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Nr. 191MinisterratssitzungDienstag, 5. Januar 1954 Beginn: 9 Uhr Ende: 11 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialdirektor Dr. Mayer (Kultusministerium) zu Punkt I.

Entschuldigt:

Finanzminister Zietsch, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Stain (Innenministerium).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Stiftungsgesetzes. II. Vollzug des Lastenausgleichsgesetzes; hier: Ernennung von Mitgliedern des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt. III. Dienstbefreiung zur Teilnahme an Lehrgängen oder Tagungen der Gewerkschaften und Beamtenorganisationen. IV. Haushalt des Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge. V. Entwurf eines Vergnügungssteuergesetzes.

I. Entwurf eines Stiftungsgesetzes1

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, zunächst die Differenzpunkte zu besprechen, die noch zwischen dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus und dem Staatsministerium des Innern bestehen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, es handle sich noch um drei Meinungsverschiedenheiten und zwar im einzelnen um folgende:

a) Bisher habe die Befugnis zur Genehmigung von örtlichen Stiftungen ausschließlich dem Staatsministerium des Innern zugestanden, während nach Art. 6 Abs. 2 des Entwurfs das Staatsministerium für Unterricht und Kultus für sämtliche Stiftungen, auch die gemeindlichen, zuständig sei, mit Ausnahme der reinen Wohltätigkeitsstiftungen.2 Er stehe auf dem Standpunkt, daß die Zuständigkeit beim Staatsministerium des Innern als Aufsichtsbehörde liegen müsse.

b) Ein weiterer Streitpunkt betreffe die Umwandlung und Auflösung von Stiftungen, die bei gemeindlichen Stiftungen in Art. 74 Abs. 3 der Gemeindeordnung geregelt sei.3 Danach könne der Gemeinderat über Umwandlung und Aufhebung beschließen, die Genehmigung der Aufsichtsbehörde vorbehalten. Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus fordere, daß die Genehmigungsbehörde allein zu entscheiden habe, in diesem Punkt könne das Staatsministerium des Innern allenfalls nachgeben, vorausgesetzt, daß die Aufsicht bei ihm verbleibe.

c) Von besonderer Bedeutung sei Art. 36 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit Art. 32.4 Art. 36, der 3. Abschnitt des Entwurfs, behandle die kommunalen Stiftungen und bestimme unter anderem, daß vom 2. Abschnitt nur die Art. 22 Abs. 1 und 2, 23, 24, 26, 30 und 32 gelten, Art. 32 erkläre5, daß die Stiftungen der Genehmigung der Stiftungsaufsichtsbehörde zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken bedürften, sofern die Wertgrenze von 1000,– DM überstiegen werde,6 ferner, daß auch die Genehmigung zu Rechtsgeschäften notwendig sei, die mit einem Kostenaufwand von mehr als 5000,– DM verbunden seien.7 Das Staatsministerium des Innern sei der Meinung, daß solche Vorbehalte bisher bei Selbstverwaltungskörpern nicht gemacht worden seien und halte sie deshalb auch hier nicht für erforderlich.

Die grundsätzliche Frage sei jedenfalls die, ob das Staatsministerium für Unterricht und Kultus ganz allgemein Genehmigungsbehörde werden solle oder ob es bei der in den Kommunalgesetzen festgelegten Regelung verbleibe, wonach bei kommunalen Stiftungen das Staatsministerium des Innern zuständig sei.8

Staatsminister Dr. Schwalber führt aus, ursprünglich hätten die kommunalen Spitzenverbände dem Entwurf zugestimmt, später seien sie dann allerdings wieder anderer Meinung geworden. Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus beanspruche die Zuständigkeit lediglich unter fachlichen Gesichtspunkten, er verweise dabei auf Art. 6 Abs. 2, wonach sein Ministerium für Stiftungen der Religion, der Wissenschaft, der Forschung, der Bildung, des Unterrichts, der Erziehung, der Kunst, der Denkmalspflege, des Heimatschutzes und des Sports zuständig sei.9 Für alle übrigen Stiftungen sei das Staatsministerium des Innern zuständig.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner hält daran fest, daß man bei den örtlichen Stiftungen die Selbstverwaltung nicht auseinanderreißen solle, worauf Staatsminister Dr. Schwalber im einzelnen die Notwendigkeit, auch die örtlichen Stiftungen einzubeziehen, begründet.

