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Nr. 6MinisterratssitzungMontag, 5. November 1945 Beginn: 15 Uhr 10 Ende: 17 Uhr 25
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Arbeitsminister Roßhaupter, Kultusminister Dr. Fendt, Innenminister Seifried, Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Wirtschaftsminister Dr. Erhard, Finanzminister Dr. Terhalle, Minister ohne Portefeuille Schmitt, Staatssekretär Staatsrat Dr. Pfeiffer, Staatssekretär Ficker (Innenministerium), Staatssekretär Staatsrat Dr. Ehard (Justizministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Staatssekretär Staatsrat Dr. Müller (Finanzministerium), Reichsbahnpräsident Dr. Rosenhaupt.

Tagesordnung:

I. Vorbereitung der Ministerpräsidenten-Konferenz in Stuttgart vom 6. November 1945. [II. Überfremdung]. [III. Sicherheit und Entnazifizierung]. [IV. Verordnung betreffend Bezeichnungen im Gebiet der inneren Verwaltung vom 23. Oktober 1945]. [V. Vereinheitlichung der Verhältnisse in den Ländern der US-Zone]. [VI. Länderratsausschüsse]. [VII. Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten]. [VIII. Gerücht über Plünderungsfreiheit am 8./9. November]. [IX. Öffentliche Sicherheit]. [X. Diensteid]. [XI. Errichtung eines Landesverbandes der Allgemeinen Ortskrankenkassen]. [XII. Errichtung eines Bayerischen Landesversicherungsamts]. [XIII. Amerikanische Änderungsvorschläge für das Wohnungsnotgesetz]. [XIV. Parteiversammlungen im Prinzregententheater]. [XV. Sonderausweise für die Kabinettsmitglieder]. [XVI. Unterstützung der Volkswirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für Bayern und des Ausschusses für Wirtschaft und Finanzpolitik der Münchener Gewerkschaften].

I. Vorbereitung der Ministerpräsidenten-Konferenz in Stuttgart vom 6. November 1945

Ministerpräsident Dr. Hoegner eröffnet die Sitzung mit der Bekanntgabe der Tagesordnung für die Tagung der Ministerpräsidenten am 6. November 1945. Diese Tagesordnung lautet:

1. Organisationsplan und Bestellung von Sachbearbeitern für das Sekretariat.

2. Verteilung der Ost-Evakuierten.

3. Aufhebung der Ländersperre für Lebensmittel und sonstige Güter des allgemeinen Bedarfs.

4. Behandlung der reichseigenen Verwaltungszweige.

5. Stärkung der Ländergewalt, insbesondere durch Errichtung vorläufiger Volksvertretungen.

6. Austausch von Erfahrungen und Anregungen.

7. Zeit und Tagesordnung der nächsten Sitzung.

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt zunächst die Teilnehmer und die Zeit der Abfahrt für die Konferenz bekannt.1 Dann bittet er Staatssekretär Dr. Pfeiffer zu Punkt 1 Bericht zu erstatten.

Staatssekretär Dr. Pfeiffer führt aus, der Generalsekretär2 des Rats der Ministerpräsidenten habe seinerseits einen Organisationsplan entworfen und dem Ministerpräsidenten zur Kenntnisnahme übersandt.3 Dieser Plan unterscheide sich grundsätzlich von dem, was in der Ministerratssitzung vom 30. Oktober4 beschlossen worden sei und zwar in Punkt 7. Dieser Punkt 7 laute: Am Tagungsort des Rates wird ein Sekretariat errichtet. Dieses besteht aus einem Generalsekretär als Leiter, je einem ständigen Vertreter der beteiligten Länder und der erforderlichen Zahl hauptamtlicher Sachbearbeiter für die großen Fragenkreise. Die Ländervertreter werden von den Ministerpräsidenten ihres Landes, dem Generalsekretär und die Sachbearbeiter vom Rat der Ministerpräsidenten bestellt, letztere auf Vorschlag des Generalsekretärs.

Dieser Vorschlag unterscheide sich in zwei Punkten von dem Ministerratsbeschluß:

1. daß hauptamtliche Sachbearbeiter für die großen Fragenkreise bestellt würden und

2. daß die Verbindung zum Generalsekretär nicht durch Bevollmächtigte der Länder aufrecht erhalten werde, sondern daß neben dem Generalsekretär als Leiter je ein ständiger Vertreter des Landes im Sekretariat vorgesehen sei.

Es werde also der Versuch gemacht, ein politisches Zentralsekretariat zu schaffen als Ausgangspunkt für eine deutsche Zonenregierung. Darin liege eine sehr große Gefahr. Die anderen Bestimmungen des Stuttgarter Organisationsplanes entsprächen dagegen auch den bayerischen Vorschlägen.

Staatsminister Dr. Erhard erklärt, daß er gegen solche Pläne schon Einwände erhoben habe. Man brauche kein hauptamtliches Sachverständigen-Gremium, hinter den Ländervertretern solle ein Sachverständigen-Ausschuß der Länder in Erscheinung treten. In Stuttgart wisse man bereits, daß wir anderer Meinung seien.

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, er sei der Meinung, daß man am ursprünglichen Vorschlag festhalten solle. Das Generalsekretariat solle nur eine Vermittlungsstelle für die einzelnen Länder sein und sich nicht zu einer Überregierung entwickeln. Wenn die bayerischen Vertreter in das Sekretariat eingegliedert und dort auch hauptamtliche Sachverständige bestellt würden, dann machten diese Leute dort alles und Bayern könne nur noch Ja und Amen dazu sagen. Das müsse unter allen Umständen verhindert werden. Er bitte die Teilnehmer an der morgigen Konferenz mit aller Energie den gemeinsamen bayerischen Standpunkt zu vertreten. Mit der Bildung verschiedener Abteilungen sei man einverstanden. Diese dürften aber keine selbständigen Vorarbeiten und Entscheidungen treffen. Die Entscheidungen müßten ausschließlich durch die Konferenz der Ministerpräsidenten getroffen werden.

