnisse immer noch nicht geklärt.

Staatsminister Dr. Seidel spricht sich dafür aus, das vorliegende Schreiben so rasch als möglich zu beantworten.

Staatssekretär Dr. Ringelmann meint, man könne vielleicht mitteilen, daß bereits mit dem Bundesfinanzminister Verhandlungen eingeleitet seien, die klare Verhältnisse schaffen sollten. Er werde dieses Schreiben, abgestimmt mit dem Wirtschaftsministerium, vorbereiten.30

IX. Flüchtlingsfragen

1. Staatssekretär Dr. Oberländer führt aus, am Donnerstag, dem 13. Dezember, werde bei Bundesminister Wildermuth31 eine Sitzung stattfinden, auf der die 280 Millionen DM für die Umsiedlung der Heimatvertriebenen verteilt werden sollen.32 Für Bayern ergebe sich die Konsequenz, daß bei einer Umsiedlung von 20000 [Heimatvertriebenen] Bayern auf 30 Millionen DM verzichten müsse. Die entscheidende Frage, die vom Kabinett gelöst werden müsse, sei nun, ob man wieder 30 Millionen DM opfern solle. Jedenfalls halte er es [für] zu weitgehend, daß pro Wohnung 15000 DM geopfert würden und er glaube, daß man auf die gestellten Bedingungen nicht eingehen könne. Er bitte aber den Ministerrat, ihn zu decken, wobei er versuche, das Äußerste herausholen zu wollen.

Der Ministerrat beschließt, Herrn Staatssekretär Dr. Oberländer zu diesen Verhandlungen zu ermächtigen.

2. Feststellungsgesetz33

Staatssekretär Dr. Oberländer fährt fort, es sei für ihn schwierig, im Bundesrat das Feststellungsgesetz durchzuberaten und als Berichterstatter aufzutreten, wenn die bayerische Regierung Bedenken gegen das Gesetz habe.

Staatssekretär Dr. Ringelmann stellt fest, daß sich überall Stimmen gegen dieses Gesetz geltend machten.

Staatssekretär Dr. Oberländer erwidert, soweit es jetzt zu beurteilen sei, werde sich im Bundestag sicher eine Mehrheit für das Feststellungsgesetz finden. Jedenfalls müsse Klarheit geschaffen werden, da am Donnerstag der Bundestag,34 am Freitag der Vertriebenenausschuß des Bundesrates und am Freitag der nächsten Woche das Plenum des Bundesrates sich mit dem Gesetz befassen würden. Man könne wohl versuchen, um den verfassungsändernden Art. 120a [GG] herumzukommen,35 er glaube aber nicht, daß man gegen das Feststellungegesetz angehen könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, Voraussetzung sei, daß keine Verfassungsänderung zustande komme; wäre es dann möglich, dem Feststellungsgesetz zuzustimmen?

Staatssekretär Dr. Ringelmann erwidert, § 2036 des Feststellungsgesetzes setze Art. 120a GG bereits voraus,37 er glaube nicht, daß der Bundesrat zustimmen werde.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird folgender Beschluß gefaßt:

Zunächst handle es sich nur um eine Durchberatung im Ausschuß. Der bayerische Vertreter kann sich dahin aussprechen, daß die Arbeiten weitergehen sollen unter der Voraussetzung, daß keine Verfassungsänderung zustande kommt.38

3. DP-Wohnungsbau

Staatssekretär Dr. Oberländer macht darauf aufmerksam, daß die als Ersatz für die geräumten Kasernen gebauten Wohnungen für DPs bis 1. April 195239 nicht fertiggestellt werden könnten. Dazu komme noch, daß man in einigen Fällen wie in Garmisch oder Memmingen in eine sehr schwierige Lage gekommen sei.40 Jedenfalls stehe fest, daß bei einer vorzeitigen Räumung der Artilleriekaserne Garmisch keinerlei Ersatzwohnungen zur Verfügung ständen. Selbstverständlich werde laufend gebaut, alles aber fertigzustellen, sei unmöglich, so daß er tatsächlich vor einer unlösbaren Aufgabe stehe, zumal keinerlei Lager mehr zur Verfügung seien. Auch eine Beschleunigung der Bauten sei nicht möglich, die Oberste Baubehörde tue tatsächlich alles, was in ihrer Kraft stehe. Er habe sich für verpflichtet gehalten, den Ministerrat auf die gegenwärtige Lage aufmerksam zu machen.

X. Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, daß einer Mitteilung des Chefs des Bundespräsidiums zufolge ab 1. Dezember 1951 fortlaufend Verleihungen des Verdienstordens erfolgen könnten.