Staatssekretär Dr. Nerreter macht darauf aufmerksam, daß die Vertreter beider Kirchen zum Ausdruck gebracht hätten, sie zögen die im Entwurf des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vorgesehene Regelung vor.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, was die Kirchenstiftungen betreffe, so seien sie im 4. Abschnitt, Art. 37 ff., von den übrigen abgegrenzt.10 Schwierigkeiten könnten lediglich entstehen bei Stiftungen, bei denen die Selbstverwaltung allein verfüge. Es habe schon etwas für sich, das Kultusministerium in irgendeiner Form zu beteiligen. Er stelle deshalb die Frage, ob sich nicht eine Möglichkeit finden lasse, die Staatsministerien des Innern und für Unterricht und Kultus zu koordinieren. Er könne auch nicht recht einsehen, was die Selbstverwaltung für ein Interesse daran habe, bei Stiftungen, die der Kunst, der Wissenschaft usw. dienten, die Genehmigung selbst erteilen zu können. Jedenfalls sei die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß sich Gemeinden über Stiftungen überhaupt hinweg setzten.

Staatsminister Dr. Schwalber fügt hinzu, im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte seien Hunderte von Stiftungen einfach beseitigt worden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, er sei bereit, entgegenzukommen, daß bei der Umwandlung und Aufhebung von Stiftungen die Angelegenheit an das Ministerium komme; die Gemeindeordnung müsse dann entsprechend abgeändert werden.11

Sonst aber könne er nicht einsehen, warum das Kultusministerium mehr Gewähr für die Einhaltung des Stiftungszwecks biete als das Staatsministerium des Innern.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, das Innenministerium werde sich schwerer entschließen, in die Selbstverwaltung einzugreifen, während das Kultusministerium viel eindeutiger auf den Zweck der Stiftung bedacht sei und Maßnahmen ergreifen könne, wenn sich ein Selbstverwaltungskörper darüber hinweg setze.

Staatssekretär Dr. Nerreter betont, die Schwierigkeit sei dadurch entstanden, daß der Landtag bei den Art. 72ff. der Gemeindeordnung über den Entwurf des Staatsministeriums des Innern hinausgegangen sei. Könne man nicht auf die ursprüngliche Rechtslage zurückgehen?

Ministerpräsident Dr. Ehard hält das für schwierig und stellt fest, es habe schon etwas für sich zu sagen, wenn schon jemand eine Stiftung mit einem bestimmten Zweck gemacht habe, so wolle er nicht, daß ein Selbstverwaltungskörper darüber verfügen könne.

Staatssekretär Dr. Nerreter bemerkt, es handle sich um zwei Fragen, nämlich um die Zuständigkeit zwischen Innen- und Kultusministerium, dann um das Problem staatliche Verwaltung oder Kommunalverwaltung.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, zunächst handle es sich um die Frage der Genehmigung.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt nochmals fest, daß er Art. 6 des Entwurfs für logisch und zweckmäßig halte.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, er könne dem Art. 6 Abs. 2 dann zustimmen, wenn er folgenden Zusatz erhalte:

„Bei kommunalen Stiftungen ist für die Genehmigung das Staatsministerium des Innern zuständig.“

Staatssekretär Dr. Ringelmann schlägt vor, hier ein Einvernehmen zwischen den beiden Ministerien vorzusehen, während Staatsminister Dr. Seidel keine Schwierigkeit darin sieht, alle, also auch die kommunalen Stiftungen, durch das Staatsministerium für Unterricht und Kultus genehmigen zu lassen, unter der Voraussetzung, daß sie den in Art. 6 Abs. 2 aufgeführten Zwecken dienen.