Staatssekretär Dr. Pfeiffer kommt dann noch auf Punkt 10 des Stuttgarter Vorschlags, die Kostentragung, zu sprechen. Der Ausdruck „anteilig“ bedürfe noch einer Interpretation. Man wisse nicht, auf was er abgestellt sei, auf die Bevölkerungszahl, auf die Ländergröße usw.

Hierzu betont Ministerpräsident Dr. Hoegner, als Schlüssel komme nicht nur die Bevölkerungszahl, sondern auch die Steuerkraft in Betracht. Es handle sich hier wohl um eine Art der alten Matrikularbeiträge.5 Die Frage der Kosten werde morgen noch nicht endgültig entschieden werden. Man müsse sich die Stellungnahme noch Vorbehalten. Man solle aber das Bestreben haben, die Kosten niedrig zu halten durch Verhinderung der Bildung eines so großen Apparates.

Zu Punkt 2 der Tagesordnung [Verteilung der Ost-Evakuierten] regt Ministerpräsident Dr. Hoegner an, mit bestimmten Vorschlägen nach Stuttgart zu kommen.

Hierzu führt Staatsminister Seifried aus, er habe jetzt die statistischen Unterlagen bekommen. Heute seien Verhandlungen bei der Militärregierung. Das Ergebnis dieser Besprechungen erhalte er aber erst anschließend an den Ministerrat. Diese Unterlagen stünden dann für Stuttgart zur Verfügung. Die Amerikaner wünschten, daß bei der Überführung in die russische Zone eine entsprechende Bewachung und ein entsprechender Beamtenapparat zur Durchführung der Registrierung gestellt werde. Das seien aber mehr technische Fragen. Grundsätzlich müsse man sich gegen den Vorschlag der Amerikaner wenden, daß der Austausch Kopf gegen Kopf erfolgen solle. Man müsse vielmehr die Bevölkerungszahl eines bestimmten Stichtages zugrundelegen. Auf Grund der Tatsache, daß sich das Ende des Krieges in Bayern abgespielt habe und Bayern der Luftschutzkeller des Reiches gewesen sei, müßten wir sonst dauernd eine große Zahl von Flüchtlingen behalten. Bei Durchführung des Grundsatzes Kopf gegen Kopf zögen wir den kürzeren. Es müsse vielmehr heißen: In Bayern habe die Bevölkerung vor dem Krieg 6,8 Millionen betragen, nach den letzten Erhebungen seien so und so viel Flüchtlinge da. Diese Flüchtlinge müßten nach einem bestimmten Verhältnis zur Urbevölkerung von allen Gebieten aufgenommen werden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner ergänzt diese Ausführungen dahin, man müsse also vorschlagen, daß eine entsprechende Zahl von Flüchtlingen auch nach Württemberg, Baden und Hessen komme, d.h. daß wir weniger bekommen als wir jetzt abgäben. Er fragt an, ob man mit einem bestimmten Schlüssel aufwarten könne.

Staatsminister Seifried versichert, daß dieser noch festgestellt werden könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bittet, für die Verteilung der Flüchtlinge einen entsprechenden Antrag vorzubereiten.

Punkt 3 der Tagesordnung [Aufhebung der Ländersperre für Lebensmittel und sonstige Güter des allgemeinen Bedarfs] erklärt Ministerpräsident Dr. Hoegner als eine für Bayern sehr kitzlige Angelegenheit. Unser Lebensstandard stehe höher. Es bestehe die Gefahr, daß er sinke, wenn die bayerischen Lebensmittel in die ganze US-Zone ausgeführt würden.

Hierzu erklärt Staatsminister Dr. Baumgartner, daß, wenn wir die bisherigen Rationen auf Befehl der Militärregierung halten müßten, der Anschluß an die nächste Ernte nicht zu gewinnen sei. Es entstünden vielmehr schon große Schwierigkeiten im März 1946. Bayern könne keine Lebensmittel ausführen. Sein Vertreter auf der Stuttgarter Tagung, Staatsrat Dr. Niklas, wisse über diese Fragen genau Bescheid.

Hierzu führt Staatsminister Dr. Terhalle aus, man dürfe auch einen größeren Gesichtspunkt nicht außer acht lassen. Innerhalb Bayerns habe man die Möglichkeit zu kontrollieren. Wenn die Grenzen aber aufgehoben würden, dann könne man vorschnell in eine Situation kommen, daß man gezwungen sei, währungspolitische Maßnahmen überstürzt durchzuführen.

Staatsminister Dr. Erhard erklärt, er habe aus der letzten Sitzung den Eindruck gewonnen, die Amerikaner seien absolut bereit, uns Lebensmittel zu liefern.

Dies bestätigt Staatsminister Dr. Baumgartner, fügt aber hinzu, daß die Amerikaner hiefür von uns einen Export haben wollten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, er sähe zwei Gefahren:

1. daß die Württemberger und Hessen nach Bayern kommen und zu höheren Preisen bei uns die Lebensmittel aufkauften,

2. komme ein Vorschlag, daß die Bauern nur einen Teil zu festgesetzten Preisen abliefern müßten und den Rest zu höheren Preisen verkaufen könnten. In diesem Falle komme das ganze Preis- und Lohnstopsystem ins Wanken. Dagegen müsse man sich entschieden wehren. Wenn nur ein Pflichtsoll zu den jetzigen Preisen abgeliefert werden müsse, sonst aber auf gesetzliche Weise zu erhöhten Preisen verkauft werden könne, dann müßten die Löhne erhöht werden und wir seien mitten in der Inflation. Er sei von den Amerikanern aufgefordert worden, öffentlich gegen die drohende Inflation Stellung zu nehmen. Er habe erklärt, daß diese Sache über Bayern hinausgehe, die Amerikaner sollten diese Erklärung selbst abgeben. Das sei viel wirkungsvoller. Wir wüßten doch nicht, wohin die Entwicklung gehe, da wir die Geheimnisse nicht kennen, nach denen wir regiert werden sollen. Er wolle diese Erklärung gerne unterstützen, aber sie müsse von den Amerikanern abgegeben werden. Wenn wir es sagten, glaube man es uns doch nicht und wir würden vielleicht durch die Entwicklung der Verhältnisse überholt. Er sähe sehr große Gefahren durch den Wegfall der Lebensmittelgrenzen in der amerikanischen Zone.

