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Nr. 41MinisterratssitzungDonnerstag 22. August 1946 Beginn: 8 Uhr 15 Ende: 10 Uhr 50
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Arbeitsminister Roßhaupter, Innenminister Seifried, Kultusminister Dr. Fendt, Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Verkehrsminister Helmerich, Staatsminister für Sonderaufgaben Dr. Pfeiffer, Staatssekretär Ficker (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Ehard (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Staatssekretär Waldhäuser (Verkehrsministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium).1

Tagesordnung:

[I. Beseitigung militärischer Denkmäler]. [II.] Bericht über die Verhandlungen in Stuttgart. [III. Registrierung bei den Arbeitsämtern]. [IV. Nachzahlung der Renten an KZ-Häftlinge]. [V. Personalangelegenheit]. [VI. Beschäftigung von Schwerkriegsbeschädigten]. [VII. Notlage der Hinterbliebenen von KZ-Häftlingen oder Hingerichteten]. [VIII. Breitbandkabel]. [IX. Steuerfreie Zuteilung von Tabak und Branntwein an die Bergarbeiter]. [X. Verkehrsabkommen zwischen britischer und amerikanischer Zone]. [XI. Alfred Loritz].

[I. Beseitigung militärischer Denkmäler]

Ministerpräsident Dr. Hoegner eröffnet die Sitzung und nimmt eine Terminsache voraus. Auf Anweisung der Militärregierung soll bis zum 31. August 1946 ein Beamter ernannt sein, der für die Feststellung und Zerstörung der militärischen Denkmäler entsprechend dem Kontrollratsgesetz verantwortlich ist.2 Er stellt fest, daß diese Angelegenheit in die Zuständigkeit des Kultusministeriums fällt, dem er die Anordnung der Militärregierung zugehen lassen wird.

[II. Bericht über die Verhandlungen in Stuttgart]3

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, in Stuttgart würden gegenwärtig Entscheidungen gefällt, die für die ganze politische und wirtschaftliche Struktur Deutschlands entscheidend seien. Die wirtschaftliche Vereinigung der englischen und amerikanischen Zone werde das Musterbild für ganz Deutschland sein. Verschiedene Minister seien schon aufgefordert worden, Entwürfe vorzulegen, wie sie sich die Sache auf ihren Gebieten denken.4 Gestern seien die Ministerpräsidenten in Stuttgart gewesen, um den vorhandenen Stoff zu beraten. Es sei ein Entwurf der Landwirtschaftsminister, der Finanzminister und zuletzt noch der Verkehrsminister vorgelegen.5 Der neue Koordinierungs-Officer Dawson6 habe die Ministerpräsidenten über die Vereinbarungen zwischen Clay und Robertson unterrichtet.7 Er habe sein Bedauern darüber ausgesprochen, daß es Clay nicht möglich gewesen sei, vor Abschluß der Verhandlungen den Rat der Ministerpräsidenten zu hören. Bei der gegebenen Sachlage bleibe ihm als Offizier nichts anderes übrig, als Clay in die Lage zu versetzen, sein Versprechen gegenüber den Engländern zu halten. Dawson fliege heute nach Berlin und werde dort den Standpunkt der Ministerpräsidenten vertreten. Er habe erklärt, er werde nicht nur als Offizier und Untergebener, sondern auch als „Advokat“ nach Berlin fliegen, um den Standpunkt der Länder zu vertreten. Er habe nur gebeten, es ihm nicht unmöglich zu machen, sich vor Clay mit dem Länderstandpunkt überhaupt sehen zu lassen. Die Ministerpräsidenten hätten sich bemüht zu erreichen, was nach Sachlage überhaupt möglich gewesen sei. Er selbst habe vom bayerischen Standpunkt, wie er im letzten Ministerrat8 festgelegt worden sei, nichts aufgegeben. Es sei ihm gelungen, entsprechende Erklärungen in die gemeinsame Erklärung der drei Ministerpräsidenten zu bringen.9 Er müsse jedoch vorausschicken, daß Dawson mitgeteilt habe, von Clay seien zwei Grundsätze festgelegt worden, über die wir nicht hinaus könnten:

1. das Einstimmigkeitsprinzip sei aufgehoben worden.