Ministerpräsident Dr. Ehard lässt dann darüber abstimmen, ob kommunale Stiftungen schlechthin der Genehmigung durch das Staatsministerium des Innern unterstellt werden sollen.

Der Ministerrat lehnt dies mit großer Mehrheit ab.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht dann um Abstimmung, ob bei kommunalen Stiftungen, soweit sie an sich in die Zuständigkeit des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus fallen, ein Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern gefordert werden soll.

Der Ministerrat spricht sich mit Mehrheit dafür aus.

Es wird festgestellt, daß Art. 6 Abs. 2 nun etwa folgendermaßen zu lauten hat:

„Für Stiftungen, die der Religion, der Wissenschaft … gewidmet sind, ist das Staatsministerium für Unterricht und Kultus zuständig, handelt es sich um kommunale Stiftungen, im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern. Für alle übrigen Stiftungen ist das Staatsministerium des Innern zuständig. Verfolgt eine Stiftung verschiedene Zwecke, so entscheidet der Hauptzweck der Stiftung.“

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner weist dann darauf hin, daß damit auch der zweite Punkt der Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt sei.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, was nun den dritten Punkt betreffe, nämlich die Einschränkungen des Art. 32, so halte er, wie gesagt, diese bei kommunalen Stiftungen nicht für notwendig.

Staatssekretär Dr. Ringelmann entgegnet, überall da, wo es sich um Grundstücke handle, sei Genehmigungspflicht vorgesehen.

S.E. könne es sich jetzt nur noch um die Festsetzung der Wertgrenze handeln,

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stimmt zu und empfiehlt, die Belastungsgrenze von 1000,– auf 5000,– DM und die Wertgrenze bei Rechtsgeschäften von 5000,– auf 10 000,– DM zu erhöhen.

Staatssekretär Dr. Nerreter wendet ein, man müsse auch an die kleineren Gemeinden und kleinen örtlichen Stiftungen denken, bei denen 1000,– DM schon eine erhebliche Rolle spielen könnten. Er sei deshalb dafür, die in Art. 32 festgesetzten Wertgrenzen beizubehalten.

Nachdem auch Staatsminister Dr. Schwalber der Abänderung des Art. 32 zustimmt, wird beschlossen, ihn wie folgt abzuändern:

„Art. 32

(1) Die Stiftungen bedürfen der Genehmigung der Stiftungsaufsichtsbehörde.

3) zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten, sofern sie die Wertgrenze von 3000,– DM übersteigt;

6) zu Rechtsgeschäften, die mit einem Kostenaufwand von mehr als 10 000,- DM verbunden sind oder an denen ein Mitglied eines Stiftungsorgans oder eine im Dienst der Stiftung stehende Person beteiligt ist.“

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß damit sämtliche zwischen den Staatsministerien des Innern und für Unterricht und Kultus bestehenden Meinungsverschiedenheiten beseitigt seien. Man könne jetzt wohl zu den in der Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 4. Januar 1954 niedergelegten Vorschlägen übergehen, die allerdings erst gestern Abend den Herren Kabinettsmitgliedern zugegangen seien.12

Staatssekretär Dr. Ringelmann meint, er selbst lege auf verschiedene dieser Anregungen keinen allzu großen Wert. Er glaube, daß man diese Punkte heute bereits besprechen könne.

Ziff. l) gehe davon aus, daß aus dem Wortlaut des Entwurfs nicht zu ersehen sei, welche Bestimmungen nur deklaratorischen Charakter oder teils deklaratorischen Charakter hätten. Das könne dazu führen, daß aus dem Wortlaut entnommen werde, der Landesgesetzgeber habe insoweit einen Gesetzesbefehl erlassen und nicht die bloße Feststellung getroffen, was bereits rechtens sei. Das Finanzministerium meine deshalb, ob nicht im Gesetz selbst darauf hingewiesen werden solle, daß bestehende reichs- oder bundesrechtliche Bestimmungen durch das Stiftungsgesetz unberührt bleiben und insoweit nur wiederholt und festgestellt, nicht jedoch durch Gesetzesbefehl nochmals geregelt würden.

