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Nr. 133MinisterratssitzungMittwoch, 15. November 1950 Beginn: 9 Uhr Ende: 11 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Oberste Baubehörde), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium).

Entschuldigt:

Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Konrad (Justizministerium), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Stromversorgung. III. [Vorgänge im Haushaltsausschuß]. [IV. Finanzlage der Obersten Baubehörde]. [V. Organisation und Personalsituation des Finanzministeriums].

I. Bundesratsangelegenheiten

Zunächst wird vereinbart, daß an der nächsten Sitzung des Bundesrates die Herren Staatsminister Dr. Pfeiffer, Dr. Ankermüller, Frommknecht und Herr Staatssekretär Dr. Müller teilnehmen.

1. Treibstoffsteuergesetz1

Ministerpräsident Dr. Ehard berichtet über die Sitzung des Bundesrates am 10. November 1950, in der auf keiner Seite Neigung bestanden habe, den Entwurf der Bundesregierung anzunehmen.2 Um eine ausdrückliche Ablehnung zu vermeiden, habe er unter Hinweis auf die sachlichen und technischen Mängel des Entwurfs vorgeschlagen, der Bundesregierung die Zurückziehung des Entwurfs zu empfehlen und gleichzeitig anzuregen, daß statt dessen ein Mineralölsteuergesetz erlassen werde. Damit könnte dann unter Umständen auch auf die Autobahnabgabe verzichtet werden.3

Das Bundesfinanzministerium wisse selbst sehr genau, daß in nächster Zeit eine Menge von dringlichen Aufgaben finanziert werden müßten, denen man sich nicht entziehen könne.4 Auch eine Mineralölsteuer habe natürlich einen ganz anderen Sinn, wenn sie im Zug der allgemeinen Ausgabendekkung eingeführt werde, im Gegensatz zu dem Treibstoffsteuergesetz, das nur einen bestimmten Personenkreis belaste. Außerdem sei dann zu befürchten, daß eine erhebliche Preissteigerung eintreten werde.

Er habe also versucht, Bundesfinanzminister Schäffer zur Zurückziehung seiner Entwürfe zu bewegen, damit jedenfalls eine neue Frist beginne und man in Bayern vor den Wahlen über die Schwierigkeiten und Aufregungen, die mit dem Treibstoffsteuergesetz verbunden seien, hinwegkäme. Leider habe sich der Bundesfinanzminister aber darauf nicht eingelassen, sodaß lediglich gelungen sei, eine Zurückstellung bis 17. November zu erreichen, an welchem Tag nochmals im Bundesrat beraten werden soll. Er sei der Meinung, daß gerade jetzt die bayerischen Vertreter im Bundesrat unmöglich zustimmen könnten. Übrigens sei auch vorgeschlagen worden, der Bundesrat solle, wenn er den Regierungsentwurf ablehne, gleichzeitig einen Initiativantrag einbringen, demzufolge der Entwurf in ein Mineralölsteuergesetz umgewandelt werde. Auch das halte er keineswegs für zweckmäßig, sondern glaube, man müsse nach wie vor ablehnen und empfehlen, daß das Bundesfinanzministerium eine entsprechende Vorlage neu ausarbeite.

Staatsminister Frommknecht führt aus, er habe gestern in Bonn verhandelt und erfahren, daß nach der Bundesratssitzung in der vergangenen Woche das Kabinett sich mit der Angelegenheit nochmals befaßt habe.5 Man sei ungefähr zu dem Ergebnis gekommen, daß sich der Bundesrat, falls er bei der Ablehnung beharre, gleichzeitig damit einverstanden erkläre, ein neues Mineralölsteuergesetz anzunehmen, das im Rohentwurf vorliege.6

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, er halte diesen Vorschlag nicht für annehmbar, da man es dem Bundesrat nicht zumuten könne, mehr oder weniger eine Blankovollmacht auf Grund eines Rohentwurfs abzugeben.

