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Nr. 24MinisterratssitzungDonnerstag, 25. April 1946 Beginn: 15 Uhr 20 Ende: 18 Uhr 45
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Innenminister Seifried, Finanzminister Dr. Terhalle, Kultusminister Dr. Fendt, Wirtschaftsminister Dr. Erhard, Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Verkehrsminister Helmerich, Minister für Sonderaufgaben Schmitt, Staatssekretär Dr. Pfeiffer, Staatssekretär Dr. Ehard (Justizministerium), Staatssekretär Ficker (Innenministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Waldhäuser (Verkehrsministerium).

Tagesordnung:

[I. Fall Stürmann]. [II.] Gesetz zur Ahndung nationalsozialistischer Straftaten. [III. Bestrafung von Denunzianten]. [IV.] Vertragshilfegesetz. [V.] Resolution des Bayer. Bauernverbandes vom 15. 4. 1946. [VI.] Beschwerde Reppert über die Auswahl der Spruchkammermitglieder. [VII. Bewachungspersonal der Internierungslager]. [VIII.] Übernahme des Flugplatzes Riem. [IX.] Betreuung evakuierter Ruhegehaltsempfänger. [X.] Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Minister und Staatssekretär im Verkehrsministerium. [XI.] Vertretung der Arbeitgeber im sozialpolitischen Ausschuß des Länderrats. [XII.] Klärung und Entscheidungen in Holzfragen. [XIII.] Schaffung eines Wirtschaftsbeirats. [XIV.] Jugendschutz. [XV.] Gesetz über die Anmeldung von Vermögen, das aus einem von deutschen Streitkräften besetzten Gebiet entfernt wurde. [XVI. Sammlung der Militärregierungs- und Kontrollratsgesetze]. [XVII. Benzinverbrauch in Bayern].

[I. Fall Stürmann]

Vor Eintritt in die Tagesordnung berichtet Staatsminister Sei fried auf Ersuchen von Ministerpräsident Dr. Hoegner kurz über den Fall Stürmann.1 Er habe schon im provisorischen Landtag eine Erklärung abgegeben, daß in dieser Angelegenheit die Person von der Sache getrennt werden müsse.2 Die schon bei seinem Amtsantritt angeordnete Revision habe ergeben, daß Stürmann ziemlich selbstherrlich Beschlüsse gefaßt und eine gewaltige Expansionspolitik getrieben habe, die so weit gegangen sei, daß Dinge in Angriff genommen worden seien, die stark ins Politische hinüberspielten. Bezüglich der Gehälter habe eine sehr großzügige Einstellung geherrscht, die bei einer caritativen Einrichtung zu Kritik Anlaß gegeben habe, wenn man auch in Anbetracht der Tatsache, daß das Rote Kreuz aus dem Boden habe gestampft werden müssen, manche Unebenheit übersehen müsse. Dies habe dazu geführt, daß die Militärregierung erklärt habe, es sei zwar nicht ein Befehl, aber die Militärregierung lege es der bayerischen Regierung nahe, Stürmann zu entlassen. Als Gründe seien angegeben worden: 1. das Personal des Roten Kreuzes sei zu wenig entnazifiziert worden;3 2. Stürmann habe zu selbstherrlich unter Mißachtung der Satzung gearbeitet; 3. er habe Dinge durchgeführt, die in das politische Gebiet gehörten und solche, die nur mit Zustimmung der Militärregierung möglich gewesen seien, die aber nicht eingeholt worden sei. Die Sache habe dadurch noch eine Erschwerung erfahren, daß vom Kontrollrat eine Neulizenzierung sämtlicher caritativer Verbände angeordnet worden sei. Es sei durchgeklungen, daß eine neue Lizenz für das Rote Kreuz in Frage gestellt sei, wenn Stürmann belassen bleibe. Aus diesen Gründen sei es geboten gewesen, Stürmann zu entlassen.4 Dieser habe zwar Protest dagegen erhoben, wie er überhaupt sich dagegen gewendet habe, daß das Innenministerium eine Revision des Roten Kreuzes angeordnet habe, da das Rote Kreuz eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei.

Staatssekretär Ficker erklärt, es genüge nicht, wenn man eine Person entlasse, sondern es sei notwendig, eine Generalreinigung durchzuführen.5 Im Roten Kreuz hätten sich militaristische und nazistische Elemente festgesetzt, die entfernt werden müßten.

Staatsminister Seifried erwidert, im Revisionsbericht sei in Bezug auf die Denazifizierung eine klare Stellungnahme nicht enthalten. An der Prüfung des Personals werde stetig gearbeitet. Dieses sei von der Militärregierung als in Ordnung befunden worden. Trotzdem müsse der ganze Apparat selbstverständlich noch überprüft werden. Man müsse jetzt den in den Satzungen festgelegten ehrenamtlichen Präsidenten einsetzen und dabei versuchen, einen Mann zu gewinnen, der das gesunkene Ansehen wieder heben könne. Dann müsse man noch einen geschäftsführenden Präsidenten berufen, der die ganze Organisation wieder herstelle, die auf die satzungsgemäßen Aufgaben zurückgeführt werden müsse.