2. Es sei nicht gestattet, einen dem Länderrat ähnlichen Überländerrat aus den beiden Zonen zu bilden.

Trotzdem habe er es sich nicht nehmen lassen, insbesondere hinsichtlich der Einstimmigkeit den bayerischen Standpunkt zu vertreten und dies auch deutlich zum Ausdruck zu bringen.10 Die Verhandlungen der Ministerpräsidenten seien von einer seltenen Einmütigkeit getragen gewesen. Insbesondere habe ihn der württembergische Ministerpräsident unterstützt.11 Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt hierauf die Erklärung der drei Ministerpräsidenten in vollem Wortlaut bekannt.12 Er bemerkt hiezu noch, daß der hessische Ministerpräsident mitgeteilt habe, er habe bei seinem kürzlichen Besuch in Thüringen den Eindruck bekommen, daß die jetzt forcierte Einheit zwischen der englischen und amerikanischen Zone eine völlige Loslösung der russischen Zone im Gefolge haben könne.13 Weiter erklärt er, daß nach einer Mitteilung der Wirtschaftsminister Eisen und Kohle nicht unter die Vereinbarung fallen sollen. Das gehe natürlich nicht. Wenn wir bei der Landwirtschaft Opfer brächten, müßten wir dafür Kohle und Eisen bekommen.14 Deshalb sei in der gemeinsamen Erklärung ein Junktim eingefügt.15 Hierauf habe sich der Länderrat mit der von den Landwirtschaftsministern getroffenen Abmachung beschäftigt.16 Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt diese Abmachung im Wortlaut bekannt und gibt bei der Verlesung der einzelnen Artikel gleich die Stellungnahme der drei Ministerpräsidenten sowie die im einzelnen beschlossenen Zusätze und Abänderungen bekannt.

Er glaube, daß abgesehen von Artikel 4, zu dem er jedoch seinen Standpunkt zum Ausdruck gebracht habe, dieser Entwurf nunmehr dem Ministerratsbeschluß entspreche.17 Das Abkommen der Finanzminister sei ebenfalls behandelt und in den Grundsätzen gebilligt worden, weil es ebenso den Erfordernissen vom bayerischen Standpunkt aus entspreche. Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest hierauf den Entwurf der Finanzminister. Auch hier gibt er die durch den Länderrat vorgenommenen Abänderungen bekannt.18 Die Ministerpräsidenten hätten ein Zusatzabkommen abgeschlossen, wonach sie als ihre Vertreter in diesem Ausschuß die Finanzminister bestellten.

Staatssekretär Dr. Müller erklärt hiezu, das hätten sie auch hereinsetzen wollen, aber der englische Vertreter habe ausdrücklich erklärt, dieser Ausschuß sei ein reiner Sachverständigenausschuß, in den die Minister nicht herein sollten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, daß die Ministerpräsidenten aber auf dem Standpunkt stünden, daß für den Ausschuß nur die Finanzminister und deren Beauftragte bestellt werden könnten, die den Ministerpräsidenten und der Gesamtregierung verantwortlich seien. Er komme nun zu dem dritten Abkommen, dem der Verkehrsminister, das er nicht ganz vorzulesen beabsichtige.19 Es handle sich hier um vorläufige Vorschläge, die Sachlage sei aber ganz anders. Es werde vollständig von den Richtlinien abgewichen, wie sie sowohl in Bayern als auch in den beiden anderen Ländern gegeben worden seien. Hier sei die sofortige Bildung einer neuen Zentralstelle angeregt worden. Diesem Auftrag werde man nicht nachkommen, sondern einen Gegenvorschlag machen. Nach unsäglichen Schwierigkeiten habe man ein Verkehrsdirektorium in Frankfurt gegründet, nun solle sofort eine neue Zentralstelle für die Zonen gebildet werden. Er wolle nur einiges über den zentralistischen Geist dieser Vorschläge bekanntgeben. So sei ein Weisungsrecht der Zentralstelle auch für die Straßenplanung vorgesehen. Wenn der Vorsitzende der Zentralstelle überstimmt werde, solle er befugt sein, den Streitfall einer anderen Behörde vorzulegen. Er habe sich nun überlegt, ob es angesichts der zentralistischen Gesamthaltung dieses Vorschlags nicht möglich sei, sich zunächst mit der Herstellung einer Verkehrsgemeinschaft zwischen den beiden Zonen zu begnügen.

Staatsminister Helmerich erklärt, in Stuttgart sei den Verkehrsministern ein Memorandum der Militärregierung überreicht worden,20 wonach die Zentrale die Zuständigkeiten des früheren Reichsverkehrsministeriums übernehmen solle.21

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, daß sofort ein Gegenvorschlag ausgearbeitet werden solle, der enthalte:

1. die Herstellung einer Verkehrsgemeinschaft,

2. die Bildung eines Ausschusses, der aus den Verkehrsministern und dem Verkehrsdirektor in Frankfurt, sowie den entsprechenden Vertretern der britischen Zone bestehe. Dieser Ausschuß solle alle die Fragen erledigen, wie sie auf Seite 9 der Zentralstelle übertragen seien. Er solle dem Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft entsprechen. Auch die Mehrheitsverhältnisse müßten ähnlich geregelt werden mit der Maßgabe, daß die drei Verkehrsminister der US-Zone nicht überstimmt werden dürften. Das zweckmäßigste werde es sein, wenn der neue Entwurf dem Entwurf für die Landwirtschaft angeglichen werde. Er werde heute noch durch Eilkurier Württemberg und Hessen ersuchen, sich dem bayerischen Gegenvorschlag anzuschließen. Mit bloßer Negation komme man gegenüber dieser geplanten zentralistischen Regelung nicht durch, sondern man müsse einen Gegenvorschlag machen, der sich sehen lassen könne.22

Staatsminister Helmerich erwidert, es sei in unserer Zone bisher schon so gewesen, daß die Militärregierung nur einen Mann gewollt habe, das wiederhole sich jetzt für die zwei Zonen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt hiezu, der eine Mann könne ja der Sekretär des Ausschusses sein, der die technischen Anweisungen weitergebe.23 Abschließend stellt Ministerpräsident Dr. Hoegner folgende Anträge:

1. Der Ministerrat wolle die gemeinsame Erklärung der drei Ministerpräsidenten billigen.

2. Der Ministerrat wolle dem Vorschlag der Landwirtschaftsminister für einen gemeinsamen Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft mit den Zusätzen und Abänderungen der Ministerpräsidenten zustimmen.

3. Der Ministerrat wolle in gleicher Weise dem Entwurf der Finanzminister zustimmen.

4. Der Ministerrat wolle den Entwurf der Verkehrsminister ablehnen und statt dessen seinen Standpunkt, daß ein Gegenvorschlag eingereicht werden solle, billigen.

Staatsminister Roßhaupter erkundigt sich, ob, wenn jetzt ein neuer Hauptausschuß für Ernährung und Landwirtschaft für die beiden Zonen in Bad Kissingen gebildet werde, dann die Vertretung der Landwirtschaftsminister in Stuttgart weiter bestehe.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bejaht diese Frage. Diese Vertretung werde aber an Bedeutung verlieren.

Staatsminister Dr. Baumgartner ergänzt die Ausführungen des Ministerpräsidenten hinsichtlich des neuen Ausschusses. Die Angleichung mit der englischen Zone hinsichtlich der Rationen sei sehr schwierig, weil man dort von anderen Grundlagen ausgehe. Im übrigen seien auf landwirtschaftlichem Gebiet die Verhältnisse in der englischen Zone von den unseren nicht so verschieden, wie man es sich vorgestellt habe. Auch er bitte darum, die Vorschläge des Ministerpräsidenten zu genehmigen.

Staatssekretär Dr. Müller weist daraufhin, daß die Engländer nicht so viel Lebensmittel einführen könnten wie die Amerikaner, da sie keine Devisen haben. Die Sache sei für uns deswegen gefährlich, weil die amerikanische Einfuhr dann auch für die britische Zone zur Verfügung gestellt werde.

Staatsminister Helmerich berichtet hierauf im einzelnen über die Verhandlungen der Verkehrsminister. Er gibt zunächst die Anweisung der Militärregierung für die Bildung der neuen Zentralstelle bekannt.24 Auf Grund dieser Anordnung seien die Verhandlungen geführt worden. In der US-Zone sei man noch ländergebunden, während in der englischen Zone für jedes Ressort ein Generaldirektor bestehe. Schon daraus könne man ersehen, wie schwer die Verhandlungen gewesen seien. Wenn wir jetzt einen anderen Vorschlag einreichten, wisse man nicht, welche Stellungnahme die Briten mitbrächten. Diese hätten sowieso einen Staatssekretär und Unterstaatssekretär für jedes Ressort verlangt. Die Verkehrsminister hätten in Stuttgart Grundsätze aufgestellt, nach denen sie in Berlin gehandelt hätten. Wenn sie in Berlin nicht alles hätten durchsetzen können, so sei es daran gelegen, weil eine Weisung vorgelegen sei und die Vertreter der britischen Zone keiner Ländervertretung verantwortlich seien, sondern nur ihrer Militärregierung. Es sei dort auch zum Ausdruck gebracht worden, daß der Postausschuß in diesen Verkehrsausschuß eingegliedert werden solle.

