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Nr. 134MinisterratssitzungDienstag, 30. Dezember 1952 Beginn: 9 Uhr 15 Ende: 10 Uhr 35
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Kultusminister Dr. Schwalber, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Justizminister Weinkamm, Finanzminister Zietsch, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Gesetzes über die Führung der Berufsbezeichnung Architekt (Architektengesetz). II. Entwurf eines Gesetzes über die praktische Ausbildung in der Landwirtschaft. III. Erhöhung bzw. Freigabe der Einzelhandelshöchstspannen für Trinkmilch. IV. Gesamtplan für die innerbayerische Umsiedlung. V. [Vorlage des Bayerischen Baugesetzes an den Landtag]. [VI. Freigabe eines Wohnblocks der „Bayern“ Öffentl. Anstalt für Volks- und Lebensversicherung in München]. [VII. Beteiligung des Bayerischen Staates an einer neu zu gründenden Luftverkehrsgesellschaft]. [VIII. Wiederaufbau der drei bayerischen Flugzeugwerke]. [IX. Gesetz zur Sicherung des politischen Friedens].

I. Entwurf eines Gesetzes über die Führung der Berufsbezeichnung Architekt (Architektengesetz)1

Die Beratung des Gesetzentwurfs wird zurückgestellt, weil die im Ministerrat vereinbarte Besprechung zwischen den beteiligten Ministerien noch nicht abgehalten werden konnte.2

II. Entwurf eines Gesetzes über die praktische Ausbildung in der Landwirtschaft3

Der Ministerrat stimmt dem Gesetzentwurf grundsätzlich zu. Folgende, im wesentlichen redaktionelle Änderungen des Gesetzentwurfs werden beschlossen:

1. In Art. 1 Abs. 1 und in Art. 6 wird das Wort „Ausbildungslehrgang“ durch das Wort „Ausbildungsgang“ ersetzt.

2. In Art. 3 Abs. 2 werden die Worte „die nur versagt werden darf, wenn die Voraussetzungen des Art. 2 nicht erfüllt sind“ gestrichen.

3. In Art. 5 werden die Worte „das Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten oder die von ihm beauftragten Stellen“ gestrichen und durch die Worte „die vom Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beauftragten Stellen“ ersetzt.

4. In Art. 7 wird die Überschrift „Ausführungsbestimmungen“ durch das Wort „Durchführungsbestimmungen“ ersetzt, ferner wird in Art. 7 Abs. 1 das Wort „Ausführung“ gestrichen und durch das Wort „Durchführung“ ersetzt.

Der Ministerrat beschließt, den Gesetzentwurf zunächst dem Senat mit dem Ersuchen um gutachtliche Stellungnahme zuzuleiten.4

III. Erhöhung bzw. Freigabe der Einzelhandelshöchstspannen für Trinkmilch5

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt einen kurzen Überblick über den Inhalt des Schreibens des Bayer. Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 15. Dezember 19526 und faßt seine Meinung dahingehend zusammen, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt eine Erhöhung der Trinkmilcheinzelhandelsspannen nicht in Betracht gezogen werden könne, denn die Gefahr sei nicht von der Hand zu weisen, daß die Erhöhung der Einzelhandelsspannen zu einem Druck auf die Verbraucherhöchstpreise führen werde. Eine Erhöhung der Verbraucherpreise könnte jedoch nicht verantwortet werden.

Staatsminister Dr. Seidel unterstreicht die Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten und macht geltend, daß nicht nur eine vom Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr angeordnete Erhöhung der Preisspannen, sondern auch eine Freigabe der Preisspannen eine Entwicklung heraufbeschwören werde, welche in der Forderung nach einer Erhöhung der Verbraucherpreise für Trinkmilch ihren Abschluß finden werde. Für eine Ablehnung des Antrags des Berufsverbands des Bayer. Milchhandels e.V.7 spreche insbesondere das Ergebnis der von seinem Ministerium durchgeführten Prüfung der Kosten und Ertragslage in 25 bayerischen Milcheinzelhandelsgeschäften. Das Ergebnis sei in seinem Schreiben vom 15. Dezember 1952 unter Abschnitt B niedergelegt.8

Auch Staatsminister Dr. Schlögl spricht sich für eine Ablehnung des Antrags des Berufsverbands des Bayer. Milchhandels e.V. aus. Nach seiner Auffassung sei anzustreben, daß die kleineren Milchgeschäfte wieder verschwinden.

Der Ministerrat beschließt hierauf, den Antrag des Berufsverbands des Bayerischen Milchhandels e.V. in vollem Umfang abzulehnen, d.h. weder einer Erhöhung der Einzelhandelshöchstspannen um 1/2 DPfg. je Liter zuzustimmen, noch von der Festsetzung von Einzelhandelsspannen für Trinkmilch überhaupt abzusehen.

Im Anschluß hieran erörtert der Ministerrat die Lage der Molkereien im allgemeinen.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es für angezeigt, einmal die Ertragslage der Molkereien, insbesondere Zahl und Größe der in Bayern bestehenden Betriebe, festzustellen. Jede weitere Maßnahme auf dem Gebiet der Preisgestaltung setze einen solchen genauen Überblick voraus. Er werde daher selbst sich an den Präsidenten des Statistischen Landesamts wenden und ihn um Übermittlung der entsprechenden Angaben ersuchen.

Staatsminister Dr. Schlögl erklärt hierzu, die Schwierigkeiten in Bayern würden auf der Tatsache beruhen, daß im Allgäu zahlreiche Genossenschaftsmolkereien vorhanden seien, welche einen zu geringen Umsatz hätten und sich daher nicht rentieren könnten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft die Frage auf, ob gegen diese zu kleinen Molkereien nicht unmittelbar dadurch vorgegangen werden könnte, daß durch Gesetz für die Molkereien hygienische Einrichtungen gefordert würden, welche die zu kleinen Molkereien nicht erstellen könnten.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, eine solche Möglichkeit bestehe erst dann, wenn man an Hand der von ihm gewünschten statistischen Unterlagen dem Landtag gegenüber einen unwiderlegbaren Nachweis für die Notwendigkeit solcher gesetzlicher Maßnahmen führen könne.

Staatsminister Dr. Seidel macht schließlich noch geltend, daß die für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse bestehende Marktordnung eine freie Preisgestaltung für die Molkereien unmöglich mache.9

IV. Gesamtplan für die innerbayerische Umsiedlung10

Der Ministerrat stellt fest, daß der vom Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr erstellte Gesamtplan die Zustimmung der beteiligten Staatsministerien gefunden hat.11

Der Ministerrat beschließt, den Gesamtplan dem Landtag vorzulegen.

Zugleich soll der Gesamtplan auch dem Senat zur Kenntnisnahme und allenfallsigen gutachtlichen Äußerung zugeleitet werden.12

V. Vorlage des Bayerischen Baugesetzes an den Landtag13

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner berichtet, daß vom Bund die Entwürfe eines Baulandbeschaffungsgesetzes14 und eines Baugesetzes15 nicht verabschiedet worden seien. Er schlage daher vor, daß der bereits vorliegende Entwurf eines Bayer. Baugesetzes nunmehr im Ministerrat behandelt und dann dem Landtag zugeleitet werde.16

Der Ministerrat ist damit einverstanden.17

[VI.] Freigabe eines Wohnblocks der „ Bayern“ Öffentl. Anstalt für Volks- und Lebensversicherung in München

Staatsminister Dr. Seidel gibt bekannt, daß an ihn wegen einer Freigabe des von der amerikanischen Besatzungsmacht seit dem Jahre 1946 beschlagnahmten Wohnblocks der „Bayern“ in München-Schwabing herangetreten worden sei. Es bestehe der Eindruck, daß die „Bayern“ selbst kein Interesse an einer Freigabe habe, weil sie ihre Miete durch das Besatzungskostenamt erhalte. Im Interesse der früheren Mieter des Wohnblocks sei es daher geboten, daß einmal von der Bayerischen Staatsregierung an die Besatzungsmacht wegen einer Freigabe des Wohnblocks herangetreten werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt sich bereit, über die Bayer. Staatskanzlei einen entsprechenden Versuch bei der Besatzungsmacht zu unternehmen. Die Unterlagen sollen der Bayer. Staatskanzlei vom Staatsministerium des Innern zugeleitet werden, welches einen Vertreter im Aufsichtsrat der „Bayern“ hat.

