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Nr. 1MinisterratssitzungMittwoch, 15. Dezember 1954 Beginn: 9 Uhr Ende: 10 Uhr 45
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Errichtung eines Atom-Meilers bei München. III. Regelung des Dienstes an den Tagen vor Weihnachten. Neujahr, Ostern und Pfingsten. IV. Verordnung des Staatsministeriums der Finanzen zur Durchführung des Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts (ÜV-Lehrerbesoldung). V. Beflaggung der öffentlichen Gebäude am Neujahrstag. VI. Veränderungen in der Geschäftsverteilung der Ministerien. VII. Verlängerung der Dienstzeit des Ministerialdirektors Hans Walther im Staatsministerium der Justiz. VIII. Ruhestandsbezüge der ausgeschiedenen Minister und Staatssekretäre.

Zu Beginn der Sitzung begrüßt Ministerpräsident Dr. Hoegner die Mitglieder des Kabinetts und dankt ihnen für ihre Bereitschaft, sich für die schwierigen Aufgaben, die der neuen Staatsregierung harren, zur Verfügung gestellt zu haben.

In der nächsten Zeit seien insbesondere eine Reihe von Bundesangelegenheiten zu behandeln, die erhebliche Arbeit mit sich bringen würden. Er bitte alle Mitglieder des Kabinetts, in allen Fragen die kameradschaftliche Haltung beizubehalten oder zu gewinnen, wie sie im alten Kabinett bestanden habe. Nur so könne es gelingen, die vielfältigen Aufgaben zu meistern und dem Volke nach besten Kräften zu dienen.

I.Bundesratsangelegenheiten

A)Ernennung von Kabinettsmitgliedern zu ständigen Mitgliedern des Bundesrates

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten Dr. Hoegner wird beschlossen, folgende Mitglieder des Kabinetts zu ständigen Mitgliedern des Bundesrats zu bestellen:

a) Ministerpräsident Dr. Wilhelm Hoegner,

b) Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und Stellvertreter des Ministerpräsidenten, Dr. Joseph Baumgartner,

c) Staatsminister der Finanzen Friedrich Zietsch,

d) Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr Otto Bezold,

e) Staatsminister für Arbeit und soziale Fürsorge Walter Stain.

Gleichzeitig wird festgestellt, daß alle übrigen Herren Minister und Staatssekretäre Stellvertreter der Mitglieder des Bundesrats sind.

Ferner wird beschlossen, als Vertreter im Vermittlungsausschuß die Herren Staatsminister Dr. Fritz Koch und Friedrich Zietsch zu bestellen.

Staatsminister Stain stellt die Frage, welche Herren Mitglied des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt werden sollten.

Es wird beschlossen, als Mitglied Herrn Staatsminister Walter Stain und als dessen Stellvertreter Herrn Staatssekretär Dr. Josef Panholzer zu benennen.

Schließlich wird noch vereinbart, daß als Vertreter der Bayerischen Staatsregierung an der nächsten Sitzung des Bundesrats die Herren Staatsminister Dr. Koch und Zietsch und Herr Staatssekretär Dr. Haas teilnehmen.

B)Tagesordnung für die Sitzung des Bundesrats am 17.12.1954

1.Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit1

Ministerialrat Dr. Gerner macht darauf aufmerksam, daß die Gründe, aus denen der Bundesrat den Vermittlungsausschuß angerufen habe, vom Bundestag zum Teil nicht übernommen worden seien. Trotzdem sei im Koordinierungsausschuß der Vertreter des Innenministeriums2 der Meinung gewesen, man sollte nunmehr gemäß Art. 78 GG zustimmen.3

Der Ministerrat beschließt Zustimmung gemäß Art. 78 GG.4

2.Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die Altersgrenze von Richtern an den oberen Bundesgerichten und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes5

