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Nr. 241MinisterratssitzungDienstag, 7. Dezember 1954 Beginn: 18 Uhr 45 Ende: 19 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Stain (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium).

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Verordnung des Staatsministeriums der Finanzen zur Durchführung des Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts (UV-Lehrerbesoldung). III. Maßnahmen gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen. IV. Regelung des Dienstes an den Tagen vor Weihnachten, Neujahr, Ostern und Pfingsten. V. Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen Georg Koch wegen Verunglimpfung von Staatsorganen und Beleidigung von Mitgliedern der Staatsregierung. VI. Ermittlungsverfahren des Oberstaatsanwalts München 1 gegen Theodor Schoofs und andere wegen Verunglimpfung des Herrn Bundeskanzlers, der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung.

I. Bundesratsangelegenheiten

1. Entwurf eines Gesetzes betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland1

3. Entwurf eines Gesetzes betreffend den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag3

4. Entwurf eines Gesetzes betreffend das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar4

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet über das bisherige Ergebnis der Verhandlungen im Auswärtigen Ausschuß und im Rechtsausschuß des Bundesrats. In den Verhandlungen habe die Meinung vorgeherrscht, man solle gegen die ersten drei Abkommen keine Einwendungen erheben und zum vierten Abkommen überhaupt keine Stellung nehmen mit der Begründung, es seien noch die weiteren zwischenstaatlichen Verhandlungen über dieses Abkommen abzuwarten. Der Rechtsausschuß habe noch bestimmte Empfehlungen formeller Art gebilligt, die jedoch die politische Seite der Angelegenheit nicht berühren würden. Der Auswärtige Ausschuß des Bundesrats habe seine Stellungnahme allerdings noch nicht endgültig festgelegt, da er in dieser Woche nochmals eine Sitzung abhalte.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, die von den Ausschüssen bisher ausgearbeiteten Empfehlungen entsprächen auch seiner Auffassung.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, die Behauptung, in Art. 62 des ersten Abkommens, wonach die Bundesrepublik die volle Souveränität erhalte, sei nicht zutreffend. Auch nach den neuen Verträgen bleibe die Souveränität der Bundesrepublik noch in wesentlichen Punkten beschränkt, das betreffe insbesondere ihre Verpflichtung, ein Militärbündnis mit den Westmächten abzuschließen und eine Wehrmacht aufzustellen. Daher könne er dem ersten der drei Abkommen nicht zustimmen. Er spreche insoweit auch für die seiner Partei angehörenden Kollegen im Kabinett. Wenn bezüglich des vierten Abkommens, also des Saarabkommens, überhaupt keine Stellung genommen werde, so sei er damit einverstanden. Er wolle aber feststellen, daß er dem Saarabkommen niemals zustimmen könne und daß dann, wenn eine Stellungnahme abgegeben werde, er sich auch gegen das Saarabkommen aussprechen müsse.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt hierauf fest, daß das Kabinett bezüglich des Saarabkommens einig sei. Der Beschluß, zu diesem Abkommen überhaupt keine Stellung zu nehmen und den weiteren Gang der Verhandlungen abzuwarten, entspreche auch dem Willen des Landtags.

Der Ministerrat beschließt hierauf gegen die Stimmen der der SPD angehörenden Kabinettsmitglieder, gegen die ersten drei Abkommen keine Einwendungen zu erheben; einstimmig wird Beschluß gefaßt, zum vierten Abkommen überhaupt keine Stellung zu nehmen.

Weiterhin beschließt der Ministerrat, daß Staatssekretär Dr. Ringelmann die Bayerische Staatsregierung in der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Bundesrats vertritt.5

II. Verordnung des Staatsministeriums der Finanzen zur Durchführung des Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts (UV-Lehrerbesoldung)6

Die Beschlußfassung über die Verordnung wird zurückgestellt, da das Finanzministerium nicht vertreten ist und auch keine schriftliche Stellungnahme zu dem Verordnungsentwurf abgegeben hat.

III. Maßnahmen gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird die Beschlußfassung über diesen Punkt der Tagesordnung ebenfalls zurückgestellt.

IV. Regelung des Dienstes an den Tagen vor Weihnachten, Neujahr, Ostern und Pfingsten7

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner spricht sich dafür aus, es bei dem Beschluß vom letzten Ministerrat zu belassen, wonach die Behandlung dieses Punktes zurückgestellt wird.

Im gegenwärtigen Zeitpunkt könne ein Beschluß nicht gefaßt werden, da gegen die vorgeschlagene Regelung auch von den Betriebsräten Bedenken erhoben worden seien.

Das Kabinett stimmt den Ausführungen des Herrn Staatsministers Dr. Hoegner zu.

V. Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen Georg Koch wegen Verunglimpfung von Staatsorganen und Beleidigung von Mitgliedern der Staatsregierung8

Der Ministerrat beschließt, die Ermächtigung zur Strafverfolgung des Beschuldigten Georg Koch nach § 97 StGB zu erteilen, von der Einreichung von Strafanträgen wegen Beleidigung nach § 185 StGB aber abzusehen.

VI. Ermittlungsverfahren des Oberstaatsanwalts München 1 gegen Theodor Schoofs und andere wegen Verunglimpfung des Herrn Bundeskanzlers, der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung9

Die Staatsregierung beschließt, eine Ermächtigung zur Strafverfolgung der Beschuldigten Theodor Schoofs u.a. nach § 97 StGB wegen Verunglimpfung der Bayerischen Staatsregierung nicht zu erteilen.

Verunglimpfung ders./Beleidigungsverfahren
Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats In Vertretung gez.: Hans Kellner Regierungsdirektor
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Dr. Karl Schwend Ministerialdirektor