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Nr. 225MinisterratssitzungDienstag, 10. August 1954 Beginn: 9 Uhr 10 Ende: 10 Uhr 30
Anwesend:

Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Ministerialdirektor Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Stain (Innenministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium).

Tagesordnung:

A. Streik in der Metallindustrie. I. Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der Dienst- und Versorgungsbezüge der aus Kriegsgefangenschaft heimgekehrten oder noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter und der Hinterbliebenen von kriegsgefangenen Beamten (Zweites Gesetz über Kriegsgefangenenbezüge). II. Entwurf einer Zweiten Verordnung über die Rechnungsprüfungsämter. III. Bergbauliche und wirtschaftliche Lage des Kohlenbergwerks Marienstein. IV. Abwicklung des Bayer. Schulbuchverlags. V. Personalangelegenheiten. VI. Internationale Bauausstellung Berlin 1956. VII. Errichtung von Entschädigungskammern in Nürnberg und Würzburg. VIII. Eröffnung der Hodler-Ausstellung. IX. Errichtung eines privaten Ausschusses für Probleme der Verwaltungsvereinfachung.

A. Streik in der Metallindustrie1

Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt Herr Staatsminister Dr. Oechsle einen kurzen Überblick über die Entwicklung, die zum Streik in der Metallindustrie geführt hat, und über die voraussichtliche weitere Entwicklung der Streiklage.2

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner ergänzt die Ausführungen des Herrn Staatsministers für Arbeit und soziale Fürsorge durch die Feststellung, daß er an die Regierungen die Weisung erteilt habe, mit Polizeikräften nur da einzugreifen, wo strafbare Handlungen begangen würden oder Ausschreitungen zu verhindern seien.3 Die Regierung von Unterfranken habe ohne seine Genehmigung 80 Mann Landpolizei nach Schweinfurt beordert, diese Maßnahme sei aber zwischenzeitlich wieder rückgängig gemacht worden. Die Bereitschaftspolizei stehe nur beschränkt zur Verfügung, denn ihre Aufgabe sei nicht die Bewachung privater Betriebe. Bis heute früh sei es auch nirgends zu Zwischenfällen gekommen, die ein Einschreiten der staatlichen Polizei notwendig gemacht hätten.4

Er sei kurz vor Beginn des Ministerrats lediglich davon unterrichtet worden, daß es in Augsburg heute zu Tätlichkeiten zwischen Arbeitswilligen und Streikenden gekommen sei, die ein polizeiliches Einschreiten notwendig gemacht hätten. Die Stadt Augsburg habe mitgeteilt, daß ihre eigenen Polizeikräfte nicht ausreichen würden, er habe deshalb 150 Mann der Landpolizei nach Augsburg geschickt.5

Streiks

I. Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der Dienst- und Versorgungsbezüge der aus Kriegsgefangenschaft heimgekehrten oder noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter und der Hinterbliebenen von kriegsgefangenen Beamten (Zweites Gesetz über Kriegsgefangenenbezüge)6

Der Ministerrat stimmt zunächst der Anregung der Bayer. Staatskanzlei zu, in der Überschrift des Gesetzes das Wort „Zweites“ zu streichen.

Staatssekretär Dr. Koch führt aus, daß das Gesetz vom 27. Juli 1950 eine Begriffsbestimmung der Kriegsgefangenschaft nicht enthalte und daß es deshalb fraglich sei, ob die von der amerikanischen Besatzungsmacht verurteilten und in Landsberg7 internierten Beamten unter das Gesetz fallen oder nicht. Die für den Vollzug des Gesetzes verantwortlichen Stellen hätten sich bisher auf den Standpunkt gestellt, daß die Landsberger Häftlinge nicht als Kriegsgefangene zu betrachten seien. Auch das neue Gesetz lasse eine klare Begriffsbestimmung der unter das Gesetz fallenden Personenkreise vermissen. Das Staatsministerium der Justiz halte es für angezeigt, daß die Verabschiedung dieses Gesetzes zum Anlaß genommen werde, um Klarheit zu schaffen. Eine Klarstellung sei insbesondere für den Vollzug des Art. 14 des Gesetzes erforderlich.8

Der Ministerrat stimmt dem Vorschlag des Herrn Staatssekretärs Dr. Koch zu und beschließt, die Beschlußfassung über das Gesetz zurückzustellen, bis ein gemeinsamer Vorschlag der Staatsministerien der Justiz und der Finanzen über eine entsprechende Ergänzung des Gesetzes vorliegt. Das Staatsministerium der Justiz wird dem Staatsministerium der Finanzen eine schriftlichen Vorschlag zur Ergänzung des Gesetzes zuleiten.9

Gesetz über die Regelung der Dienst- und Versorgungsbezüge der aus Kriegsgefangenschaft heimgekehrten oder noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter und der Hinterbliebenen von kriegsgefangenen Beamten (Gesetz über Kriegsgefangenenbezüge) vom 25. Mai 1955

II. Entwurf einer Zweiten Verordnung über die Rechnungsprüfungsämter10

Der Ministerrat stimmt der Zweiten Verordnung über die Rechnungsprüfungsämter mit Maßgabe folgender Änderungen zu:

1. In der Präambel werden die Worte „im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Obersten Rechnungshofs“ gestrichen.

2. § 2 wird gestrichen, der bisherige § 3 wird § 2 und erhält folgende Fassung:

„Diese Verordnung tritt am 1. September 1954 in Kraft.“11

III. Bergbauliche und wirtschaftliche Lage des Kohlenbergwerks Marienstein12

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, der von der Fraktion des GB/BHE am 5. August 1954 zum Einzelpl. 13 eingebrachte Abänderungsantrag, wonach 750 000 DM für die weitere Erschließung des Bergwerks Marienstein bereitgestellt werden sollen, sei vom Plenum des Landtags ohne weitere Erörterung dem Haushaltsausschuß überwiesen worden.13 Die Staatsregierung könne im gegenwärtigen Zeitpunkt daher hierzu nur wenig sagen.

Staatsminister Dr. Oechsle meint, daß der Haushaltsausschuß wohl vor der Beschlußfassung die Stellungnahme des Kabinetts haben wolle.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt mit Zustimmung des Kabinetts fest, daß eine solche Stellungnahme des Kabinetts heute nicht beschlossen werden könne, sondern erst dann, wenn das Kabinett wieder vollzählig zusammengetreten sei.

Der Ministerrat beschließt hierauf, die weitere Beratung des Gegenstands zurückzustellen.14

Marienstein GmbH

IV. Abwicklung des Bayer. Schulbuchverlags15

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner berichtet kurz über das Schreiben des Staatsministeriums der Finanzen an den Herrn Ministerpräsidenten vom 6. Juli 1954.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erläutert nochmals die Gründe, die für eine Umwandlung des Schulbuchverlags in eine GmbH und eine Veräußerung der Geschäftsanteile der GmbH durch den Bayerischen Staat sprechen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt mit Zustimmung des Kabinetts fest, daß mit der Umwandlung des Schulbuchverlags in eine GmbH zweckmäßig noch einige Monate zugewartet werden solle.

Der Ministerrat beschließt hierauf, die Angelegenheit vorläufig auf sich beruhen zu lassen.

V. Personalangelegenheiten

1. Ernennung des Ministerialrats Hans Leopold16 im Bayer. Staatsministerium der Justiz zum Ministerialdirigenten

Der Ministerrat stimmt der Ernennung des Ministerialrats Hans Leopold zum Ministerialdirigenten im Bayer. Staatsministerium der Justiz zu.

2. Amtszeitverlängerung des Ministerialrats im Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Dr. Franz Xaver Gentner17

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner vorliest die Gründe, die vom Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für eine Amtszeitverlängerung bis 28. Februar 1955 angeführt werden.

Staatssekretär Maag unterstützt die Ausführungen in dem Schreiben des Herrn Staatsministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,

Die Staatsregierung beschließt hierauf, die Amtszeit Gentners nicht, wie beantragt, bis 28. Februar 1955, sondern lediglich bis 31. Dezember 1954 zu verlängern.

VI. Internationale Bauausstellung Berlin 1956

Der Ministerrat beschließt, dem Herrn Ministerpräsidenten den Beitritt zum Ehrenpräsidium der Internationalen Bauausstellung Berlin 1956 zu empfehlen.

VII. Errichtung von Entschädigungskammern in Nürnberg und Würzburg

Staatssekretär Dr. Koch erwähnt das Schreiben des Staatsministeriums der Finanzen an den Herrn Ministerpräsidenten vom 5. August 1954. Die Staatsministerien der Finanzen und der Justiz seien sich darin einig, daß dem Beschluß des Landtags vom 10. Juni 1954 auf Errichtung von Entschädigungskammern in Nürnberg und Würzburg aus rechtlichen Gründen nicht entsprochen werden könne, weil dies eine Änderung entweder der bayerischen Behördenorganisation oder des Bundesentschädigungsgesetzes voraussetze.18

Der Ministerrat billigt hierauf die Ausführungen in den Schreiben der Staatsministerien der Justiz vom 9. Juli und der Finanzen vorn 5. August 1954 und empfiehlt dem Herrn Ministerpräsidenten, ein entsprechendes Schreiben an den Herrn Präsidenten des Landtags zu richten.19

VIII. Eröffnung der Hodler-Ausstellung20

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, daß er in Vertretung des Herrn Ministerpräsidenten die Hodler-Ausstellung am 18. August 1954 eröffnen und dabei eine Rede halten werde.21

Staatssekretär Dr. Brenner erklärt das Einverständnis des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus hierzu und teilt mit, daß er auch selbst an der Eröffnung teilnehmen werde.

Hodler-Ausstellung/München

IX. Errichtung eines privaten Ausschusses für Probleme der Verwaltungsvereinfachung

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt dem Ministerrat Kenntnis von einem Schreiben des Herrn von Knoeringen, in welchem dieser über die Errichtung eines privaten Ausschusses für Probleme der Verwaltungsvereinfachung berichtet. In dem Ausschuß habe der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, Dr. Kratzer, angeregt, die Staatsregierung um die Billigung des Ausschusses zu bitten.

Der Ministerrat stimmt der Auffassung des Herrn stellv. Ministerpräsidenten zu, daß es sich bei dem Ausschuß um eine rein private Einrichtung handle und daß Richter oder Beamte des Bayerischen Staates, die sich dem Ausschuß zur Verfügung stellen, darin als Privatleute tätig seien. Wenn seitens des Ministerrats gegen den Ausschuß auch keinerlei Bedenken zu erheben seien, so könne doch die Tätigkeit des Ausschusses durch den Ministerrat nicht ausdrücklich gebilligt werden; denn dadurch könne der Eindruck erweckt werden, als übe der Ausschuß irgendwelche amtliche Funktionen aus.

Auf Vorschlag des Herrn stellv. Ministerpräsidenten Dr. Hoegner beschließt der Ministerrat, am kommenden Dienstag keinen Ministerrat abzuhalten und die nächste Ministerratssitzung für Dienstag, den 24. August 1954, anzuberaumen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, die Sitzung in Brannenburg, wo er einige Urlaubstage verbringt, abzuhalten.

Der Bayerische Ministerpräsident In Vertretung gez.: Dr. Wilhem Hoegner Stellvertretender Ministerpräsident und Staatsminister des Innern
Der Protokollführer des Ministerrats In Vertretung gez.: Hans Kellner Regierungsdirektor
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Dr. Karl Schwend Ministerialdirektor