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt, wenn wir etwas hergeben sollten, dann müßten wir von den anderen Ländern auch Dinge verlangen, die wir in Bayern ganz notwendig brauchten.

Hierzu führt Ministerpräsident Dr. Hoegner aus, Lebensmittel hätten uns die anderen Länder nicht mehr zu bieten. Das Württembergische Obst sei schon lange weg. Die Aufhebung der Ländersperre bedeute auch nicht die Zulassung von Kompensationsgeschäften,6 sondern freien Handel in der US-Zone.

Diese Ausführungen werden von Staatsminister Roßhaupter und Staatsminister Dr. Erhard bestätigt.

Zur Frage der Inflation meint Staatsminister Dr. Terhalle, man müsse darüber möglichst wenig reden. Man müsse überlegen, ob man nicht die Amerikaner dazu etwas sagen lassen solle. Wir hätten doch seit Jahren schon eine verschleierte Inflation. Man solle immer betonen, daß Eisenhower gesagt habe, man solle die Inflation verhindern und daß wir alle dabei mithelfen wollten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner wiederholt, daß er der Militärregierung gegenüber sofort den gleichen Standpunkt vertreten habe.

Staatsminister Dr. Erhard berichtet, daß die Amerikaner drei Sachverständige ernannt hätten, welche die Grundlage eines solchen Währungsausschusses bilden sollten. Von jedem Land sollten nur noch zwei Sachverständige ernannt werden. Es kämen also 10 Sachverständige zusammen, die diese Sache mit den Amerikanern besprechen müßten. In der russischen Zone sei das System eingeführt worden, daß die Bauern nur einen Teil abliefern müßten und den Rest frei verkaufen könnten. Die Folge sei gewesen, daß überhaupt nichts zu bekommen sei oder nur zu Wucherpreisen. Dort koste das Pfund Butter 800 Mark. Das seien die Auswirkungen dieser Politik.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt folgende Taktik zu Punkt 3 vor: Bayern solle die Dinge an sich herankommen lassen und abwarten, was die anderen verlangten. Dann solle man möglichst die bayerischen Interessen zu wahren suchen.

Hierzu erklärt Staatsminister Dr. Baumgartner, daß er von der Stuttgarter Konferenz wegbleibe, damit der Staatsrat sich dort nicht festzulegen brauche und immer erklären könne, er müsse noch mit dem Minister sprechen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt zusammenfassend fest, daß bei Punkt 3 wir die Leidtragenden seien.

Staatsminister Dr. Erhard führt noch an, daß durch das Verbot des Bierbrauens Bayern seine Getränkebasis verliere, während die anderen noch den Most hätten.

Staatsminister Roßhaupter schlägt vor, darauf in Stuttgart noch besonders hinzuweisen.

Zu Punkt 4 der Stuttgarter Tagesordnung [Behandlung der reichseigenen Verwaltungszweige] führt Ministerpräsident Dr. Hoegner aus, daß über diesen Punkt schon im Ministerrat gesprochen worden sei. Er glaube, daß man mit einem positiven Vorschlag kommen solle, daß in jedem Land ein Verkehrsministerium einzurichten sei zur Wahrung der Landesinteressen gegenüber den reichseigenen Verwaltungen. Auf dem Gebiet der Finanzen hätten wir dieses Ministerium schon.7 Man brauche also nur noch ein Verkehrsministerium. Die Frage sei nur die, ob in dieses Ministerium nicht alle Angelegenheiten des Verkehrs mit hereingenommen werden sollten. Das greife zwar in das Wirtschaftsministerium ein, es empfehle sich vielleicht aber doch, es so zu machen. In der Schweiz sei er Zeuge eines langen und schweren Kampfes gewesen: Autotransport gegen Eisenbahntransport. Es bestehe kein Zweifel, daß die Eisenbahn, wenn sie rentabel bleiben solle, bestimmte Vorrechte in Anspruch nehmen müsse. Es sei dann zweckmäßig, die ganzen Verkehrsfragen in einem Ministerium zu vereinigen. Das Problem sei zwar nicht drängend, aber es tauche doch auf.

Hierzu stellt Staatsminister Schmitt fest, daß diese Fragen sich auch schon in Deutschland ergeben hätten.

Staatsminister Roßhaupter hält aus dem Grunde die Errichtung eines einheitlichen Ministeriums für alle Verkehrsfragen für notwendig, weil die Eisenbahn heute nicht so leistungsfähig sei und das Auto in Zukunft in den Verkehr eingestellt werden müsse.

Demgegenüber bemerkt Reichsbahnpräsident Dr. Rosenhaupt, die Eisenbahn sei an sich schon in der Lage, einen großen Verkehr durchzuführen. Wenn sie das noch nicht mache, so hänge das nur von dem Veto der Amerikaner ab, die uns die Dichte des Verkehrs vorschrieben. Der Personenverkehr sei in den letzten Monaten sehr angestiegen, die Einnahmen nähmen einen sehr erfreulichen Aufschwung. Was das Ministerium selbst anlange, so weise er darauf hin, daß die Vertretung der Länderinteressen gegenüber Reichsbahn und Reichspost seines Erachtens ein Ministerium nicht rechtfertige. Der Arbeitsumfang werde dann wohl zu gering sein, um ein eigenes Ministerium auszustatten. Das sei anders, wenn man dazu noch den gesamten Autoverkehr, die Schiffahrt und die Energieversorgung nähme, die in engster Beziehung zum Verkehr stehe. Das sei dann ein abgerundeter Aufgabenkreis, der sehr wohl die Errichtung eines eigenen Ministeriums rechtfertigen könne. Er habe hierüber ein Memorandum8 ausgearbeitet, das er dem Ministerrat zur Verfügung stelle.9

Staatsminister Dr. Terhalle meint, daß man zu dieser Frage nicht eher endgültig Stellung nehmen könne, bevor man wisse, wer die Eisenbahn bekomme, ob sie nicht z. B. für die Reparationen in Anspruch genommen würden. Dann brauche man das Auto wieder und auch eine gewisse Koordinierung. Man brauche irgendeinen verkehrspolitischen Ansatzpunkt, insbesondere in Bayern, wo die Verkehrspolitik mit der Energiewirtschaft und den Wasserstraßen eng verknüpft sei.