Ministerialdirigent Dr. Schwend führt aus, die Bayer. Staatskanzlei habe für die einzelnen Ministerien Quoten aufgestellt, und zwar träfen danach auf die Staatsministerien für Unterricht und Kultus und für Wirtschaft je 300, auf die Staatsministerien des Innern, der Justiz, der Finanzen, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und für Arbeit und Soziale Fürsorge je 200 Verdienstkreuze. Die Verleihungen erfolgten nicht durch die bayerische Regierung sondern durch den Bundespräsidenten. Die Ministerpräsidenten seien lediglich gebeten worden, entsprechende Vorschläge zu machen.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht abschließend die Herren Staatsminister, sich möglichst bald zu überlegen, wer vorgeschlagen werden könne. Eine eingehende Note über die Verleihungen werde von der Staatskanzlei allen Ministern zugehen.

XI. Neuorganisation der Staatstheater41

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, es bestünden immer noch Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Finanz- und dem Kultusministerium wegen des Vertrags mit Professor Rudolf Hartmann.42

Staatsminister Dr. Schwalber führt aus, an sich seien alle Differenzpunkte beseitigt, es handle sich aber jetzt noch um eine Meinungsverschiedenheit über die Grundakzeptierung des Vertrags, und zwar hinsichtlich der Verbindung von Staatsoper mit Staatsoperette.43

Anschließend ergibt sich eine längerer Aussprache über das künstlerische Niveau der Staatsoperette,44 wobei sich Staatsminister Zietsch dafür einsetzt, die bisherige Trennung aufrecht zu erhalten.

Staatsminister Dr. Schwalber gibt dann die wesentlichsten Punkte des Vertrags mit Professor Hartmann bekannt.

Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, dem Vertragsentwurf zuzustimmen unter der Voraussetzung, daß der Zusatz beigefügt wird:

„Der Staatsregierung bleibt Vorbehalten, für die Staatsoperette wieder eine andere organisatorische Lösung vorzunehmen.“

Ferner wird beschlossen, hier noch einen Satz folgenden Wortlauts einzufügen:

„Auch in diesem Fall bleiben die Rechte des Intendanten gewahrt.“45

XII. Kurze Anfragen im Bayerischen Landtag

1. Anfrage des Abg. Roßmann46 (BP) wegen der Beamten nichtbayerischer Herkunft

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, der Abg. Roßmann werde in der nächsten Fragestunde an die Staatsregierung die Frage richten, ob der Beschluß des Bayer. Landtags, die Vergangenheit der Beamten nichtbayerischer Herkunft festzustellen, schon durchgeführt worden sei.47

Staatsminister Zietsch erwidert, man könne dem Fragesteller antworten, zum Teil seien die Feststellungen beendet, zum Teil aber noch im Gang, da eine außerordentlich große Zahl von Beamten nachgeprüft werden müsse. Es handle sich dabei um ca. 47000 Personen beim Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 20000 beim Finanzministerium, 30000 beim Innenministerium, 12000 beim Arbeitsministerium und 10000 beim Justizministerium.

2. Abg. Dr. Brücher48 wegen des Konzertsaales in der Residenz49

Staatsminister Dr. Schwalber teilt mit, die Abg. Dr. Brücher werde anfragen, warum bei dem Aufbau des Konzertsaales in der Residenz der Rundfunkrat es abgelehnt habe, einen Wettbewerb unter den freien Architekten auszuschreiben.

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß zunächst diese Anfrage eigentlich an den Rundfunkrat gerichtet werden müsse, im übrigen seien die Baupläne genau durchkalkuliert und es bestehe nur eine Reserve von 5000 DM, während das Preisausschreiben 15000 DM benötigen würde. Jedenfalls werde das Finanzministerium diese Anfrage beantworten.50

XIII. Sicherheits-Ausstellung in Nürnberg51

Ministerpräsident Dr. Ehard berichtet, Herr Bürgermeister Loßmann52 von Nürnberg habe ihn gebeten, zusammen mit Herrn Bundesminister Dr. Lehr53 und Herrn Staatsminister Dr. Hoegner das Präsidium des Kuratoriums über die Deutsche Sicherheits-Ausstellung zu übernehmen, die zwischen dem 30. Mai und 22. Juni 1952 in Nürnberg stattfinden werde. Außerdem habe die Stadt Nürnberg, wie Herr Loßmann ihm auch mündlich mitgeteilt habe, einen Zuschuß des Bayer. Staatsministeriums des Innern in Höhe von 150000 DM beantragt. Dieser Antrag sei vom Innenministerium mit Formblatt an das Arbeitsministerium weitergegeben worden.

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, Herr Bürgermeister Loßmann sei auch bei ihm gewesen und habe einen Zuschuß von 300000 DM gewünscht, er habe ihm erwidert, dieser Betrag könne unmöglich gewährt werden, vor allen Dingen müsse die Stadt Nürnberg einen Beteiligungsplan vorlegen.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht Herrn Staatsminister Dr. Hoegner, sich der Angelegenheit anzunehmen, da im wesentlichen doch wohl das Innenministerium und nicht das Arbeitsministerium an der Ausstellung interessiert sei.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich bereit, den Antrag Nürnbergs prüfen zu lassen.54

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Karl Schwend
Ministerialdirigent