Persönlich lege er aber wie gesagt auf diese Anregung kein besonderes Gewicht.

Staatssekretär Dr. Koch meint, ob nicht in den Fällen, wo wörtliche Zitationen vorkämen, der entsprechende Paragraph angeführt werden könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält dies nicht für notwendig, während Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner diese Anregung doch als beachtenswert bezeichnet.

Staatssekretär Dr. Koch begründet seinen Vorschlag näher, Ministerialrat Dr. Gerner rät davon ab, diese Zitate einzufügen.

Staatssekretär Dr. Koch hält an seinem Vorschlag fest und erklärt unter anderem, das Bürgerliche Gesetzbuch habe die Absicht gehabt, das Stiftungsrecht zu regeln, es bestehe daher die Vermutung, daß es auch erschöpfend geregelt sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard spricht sich nochmals dafür aus, keine Änderung vorzunehmen.

Der Ministerrat beschließt daraufhin, Punkt 1) der Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 4. Januar 1954 nicht zu folgen und auch den Vorschlag des Herrn Staatssekretärs Dr. Koch nicht zu berücksichtigen.

Ziff. 2)

Staatssekretär Dr. Ringelmann kommt dann auf Punkt 2) der Note zu sprachen, in der es unter anderem heiße, in der Begründung zu Art. 15 werde ausgeführt, daß diese Vorschrift die nach dem BGB mögliche Beschränkung der anzuwendenden Sorgfalt verhindern solle und mindestens nach allgemeinen Regeln Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten seien.13 Dies könne aber aus dem Wortlaut der Bestimmung nicht geschlossen werden. Es müsse deshalb eigentlich ausdrücklich erklärt werden, daß für jede Fahrlässigkeit gehaftet werde.

Nach längerer Aussprache wird beschlossen, Art. 15 Satz 2 wie folgt zu fassen:

„Organmitglieder, die ihre Obliegenheit vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzen, sind der Stiftung zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Mehrere Organmitglieder haften als Gesamtschuldner.“

Ziff. 3)

Staatssekretär Dr. Ringelmann verweist weiter darauf, daß Art. 22 des Entwurfs auch die bürgerlich-rechtlichen Stiftungen der Staatsaufsicht unterstelle, was bisher in Bayern bei rein privaten Stiftungen nicht der Fall gewesen sei.14 Es ergebe sich sowohl für Art. 15 wie für Art. 22 die Frage, ob diese Bestimmungen auch für rein private Stiftungen getroffen werden dürften. Das Staatsministerium der Finanzen wolle diese Frage aber lediglich zur Debatte stellen.

Staatsminister Dr. Seidel meint, hier tauche wieder die grundsätzliche Frage auf, ob der Staat in etwas eingreifen solle, was ihn an sich nichts angehe.

Staatssekretär Dr. Nerreter gibt zu erwägen, ob man nicht in Art. 22 sagen könne, die öffentlichen Stiftungen stehen unter der besonderen Obhut des Staates.

Ministerialdirektor Dr. Mayer verweist auf Art. 35 und fügt hinzu, bisher sei es so gewesen, daß nichtöffentliche Stiftungen genehmigt worden seien und dann niemand sich mehr darum gekümmert habe.15 Das habe in der Praxis doch häufig zu recht unerfreulichen Dingen geführt. Zum Teil wisse man überhaupt nicht mehr, ob diese Stiftungen bestünden oder nicht, Unterschlagungen seien vorgekommen usw. Man dürfe nicht übersehen, daß durch die Genehmigung eine Rechtspersönlichkeit entstehe.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es dagegen für richtig, bei den privaten Stiftungen die bisherige Übung beizubehalten.

Der Ministerrat beschließt daraufhin, Art. 35 wie folgt zu formulieren:

„Für die nichtöffentlichen Stiftungen (Art. 1 Abs. 2) gelten die Bestimmungen dieses Abschnitts nicht.“

Im Zusammenhang damit wird beschlossen, in Art. 22 Abs. 1 vor dem Wort „Stiftungen“ das Wort „öffentlichen“ einzufügen.

Ziff. 4)

Staatssekretär Dr. Ringelmann kommt dann auf den 4. Punkt der Note vom 4. Januar 1954 zu sprechen und gibt zu erwägen, ob nicht im Hinblick auf die Autonomie der Kirchenstiftungen eine Ergänzung des Entwurfs erfolgen solle, welche die Erhaltung des Stiftungsvermögens sicherstelle.

Von praktischer Bedeutung sei dieser Vorschlag insbesondere bei den Pfründestiftungen, bei denen bisher in der Vakanzzeit die sogenannten Interkalarfrüchte nach Abzug der Verweserkosten zur Auffüllung des Pfründestiftungsvermögens verwendet worden seien. Im Jahre 1951 hätten jedoch die bayerischen Bischöfe beschlossen, die Interkalarfrüchte nach Abzug der Verweserkosten der allgemeinen Besoldungskasse der Kirche zuzuführen. Das Staatsministerium der Finanzen habe hiergegen am 2.2.1953 Bedenken geltend gemacht, besonders im Hinblick darauf, daß im Einzelfall der Staat in stärkerem Maße als Baupflichtiger einspringen müsse.

Ministerialdirektor Dr. Mayer erwidert, an sich habe er Verständnis für die Auffassung des Finanzministeriums, er wisse allerdings nicht, was von kirchlicher Seite dazu gesagt werde. Bedenken habe er allerdings gegen die vom Finanzministerium vorgeschlagene Neufassung des Art. 40 Abs. l.16 Im übrigen sei doch auch zu überlegen, ob man einen Grenzfall, wie den mit der evtl. Baulast, für eine grundsätzliche Regelung heranziehen solle.

Staatssekretär Dr. Ringelmann bemerkt, die Freizügigkeit des Art. 40 könne vielleicht dazu führen, daß Erträgnisse von Stiftungen für den inneren Finanzausgleich der Kirche verwendet würden.

Ministerpräsident Dr. Ehard und Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner sind der Auffassung, daß man bei der im Entwurf vorgesehenen Regelung verbleiben und dem Vorschlag des Finanzministeriums in Ziff. 4) der Note vom 4. Januar 1954 nicht folgen solle.

Staatssekretär Dr. Ringelmann stellt fest, daß er jedenfalls auf diese Frage habe aufmerksam machen wollen, nachdem das Finanzministerium auf die Zweckbindung dieser Mittel größtes Gewicht legen müsse.

Auf Vorschlag des Herrn Stv. Ministerpräsidenten Dr. Hoegner wird dann beschlossen, in das Protokoll des Ministerrats folgende Erklärung aufzunehmen:

Der Ministerrat ist in den Fällen des Art. 40 Abs. 1 Satz 2 der Meinung, daß Erinnerungen seitens des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zu erheben sind, wenn staatliche Interessen berührt werden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann fährt fort, im Zusammenhang damit stehe Art. 38 Abs. 2,17 der eine Ausnahme von Art. 17 darstelle.18 Auch hier könnten staatliche Interessen berührt werden, z.B. dann, wenn eine Kirchenstiftung über keine Erträgnisse mehr verfüge, in der Nähe aber eine andere Pfarrpfründe sei, die mit der ersten zusammengelegt werden könne. Wenn aber hier kein Antrag der Kirche auf Zusammenlegung vorliege, müsse der Staat bei der Baulast einspringen.

Staatssekretär Dr. Nerreter hält es nicht für richtig, die Vereinigung von leistungsfähigen mit nicht leistungsfähigen Stiftungen anzustreben. Der Staat habe die Obhutspflicht der Stiftungen und dürfe keine fiskalischen Erwägungen anstellen.

Der Ministerrat beschließt, diesen Einwand nicht zu berücksichtigen.

Ziff. 5)

Staatssekretär Dr. Ringelmann erläutert dann abschließend Punkt 5) der Note vom 4. Januar 1954. Es handle sich hier um Art. 44 Abs. 2, demzufolge öffentlichrechtliche feste Geldreichnisse durch den Reichnispflichtigen mit dem 25-fachen Betrag abgelöst worden können.19 In Anbetracht der jetzigen wirtschaftlichen Verhältnisse sei es nach Meinung des Finanzministeriums richtig, statt des 25-fachen nun mehr den 18-fachen Betrag zu Grunde zu legen. Ähnlich sei es bereits bei der Regierungsvorlage zum Gesetz über die Forstrechte gewesen.20

Der Ministerrat beschließt, den in Art. 44 Abs. 2 vorgesehenen 25-fachen Ablösungsbetrag auf den 18-fachen Betrag herabzusetzen.

Staatsminister Weinkamm erklärt dann, auch das Staatsministerium der Justiz habe zwei Einwendungen zu bringen und zwar handle es sich

1. um Art. 40 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 32 Abs. 3 Satz 1 des Entwurfs. Art. 40 Abs. 2 laute nämlich, soweit nach diesen Vorschriften Rechtshandlungen einer kirchenaufsichtlichen Genehmigung bedürfen, gilt Art. 32 Abs. 3 Satz 1 entsprechend. Dieser wiederum mache die Wirksamkeit der Rechtshandlung einer Stiftung von der stiftungsaufsichtlichen Genehmigung abhängig.21 Dies bedeute aber, daß bürgerliches Recht ergänzt werde, was nach Auffassung des Justizministeriums nicht möglich sei.

Ministerialdirektor Dr. Mayer erwidert, es liege hier in der Tat eine echte Lücke im BGB vor, nachdem die öffentlich-rechtlichen Genehmigungsvorbehalte hinsichtlich ihrer bürgerlich-rechtlichen Folgen im BGB nicht behandelt seien. Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus glaube aber, daß auf den Abs. 3 des Art. 32 nicht verzichtet werden könne und die bestehende Lücke tatsächlich ausgefüllt werden müsse.

Der Ministerrat hält überwiegend die Auffassung des Herrn Staatsministers Weinkamm für richtig. Ein Beschluß, Art. 32 Abs. 3 zu streichen, wird aber nicht gefaßt, nachdem Staatssekretär Dr. Nerreter darauf hinweist, daß durch die Abänderung des Art. 35 der Frage keine Bedeutung mehr zukomme.

2. Staatsminister Weinkamm fährt fort, Art. 20 des Entwurfs, der laute: „Über das Vermögen einer öffentlichen Stiftung findet ein Konkurs oder ein gerichtliches Vergleichsverfahren nicht statt“, müsse gestrichen werden. Das Justizministerium sei wie gesagt22 der Auffassung, daß keine Lücke im BGB bestehe, dieses vielmehr das gesamte bürgerliche Recht erschöpfend regle.

Staatsminister Dr. Seidel macht auf die Begründung zu Art. 20 aufmerksam.

Staatsminister Weinkamm entgegnet, diese sei nicht mehr richtig da inzwischen eine Gesetzesänderung eingetreten sei und nur mehr nach Bundesrecht der Konkurs bei Gemeinden oder Gemeindeverbänden ausgeschlossen sei.

Der Ministerrat beschließt daraufhin, den Art. 20 zu streichen.

Staatsminister Weinkamm schlägt abschließend vor, daß sich die zuständigen Referenten nochmals zusammensetzen sollten, um den Gesetzestext neu zu formulieren.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stimmt zu, betont aber, daß es sich nur um redaktionelle Änderungen auf Grund der heutigen Beschlüsse des Ministerrats handle.

Außerdem wird beschlossen, den fertigen Gesetzentwurf vor der Zuleitung an den Landtag dem Senat zur gutachtlichen Stellungnahme gem. Art. 40 BV zu übermitteln.23

Stiftungsgesetz vom 26. November 1954

II. Vollzug des Lastenausgleichsgesetzes; hier: Ernennung von Mitgliedern des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt24

Staatssekretär Dr. Ringelmann übermittelt den Wunsch des Herrn Staatsministers Zietsch, diesen Punkt bis zur nächsten Sitzung zurückzustellen, zumal heute auch Herr Staatssekretär Stain nicht anwesend sei.

Der Ministerrat erklärt sich mit der Zurückstellung einverstanden.25

III. Dienstbefreiung zur Teilnahme an Lehrgängen oder Tagungen der Gewerkschaften und Beamtenorganisationen

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, der Deutsche Gewerkschaftsbund, Landesbezirk Bayern, habe mit Schreiben vom 16. September 1953 gebeten, eine Anordnung über die Dienstbefreiung zur Teilnahme an Lehrgängen oder Tagungen der Gewerkschaften und Beamtenorganisationen zu treffen. Das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge habe bereits früher, nämlich im Januar 1952, für seinen Bereich eine entsprechende Anordnung erlassen.

Staatssekretär Dr. Ringelmann berichtet daraufhin über das Ergebnis einer Umfrage, die das Staatsministerium der Finanzen bei den übrigen Ländern gemacht habe. Die Bayerische Regelung26 entspreche im wesentlichen derjenigen der meisten anderen Länder, so daß zu einer Änderung kein Anlaß bestehe.

Das Finanzministerium schlage dem Ministerrat einen Beschluß vor, durch welchen die Dienstbefreiung grundsätzlich geregelt werde.

Staatsminister Dr. Oechsle ersucht, den Entwurf vor der Beschlußfassung den einzelnen Ressorts zur Prüfung und Stellungnahme zuzuleiten.

Es wird vereinbart, diesem Vorschlag zuzustimmen, worauf Staatssekretär Dr. Ringelmann zusichert, den Entwurf in den nächsten Tagen zu übersenden.27

IV. Haushalt des Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge

Staatsminister Dr. Oechsle erklärt, bei der Aufstellung des Stellenplans für das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge sei noch eine Meinungsverschiedenheit mit dem Staatsministerium der Finanzen aufgetreten, die aber wohl beigelegt werden könne.

Staatssekretär Dr. Ringelmann macht daraufhin folgenden Vermittlungsvorschlag:

a) Das Finanzministerium sei bereit, der vom Arbeitsministerium geforderten Hebung der Ang. Verg. Gr. IX auf solche der Verg. Gr. VIII zuzustimmen und

b) sich mit der Mehrung der Stellen für Sozialgerichtsdirektoren (A 1 a) von 5 auf 7 durch Hebung von 2 Stellen für Obersozialgerichtsräte (A 2 b) einverstanden zu erklären.

Allerdings müsse dann das Finanzministerium auf die übrigen Differenzpunkte verzichten.

Staatsminister Dr. Oechsle stellt fest, daß ihm diese Punkte besonders wichtig seien, so daß er dem Vermittlungsvorschlag zustimmen könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß dieser Punkt damit erledigt ist.28

Rechnungsjahr 1954

V. Entwurf eines Vergnügungssteuergesetzes29

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich, ob Aussicht bestehe, daß zwischen den Staatsministerien des Innern und für Wirtschaft und Verkehr eine Einigung hinsichtlich dieses Gesetzentwurfs erzielt werden könne.30

Staatsminister Dr. Seidel ersucht, diesen Punkt nochmals zurückzustellen, da das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr nochmals eine Äußerung abgeben wolle.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.31

Vergnügungssteuergesetz vom 11. Juni 1958
Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend Ministerialdirektor