Staatsminister Dr. Erhard erklärt, bei der letzten Besprechung sei von den Amerikanern gesagt worden, wir müßten uns um den Transport kümmern, spätestens bis zum 1. Januar 1946 wollten sie sich aus diesem Gebiet ganz herausziehen.

Staatssekretär Dr. Pfeiffer führt aus, daß in der Besprechung vom Freitag10 gesagt worden sei, daß das Verkehrsministerium eine bayerische Stelle sei und bei den reichseigenen Verkehrsbetrieben für Bayern ein entsprechender Partner festgestellt werden müsse. Zu diesem Zweck müsse am besten die Reichsbahndirektion München zu einer Generaldirektion für das bayerische Netz gemacht werden, ebenso für die Post die Oberpostdirektion München, damit der bayerischen Stelle auf der anderen Seite eine technische Verwaltungsstelle für die reichseigenen Betriebe gegenüberstehe. Das sei in der Denkschrift von Präsident Dr. Rosenhaupt schon niedergelegt. In Stuttgart bestünde eine solche Generaldirektion für Post und Eisenbahn für das französisch besetzte Gebiet.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt abschließend vor, noch heute einen entsprechenden Antrag für die morgige Konferenz auszuarbeiten.

Zu Punkt 5 der Stuttgarter Tagesordnung [Stärkung der Ländergewalt, insbesondere durch Errichtung vorläufiger Volksvertretungen] meint Ministerpräsident Dr. Hoegner, hier seien wir den anderen Ländern bereits ein Stück voraus. Schon vor mehr als 5 Wochen sei diese Frage aufgeworfen und nunmehr im Staatsgrundgesetz geregelt worden.11 Die Vorarbeiten zur Einberufung eines Landesausschusses seien bereits in Angriff genommen worden. Er hoffe, daß dieser in etwa 4 bis 5 Wochen, spätestens bis Mitte Dezember, zu seiner ersten Tagung zusammentreten könne.

Staatssekretär Dr. Pfeiffer berichtet über den Stand der Vorbereitungen. Er stellt die Organisationen, Gruppen und Bevölkerungskreise auf, aus denen die Vertreter entnommen werden sollen. Mit einer Zahl von 50 Mitgliedern werde man wohl nicht auskommen, es würden wohl 60 werden.12 Für die Abgabe von Vorschlägen sei als Termin der 20. November 1945 festgesetzt worden, so daß im letzten Drittel des November die Entscheidung über die Berufung und noch vor Weihnachten die Konstituierung des Landesausschusses erfolgen könne. Man denke an einen feierlichen Staatsakt im Rathaussaal, einige Arbeitstagungen mit vorbereitendem Programm und als Abschluß an eine große politische Kundgebung im Prinzregententheater, bei der neben dem Ministerpräsidenten zwei weitere Minister als Vertreter der übrigen Koalitionsparteien sprechen sollten. Diese Kundgebung dokumentiere dann den gemeinsamen Arbeitswillen und das positive Arbeitsprogramm.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, daß er sich über die Schwierigkeiten hinsichtlich des Landesausschusses vollkommem klar sei. 50 oder 60 Leute seien für Bayern zu wenig. Im alten Landtag seien 150 bis 180 Abgeordnete gesessen.13 Man werde immer Vorwürfe bekommen, daß man die eine oder andere Gruppe nicht berücksichtigt habe. Die Hauptsache sei aber, daß man überhaupt einmal mit dem Parlamentarismus wieder beginne. Der Landesausschuß sei ein Anfang, zwar kein großartiger, weil er nicht durch freie Wahl berufen werde, aber er stelle immerhin ein Sprachrohr für das Volk dar. Ein richtiges Parlament bekämen wir doch nicht so rasch, vielleicht erst im Oktober nächsten Jahres. Er lege den größten Wert darauf, daß die Sache möglichst bald zum Abschluß gebracht werde. Man könne den Landesausschuß nachträglich immer noch erweitern oder die eine oder andere Gruppe noch zum Zug kommen lassen. Er sei der Ansicht, man solle morgen in Stuttgart das vorschlagen, was im bayerischen Staatsgrundgesetz niedergelegt worden sei. Der Antrag müsse heute noch formuliert werden.

Zu Punkt 6 [Austausch von Erfahrungen und Anregungen] führt Ministerpräsident Dr. Hoegner aus, daß hier für die letzte Sitzung bereits einige Dinge vorbereitet gewesen seien, die aber nicht behandelt wurden. Das könne nun morgen nachgeholt werden. Er bitte aber, darauf zu sehen, daß man morgen unter allen Umständen fertig werde. Wir könnten es uns nicht leisten, zwei Tage nur mit Gesprächen zu verbringen. Jeder Minister sei in seinem Amt notwendig.

[II. Überfremdung]

Staatssekretär Dr. Pfeiffer gibt hierzu noch einmal Pläne bekannt, die für die Stärkung der Regierungsgewalt der Länder bereits ausgearbeitet worden seien. Dabei weist er besonders noch auf die Überfremdung hin.

Hierzu erklärt Ministerpräsident Dr. Hoegner, diese Dinge seien allgemein bekannt und führten über kurz oder lang zu einem Ausbruch der Volksstimmung. In dieser Sache sei aber mit den Amerikanern nicht viel anzufangen, die solche Unterscheidungen auf Grund ihrer kurzen Geschichte nicht kennen. Bei uns dagegen seien die Dinge ganz natürlich. Eine gewisse Besserung sei lediglich auf dem Gebiet der Justiz eingetreten, seitdem man die Akten des Reichsjustizministeriums entdeckt habe.14 Jetzt könnten wenigstens sämtliche Justizbeamte nachgeprüft werden. Vielleicht trete eine gewisse Besserung ein, wenn Gemeindewahlen und Kreistagswahlen stattfinden, weil dann die von Norddeutschland gekommenen Herren nicht mehr gewählt würden.