Staatssekretär Dr. Müller wendet ein, er habe am Samstag mit Bundesfinanzminister Schäffer verhandelt, der bereit sei, Bayern in der augenblicklichen schwierigen Finanzlage mit 40 Millionen DM auszuhelfen. Schäffer habe dringend gebeten, in der Frage der Treibstoffsteuer entgegenzukommen und er selbst müsse aus seiner Verantwortung für die bayerischen Finanzen heraus gleichfalls ersuchen, dem Bundesfinanzminister keine Schwierigkeiten zu bereiten.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, trotzdem müsse er auf seinem Standpunkt beharren. Er schlage vor, den Entwurf abzulehnen, gleichzeitig aber zu empfehlen, ein Mineralölsteuergesetz zu erlassen, das auf die Zustimmung des Bundesrates hoffen könne. Der Rohentwurf, der bis jetzt vorliege, genüge nicht, man müsse auf einer ordnungsgemäßen Vorlage bestehen.

Der Ministerrat faßt sodann folgenden Beschluß:

a) Der Entwurf des Treibstoffsteuergesetzes, wie er bis jetzt vorliege, wird abgelehnt.

b) Es wird empfohlen, wenn notwendig, eine Umarbeitung dieses Gesetzes zu einem Mineralölsteuergesetz vorzunehmen.

c) Eine Stellungnahme kann erst dann abgegeben werden, wenn sich die Bundesratsausschüsse und das Plenum des Bundesrates mit dem neuen Entwurf befaßt haben. Der Ministerrat ist aber bereit, im Bundesrat dafür einzutreten, daß auf die Dreiwochenfrist notfalls verzichtet werde.

d) Der bis jetzt vorliegende Rohentwurf für die Mineralölsteuergesetzgebung reicht nicht aus. Der Ministerrat steht auf dem Standpunkt, daß eine offizielle Regierungsvorlage der Bundesregierung dem Bundesrat zugehen muß.7

2. Autobahnabgabe8

Staatsminister Frommknecht stellt fest, diese Angelegenheit sei an sich noch nicht eilig, man könnte sie auch zurückstellen, da die Abgabe durch ein Mineralölsteuergesetz überflüssig werde.9

3. Entwurf eines Gesetzes betr. das Abkommen über die Gründung einer europäischen Zahlungsunion10

4. Entwurf einer Verordnung über die Abänderung der Verordnung über die Aushaltung, Messung und Sortenbildung des Holzes in den deutschen Forsten11

5. Rechtsverordnung über die Zählung der von den Besatzungsmächten in Anspruch genommenen Gebäude und Wohnungen gemäß Art. 80 GG12

Einwendungen werden nicht erhoben.

6. Ausschuß für Kapitalverkehr

Staatssekretär Geiger weist darauf hin, daß diese Frage schon einmal im Ministerrat besprochen worden sei,13 er könne aber nicht sagen, was endgültig geschehen sei. Jedenfalls könne Herr Staatsminister Dr. Seidel nicht als Mitglied in den Ausschuß berufen werden, da die amerikanische Zone schon durch einen anderen Herren vertreten sei. Mit dem jetzt vorgeschlagenen Senator Andersen14 könnte Bayern sich wohl ohne weiteres einverstanden. erklären. Falls er in den Ausschuß käme, könnte dann Minister Dr. Seidel als Vertreter vorgeschlagen werden.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.

7. Vermittlungsausschuß

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, daß im Vermittlungsausschuß die Frage des Bundeskriminalamts besprochen werde.15

Er könne wohl das Einverständnis des Kabinetts annehmen, daß als bayerischer Vertreter Herr Staatsminister Dr. Ankermüller benannt werde.16

II. Stromversorgung

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich nach dem gegenwärtigen Stand und fragt an, ob mit ernsten Schwierigkeiten und Stromeinschränkungen gerechnet werden müsse.17

Staatssekretär Fischer erwidert, morgen käme der Bundeslastverteiler18nach München, um die gegenwärtige Situation zu besprechen.19 Auf alle Fälle habe er schon eine Anordnung erlassen müssen, wonach der Stromverbrauch auf verschiedenen Gebieten eingeschränkt werde.20 Leider habe man jetzt schon den Walchensee auf Minus 2,3 Meter absenken müssen, bekanntlich könne die Absenkung nur bis Minus 6 Meter erfolgen, sodaß nicht allzuviel Spielraum mehr gegeben sei.