Staatssekretär Waldhäuser führt aus, in der Öffentlichkeit herrsche die Ansicht, daß Stürmann wegen des Zwischenfalles im Landesausschuß entlassen worden sei. Man müsse die Öffentlichkeit aufklären, daß dies nicht der Fall sei.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, er habe es schon immer ausdrücklich abgelehnt, diese Angelegenheit im Landesausschuß zu einem Vorgehen gegen Stürmann zu benützen.6 Die Untersuchung gegen das Rote Kreuz habe damals schon lange geschwebt. Er selbst habe aus dem Zwischenfall keinerlei Konsequenzen gezogen. Stürmann habe überdies versichert, daß der Angriff nicht seiner Person gegolten habe. Wenn man aber in der Zeitung etwas bringe, mache man die Öffentlichkeit erst recht aufmerksam. Man solle diese Angriffe zu den übrigen legen. Das Wichtigste sei, jetzt den geeigneten Mann für das Rote Kreuz zu finden. Dafür müsse der Innenminister sorgen.7

[II. Gesetz zur Ahndung nationalsozialistischer Straftaten]

Staatssekretär Dr. Ehard erstattet Bericht über das Gesetz zur Ahndung nationalsozialistischer Straftaten. Ein solcher Gesetzentwurf sei von der Justizminister-Konferenz8 beschlossen worden.9 Nun sei vom Kontrollrat ein weiterer Entwurf gekommen, der auf einer Justizminister-Konferenz noch einmal durchgesprochen worden sei. Der jetzt vorgelegte Entwurf sei das Ergebnis dieser Besprechungen. Er gründe sich im wesentlichen auf den ursprünglichen Entwurf. Aus dem Kontrollratsentwurf seien einige Dinge entnommen, auf die die Amerikaner besonderen Wert gelegt hätten. Änderungen könnten keine mehr vorgenommen werden, da die Amerikaner erklärt hätten, in dieser Form seien sie bereit, Konzessionen zu machen, andernfalls werde ein Gesetz vom Kontrollrat erlassen werden, das uns unbequemer sei. Zweck des Gesetzes sei, die Verbrechen und Vergehen, die unter der nationalsozialistischen Zeit nicht verfolgt worden seien, jetzt zu verfolgen. Die Verfolgung solle aber auf solche Fälle beschränkt sein, an denen ein öffentliches Interesse bestehe. Der vorliegende Entwurf sei von der Militärregierung praktisch bereits genehmigt.

Staatssekretär Waldhäuser bringt Bedenken gegen Artikel 2 vor.

Staatssekretär Dr. Ehard erwidert, im ursprünglichen Entwurf sei eine Unterbrechung der Verjährung vorgesehen, die Amerikaner hätten aber nur eine Hemmung der Verjährung zugestanden. Das habe man nach einer sehr langen Debatte bewußt in Kauf genommen, weil es die beste Lösung sei.10

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt hiezu aus, nach seiner Meinung genüge diese Bestimmung. Alle irgendwie wesentlichen Fälle seien auch nach dieser Bestimmung noch zu erfassen.

Staatsminister Schmitt bezeichnet es als das Wesentliche, daß man die Hauptschuldigen treffe und auf kleinere Fälle nicht zurückgreifen solle.

Das Gesetz wird einstimmig angenommen.11

Staatssekretär Dr. Ehard möchte noch auf Artikel 2 Absatz 2 aufmerksam machen.12 Die Aufnahme dieser Bestimmung in das Gesetz entspreche einem besonderen Wunsch der Amerikaner. Sie entspreche der bisherigen vernünftigen Rechtsprechung, die nunmehr festgelegt sei.13

[III. Bestrafung von Denunzianten]

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt weiter mit, daß in der Justizminister-Konferenz wegen der Bestrafung der Denunzianten14 ein Beschluß gefaßt worden sei. Es sei aber eine andere Frage, ob hier ein Gesetzentwurf vorgelegt werden könne.15 Die Erfassung der Denunzianten sei bereits nach dem Gesetz über die Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus möglich. Es seien aber darüber hinaus so krasse Fälle denkbar, daß auch eine kriminelle Strafe am Platze sei.

[IV. Vertragshilfegesetz]

Staatssekretär Dr. Ehard erstattet Bericht über das Vertragshilfegesetz. Er habe neulich schon über dieses Gesetz referiert.16 Damals sei es zurückgestellt worden, weil sich noch das Wirtschaftsministerium dazu habe äußern wollen. Dieses habe nunmehr seine Zustimmung erteilt.17 Hierauf erläutert er das Gesetz im einzelnen.

Staatsminister Dr. Erhard wirft die Frage der Forderung gegen Firmen auf, die unter Property Control18 stehen.

Staatsminister Dr. Terhalle fragt an, wie es mit den Hypotheken auf zerstörten oder beschädigten Häusern stehe. Die Hypothekenbanken hätten sich geweigert, ein allgemeines Moratorium zu erlassen. Wenn man nun das Vertragshilfegesetz auch auf solche Forderungen anwende, dann werde diese Praxis vollkommen umgeworfen.

Staatssekretär Dr. Ehard erwidert, daß das Vertragshilfegesetz auf solche Forderungen keine Anwendung finde. Diese Hypothekenforderungen bedürften einer besonderen Regelung. Im vorliegenden Gesetz sei nur an Fälle gedacht, in denen der Schuldner von der öffentlichen Hand keine Zahlung erlangen könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bestätigt, daß die Regelung der Hypothekenschulden an zerstörten Häusern nicht unter dieses Gesetz falle. Es handle sich in der Hauptsache um Rüstungsaufträge, Lieferungsverträge usw.