[III. Sicherheit und Entnazifizierung]

Staatssekretär Dr. Pfeiffer führt als weitere Punkte die Sicherheitsverhältnisse und die Wirkung der Entnazifizierung auf den Staatsapparat an. Er fügt hinzu, daß sich in den 16 Tagen seit der letzten Sitzung eine ganze Menge von Dingen vorwärts entwickelt habe.

[IV. Verordnung betreffend Bezeichnungen im Gebiet der inneren Verwaltung vom 23. Oktober 1945]

In diesem Zusammenhang bemerkt Ministerpräsident Dr. Hoegner, daß er von Major Parker erfahren habe, daß die Verordnung betreffend Bezeichnungen im Gebiet der inneren Verwaltung vom 23. Oktober 1945 nicht genehmigt werde, weil sonst bei den amerikanischen Dienststellen eine völlige Verwirrung entstehe.15 Er wolle diese Verordnung aber nicht zurückziehen, sondern ihr Inkrafttreten nur aufschieben. Damit sei Parker einverstanden gewesen.16

[V. Vereinheitlichung der Verhältnisse in den Ländern der US-Zone]

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt weiter vor, die bereits für Bayern erlassenen Gesetze den Vertretern der anderen Länder zur Kenntnis zu bringen, damit diese auch entsprechend Vorgehen.

Staatsminister Seifried regt an, die Frage der Verschiedenartigkeit in der Auszahlung der Versorgungsbezüge zur Sprache zu bringen. In Bayern würden keinerlei Versorgungsbezüge ausbezahlt, während andere Länder auszahlten.

Auch Ministerpräsident Dr. Hoegner bezeichnet dies als einen unhaltbaren Zustand.

[VI. Länderratsausschüsse]

Staatsminster Dr. Erhard erklärt, bei der letzten Zusammenkunft sei die Bildung von Ausschüssen angeregt worden. Eine Reihe von Ausschüssen sei auch tatsächlich gebildet worden, die für nächsten Montag schon zu einer Sitzung einberufen worden seien. Es handle sich hier nicht um dauernde Einrichtungen, sondern die Ausschüsse sollten nur die ihnen gestellten Themen vorbereiten. Ein Evakuierungsausschuß, ein Ernährungsausschuß und ein Energieausschuß sollten bereits am nächsten Montag tagen.

Hierzu erklärt Staatsminister Dr. Baumgartner, daß er bezüglich der Ausschüsse immer betont habe, daß diese bei den Ländern verbleiben sollten, da sie nur auf Weisung des Ministerpräsidenten arbeiten sollten und keine endgültigen Beschlüsse fassen könnten.

Staatsminister Dr. Erhard bestätigt diese Auffassung.17

[VII. Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten]

Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt, daß nach dem vorläufigen Staatsgrundgesetz die Richtlinien der Politik vom Ministerpräsidenten bestimmt würden.18 Wenn in einem Ministerium eine Verordnung grundsätzlicher Art erlassen werde, dann wolle er vorher darüber ins Bild gesetzt werden. Er bitte auch die Minister, bis zum nächsten Ministerrat kurz zu berichten, was inzwischen in ihren Ministerien vorgegangen sei. In der nächsten Zeit solle eine Ministerratssitzung sein, die vom Rundfunk übertragen werde. Für diese Sitzung sei es zweckmäßig, wenn möglichst viel Minister zum Wort kämen. Über die Art und Weise müsse man sich noch näher besprechen. Vielleicht könne man in dieser Sitzung die Berichte über die Arbeiten in den Ministerien erstatten, dann komme jeder Minister zu Wort. Mit diesem Vorschlag herrscht allgemeines Einverständnis.

Auf eine Frage von Staatsminister Dr. Terhalle nach dem Zeitpunkt dieses Ministerrats erklärt Ministerpräsident Dr. Hoegner, darüber müsse noch eine Vereinbarung getroffen werden. Vielleicht sei ein Samstag Nachmittag hiefür der geeignete Termin.

[VIII. Gerücht über Plünderungsfreiheit am 8./9. November]

Staatsminister Seifried führt aus, das Gerücht über die Plünderungsfreiheit am 8. und 9. November verdichte sich immer mehr.19 Es werde sogar versucht, nachzuweisen, woher das Gerücht komme. Er habe mit Major Schweizer eingehend darüber gesprochen und ihn ersucht, daß die Militärregierung von sich aus eine Bekanntmachung erlassen müsse. Von diesem Gerücht werde doch auch die Militärregierung betroffen. Das Gerücht sei zwar ein absoluter Unsinn, aber es werde eben doch geglaubt.

[IX. Öffentliche Sicherheit]

Ganz trostlos stehe es mit der Rechtssicherheit im Lande. Aus einem Bezirk würden für die letzten Tage 7 Mordfälle gemeldet, wie ihm der Staatssekretär der Justiz mitgeteilt habe. Er habe zu Major Schweizer gesagt, es genüge nicht, wenn die Landpolizei nur 10 Schuß Munition habe, während die Banden mit Maschinenwaffen ausgerüstet seien. Den Banden müsse man eine schlagkräftige Polizei entgegensetzen.20 Da seien aber die Amerikaner ängstlich. Sie teilten alles auf. So könnten aber die Verhältnisse unmöglich weiter gehen, vor allem leide darunter die Ablieferungsfreudigkeit der Bauern. Jetzt sei ein Erlaß von General Truscott gekommen, daß Leute, die sich im Besitz von Waffen befänden, unnachsichtlich bestraft würden und daß nunmehr die Ausländer den Deutschen gleichgestellt seien. Er habe versucht, einen Text dieser Anordnung zu bekommen, um eine entsprechende Bekanntgabe herauszubringen, damit einerseits die Bauern, die angefangen hätten, Selbsthilfe-Aktionen durchzuführen, nicht in Schwierigkeiten kämen und daß andererseits auch die Ausländer in Kenntnis gesetzt würden. Es sei zu befürchten, daß die Deutschen genauer unter die Lupe genommen würden als die Ausländer, schon deswegen müsse die Bekanntgabe erfolgen, damit ja kein Deutscher erwischt werde, der Waffen habe.

Hierzu erklärt Staatsminister Dr. Baumgartner, er habe in dieser Sache heute mit der Militärregierung gesprochen. Er bekomme Dutzende von Briefen, worin die Unsicherheit auf dem Lande geschildert werde. Die Dinge seien derart katastrophal, daß die Bauern nicht mehr ablieferten. In Oberbayern seien in einem Monat 1.300 Überfälle vorgekommen. In Bayern rissen die Mordüberfälle, Brandstiftungen nicht ab. Die Banditen kämen mit Autos angefahren. Er frage, wo sie die Autos und das Benzin her hätten. Er bitte den Minister des Innern, an Hand von Beispielen einen Bericht auszuarbeiten und an die Militärregierung mit Vorschlägen heranzutreten. Es müsse etwas geschehen, sonst komme das ganze Kabinett in Mißkredit. Die ganzen Reden im Radio nützten nichts, wenn die Rechtssicherheit nicht hergestellt werden könne.

Hierzu erklärt Ministerpräsident Dr. Hoegner, die Dinge seien am schlimmsten im Juli und August gewesen, wo sein Kabinett noch nicht da gewesen sei. Er habe schon damals den Chef der Landpolizei21 auf diese Sache hingewiesen. Dieser habe dadurch manche Erfolge erreicht, daß er in die Nähe von Ausländerlagern Sonderkommandos gesetzt habe.

Staatsminister Roßhaupter verweist in diesem Zusammenhang auf Feldafing.22

Ministerpräsident Dr. Hoegner fügt hinzu, daß auch bei Altötting ein solches Sonderkommando eingerichtet worden sei. Wir brauchten aber statt 1.300 Mann 5 bis 6.000 Mann Polizei. Innerhalb der Landpolizei scheine aber auch nicht die richtige Auffassung zu herrschen. Die Landpolizei behaupte oft, sie könne nichts machen, weil die Amerikaner sie nicht unterstützten. Die Landpolizei sei verpflichtet, rücksichtslos vorzugehen und wenn an irgendeiner Stelle die Amerikaner das verhindern sollten, dann werde er selbstverständlich dem General entsprechende Mitteilung machen. Er habe aber bis jetzt keine Beweise, daß die Amerikaner das täten. Die Banden benützten gestohlene amerikanische Uniformen, was zu Mißverständnissen Anlaß gäbe. Haupträdelsführer schienen Polen zu sein. Im September sei die Bandentätigkeit vorübergehend zurückgegangen, neuerdings scheine es schlimmer geworden zu sein.

Ministerpräsident Dr. Hoegner ersucht den Innenminister, mit dem Chef der Landpolizei zu sprechen und darauf zu drängen, daß die Bandentätigkeit abgestellt wird.

Staatsminister Seifried sichert das zu, weist aber darauf hin, daß mit dem herannahenden Winter sich die Lage verschärfen werde. Bei einem Feuergefecht in der Nähe von Laufen hätten sich unsere Leute zurückziehen müssen, weil sie nur 10 Schuß Munition hatten, während die Banden mit Maschinenpistolen ausgerüstet waren. Er befürchte, daß die Amerikaner auf dem Gebiet der Zuteilung größerer Munitionsmengen nicht ohne weiteres ein Entgegenkommen zeigen werden. Abschließend wiederholt Staatsminister Seifried, daß mit dem Flüchtlingsproblem und der Sicherheit die Ablieferungsfreudigkeit der Bauern und auch das ganze Kabinett stehe und falle.

Staatsminister Dr. Baumgartner bittet um Material, da sein Verbindungsoffizier bei der Militärregierung dieses haben wolle, um seinerseits mit den ihm untergeordneten Dienststellen vorzugehen.

Staatsminister Seifried bittet die Justiz um Material. Er habe schon angeordnet, daß eine genaue Statistik über die begangenen Verbrechen und die vermutlichen Verbrecher geführt werde. Auffallend sei allerdings, daß die für das Polizeipräsidium München zuständige amerikanische Polizeistelle diesem untersagt habe, dem Innenministerium die verlangte Aufstellung zu liefern.

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, daß er den Erlaß über das Verbot des Besitzes von Waffen habe übersetzen und dem Innenministerium habe zuleiten lassen. Dieser Erlaß solle auch den Ausländern und insbesondere den Polen bekannt gegeben werden. Dies müsse seiner Ansicht nach aber die Militärregierung machen. Wir könnten keine Parlamentäre in die Ausländerlager schicken. Mit welch zarten Händen die Ausländer angefaßt würden, zeige ein weiterer Erlaß für die Betreuung und den Unterhalt aller Nichtdeutschen in Bayern vom 31. Oktober 1945. Außerdem sei noch eine weitere Anweisung ergangen über die Unterstützung von Angehörigen der deutschen Gemeinschaft, die sich gegen den Nazismus kämpferisch betätigt haben. Diese beiden Erlasse werden von Ministerpräsident Dr. Hoegner bekanntgegeben und dienen zur Kenntnis.

[X. Diensteid]

Staatsminister Roßhaupter erklärt, wenigstens in seinem Amte bestehe der Wunsch, es möchte eine einheitliche Eidesformel für Beamte erlassen werden. Die Vereidigung solle einheitlich erfolgen. Die Eidesformel werde am besten vom Ministerpräsidium abgefaßt.23

[XI. Errichtung eines Landesverbandes der Allgemeinen Ortskrankenkassen]

Weiter teilt er mit, daß das Arbeitsministerium die Errichtung eines Landesverbandes der allgemeinen Ortskrankenkassen in Bayern beabsichtige. Der Reichsverband sei aufgelöst, den Länderregierungen sei auferlegt worden, Landesverbände zu gründen. Da es sich um eine Anordnung von allgemeiner Bedeutung handle, gäbe er hiervon Kenntnis. Die ganze Anordnung wolle er hier nicht verlesen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bittet um Zuleitung dieser Anordnung.