Staatsminister Roßhaupter stimmt diesem letzteren Vorschlag zu. Post und Eisenbahn seien auch früher beisammen gewesen. Was aber den Straßenverkehr anlange, so halte er es für unmöglich, daß er dieser neuen Verkehrsverwaltung unterstellt werde. Wenn das alles auf dieser zentralen Grundlage so gemacht werde, dann hätten die Verkehrsminister keine Bedeutung mehr. Eine gewisse Zentralisierung auf dem Gebiet des Verkehrswesens sei notwendig. Es genüge hier aber eine technische Vereinheitlichung. Eine Betriebsmittelgemeinschaft verstehe er, aber die Dinge, wie sie jetzt vorgeschlagen seien, seien ihm unverständlich, weil sie nicht möglich und auch nicht notwendig seien. Auf technischem Gebiet könne man alles Mögliche machen, aber die Verwaltung müsse beim eigenen Land bleiben. Den Verkehrsministern müsse doch noch irgendeine Verwaltungsgrundlage gegeben werden, das sei nach den Vorschlägen aber nicht mehr der Fall. Vor allem sei es unmöglich, daß man auch den Straßenbau der zentralen Verkehrsverwaltung unterstelle. Hier spielten die Interessen der Länder, die man nicht außer acht lassen dürfe, eine zu große Rolle. Die Gesamtregierung müsse sich gegen solche Zumutungen wehren, die gegen die wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Interessen verstießen.

Staatsminister Helmerich beleuchtet seine Schwierigkeiten dadurch, daß er erklärt, den Verkehrsministern seien vier Vertreter der britischen Zone und der Generaldirektor Fischer gegenüber gestanden, der genau so eingestellt sei wie diese.

Staatssekretär Ficker führt aus, er habe schon in der letzten Ministerratssitzung seinen grundsätzlichen Standpunkt dargelegt. Heute stehe man nun vor der Konkretisierung der Vereinheitlichung. Wenn er den Gesamtplan ablehne, könne er auch seiner Konkretisierung nicht zustimmen. Auch eine vorläufige Regelung bringe Schwierigkeiten und Gefahren für eine zukünftige Gesamtlösung mit sich. Er halte es für zweckmäßiger, wenn der Vorschlag gemacht werde, daß die Ministerpräsidenten und die entsprechenden Stellen von ganz Deutschland gemeinsam zu diesen Fragen Stellung nehmen würden.

Staatsminister Seifried erklärt, nachdem Staatsminister Roßhaupter schon so die Interessen des Straßenverkehrs vertreten habe, brauche er nur noch zu ersuchen, daß bei der Ausarbeitung des Gegenvorschlags für den Verkehrsausschuß ein Sachbearbeiter für das Straßenwesen herangezogen werde.

Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert, daß im Entwurf für die Landwirtschaft ausdrücklich gesagt werde, daß der Beitritt der anderen Zonen erhofft werde. Auf diesem Gebiet wolle man nichts verbauen.

Staatssekretär Krehle erklärt, man müsse sich vor allem rückhaltlos hinter die Forderung der Ministerpräsidenten stellen, daß in die Vereinigung auch Kohle und Eisen einbezogen werden sollten.

Das Wort wird weiter nicht gewünscht.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt abschließend fest:

1. Die Erklärung der drei Ministerpräsidenten vom 21. August 1946 an die amerikanische Militärregierung in Berlin wird einstimmig gebilligt.

2. Das Abkommen der Landwirtschaftsminister wird mit den Abänderungsvorschlägen der drei Ministerpräsidenten mit allen Stimmen gegen die Stimme von Staatssekretär Ficker angenommen.

3. Das Abkommen der drei Finanzminister wird nebst den Zusatzbeschlüssen der drei Ministerpräsidenten mit allen Stimmen gegen die Stimme von Staatssekretär Ficker angenommen.

4. Die vorläufigen Vorschläge der Verkehrsminister werden einstimmig abgelehnt und der Verkehrsminister ersucht, sofort auf der Grundlage der Regelung für Ernährung und Landwirtschaft einen Gegenvorschlag unter Heranziehung eines Vertreters des Innenministeriums für den Straßenverkehr auszuarbeiten.

[III. Registrierung bei den Arbeitsämtern]

Staatsminister Roßhaupter ersucht um die Genehmigung eines Aufrufs an das bayerische Volk um Mitwirkung bei der Registrierung bei den Arbeitsämtern.

Hiergegen werden keine Bedenken erhoben.

[IV. Nachzahlung der Renten an KZ-Häftlinge]

Staatsminister Roßhaupter teilt mit, daß die KZ-Häftlinge die Nachbezahlung der seinerzeit eingehaltenen Renten verlangten. Er halte dies für eine Selbstverständlichkeit, unterbreite die Angelegenheit aber, weil sie finanzielle Aufwendungen erfordere, dem Ministerrat. Es sei auch noch zu entscheiden, wer diese Renten nachzubezahlen habe, ob dies aus Mitteln der Landesversicherungsanstalt oder aus allgemeinen Staatsmitteln geschehen solle. Er sei für das erstere, weil die Landesversicherungsanstalt die Renten sowieso hätte bezahlen müssen. Er mache darum folgenden Vorschlag: Die Renten werden im vollen Umfange durch die Landesversicherungsanstalt nachbezahlt.

Dieser Vorschlag wird einstimmig gebilligt.

[V. Personalangelegenheit]

Staatsminister Roßhaupter bringt eine Personal-Angelegenheit zur Sprache. Er habe an das Finanzministerium die Bitte gerichtet, die Verbeamtung des Direktors des Arbeitsamtes Landshut zu genehmigen. Dieser sei früher in der Pfalz in der Arbeitsverwaltung tätig gewesen. Das Finanzministerium stehe jedoch auf dem Standpunkt, daß die Verbeamtung nur möglich sei, wenn er im bayerischen Landesdienst gewesen wäre. Anscheinend werde die Pfalz als Ausland angesehen.25 Auf Grund dieser Ablehnung verliere die bayerische Arbeitsverwaltung einen ihrer besten Sachkenner.26 Er stelle deshalb den Antrag, den Direktor des Arbeitsamtes Landshut, Trepte, zum Oberregierungsrat zu ernennen.27

Staatssekretär Dr. Müller erwidert, die von Staatsminister Roßhaupter gegebene Darstellung treffe nicht ganz zu. Das Finanzministerium habe sich bereits vor einiger Zeit mit der Ernennung von Trepte zum Regierungsrat auf Lebenszeit einverstanden erklärt. Auch Trepte persönlich sei das zugesichert worden. Wenn er demnächst ein größeres Amt übertragen bekomme, solle er auch Oberregierungsrat werden. Es hätten nur beamtenrechtliche Bedenken bestanden, ihn sofort vom Oberinspektor zum Oberregierungsrat zu befördern. Wenn man ihn jetzt sofort zum Regierungsrat und erst später zum Oberregierungsrat ernenne, werde man der Sache wohl gerecht werden.

Staatsminister Roßhaupter erwidert, daß er über diese Entwicklung nicht in Kenntnis gesetzt worden sei. Auf die Erklärung von Staatssekretär Dr. Müller wolle er nun die Sache zurückgestellt haben.28

Hiermit herrscht allseitiges Einverständnis.

[VI. Beschäftigung von Schwerkriegsbeschädigten]

Staatsminister Roßhaupter führt aus, daß durch eine Verordnung der Prozentsatz der in den Betrieben unterzubringenden Schwerkriegsbeschädigten von 2% auf 10% erhöht worden sei. Nun sei die merkwürdige Tatsache eingetreten, daß gerade öffentliche Behörden sich dagegen gewehrt hätten, während die Privatindustrie bereits zu einer Quote von durchschnittlich 8% gekommen sei. Dies sei aber ein schlechtes Beispiel. Er bitte deshalb darum, daß die Verordnung vom 25. November 1945 auch von den Behörden angewendet werde und diese für die Schwerkriegsbeschädigten auch 10% der Stellen offen halten sollen. Im übrigen werde die Sache in Zukunft etwas leichter dadurch werden, wenn es gelungen sei, daß in den Ländern der amerikanischen Zone wieder Renten für Kriegsbeschädigte bezahlt würden. Die Sache sei bisher hauptsächlich an einer Weigerung Württembergs gescheitert. Trotzdem halte er es für notwendig, daß die Arbeitsverwaltung beauftragt werde, an die Behörden einen Erlaß hinauszugehen, daß auch diese Kriegsbeschädigte einstellen müssen.

Dieser Antrag wird einstimmig gebilligt.

[VII. Notlage der Hinterbliebenen von KZ-Häftlingen oder Hingerichteten]

Staatsminister Seifried führt aus, der Staatskommissar für die politisch Verfolgten habe ihm berichtet, daß die Hinterbliebenen von KZ-Häftlingen oder Hingerichteten oftmals in einer geradezu fürchterlichen Notlage lebten.29 Er habe ihn gefragt, ob nicht die Möglichkeit bestehe, diesem Personenkreis vorschußweise eine Unterstützung zu geben, bis das Wiedergutmachungsgesetz die Möglichkeit zu einer Regelung gebe. Bei den rassisch Verfolgten seien schon Vorschüsse im Gesamtbedarf von 3 Millionen zur Auszahlung gekommen. Dort lägen die Dinge aber etwas einfacher, weil die Vermögensbeschlagnahmen und sonstigen Abgaben bei den Finanzämtern registriert seien. Er habe bisher versucht, in den allerdringlichsten Fällen aus seinem Dispositionsfonds zu helfen. Er glaube jedoch, daß dies nicht ausreiche und daß man eine Übergangslösung anstreben müsse.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, auch er habe aus seinem Dispositionsfonds bisher schon immer geholfen. Ohne jede Kontrolle könne man so etwas aber nicht machen. Er habe auch Zweifel, ob man auf eine Regelung hin, die man noch nicht kenne, Vorschüsse geben könne. Er stehe eher auf dem Standpunkt, daß man in berücksichtigungswerten Fällen weiter aus dem Dispositionsfonds helfen müsse.