Das Gesetz wird einstimmig angenommen.19

[V. Resolution des Bayer. Bauernverbandes vom 15. 4. 1946]

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt eine Resolution des Bayerischen Bauernverbandes vom 15. April 1946 bekannt, in der verschiedene Wünsche und Anregungen vorgebracht werden.20

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt hiezu, daß er auf Grund dieser Entschließung mit den zuständigen Ressorts die Sache bereits weiter behandelt habe. Über die Auflösung des Reichsnährstandes habe er dem Justizministerium bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt.21

Ministerpräsident Dr. Hoegner bezeichnet hierauf diesen Punkt als erledigt.

[VI. Beschwerde Reppert über die Auswahl der Spruchkammermitglieder]

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt die Beschwerde Reppert22 über die Auswahl der Spruchkammermitglieder bekannt. Er nimmt diese Gelegenheit zur Veranlassung, auf die Denazifizierungsfrage überhaupt einzugehen. Vorgestern sei er zur Militärregierung gerufen worden. Dort sei ihm von Col. Reese und Johnson auf das Strikteste erklärt worden, die Denazifizierung sei nicht Angelegenheit irgendeiner Partei, sondern eine gemeinsame Sache des ganzen Landes ohne Unterschied der Partei. Im Ministerium für Sonderaufgaben dürfe keine Parteipolitik getrieben werden.23 Das Denazifizierungsverfahren sei ein richterliches Verfahren, das sich lediglich nach Recht und Gerechtigkeit richte. Es sei behauptet worden, daß von bestimmten Mitgliedern des Ministeriums Zuwiderhandlungen gegen strikte Befehle der Militärregierung vorgekommen seien. Daraus sei die Konsequenz gezogen worden. Ministerialrat Holy24 habe das Ministerium verlassen müssen. Die Frage der Säuberung sei als eine Angelegenheit bezeichnet worden, auf die die Militärregierung ihr volles Augenmerk richte. Ein Mißerfolg in dieser Sache sei auch ein Mißerfolg der Militärregierung. Sie sei deshalb höchlichst daran interessiert, daß diese Angelegenheit in kurzer Zeit zu einem Erfolg führe. Es seien alle Maßnahmen angeordnet worden, die zu diesem Ergebnis führten. Wenn es tatsächlich der Fall sei, daß bei irgendeinem Vorschlag vorher die örtliche kommunistische Partei angefragt worden sei, dann sei das ein Widerspruch zur Politik der Militärregierung und der bayerischen Regierung. Staatsminister Schmitt sei gestern auch zur Militärregierung gerufen worden. Die Entlassung Holy, die nicht politischer sondern disziplinärer Art sei, sei aufrechterhalten worden. Vielleicht könne Schmitt den Bericht noch ergänzen.

Staatsminister Schmitt erklärt, er kenne den Fall Reppert nicht und könne deshalb nicht Stellung dazu nehmen. Er habe aber seinerseits die Anweisung gegeben, daß keinerlei Parteipolitik getrieben werden dürfe. Aus diesem Grunde habe er angeordnet, daß alle Landräte und Oberbürgermeister sich mit den drei Parteien in Verbindung setzen und gemeinsame Vorschläge für die Vorsitzenden und Ankläger machen sollten. Dies sei in den meisten Fällen geschehen, aber 80% der Vorgeschlagenen seien von der Militärregierung nicht genehmigt worden. Er könne sich die Sache nicht anders vorstellen, als daß auf Grund einer Anweisung nachträglich die drei Parteien angeschrieben worden seien, daß sie zu den Vorschlägen noch einmal von selbst Stellung nehmen und etwaige Einwände mitteilen sollten. Auch Holy habe nicht die Absicht gehabt, irgendeine Partei zu bevorzugen. Er habe augenblicklich keine genaue Aufstellung hier. Er wisse aber, daß der Prozentsatz der Kommunisten noch nicht 5% betrage. Bestätigt sei außer einigen Leuten in Oberbayern und Schwaben noch niemand, wenn er nicht zur gleichen Zeit von der Militärregierung bestätigt worden sei. Auch ihm sei gestern gesagt worden, daß im Rahmen des Ministeriums keine Parteipolitik getrieben werden dürfe, konkrete Unterlagen habe man ihm aber nicht mitgeteilt. Die Militärregierung lege Wert auf eine korrekte Durchführung. In der Praxis ergäben sich aber große Schwierigkeiten. Es ergingen Weisungen von der Delegation des Kontrollrats in Stuttgart und von der Militärregierung in München. Diese Weisungen überschnitten sich meistens. Von Stuttgart sei die Vereidigung angeordnet worden,25 von München aus sei sie verboten worden. Holy sei das Opfer dieser entgegenstehenden Weisungen geworden. Hinzu komme, daß ungeheuer große Anforderungen gestellt würden. So sei es sehr schwer, geeignete Leute zu finden. Deshalb habe er gestern den Ministerpräsidenten gebeten, ihm aus anderen Ministerien noch geeignete Leute zur Verfügung zu stellen.

Staatssekretär Dr. Pfeiffer erkundigt sich, ob die Zeitungsmitteilung richtig sei, daß ungefähr 300 Leute bereits vereidigt worden seien. Wenn ja, wie stehe es dann mit der vorgeschriebenen Bestätigung dieser Leute durch den Ministerpräsidenten und den Justizminister.26 In weiten Kreisen bestehe eine sehr große Beunruhigung. Es werde immer wieder an Mitglieder der Regierung herangetreten mit der Behauptung, daß mindestens örtlich ein sehr starker und als ungebührlich empfundener Einfluß der kommunistischen Vertreter zu fühlen sei.27 In manchen Bezirken seien gar keine kommunistischen Stimmen abgegeben worden, man habe deshalb von auswärts kommunistische Vertreter herbeigeholt. Er spreche über diese Dinge ganz offen, damit die Sache hier geklärt werden könne.