[VII.] Beteiligung des Bayerischen Staates an einer neu zu gründenden Luftverkehrsgesellschaft18

Staatssekretär Dr. Ringelmann erwähnt den Beschluß des Ministerrats vom 2. Dezember 1952, wonach der Bayerische Staat sich an der neu zu gründenden Deutschen Luftverkehrs AG mit einem Betrag von 300000 DM beteiligen solle. Es habe sich nunmehr herausgestellt, daß offensichtlich die Mehrzahl der Länder, und zwar durch ihre Finanzminister, die Beteiligung an der Luftverkehrsgesellschaft ablehne. Es sei daher zu prüfen, ob an dem Beschluß des Ministerrats vom 2. Dezember 1952 noch festgehalten werden solle, da anfangs Januar die Gründungsversammlung stattfinden werde.

Staatsminister Dr. Seidel erklärt, er habe bereits in der Sitzung des Ministerrats vom 2. Dezember 1952 seine Bedenken gegen die Wirtschaftlichkeit einer Deutschen Luftverkehrsgesellschaft geltend gemacht und der Ministerrat habe sich bei seinem Beschluß vom 2. Dezember auch auf den Standpunkt gestellt, daß eine Beteiligung Bayerns nur dann in Betracht komme, wenn auch die übrigen Länder sich daran beteiligen.

Der Ministerrat ist einhellig der Auffassung, daß der Beschluß vom 2. Dezember 1952 in diesem Sinne auszulegen ist und daß die Beteiligung Bayerns davon abhängig gemacht werden soll, ob die Mehrheit der Länder sich an der Gesellschaft beteiligt.19

[VIII.] Wiederaufbau der drei bayerischen Flugzeugwerke20

Staatsminister Dr. Seidel berichtet, daß den drei früher in Bayern arbeitenden Flugzeugwerken Dornier, Messerschmitt und Siebel von anderen Ländern der Bundesrepublik Angebote gemacht würden, im Falle der Wiederaufnahme ihrer Fertigung ihre Werke in diese Länder zu verlegen. Es sei daher angezeigt, daß der Ministerrat sich einmal grundsätzlich zu der Frage äußere, ob ein Verbleib der Werke in Bayern wünschenswert und gegebenenfalls durch die Gewährung von staatlichen Krediten zu fördern sei.

Staatssekretär Dr. Ringelmann weist auf die besondere Bedeutung des Verbleibens der Flugzeugwerke in Bayern im Hinblick auf die Aluminiumproduktion in Töging hin.

Staatsminister Dr. Schwalber hält es für angezeigt, in der Frage mit der Technischen Hochschule München Verbindung zu halten, an welcher ein besonderer Lehrstuhl für Flugmotorenbau bestehe.

Durch Beschluß stellt der Ministerrat fest, daß die beteiligten Staatsministerien alle Anstrengungen machen sollen, um den Wiederaufbau der früher in Bayern arbeitenden Flugzeugwerke Dornier, Messerschmitt und Siebel in Bayern zu ermöglichen.

[IX.] Gesetz zur Sicherung des politischen Friedens21

Der Ministerrat stimmt dem Antrag des Stv. Ministerpräsidenten Dr. Hoegner zu, in der nächsten Sitzung des Ministerrats das Gesetz zur Sicherung des politischen Friedens zu behandeln.22

Die nächste Sitzung des Ministerrats findet am Donnerstag, dem 8. Januar 1953, um 9 Uhr statt.

Zum Schluß des letzten Ministerrats in diesem Jahr spricht Ministerpräsident Dr. Ehard den Mitgliedern des Kabinetts für ihre Arbeit seinen Dank aus und würdigt insbesondere die Unterstützung, welche die tätige Mitarbeit der Kabinettsmitglieder ihm im vergangenen Jahr bedeutet habe.

Ministerpräsident Dr. Ehard, hebt das gute persönliche Einvernehmen im Kabinett hervor. Er spricht allen Mitgliedern des Kabinetts und ihren Familien die besten Wünsche für das neue Jahr 1953 aus.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner dankt dem Herrn Ministerpräsidenten in seinem eigenen Namen wie im Namen der übrigen Kabinettsmitglieder für die Geschäftsführung des Ministerrats im abgelaufenen Jahr.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner versichert dem Herrn Ministerpräsidenten, daß alle Kabinettsmitglieder auch im neuen Jahr ihn bei seiner schweren Arbeit unterstützen wollen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner bringt abschließend seine und des Kabinetts Glückwünsche für den Herrn Ministerpräsidenten und seine Familie zum Ausdruck.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des
Ministerrats
In Vertretung
gez.: Hans Kellner
Oberregierungsrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Karl Schwend
Ministerialdirektor