Staatsminister Seifried erwidert, die Form, in welcher die Hilfe erfolge, ob durch Vorschüsse oder aus den einzelnen Dispositions- oder aus einem Sonderfonds, den das Finanzministerium zur Verfügung stelle, bis die Wiedergutmachung angelaufen sei, sei ohne Belang. Das Wiedergutmachungsgesetz werde aber in Stuttgart in absehbarer Zeit nicht zum Abschluß kommen.30

Staatssekretär Ficker ist ebenfalls der Ansicht, daß etwas getan werden müsse, damit diesen Leuten sofort geholfen werde.

Staatsminister Roßhaupter schließt sich diesen Ausführungen in vollem Umfange an. Bei Beamten und Angestellten der öffentlichen Verwaltung könne man verhältnismäßig leicht eine Regelung treffen. In allen anderen Fällen gehe das nicht so einfach, bis eine Norm aufgestellt werde. Trotzdem stelle er sich die Regelung nicht so schwierig vor.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß sich die gegenwärtige Regierung auf diesem Gebiet nichts vorzuwerfen habe. Er selbst habe bereits am 15. Oktober 1945 der Militärregierung den Entwurf eines Wiedergutmachungsgesetzes vorgelegt.31 Dieser Vorschlag sei bis heute noch nicht erledigt worden, auch in Stuttgart gehe die Sache nicht vorwärts. Er werde selbstverständlich in Zukunft auch aus seinem Dispositionsfonds weiter helfen, müsse aber das Finanzministerium ersuchen, diesen Fonds wieder aufzufüllen.

Staatssekretär Dr. Müller regt an, den Betroffenen nicht kleinliche Beihilfen zu geben; gegen Vorschüsse habe er aber Bedenken. Das Finanzministerium werde die Fonds auffüllen; die Finanzlage sei zurzeit zwar gut, mit einer Verschlechterung müsse man aber rechnen. Augenblicklich sei das Finanzministerium in der Lage, den Wünschen der Regierung zu entsprechen.

Staatssekretär Dr. Ehard spricht sich ebenfalls für eine großzügige Fürsorge aus, aber nicht in der Form von Vorschüssen. Bis zum Abschluß der Verhandlungen in Stuttgart könne noch einige Zeit vergehen. Wenn die in Stuttgart angemeldeten anderen Forderungen alle durchgesetzt würden, dann bliebe für diese Leute wenig mehr übrig. Deshalb halte er es auch für außerordentlich zweckmäßig, wenn man eine sehr großzügige Fürsorge einrichte. Man müsse aber auch eine Kontrolle einrichten, daß nicht Forderungen von Leuten gestellt werden, die nur die Konjunktur ausnützen wollten.

Staatsminister Seifried wiederholt, daß im Endeffekt gleichgültig sei, welche Form gewählt werde. Über die Fürsorge könne es aber nicht gemacht werden, weil es dann Schwierigkeiten mit den Fürsorgeverbänden geben werde.

Staatssekretär Dr. Ehard erwidert, er sei nicht der Meinung, daß diese Mittel durch die Fürsorgeverbände gegeben werden sollten, sondern durch die öffentliche Hand. Nicht die Gemeinden sollten dafür aufkommen, sondern besondere Fonds.

Staatsminister Seifried fährt fort, daß auch nicht die Dispositionsfonds der einzelnen Minister herangezogen werden könnten, sondern nur eine Zentralkasse. Das Verfahren selbst könne man sehr wohl über Fürsorgeverbände laufen lassen, weil diese eine bessere örtliche Kontrolle hätten. Man könne daran denken, daß jeder Minister zu diesem Zweck für einen Zentralfonds etwas aus seinen Mitteln abziehe.

Staatsminister Roßhaupter spricht sich ebenfalls für eine zentrale Stelle aus. Nicht mehr die einzelnen Ministerien sollten zuständig sein, sondern das Innenministerium.