Staatsminister Krehle stellt fest, daß in seinem Haushalt ein Betrag von 500 000 DM für Stromausfallvergütungen gestrichen worden sei. Es sei jetzt dringend notwendig, wenigstens im Nachtragshaushalt diesen Betrag wieder einzusetzen.

III. [Vorgänge im Haushaltsausschuß]

Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß während der letzten Verhandlungen des Haushaltsausschusses recht unerfreuliche Dinge vorgekommen seien. So habe z.B. ein Beamter eines Ministeriums von sich aus eine Erhöhung der für seine Abteilung vorgesehenen Haushaltsmittel beantragt. So etwas dürfe sich keinesfalls mehr ereignen und er bitte dringend alle Herren Minister, dafür zu sorgen, daß hier eine vernünftige Verbindung mit dem Finanzministerium gefunden werde. Es sei ja überhaupt in der letzten Zeit verschiedentlich vorgekommen, daß Beträge, die während der Haushaltsverhandlungen eingespart worden seien, von allen möglichen Stellen in Anspruch genommen worden seien. Nachdem es sich ja durchwegs nur um rechnerische Beträge handle, seien natürlich solche Forderungen unmöglich zu erfüllen.

[IV. Finanzlage der Obersten Baubehörde]

Staatssekretär Fischer führt aus, er brauche dringend 7,5 Millionen DM, da er andernfalls 7000 Bauarbeitern kündigen müsse. Wenn er nicht sofort wenigstens einen Teilbetrag von ca. 3 Millionen DM erhalte, müsse er noch in dieser Woche die Kündigungen aussprechen. Den Rest von 4,5 Millionen DM werde er in ca. 4 Wochen benötigen.

Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt zu und erklärt, es sei unmöglich, in der jetzigen Zeit diese Kündigungen vorzunehmen. Andererseits könne er aber nicht verhehlen, daß er gegen die Art und Weise, wie die Bauabteilung arbeite, erhebliche Bedenken habe. Wahrscheinlich werde man doch zu der Methode zurückkehren müssen, daß alle Anweisungen grundsätzlich über das Finanzministerium zu laufen hätten, soweit es sich nicht um klagbare Ansprüche handle.

Es wird vereinbart, daß wegen der Bereitstellung der jetzt erforderlichen Mittel Herr Staatssekretär Fischer sich unmittelbar mit Herrn Staatssekretär Dr. Müller in Verbindung setzen solle.

[V. Organisation und Personalsituation des Finanzministeriums]

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, auch die Organisation des Finanzministeriums finde nicht in allem seinen Beifall. Er halte es für notwendig, daß das Ministerium für jedes Ressort einen eigenen Referenten habe, der das ganze Jahr über in ständiger Fühlung mit dem Ministerium sei; der Etatreferent allein sei nicht in der Lage, alle Verhandlungen mit allen Ministerien zu führen.

Staatssekretär Dr. Müller stimmt zu und betont, daß er dies Herrn Ministerialrat Barbarino schon wiederholt gesagt habe.

Abschließend erkundigt sich Ministerpräsident Dr. Ehard, ob die Personalvermehrung in der Abteilung des Finanzministeriums, die die Kreditfrage behandelt, vorgenommen worden sei.

Staatssekretär Dr. Müller erwidert, gegen nicht unerhebliche Widerstände seines Personalreferats habe er nun die notwendigen Vermehrungen vorgenommen.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister