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Nr. 224Außerordentliche Ministerratssitzung im LandtagMittwoch, 4. August 1954 Beginn: 17 Uhr Ende: 17 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Stain (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium).

Entschuldigt:

Kultusminister Dr. Schwalber, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium).

Tagesordnung:

I. Steuerschätzungen.

I. Steuerschätzungen1

Da die außerordentliche Sitzung des Ministerrats zunächst ohne Protokollführer begonnen wurde, gab der Herr Ministerpräsident nach Eintreffen des Protokollführers folgende Zusammenfassung über die bisherige Beratung:

Der Herr Finanzminister habe am heutigen Vormittag vor dem Plenum des Landtags unter anderem auch eine Erklärung über die Schätzung des Steueraufkommens abgegeben und dabei darauf hingewiesen, daß das erste Rechnungsvierteljahr 1954 ein Minderaufkommen von 23 Mio DM erbracht habe. Bei dieser Angabe sei allerdings nicht berücksichtigt, daß sich das Ergebnis doch vielleicht noch verbessern könne.2 Dadurch sei die Frage entstanden, ob die in der Regierungsvorlage aufgenommenen und vom Haushaltsausschuß des Landtags übernommenen Schätzungen aufrecht erhalten werden könnten oder geändert werden müßten.3

Das Kabinett stehe also vor der Entscheidung, ob eine neue Regierungsvorlage einzubringen sei.

Bei der bisherigen Besprechung habe sich ergeben, daß die Steuerschätzungen den Bundesschätzungen entsprechen, bei diesen habe sich aber nach den Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt, daß sie der Wirklichkeit sehr nahe kämen, also erreicht, zum Teil sogar überschritten würden. Von ernst zu nehmenden Sachverständigen außerhalb der Bundesregierung werde sogar behauptet, die Bundesschätzungen seien zu niedrig. Diese Frage könne dahingestellt bleiben, jedenfalls stehe fest, daß die Bundesschätzungen die Steuersenkung bereits berücksichtigten.

Der Herr Staatsminister der Finanzen sei wegen des Minderaufkommens im ersten Rechnungsvierteljahr 1954 trotzdem schwankend geworden, er sage aber selbst, daß ein einzelnes Vierteljahr noch nicht für das endgültige Ergebnis zugrunde gelegt werden könne, zumal von Anzeichen einer wirtschaftlichen Depression nichts zu spüren sei. Die Frage sei nun, welche Erklärung die Staatsregierung in der morgigen Plenarsitzung des Landtags abgeben könne.

Nach kurzer Aussprache formuliert Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner eine vom Herrn Ministerpräsidenten abzugebende Erklärung, die dann wie folgt festgesetzt wird:

Der Ministerrat hat sich am Abend des 4. August mit der vom Herrn Staatsminister der Finanzen in der Landtagssitzung vom gleichen Tag abgegebenen Erklärung über die Schätzungen des Steueraufkommens befaßt und ist dabei zu folgendem Ergebnis gekommen, das morgen vom Herrn Ministerpräsidenten im Plenum des Landtags bekannt gemacht werden soll:

„Der Ministerrat ist bei seiner Vorlage von der Bundesschätzung des Steueraufkommens ausgegangen. Diese Schätzung wird von ernst zu nehmenden Sachverständigen außerhalb der Bundesregierung als um etwa 1 Milliarde DM zu niedrig angegeben. Bei dieser Sachlage glaubt der Ministerrat berechtigt zu sein, an seiner Einnahmenschätzung festhalten zu können. Der Bayer. Staatsminister der Finanzen hielt sich infolge eines tatsächlichen Minderaufkommens im 1. Rechnungsvierteljahr 1954 für verpflichtet, eine Warnung bezüglich der künftigen Entwicklung des Gesamtaufkommens an Steuern und Abgaben auszusprechen. Der Ministerrat hat diese Warnung geprüft, glaubt aber, sie nicht berücksichtigen zu müssen, da die Bundesschätzungen in den letzten Jahren im wesentlichen stets zugetroffen haben.“

Staatsminister Zietsch erklärt sich mit dem vorstehenden Wortlaut einverstanden.4

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Bayerischen Staates für das Rechnungsjahr 1954 (Haushaltsgesetz 1954) vom 11. August 1954
Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend Ministerialdirektor