Staatsminister Seifried erwidert, dann komme das Staatskommissariat für politisch Verfolgte in Betracht, dort sei auch die Sicherheit der Nachprüfung gegeben. Er habe bisher schon immer amtliche Unterlagen verlangt.

Staatsminister Roßhaupter meint, das Innenministerium könne aber nicht auf Zuweisungen aus den Dispositionsfonds der einzelnen Minister angewiesen sein, sondern müsse einen besonderen Fonds vom Finanzministerium erhalten.

Staatssekretär Dr. Müller bittet das Innenministerium, entsprechende Anträge zu stellen.

Mit dieser Regelung herrscht allgemeines Einverständnis.32

[VIII. Breitbandkabel]33

Staatssekretär Waldhäuser berichtet über die Angelegenheit Breitbandkabel. Der gestellte Termin könne eingehalten werden. Allerdings gebe es Schwierigkeiten mit der Stellung von Tiefladewagen für die Bahn und auch für die Straßen. Weiterhin habe er die Herstellung von Pickeln in Auftrag gegeben, die aber erst bis Mitte oder Ende September fertig würden. Er frage nun, wem diese übergeben werden sollen. Der Fernkabelgesellschaft oder Post wolle er sie nicht übergeben.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, sie dem Wirtschaftsministerium zur Verteilung zu überlassen.

Staatsminister Seifried erwidert, seine Bauabteilung brauche diese für die Straßen- und Flußbauämter notwendig. Wenn das Wirtschaftsministerium sie bekomme, dann würden sie an die Privatwirtschaft verteilt.

Staatssekretär Waldhäuser führt weiter aus, er benötige zur Abfassung von Schriftstücken, hauptsächlich von Frachtbriefen, 12 Schreibmaschinen. Es sei am zweckmäßigsten, wenn die einzelnen Bahnhöfe ihre Schreibmaschinen zur Verfügung stellen müßten. Auf die Bahn habe man jedoch keinen Einfluß.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, daß die Militärregierung den einzelnen Bahnhöfen entsprechende Befehle geben solle.

Staatsminister Helmerich bezweifelt, ob auf den kleinen Bahnhöfen überhaupt Schreibmaschinen seien. Soweit sie zur Verfügung stünden, würden sie selbstverständlich überlassen werden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, daß der Verkehrsminister und der Staatssekretär für die Post diese Angelegenheit gemeinsam regeln sollen. An dieser Sache dürfe die Ablieferung des Fernkabels nicht scheitern.

Hiermit herrscht allseitiges Einverständnis.34

[IX. Steuerfreie Zuteilung von Tabak und Branntwein an die Bergarbeiter]

Staatssekretär Dr. Müller bringt die steuerfreie Zuteilung von Tabak und Branntwein an die Bergarbeiter zur Sprache. Eine Abteilung des Kontrollrates habe diese Zuteilung beschlossen, ohne sich mit der Rechts- und Finanzabteilung ins Benehmen zu setzen. Hieraus ergäben sich große Schwierigkeiten. Wenn das Finanzministerium die Sache einfach verfüge, dann verstoße es unter Umständen gegen das Kontrollratsgesetz.35 Zunächst habe man die Militärregierung ersucht, diese Zuteilung von der Steuer abschreiben zu lassen. Damit sei sie aber nicht einverstanden gewesen. Dann sei vorgeschlagen worden, die Steuern auf Staatskosten zu übernehmen. Das gehe jedoch nicht, weil es sich dann um eine Prämie handle, die der Lohnsteuer unterliege. Das Finanzministerium habe sich dann nochmals an Berlin gewandt und hoffe, bald endgültigen Bescheid zu bekommen. Jedenfalls sei eine gewisse Unruhe in Bergarbeiterkreisen entstanden, deshalb wolle er dem Ministerrat davon Kenntnis geben.

Ministerpräsident Dr. Hoegner ersucht, von der endgültigen Regelung den Ministerrat zu verständigen.

[X. Verkehrsabkommen zwischen britischer und amerikanischer Zone]

Staatsminister Helmerich kommt noch einmal auf die Frage des Verkehrsabkommens der beiden Zonen zurück36 und fragt, ob im Gegenvorschlag das Eisenbahnabkommen berücksichtigt oder vollkommen außeracht gelassen werden solle.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, daß in den Ausschuß neben den Verkehrsministern auch der Verkehrsdirektor berufen werden solle. Das Abkommen der drei süddeutschen Länder solle von der Neuregelung unberührt bleiben.

Staatsminister Helmerich wiederholt, in diesem Abkommen sei aber der Generaldirektor derjenige, der alles mache. Die Verkehrsminister hätten nur in ganz bestimmten Punkten etwas zu sagen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, daß bei der neuen Vereinbarung zwischen den Zonen selbstverständlich die Verkehrsminister an erster Stelle stünden. Daneben stehe aber der Verkehrsdirektor, der eine Zoneneinrichtung sei.37 Man wolle aber keine zentrale Spitze haben, sondern einen Ausschuß, wie bei Ernährung und Landwirtschaft.

Staatsminister Dr. Baumgartner fügt hinzu, auch hier sei ursprünglich ein Staatssekretär vorgesehen gewesen, der aber abgelehnt worden sei.

Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, daß auch auf dem Gebiet des Verkehrs nur ein Sekretariat geschaffen werden solle. Unser Gegenvorschlag werde wahrscheinlich abgelehnt werden. Man dürfe aber nichts unversucht lassen. In diesem Zusammenhang teile er noch mit, daß der bayerische Bevollmächtigte in Stuttgart38 angeregt habe, der Ministerrat solle zur Frage der Zonenvereinheitlichung noch eine etwas stärkere Erklärung abgeben, insbesondere in dem Sinne, daß sich der demokratische Aufbau in den Ländern bisher in organischer Weise von unten nach oben vollzogen habe und daß der Ministerrat mit größter Bestürzung von der auf den Gebieten der Wirtschaft und des Verkehrs sich anbahnenden Entwicklung Kenntnis genommen habe und sich verpflichtet fühle, vor den unheilvollen Folgen eines solchen Vorgehens zu warnen. Wirtschaft und Verkehr dürften nicht in die Hände einer zentralistischen länderfeindlichen Bürokratie gelegt werden, da sonst eine schwere Beeinträchtigung des bereits entstandenen demokratischen Gefüges eintreten könne. Zu dieser Erklärung solle noch die Zustimmung der beiden anderen Ministerpräsidenten erholt werden und diese dann Oberst Dawson nach Berlin mitgegeben werden. Er sei mit dieser Erklärung grundsätzlich einverstanden, müsse sich aber vorbehalten, sie noch in Einzelheiten abzuändern.

Der Ministerrat billigt ebenfalls einstimmig die Abgabe einer weiteren Erklärung, deren endgültige Stilisierung dem Ministerpräsidenten überlassen wird.39

[XI. Alfred Loritz]

Staatsminister Dr. Baumgartner führt aus, man müsse sich einmal mit dem Fall Loritz beschäftigen.40 Es bahnten sich derartig unhaltbare Zustände an, daß man im Falle einer Unterlassung vielleicht einmal zur Verantwortung gezogen werde. Loritz hetze gegen sämtliche Regierungsmitglieder.41 Wenn man das auf die leichte Schulter nehme, sei man bis zum Frühjahr überspielt. Die zurzeit bestehende große Notlage nütze Loritz in demagogischer Weise aus. Man müsse ihn einmal genauer unter die Lupe nehmen und überlegen, was geschehen könne, um ihn auf die demokratische Linie zurückzuweisen.

Staatsminister Seifried erwidert, er habe schon vor einiger Zeit den Akt Loritz genau studiert, es lägen nur Anschuldigungen vor, wie sie bei jedem Rechtsanwalt einmal vorkämen.

Staatsminister Dr. Baumgartner schlägt vor, daß diejenigen, die er dauernd angreife, sich persönlich öffentlich rühren sollten.42

Staatsminister Seifried unterstreicht diese Ausführungen. Loritz habe die Methoden Hitlers und die Not der Zeit sei der Zuträger für diese Demagogie. Man müsse einmal seine Geldquellen feststellen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, daß wir verpflichtet seien, diese Dinge der Militärregierung zu melden. Er wisse nicht, ob dies alles bekannt sei.

Staatssekretär Dr. Ehard macht nähere Angaben über die von der WAV im Wahlkampf verausgabten Beträge. Dabei erhebe diese Partei keine Mitgliedsbeiträge.

Staatsminister Seifried macht den Vorschlag, in dieser Richtung Material zu sammeln und dieses dem Innenministerium mitzuteilen, damit dieses bei der Militärregierung vorstellig werden könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß die Militärregierung dann die Entscheidung habe. Nicht die demokratische Freiheit solle beeinträchtigt werden, sondern Ausschreitungen gegen diese. Die Beleidigten könnten überdies Strafantrag stellen.

Der Bayer. Ministerpräsident:
gez. Dr. Wilhelm Hoegner
Der Sekretär d. Ministerrats:
gez. Claus Leusser
Ministerialrat
Der Leiter d. Bayer. Staatskanzlei:
gez. Dr. Hans Kraus
Staatssekretär