Staatsminister Schmitt erwidert, die Zeitungsveröffentlichung stimme nicht. Ministerialrat Ziebell28 habe von Stuttgart den Auftrag von Col. Oppenheimer mitgebracht, es müsse sofort mit dem Vollzug des Gesetzes begonnen werden. Daraufhin habe er angeordnet, daß alle Leute, die auf gemeinsamen Vorschlag der drei Parteien vom Landrat benannt worden seien, in München vereidigt werden sollten ohne Rücksicht darauf, ob sie bereits von der Militärregierung anerkannt seien. Man habe ausdrücklich erklärt, es handle sich um eine formale Angelegenheit. Er habe der Weisung des Kontrollrats Rechnung tragen wollen. Er habe insoferne einen Fehler begangen, als er sich nicht vorher mit dem Justizministerium ins Benehmen gesetzt habe. Er habe aber nachträglich darüber gesprochen. Diese Vereidigung sei durch den Einspruch der bayerischen Militärregierung hinfällig geworden. Praktisch arbeite noch keine Kammer. Gestern früh sei ihm gesagt worden, es dürfe mit der Arbeit nicht begonnen werden, bis er neue Anweisung erhalte. Am Nachmittag habe er Weisung erhalten, wieder an die Vereidigung der Leute zu gehen, die anerkannt seien. Die Nachrichten überschnitten sich, man wisse nicht mehr, wie man vorgehen könne. Was die weiteren Vorwürfe betreffe, so sei er der Ansicht, daß diese niemals ausblieben. Er schlage vor, zur Klärung der Sache eine gemeinsame Besprechung mit dem Ministerpräsidenten, Staatssekretär Dr. Ehard und Staatssekretär Dr. Pfeiffer zu veranstalten, damit diese Sache geklärt werden könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich mit dieser Anregung einverstanden. Die Mitwirkung des Justizministers sei im Gesetz vorgesehen. Er müsse darauf dringen, daß er auch vorher gehört werde. Er fasse diese Zustimmung nicht als formal auf, sondern dadurch werde auch ein Teil der Verantwortung übernommen.

Staatsminister Helmerich führt aus, ihm seien aus der Oberpfalz Fälle mitgeteilt worden, daß in Spruchausschüssen von auswärts Kommunisten delegiert worden seien.29 Er frage an, ob das der Wille von Staatsminister Schmitt sei.

Staatsminister Schmitt erklärt, daß dies auf keinen Fall seinen Absichten entspreche.

Staatsminister Helmerich fährt fort, ihm sei folgendes mitgeteilt worden: In Würzburg sei eine Fahrbereitschaftsleiterbesprechung abgehalten worden, auf der ein Staatskommissar des Ministers für Sonderaufgaben erschienen sei, der nicht zum Gesetz gesprochen habe, sondern eine rein politische Rede gehalten habe. Er bitte darum, daß solche Sachen unterbleiben sollten. Einen näheren Bericht werde er noch vorlegen.

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt, es sei vereinbart worden, daß solche Sachen im Rahmen des Kabinetts erledigt würden. Auf das Flugblatt von Scheringer30 habe er erwidert; damit sei für ihn die Sache erledigt gewesen. Nun habe Scheringer den Leiter des Ernährungsamtes Unterfranken aufgefordert, alle führenden Leute der Landwirtschaft von Unterfranken zu einer Versammlung in das Ernährungsamt Würzburg einzuladen, damit er dort über die Ernährungslage sprechen könne. Der Leiter des Ernährungsamtes sei auf diese Forderung des Privatmannes Scheringer hineingefallen. Er bitte darum, daß solche Dinge in Zukunft nicht mehr Vorkommen sollten.

Staatssekretär Dr. Pfeiffer betont auch, daß solche Angelegenheiten im Schoße der Regierung behandelt werden sollten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, die Militärregierung setze in den guten Willen des Staatsministers Schmitt volles Vertrauen. Sie habe sich nur gegen einige seiner Angestellten gewendet. Auch von Seiten der Landräte kämen Übergriffe vor. In dem Falle Reppert liege die Sache so, daß ein Vorgeschlagener abgelehnt worden sei, weil er Arbeiter gezwungen haben solle, mit „Heil Hitler“ zu grüßen. Er sei zu dieser Anschuldigung überhaupt nicht vernommen worden, sondern habe von Holy eine Antwort bekommen, mit der er mit Recht nicht zufrieden gewesen sei. Der Brief von Holy sei unglücklich gefaßt gewesen.

Staatsminister Schmitt meint, man müsse zunächst feststellen, ob Reppert sich freiwillig gemeldet oder von einer Partei genannt worden sei. Holy habe niemanden abgelehnt, der von einer Partei vorgeschlagen worden sei. Er könne jetzt nicht dazu Stellung nehmen, werde aber den Fall nachprüfen lassen.

[VII. Bewachungspersonal der Internierungslager]

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, bei dieser Gelegenheit die Frage des Bewachungspersonals zu behandeln.

Staatsminister Schmitt führt hiezu aus, von der Militärregierung habe er die Anweisung bekommen, genaue Pläne über die Lager zu unterbreiten, die er für die Unterbringung der zu Zwangsarbeit verurteilten Leute benötige. Die Militärregierung rechne mit insgesamt 100.000 Insassen.31 Er habe eine Frist von drei Tagen gesetzt bekommen. Innerhalb dieser Frist sei eine solche Aufstellung aber unmöglich. Er habe allgemeine Vorschläge gemacht. Diese hätten der Militärregierung aber nicht genügt. Gestern habe er die Nachricht erhalten, daß ihm das Lager Maisach zur Verfügung gestellt werde. Er müsse nunmehr aber schleunigst für Bewachungsmannschaften sorgen. Er bitte, daß der Innenminister sich dazu äußere, ob er in der Lage sei, die Bewachung zu übernehmen.

Staatsminister Seifried erwidert, nachdem weder Polizei noch sonstige vorhandene Wachmannschaften eingesetzt werden dürften, könne er diese Aufgabe nicht innerhalb 24 Stunden lösen. Er müsse sich erst mit maßgebenden Organisationen in Verbindung setzen, die ihm geeignete Personen benennen könnten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich, wie es mit den Hilfspolizisten stehe, die von den Amerikanern geschult worden seien.

Staatsminister Seifried erwidert, hier handle es sich um ehemalige Kriegsgefangene. Es sei eine sehr große Frage, ob diese jungen Leute für diesen speziellen Fall geeignet seien.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich, wie es dann mit der Justiz stehe.

Staatssekretär Dr. Ehard erwidert, die Justiz komme praktisch nicht in Frage. Es handle sich hier um eine völlig justizfremde Aufgabe. Die Justiz könne kein Wachkorps aufstellen.

Staatssekretär Dr. Pfeiffer erklärt, abgesehen von der Frage der Ressortzuständigkeit handle es sich hier um ein Problem von größter politischer Bedeutung. Aber auch die technische Seite dürfe man nicht übersehen. Was die technische Seite betreffe, so habe ihn die Zahl von 100.000 sehr erschreckt. Auch bei nur 30.000 Häftlingen brauche man mindestens vier bis fünf Lager. Für die Stärke der Bewachungsmannschaft müsse man etwa 8% der Insassen rechnen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, bei der Zahl von 100.000 müsse es sich um ein Mißverständnis handeln.32 Ihm sei erklärt worden, daß nur 100.000 unter die Aktivisten fielen. Damit sei nicht gesagt, daß alle diese zu Zwangsarbeit verurteilt würden.

Staatsminister Schmitt erklärt, man brauche zunächst gleich einmal eine Bewachungsmannschaft für das Lager in Maisach.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, daß für die Verwaltung der Lager ehemalige KZ-Häftlinge genommen werden könnten. Damit sei die Frage der Bewachungsmannschaften aber noch nicht gelöst.

Staatsminister Schmitt führt aus, er glaube, die Militärregierung sei der Ansicht, die Verwaltung der Lager solle durch das Ministerium für Sonderaufgaben erfolgen, die Bewachung aber durch ein anderes Ministerium.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, die Arbeitshäuser,33 die man am ehesten mit diesen Lagern vergleichen könne, seien unter dem Innenministerium gestanden. Er glaube, daß doch dieses Ministerium am ehesten zuständig sei, die Bewachungsmannschaften zu stellen. Vorläufig scheine die Militärregierung aber noch auf einem anderen Standpunkt zu stehen. Die reguläre Polizei dürfe nicht verwendet werden, es müsse also eine Spezialtruppe eingerichtet werden. Er glaube, der Ministerrat könne sich dahin einig werden, daß die Bewachung der Lager dem Innenministerium übertragen wird. Im Anfang werde man keine große Truppe brauchen, sondern mit 100 Mann auskommen.

Mit diesem Vorschlag herrscht allseitiges Einverständnis.

Staatsminister Helmerich erkundigt sich, ob es nicht möglich sei, die leichten Fälle zuerst durchzuschleusen, damit man bei der Post und Eisenbahn diese wieder hereinnehmen könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt hiezu, die Militärregierung sei der Meinung, daß man die schweren Fälle zuerst nehmen solle.

Staatsminister Schmitt fügt hinzu, man müsse die Hauptschuldigen zuerst nehmen, aber das schließe nicht aus, daß man zwischenhinein auch leichtere Fälle behandeln könne.

[VIII. Übernahme des Flugplatzes Riem]

Staatsminister Dr. Terhalle bringt die Frage der Nutzbarmachung des Flugplatzes Riem zur Sprache. Dieser sei leidlich instand gesetzt. Nun hätten die Amerikaner aber kein Interesse mehr daran. Für die völlige Instandsetzung sei noch etwa 1 Million nötig. Die Stadt München sei sehr daran interessiert, meine aber, daß auch der Staat einen Teil der Lasten tragen müsse. Er schlage vor, daß der Ministerrat den Verkehrsminister und ihn beauftrage, wegen dieser Sache mit der Stadt München Fühlung zu nehmen im Sinne einer positiven Einstellung. Alles weitere sei aber noch vorzubehalten.

Dieser Vorschlag wird angenommen.34

[IX. Betreuung evakuierter Ruhegehaltsempfänger]

Staatsminister Dr. Terhalle legt den Entwurf eines Gesetzes vor nebst einer eingehenden Begründung. Die Regelung sei in den Zonen und den einzelnen Ländern verschieden. Bayern sei am schlechtesten daran, weil wir einen riesigen Zustrom bekommen hätten. Wenn man den Beamten mehr zahle, als den übrigen Flüchtlingen, dann entstehe ein sozialer Unruheherd und es scheine auch, daß die Amerikaner nicht damit einverstanden seien. Es handle sich um eine Sache, die nur im Wege des Ausgleichs zumindest innerhalb der Zone durchgeführt werden könne. Man könne heute noch keine Stellung nehmen, sondern solle versuchen, das Problem zunächst in Stuttgart auf eine größere Ebene zu heben. Bayern könne diese großen Lasten nicht ohne weiteres übernehmen und dieses soziale Problem mit allen seinen Schwierigkeiten nicht allein lösen.

Er mache den Vorschlag, daß er den Fall zunächst im Finanzausschuß in Stuttgart zur Sprache bringe.35

Mit diesem Vorschlag herrscht allseitiges Einverständnis.

[X. Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Minister und Staatssekretär im Verkehrsministerium]36

Ministerpräsident Dr. Hoegner schildert kurz die Entwicklung dieser Angelegenheit. Die selbständige Stellung des Staatssekretärs im Verkehrsministerium gehe auf einen Wunsch der Militärregierung zurück. Der Verkehrsminister habe ursprünglich Bedenken gehabt; diese Bedenken glaube er jedoch zerstreut zu haben.37 Es sei nunmehr eine Vereinbarung getroffen worden, die er dem Inhalt nach bekanntgebe.38 Durch seine Person werde dafür gesorgt werden, daß eine Übereinstimmung zwischen Verkehrsminister und Staatssekretär im Rahmen dieser Vereinbarung bestehe. Letzten Endes sei der Ministerrat zur Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zuständig.

Durch diese Vereinbarung sei dieser Punkt erledigt.

[XI. Vertretung der Arbeitgeber im sozialpolitischen Ausschuß des Länderrats]

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt drei Schreiben bekannt, aus denen sich ergibt, daß die auf Anregung von Staatssekretär Krehle von Wirtschaftsminister Dr. Erhard nach Stuttgart zum sozialpolitischen Ausschuß entsandten Arbeitgebervertreter von diesem Ausschuß nicht zugelassen worden seien,39 wonach aber die Arbeitgeber nicht ausgeschaltet werden, sondern ihre Zulassung über das Generalsekretariat beantragt werden solle. Andererseits verlangten die Arbeitnehmer auch eine Beteiligung an den wirtschaftspolitischen Ausschüssen.

Staatsminister Dr. Erhard erklärt, daß inzwischen in München eine Besprechung stattgefunden habe, die aber nicht beruhigend, sondern alarmierend gewirkt habe. Es sei dort von Vertretern des Arbeitsministeriums erklärt worden, die Sozialversicherung werde vom Kontrollrat neu geregelt; es habe gar keinen Zweck, noch etwas dagegen zu machen. Man müsse aber zunächst einmal erfahren, was eigentlich geplant sei. Das sei ihm bis jetzt nicht gelungen.

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt dann, daß auch der Bauernverband darum gebeten habe, daß mit ihm diese Angelegenheit besprochen werde. Auch das Landwirtschaftsministerium sei vollkommen unorientiert.

Ministerpräsident Dr. Hoegner fügt hinzu, daß er in der gleichen Lage sei.

Staatssekretär Krehle gibt hierauf Aufschluß über den gegenwärtigen Stand der Angelegenheit. Der Kontrollrat habe dem Sozialpolitischen Ausschuß acht oder neun Fragen vorgelegt, die von diesem beantwortet worden seien. Im weiteren Verlauf hätten die Hessen einen Entwurf von über 400 Paragraphen vorgelegt. Über diesen Entwurf sei im Beisein der Vertreter des Kontrollrats verhandelt worden. Dieser Entwurf solle zunächst noch den Länderregierungen vorgelegt werden. Inzwischen habe aber der Kontrollrat ein Rahmengesetz für die Neuordnung der Sozialversicherung vorbereitet, das bei der letzten Sitzung in großen Zügen mitgeteilt worden sei.40 Der Text liege allerdings noch nicht vor. Es könne aber passieren, daß, während die deutschen Vertreter noch verhandelten, dieses Kontrollratsgesetz in Kraft gesetzt werde. Er sei der Auffassung, daß bei den im Arbeitsministerium stattfindenden Besprechungen ein größerer Kreis zugezogen werden müsse. Er habe auch angeordnet, daß alle beteiligten Kreise von den geplanten Maßnahmen unterrichtet werden sollten. Der sozialpolitische Ausschuß habe einen Beschluß gefaßt, daß die Arbeitnehmer auch in anderen Ausschüssen vertreten sein sollten. Deshalb sei es selbstverständlich, daß im sozialpolitischen Ausschuß auch Arbeitgeber mitwirken sollten. Dies sei auch der Wunsch der Amerikaner; dies müsse aber über das Generalsekretariat geschehen. Zu dem hessischen Entwurf müsse er sagen, daß eine Zentralisierung kommen werde und kommen müsse, ob allerdings in der vorgeschlagenen Form, sei eine andere Frage. Bis jetzt sei die Angelegenheit noch nicht so weit gediehen. Seinerzeit werde aber der Ministerrat dazu Stellung nehmen müssen. Der Vorschlag von Hessen sei durch Abänderung sehr stark wieder der RVO genähert worden. Man sei grundsätzlich der Auffassung, daß die Sondereinrichtungen von Bahn und Post belassen werden sollten. Er persönlich sei auch der Auffassung, daß es falsch sei, die Unfallversicherung einzubauen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich, ob bei den Beratungen der Beveridgeplan41 besprochen worden sei.

Staatssekretär Krehle bejaht dies. Die Engländer wollten in ihrer Zone den Beveridge-Plan durchführen,42 die Franzosen beabsichtigten, die russischen Pläne einzuführen, deshalb wollten die Amerikaner nicht zurückstehen. Mit dem Plan der Russen könne er sich nicht befreunden, da dieser den Grundsatz der Bedürftigkeit aufgestellt habe, der sich mit dem Versicherungsgedanken nicht vertrage. Fest stehe aber, daß man in Zukunft ohne einen Pfennig Staatszuschuß auskommen müsse.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, daß gerade der Beveridge-Plan sehr erhebliche Staatszuschüsse vorsehe und zwar mit Recht.43

Staatssekretär Krehle erklärt weiter, nach dem jetzt in Stuttgart besprochenen Plan solle es keine Freigrenze mehr geben und auch die Beamten mit hineingenommen werden. Das gäbe eine Belastung für diejenigen, welche die Versicherung gar nicht in Anspruch nähmen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, er wünsche, er könnte den Beveridge-Plan durchführen. Für unsere Verhältnisse sei er aber zu kostspielig. Die Angelegenheit müsse im Länderrat weiter behandelt werden. Die Wirtschaftsminister sollen im sozialpolitischen Ausschuß beteiligt werden.

Staatsminister Dr. Erhard erklärt zu dem Antrag auf Beteiligung von Arbeitnehmern im Wirtschaftsausschuß, daß dort auch keine Arbeitgeber beteiligt seien. Die Ausschüsse seien schon so groß, daß die Zuziehung weiterer Mitglieder nicht möglich sei. Wenn keine Arbeitgeber teilnähmen, seien auch keine Arbeitnehmervertreter notwendig. Er habe aber angeordnet, daß bei den Landesstellen44 Vertreter der Gewerkschaften eingeschaltet werden sollten; dort habe deren Zuziehung einen Sinn.

Staatsminister Helmerich führt aus, er habe an das Arbeitsministerium bereits ein Schreiben wegen der Erhaltung der Bahn- und Postkassen gerichtet. Wenn diese, wie Staatssekretär Krehle ausführe, nur im Rahmen der Gesamtplanung selbständig blieben, so sei dies praktisch unrentabel.

Ministerpräsident Dr. Hoegner beendet die Debatte. Man müsse abwarten, bis der Entwurf vorliege.

[XII. Klärung und Entscheidungen in Holzfragen]

Staatsminister Dr. Erhard bringt einen Antrag vor, wonach die Bewirtschaftung des Holzes vom Wald bis zum Sägewerk der Holzwirtschaftsstelle der Landesforstverwaltung unterliege, vom Sägewerk ab solle es von der dem Wirtschaftsministerium unterstehenden Landesstelle für Holz bewirtschaftet werden.45

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt sich mit dieser Regelung einverstanden. Für ihn sei besonders wichtig, daß die Landwirtschaft als besonderer Kontingentträger anerkannt werde und von wem sie ihre Kontingente zugeteilt erhalte.

Staatsminister Dr. Erhard betont, daß dafür nunmehr das Arbeitsministerium zuständig sei. Das Wirtschaftsministerium verteile nur für die industrielle Verarbeitung des Holzes Kontingente, im übrigen aber Globalkontingente.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, zunächst noch die Landesforstverwaltung zu hören.

Dieser Vorschlag wird angenommen.

[XIII. Schaffung eines Wirtschaftsbeirats]

Ministerpräsident Dr. Hoegner regt an, einen ständigen Wirtschaftsbeirat entweder bei der Staatsregierung oder beim Wirtschaftsministerium zu bilden. Es kämen ständig Klagen, insbesondere aus Nordbayern, über die Tätigkeit der Wirtschaftsämter.46 Er halte es nun für zweckmäßig, wenn man diese Leute in die praktische Arbeit einschalte, daß sie sich selbst einmal vom Stand der Dinge überzeugten und einen Teil der Verantwortung übernehmen müßten.

Staatsminister Dr. Erhard begrüßt diesen Vorschlag. Man könne entweder an einen besonderen Wirtschaftsbeirat denken oder einen wirtschaftspolitischen Ausschuß aus den Mitgliedern des Beratenden Landesausschusses bilden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, der Wirtschaftsbeirat solle die Staatsregierung laufend über die Lage der Wirtschaft unterrichten und Wünsche und Beschwerden Vorbringen. Auch vor Erlaß wichtiger Gesetze und Verordnungen könne er gehört werden und selbst Vorschläge unterbreiten.

Staatsminister Dr. Erhard spricht sich dafür aus, daß der Beirat beim Wirtschaftsministerium errichtet werde. Er habe ihn bisher dadurch ersetzt, daß er periodisch Vertreter der Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Gewerkschaften und Genossenschaften zusammengerufen habe.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, er werde sich ein gewisses Mitwirkungsrecht bei der Berufung der Mitglieder Vorbehalten. Über diese Fragen werde man sich aber einigen können.

Staatssekretär Dr. Pfeiffer spricht sich dagegen aus, den Wirtschaftsbeirat mit dem Beratenden Landesausschuß zu verknüpfen, da dessen Tätigkeit bald abgeschlossen sei. Ausschüsse eines Landesparlaments könnten überdies nur bei der Staatsregierung bestehen, nicht bei einem Ministerium. Er spricht sich für ein Gremium aus, das beim Wirtschaftsministerium errichtet werde unter einem Berufungsrecht des Ministerpräsidenten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, man werde auch einen Präsidenten dieses Beirats ernennen. Diese Ernennung wolle er sich auch Vorbehalten. Der Beirat solle aber keine parlamentarische Körperschaft sein, sondern ein Sachverständigen-Gremium. Es müßte einen gewissen Teil der Verantwortung übernehmen. Dadurch solle auch die zweifellos vorhandene Mißstimmung in der Wirtschaft bis zu einem gewissen Grad beseitigt werden. Abschließend stellt er fest, daß der Vorschlag grundsätzlich angenommen sei. Über Einzelheiten werde man sich noch verständigen.47

[XIV. Jugendschutz]

Staatsminister Seifried berichtet, daß die Militärregierung auf den Erlaß von Vorschriften zum Schutz der Jugend dränge. Er habe eine Denkschrift verfaßt und eine Reihe von Verordnungsentwürfen ausgearbeitet, die er nunmehr vorlege.48

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, die Denkschrift könne der Militärregierung vorgelegt werden, die einzelnen Verordnungen müßten aber vorher noch vom Justizministerium überprüft werden.

Mit diesem Vorschlag herrscht allseitiges Einverständnis.

[XV. Gesetz über die Anmeldung von Vermögen, das aus einem von deutschen Streitkräften besetzten Gebiet entfernt wurde]

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, er habe vor dem 20. April 1946 von der Militärregierung den Auftrag erhalten, sofort ein Gesetz zu erlassen über die Rückgabe des in den besetzten Gebieten gestohlenen Eigentums. Bis zum 20. April habe dieses Gesetz in Bayern angeschlagen und verbreitet sein müssen. In dieser kurzen Zeit habe er keine Gelegenheit mehr gehabt, den Ministerrat einzuberufen; im übrigen sei eine Änderung des von der Militärregierung vorgeschlagenen Gesetzes gar nicht möglich gewesen. Gegen den Inhalt des Gesetzes sei auch gar nichts einzuwenden. Der Innenminister habe die wirklich schwierige Aufgabe der rechtzeitigen Bekanntmachung dieses Gesetzes übernommen und sie gelöst.49 Nunmehr bitte er um die nachträgliche Zustimmung des Ministerrats zu diesem Gesetz.

Die Zustimmung wird erteilt.

Staatsminister Dr. Erhard teilt noch mit, daß er zusammen mit dem Justizministerium früher mit der Militärregierung über dieses Gesetz schon verhandelt und Klarheit über einzelne Bestimmungen zu erreichen versucht habe. Dies sei jedoch nicht gelungen.

[XVI. Sammlung der Militärregierungs- und Kontrollratsgesetze]

Staatssekretär Dr. Pfeiffer teilt mit, daß in Stuttgart eine Sammlung der Gesetze des Kontrollrats und der Militärregierung herausgekommen sei.50 Er bitte, ihm den Bedarf der einzelnen Ministerien mitzuteilen, damit er den Bezug vermitteln könne.

[XVII. Benzinverbrauch in Bayern]

Staatsminister Helmerich verliest die Übersetzung eines Artikels in einer amerikanischen Zeitung, die sich mit dem zu hohen Benzinverbrauch insbesondere in Bayern befasse. Er erklärt, die Anforderungen von Kraftwagen der einzelnen Ministerien könnten unmöglich erfüllt werden. Es müsse jedes Ministerium einmal eine Aufstellung machen, wie viel Kraftwagen es habe. Er habe allgemeine Kontrollen des Straßenverkehrs über die Notwendigkeit von Fahrten angeordnet. Er bitte um die Ermächtigung, daß er die erforderlichen Maßnahmen treffen könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, daß er eine sehr ernste Besprechung bei General Muller gehabt habe, der ihm erklärt habe, neben dem Ernährungsproblem sei das Treibstoffproblem sehr ernst. Es seien Maßnahmen angeordnet worden, um Vergnügungsfahrten zu verhindern. Der Erlaß weiterer ins einzelne gehender Vorschriften sei in Aussicht gestellt worden.

Staatsminister Dr. Erhard wendet ein, daß von deutschen Stellen bei den Amerikanern gar kein Benzin angefordert, sondern daß es von diesen zugewiesen werde.

Staatsminister Dr. Baumgartner schlägt vor, daß die Staatsregierung von sich aus Maßnahmen ergreifen solle, damit die Amerikaner sähen, daß man Benzin sparen wolle.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, daß dann zunächst einmal der Ministerratsbeschluß bezüglich der Kraftwagen von Beamten durchgeführt werden solle.51

Staatsminister Seifried erwidert, man dürfe nicht übersehen, daß die beamteneigenen Kraftwagen aber auch für die Abwicklung des Geschäftsbetriebes eine gewisse Bedeutung hätten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner fügt hinzu, daß viel daran schuld sei, daß die normalen Verkehrsmittel nicht funktionierten. Man sei auf Kraftwagen angewiesen, aber wenn einzelne Beamte für sich mehrere Kraftwagen hätten, dann sei dies ein Skandal.

Staatsminister Helmerich schlägt vor, daß die einzelnen Ministerien für ihren Geschäftsbetrieb die notwendigen Anordnungen treffen sollten. Auch die bereits zugelassenen Wagen würden nochmals überprüft werden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt abschließend als Termin für die nächste Sitzung Donnerstag, den 2. Mai 1946, 15 Uhr, vor.

Der Bayer. Ministerpräsident:
gez. Dr. Wilhelm Hoegner
Der Sekretär d. Ministerrats:
gez. Claus Leusser
Ministerialrat
Der Leiter d. Bayer. Staatskanzlei:
gez. Dr. Anton Pfeiffer
Staatssekretär