Staatsminister Roßhaupter sichert dies zu und bittet um Überprüfung der Verordnung vom juristischen Standpunkt aus.24

[XII. Errichtung eines Bayerischen Landesversicherungsamts]

Er erklärt weiter, es bestehe noch die Absicht, ein bayerisches Landesversicherungsamt wieder zu errichten. Ein solches habe bis 1934 bestanden, dann sei es aufgehoben worden und seine Aufgaben seien an das Reichsversicherungsamt übergegangen.25 Württemberg habe bereits wieder ein Landesversicherungsamt errichtet. Auch hier liege bereits ein Gesetzentwurf vor.26 Er frage an, ob der Ministerpräsident diese Verordnung unterzeichnen wolle. Er glaube, daß der Ministerpräsident nur Gesetze unterzeichnen solle. Die Verordnungen könnten von den Ressortministern nach Bekanntgabe und Billigung durch den Ministerpräsidenten selbst unterzeichnet werden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich mit diesem Standpunkt einverstanden, bittet aber, in allen Fällen, in denen ein Ministerium ein Gesetz oder eine rechtsverbindliche Verordnung hinausgeben wolle, den Entwurf zuerst an das Justizministerium zu schicken. Dieses habe die Aufgabe, die Gesetze und Verordnungen auf die Grundsätze der allgemeinen Rechtspolitik abzustimmen und allenfalls entsprechende juristische Gegenvorschläge zu machen. Wenn dies nicht geschehe, komme man zu einer verschiedenartigen Begriffsbestimmung, welche die Auslegung erheblich erschwere und zu einer unterschiedlichen Rechtssprechung führen könne. Das Justizministerium habe die Aufgabe, im Rahmen der allgemeinen Politik die Gesetzentwürfe der einzelnen Ministerien durchzusehen und die Vorschläge für die Festlegung bestimmter Begriffe zu machen. Das sei juristisch notwendig. Er bitte daher, es künftig so zu handhaben. Über allgemeine politische Dinge müsse selbstverständlich der Ministerpräsident unterrichtet sein. Das sei heute zwar oft schwierig, aber die Zeit dafür müßten wir uns nehmen.

[XIII. Amerikanische Änderungsvorschläge für das Wohnungsnotgesetz]

Staatsminister Roßhaupter teilt noch mit, daß von Capt. Sausser Änderungen zum Wohnungsnotgesetz vorgeschlagen worden seien und zwar folgender Art:27 Die Grenze der Parteizugehörigkeit für mildernde Umstände solle auf den 1. 5. 1937 festgesetzt werden, zu den NS-Aktivisten sollten auch die Militaristen zählen, d.h. die Truppenoffiziere vom Major aufwärts, bei Verwaltungsoffizieren dann, wenn sie auch Parteigenossen waren oder Greuel begangen haben. Der Personenkreis des § 8 Absatz 3 Nr. 1, 2 und 3 solle kein Beschwerderecht haben, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde solle in Wegfall kommen, der „Nazi“ solle aber Beschwerde einreichen dürfen. In das Gesetz solle eine strenge Verwahrung gegen billiges Denunziantentum eingefügt werden. Die Gültigkeit des Gesetzes solle schließlich über den 31. März 1946 hinaus erstreckt werden.

Hierzu erklärt Staatsminister Roßhaupter, das Gesetz sei befristet worden, weil bis zum Ablauf des Notgesetzes ein endgültiges Wohnungsgesetz geschaffen werden sollte, das vielleicht auch von anderen Gesichtspunkten ausgehe. Im Grunde genommen seien die von Capt. Sausser verlangten Änderungen nicht so groß; allerdings sei er der Ansicht, daß an der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde festgehalten werden solle. Auch bei Verwahrung gegen billiges Denunziantentum sei es möglich, daß Fehlentscheidungen vorkämen. Wenn einmal jemand auf die Straße gesetzt sei, sei es zu spät. Die zweite Änderung von Belang sei die, daß nunmehr die Grenze für mildernde Umstände beschränkt sei. Im ursprünglichen Gesetz sei eine solche Beschränkung nicht enthalten. Er könne selbst im Augenblick nicht sagen, welche Wirkungen die Einführung einer solchen Beschränkung habe. Er glaube aber nicht, daß diese allzu groß sei, weil bekanntlich von 1933 bis 1937 die Parteisperre bestanden habe. Nur in der Ostmark sei 1935 einmal die Parteisperre aufgehoben worden. Auf Grund der Fragebogen, die bei ihm durchgingen, könne er aber sagen, daß Leute, die zwischen 1933 und 1937 der Partei beigetreten seien, außerordentlich selten seien. Allerdings erstrecke sich das Notgesetz auf ganz Bayern, deshalb müsse man schon durch die Landesarbeitsamtspräsidenten und die Regierungspräsidenten prüfen lassen, welche Wirkungen die Festlegung einer Grenze auf 1. 5. 1937 für ihren Bezirk habe. Er bitte darum, daß auch der Innenminister zu dieser Frage Stellung nehme.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erläutert für diejenigen Kabinettsmitglieder, die bei den ursprünglichen Beratungen zum Wohungsgesetz noch nicht in der Regierung waren,28 die von Capt. Sausser verlangten Verschärfungen. Ursprünglich sei nur vorgesehen gewesen, daß die Parteimitglieder erfaßt würden, die ein bestimmtes Amt hatten. Jetzt schlage die Militärregierung vor, daß alle Parteimitglieder vor dem 1. 5. 1937 unter das Gesetz fielen; ihnen solle zwar ein Beschwerderecht zustehen, aber die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung haben. Eine weitere Verschärfung bestehe darin, daß die sogenannten Militaristen, d.h. Berufsoffiziere von einem gewissen Rang an auch unter das Gesetz fallen. Die dritte Verschärfung sei die, daß die im Gesetz ursprünglich vorgesehene aufschiebende Wirkung der Beschwerde wegfallen solle. Hier sei er der Meinung, daß das zu weit gehe. Gewissen Gruppen könne man das Beschwerderecht versagen, aber der vollkommene Wegfall der aufschiebenden Wirkung sei eine Härte, wegen der man noch verhandeln müsse. Hierzu sei eine Frist von 2 bis 3 Wochen eingeschoben, in der die Sache noch einmal besprochen werden solle.

Staatssekretär Dr. Pfeiffer regt an, den nächsten Ministerrat nicht am Mittwoch, sondern am Montag oder Dienstag abzuhalten, da Kultusminister Dr. Fendt am Mittwoch zu einer Konferenz wegfahren müsse. Allenfalls könne nach der Stuttgarter Tagung noch in dieser Woche ein Ministerrat stattfinden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, es genüge, wenn der nächste Ministerrat, in dem Bericht über Stuttgart gegeben werde, am nächsten Dienstag 15 Uhr stattfinde. Für den Fall, daß sich in Stuttgart Überraschungen ergäben, behalte er sich vor, telefonisch einen Ministerrat einzuberufen.

Staatsminister Schmitt beantragt auf die Tagesordnung des nächsten Ministerrats die Richtlinien für die Denazifikation zu setzen. Mit diesem Antrag herrscht allseitiges Einverständnis.29

[XIV. Parteiversammlungen im Prinzregententheater]

Staatsminister Dr. Fendt führt aus, das Prinzregententheater sei zur Zeit der einzige große Saal, dessen sich die politischen Parteien zu ihren Kundgebungen bedienen könnten. Er bitte den Ministerpräsidenten um entsprechende Weisung, inwieweit er für diese Zwecke den Saal und das bayerische Staatsorchester zur Verfügung stellen könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, daß auf das Theater, wenn es frei sei, zurückgegriffen werden könne. Die Mitwirkung des Staatsorchesters sei dagegen eine andere Frage. Nach längerer Debatte macht Ministerpräsident Dr. Hoegner den Vorschlag, daß für die erste Versammlung jeder Partei das Staatsorchester ausnahmsweise zur Verfügung gestellt werden solle, daß die Musiker aber nur am Anfang da sein sollten und für den Rest der Veranstaltung nicht mehr benötigt werden. Dieser Vorschlag findet allgemeine Zustimmung.30

[XV. Sonderausweise für die Kabinettsmitglieder]

Staatssekretär Krehle bittet, die Frage der Ausweise für sämtliche Kabinettsmitglieder zu klären, auch solche für die Sperrzeiten. Auch die Anordnung der Fahrbereitschaft bezüglich der 80 km-Grenze sei eine ganz wesentliche Erschwerung. Er bitte, hierwegen eine Regelung zu treffen. Die Kabinettsmitglieder könnten doch nicht der Fahrbereitschaft unterstellt werden.

Hierzu erklärt Statsminister Dr. Erhard, er habe hierwegen bereits mit dem Transport-Offizier gesprochen. Jedes Ministerium solle die Wagen angeben, die von der Sperre befreit sein sollten. Das weitere werde er dann übernehmen.

Bezüglich der Frage der anderen Ausweise erklärt Ministerpräsident Dr. Hoegner, daß der Militärregierung bereits eine Liste vorliege.

[XVI. Unterstützung der Volkswirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für Bayern und des Ausschusses für Wirtschaft und Finanzpolitik der Münchener Gewerkschaften]

Staatsminister Dr. Erhard führt noch aus, es sei vorhin schon der Ausschuß von Geheimrat Weber erwähnt worden,31 der für alle als Beratungskreis wertvoll sei. Dieser Ausschuß verfüge aber über keine Mittel. Geheimrat Weber habe private Mittel zurückgewiesen, um die Unabhängigkeit dieses Ausschusses zu betonen. Nun brauche man aber für die technischen Arbeiten des Ausschusses einen Assessor,32 einen Boten usw. Er schlage deshalb vor, monatlich hiefür RM 1.000.- zu genehmigen.

Staatsminister Dr. Terhalle unterstützt diesen Antrag. Geheimrat Weber habe die Kosten aus eigener Tasche monatelang bestritten. Die qualitative Arbeit sei sowieso ehrenamtlich, nur die technische Durchführung und Ausrüstung solle finanziell unterstützt werden. Er bitte, die Zuweisung auf den 1. September 1945 zurückzudatieren.

Staatsminister Seifried hat grundsätzlich gegen den Antrag nichts einzuwenden. Er weist nur darauf hin, daß dann auch dem Wirtschafts- und Finanzausschuß der Gewerkschaften33 eine Unterstützung zuteil werden müsse. Dort komme aber wahrscheinlich nur eine kleinere Summe in Betracht.

Ministerpräsident Dr. Hoegner regt an, schriftliche Anträge zu stellen, über die im nächsten Ministerrat Beschluß gefaßt werden solle.34

Hierzu erklärt Staatsminister Dr. Terhalle noch, der Ausschuß von Geheimrat Weber sei als beratendes Organ der Landesregierung aufgezogen und als solches von den Amerikanern anerkannt worden.35 Auf die Frage von Ministerpräsident Dr. Hoegner, in welchem Zusammenhang der Weber-Ausschuß mit dem Ausschuß der Gewerkschaften stehe, erklärt Staatsminister Seifried, daß der Zusammenhang durch die gleichen Probleme gegeben sei. Der Gewerkschaftsausschuß arbeite an sich selbständig. Beide Ausschüsse versuchten aber ihre Meinungen und Ergebnisse abzugleichen.36

Hierzu erklärt Staatsminister Dr. Erhard, daß die Zusammenarbeit ausgezeichnet sei.

Staatsminister Dr. Terhalle schlägt noch vor, daß die Kosten für den Weber-Ausschuß das Kultusministerium und für den Gewerkschaftsausschuß das Arbeitsministerium tragen solle.

In längerer Aussprache wird übereinstimmend festgestellt, daß beide Ausschüsse bisher wertvolle Arbeit geleistet hätten, die auch von den Amerikanern anerkannt werde.

Ministerpräsident Dr. Hoegner ersucht nur noch, daß die Staatsregierung auch von den Ergebnissen der Arbeit der beiden Ausschüsse Kenntnis erhalte.

Der Bayerische Ministerpräsident:
gez. Dr. Wilhelm Hoegner
Der Sekretär d. Ministerrats:
gez. Claus Leusser
Oberregierungsrat
Der Leiter d. Bayer. Staatskanzlei:
gez. Dr. Anton Pfeiffer
Staatssekretär