Es wird beschlossen, keinen Einspruch gemäß Art. 77 Abs. 3 GG zu erheben,6 auch wenn den Wünschen des Bundesrats auf Herabsetzung der Altersgrenze vom 70. auf das 68. Lebensjahr nicht Rechnung getragen wird.7

3.Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes8

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß dieser Entwurf vom Vermittlungsausschuß behandelt worden sei, man könne ihm jetzt zustimmen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.9

4.Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz)10

5.Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung (Finanzanpassungsgesetz)11

und

6.Entwurf eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Länderfinanzausgleichsgesetz)12

Staatsminister Zietsch fährt fort, die Punkte 4 bis 6 seien im Vermittlungsausschuß nicht mehr besprochen worden. Es handle sich u.a. um die Verlängerung der Geltungsdauer des Art. 107 GG.13 Hier liege ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion des Bundestages auf Verlängerung auf ein Jahr vor; er sei der Auffassung, daß man diesem Antrag zustimmen solle.14

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.15

7.Entwurf eines Gesetzes über die Beiträge des Bundes zu den Steuerverwaltungskosten der Länder16

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, der Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 18. November 1954 trage im wesentlichen den Wünschen des Bundesrats unter Ziff. 1, 2 und 3 der BR-Drucks. Nr. 341/54 Rechnung, während der Vorschlag unter Ziff. 4 nur zum Teil berücksichtigt worden sei, der Bundestag habe aber jetzt durch Beschluß vom 8. Dezember 1954 den Vorschlag des Vermittlungsausschusses abgelehnt.17 Der Koordinierungsausschuß empfehle deshalb übereinstimmend mit dem Finanzausschuß des Bundesrats, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen und vorsorglich Einspruch gemäß Art. 77 Abs. 3 GG einzulegen.18

Der Ministerrat beschließt, die Zustimmung zu verweigern und vorsorglich Einspruch gemäß Art. 77 Abs. 3 GG einzulegen.

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, der beim Bundestag eingebrachte Initiativantrag (BT-Drucks. Nr. 1058) berücksichtige die Wünsche des Bundesrats nur zum Teil.19

Staatsminister Zietsch erklärt, trotzdem halte er es für zweckmäßig, dem Initiativantrag zuzustimmen. Er bitte um entsprechende Vollmacht des Ministerrats.

Der Ministerrat beschließt, dem Herrn Staatsminister der Finanzen die Vollmacht zur Zustimmung zu erteilen.20

8.Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft im Land Berlin21

Die Empfehlungen der BR-Drucks. Nr. 406/1/54 unter Ziff. 1 a, b, c, d und 2 a, b und c werden unterstützt, dagegen nicht diejenigen unter Ziff. 3 b.22

9.Entwurf eines Gesetzes über die Übernahme einer Bürgschaft oder sonstigen Gewährleistung für eine Anleihe des Landes Berlin23

Ein Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG wird nicht gestellt.24

10.Entwurf einer Vierundzwanzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen25

Bedenken werden nicht erhoben.

12.Entwurf einer Ersten Durchführungsverordnung zum Ersten Gesetz zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund (Erstes Überleitungsgesetz)27

Nach Vortrag von Ministerialrat Dr. Gerner wird zunächst beschlossen, gemäß Art. 80 Abs. 2 GG28 zuzustimmen und dabei die Empfehlungen unter Ziff. 2 a mit i der BR-Drucks. Nr. 191/1/52 zu unterstützen. Ferner wird unterstützt die Empfehlung unter Ziff. 1, soweit sich diese auf die Änderungsvorschläge unter Ziff. 1 und 3 der BR-Drucks. Nr. 191/52 bezieht.

Ministerialrat Dr. Gerner kommt dann auf den früheren Änderungsvorschlag unter Nr. 18 zu sprechen, der sich mit den Kosten der Lagerbewachung und ihren Ersatz durch den Bund beschäftige. Der Bundesfinanzminister habe bisher die Auffassung vertreten, daß die Kosten erst vom 1. April 1954 an zu erstatten seien; das bedeute für Bayern für die zurückliegende Zeit von 4 Jahren eine Belastung von etwa 600 000 DM.

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, trotzdem halte er es nicht für richtig, einen eigenen Landesantrag zu stellen. Es sei vielmehr besser, wenn das Staatsministerium des Innern in Verbindung mit dem Staatsministerium der Finanzen mit Nachdruck hinsichtlich der Kostenfrage verhandle.

Der Ministerrat schließt sich diesem Vorschlag an.29

13.Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1951; hier: nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanäßigen Ausgaben nach § 83 RHO

Es wird vereinbart, die nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben nach § 83 der Reichshaushaltsordnung zurückzustellen (vergl. Empfehlung des Finanzausschusses vom 9. Dezember 1954).30

14.Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung der Leistungen für Kinder in der gesetzlichen Unfallversicherung, in den gesetzlichen Rentenversicherungen, in der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenfürsorge sowie in der Kriegsopferversorgung an das Kindergeldgesetz (Kindergeldanpassungsgesetz – KGAG)31

Staatssekretär Weishäupl unterstreicht die schwerwiegenden Bedenken, die gegen diesen Gesetzentwurf erhoben worden seien.

Ministerialrat Dr. Gerner bemerkt, der Finanzausschuß und der Sozialpolitische Ausschuß des Bundesrats hätten beschlossen, keine Einwendungen zu erheben.

Der Ministerrat beschließt, gemäß Art. 84 Abs. 132 in Verbindung mit Art. 78 GG trotz der bestehenden Bedenken die Zustimmung zu erteilen.33

16.Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes36

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, der Koordinierungsausschuß schlage übereinstimmend vor, die Empfehlungen unter Ziff. II 2 a und 3 zu unterstützen.37 Dagegen sei eine Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Empfehlungen unter Ziff. II 1 aufgetreten, die sich mit der Wiedergutmachung für Personen befasse, welche die Absicht gehabt hätten, sich hauptberuflich der Hochschullehrerlaufbahn zuzuwenden. Der Vertreter des Finanzministeriums sei für die Ablehnung dieser Empfehlung eingetreten, weil die Änderung dem bisherigen Grundsatz widerspreche, daß eine Wiedergutmachung nur für eine Schädigung in dem bereits eindeutig gewählten Lebensberuf zu gewähren sei. Anderer Auffassung sei dagegen der Vertreter des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus gewesen.

Der Ministerrat, insbesondere die Herren Staatsminister Zietsch und Rucker befürworten den Vorschlag, Ziff. II 1 zu unterstützen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren, wonach die Empfehlung unter Ziff. II 2 b unterstützt wird, ebenso Ziff. 4.

Dagegen wird beschlossen, einen Landesantrag mit dem Ziel, § 23 Abs. 1 der Regierungsvorlage abzuändern, nicht zu stellen.38

18.Entwurf einer Verordnung zur Ergänzung der Bestallungsordnung für Ärzte40

Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG unter Berücksichtigung der in der BR-Drucks. Nr. 279/1/54 unter Ziff. 1 mit 7 enthaltenen Abänderungsvorschläge.

19.Entwurf einer Prüfungsordnung für Zahnärzte41

Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG mit Unterstützung der Empfehlungen unter Ziff. 1 mit 17 der BR-Drucks. Nr. 234/1/54.

20.Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Geschäftsraummietengesetzes42

Zustimmung gemäß Art. 78 GG.

21.Entwurf eines Gesetzes über eine zeitweilige besondere Regelung der Prüfung der Jahresabschlüsse von Eisenbahn-Aktiengesellschaften des öffentlichen Verkehrs43

Die Empfehlungen der BR-Drucks. Nr. 405/1/54 werden unterstützt, im übrigen werden keine Einwendungen erhoben.44

22.Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen aus Lebens- und Rentenversicherungen45

Ministerialrat Dr. Gerner macht darauf aufmerksam, daß sich im Koordinierungsausschuß die Vertreter des Finanz- und des Wirtschaftsministeriums nicht geeinigt hätten.46 Bei diesem Gesetzentwurf handle es sich um eine Regelung, die für die Länder eine Belastung von etwa 50 Mio DM mit sich bringe. Dabei stehe das Finanzministerium (Ziff. I der Empfehlung) auf dem Standpunkt, daß es sich hier um Kriegsfolgelasten handle, die der Bund allein zu tragen habe.

Nachdem Staatsminister Zietsch nachdrücklich die Ablehnung vorschlägt, wird beschlossen, den Gesetzentwurf entsprechend der Empfehlung des Finanzausschusses unter Ziff. I der BR-Drucks. Nr. 407/1/54 abzulehnen. Falls diese Empfehlung keine Mehrheit findet, soll diejenige unter Ziff. II 1 und 2 unterstützt werden.47

23.Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht48

Von einer Äußerung und einem Beitritt wird abgesehen.

24.Entwurf einer Verordnung zur Umsiedlung von Vertriebenen und Flüchtlingen aus überbelegten Ländern49

Der Ministerrat beschließt, gemäß Art. 80 Abs. 2 GG zuzustimmen und dabei die Empfehlungen unter Ziff. 1 mit 6 der BR-Drucks. Nr. 267/1/54 zu unterstützen.

Weiterhin wird beschlossen, einen etwaigen Antrag zu unterstützen, die Empfehlungen des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen unter Ziff. 7 im Sinne des Fernschreibens des Bundesministers für Vertriebene vom 29. November 1954 abzuändern.50

und

28.Entwurf eines Gesetzes über das Internationale Abkommen vom 7. November 1952 zur Erleichterung der Einfuhr von Warenmustern und Werbematerial54

Einwendungen gemäß Art. 76 Abs. 2 GG werden nicht erhoben.55

29.Entwurf einer Verordnung über die Durchführung einer Nichteisen- und Edelmetallstatistik56

Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG mit Unterstützung des Abänderungsvorschlags des Wirtschaftsausschusses in BR-Drucks. Nr. 376/1/54.57

30.Entwurf einer Verordnung über die Durchführung einer Lederstatistik58

Nach Vortrag von Ministerialrat Dr. Gerner beschließt der Ministerrat gemäß Art. 80 Abs. 2 GG zuzustimmen, dagegen die Vorschläge in der BR-Drucks. Nr. 377/1/54 nicht zu unterstützen, da der hienach vorgesehene Eingriff in die Behördenorganisation der Länder nicht veranlaßt ist.59

und

32.Entwurf einer Verordnung über die Durchführung einer Eisen- und Stahlstatistik61

Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.62

33.Entwurf einer Verordnung über die Durchführung einer Rohtabakstatistik63

Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG. Auch hier wird beschlossen, aus den bei Punkt 30) festgestellten Gründen den Abänderungsvorschlag in der BR-Drucks. Nr. 380/1/54 nicht zu unterstützen.64

34.Entwurf einer Verordnung über die Durchführung einer Düngemittelstatistik65

Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG. Der Abänderungsvorschlag der BR-Drucks. Nr. 381/1/54 wird gleichfalls nicht unterstützt.

und

38.Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Anerkennungsverordnung69

Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.

39.Entwurf einer Verordnung über Notmaßnahmen bei der Anerkennung und Zulassung von Saatgut70

Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG mit Berücksichtigung des Vorschlags des Agrarausschusses in BR-Drucks. Nr. 414/1/54.71

und

42.Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes vom 20. April 1953 (BGBl. I S. 130)74

Es wird festgestellt, daß bereits bei der Behandlung der Punkte 4 bis 6 beschlossen worden ist, einer Verlängerung der in Art. 107 GG vorgesehenen Frist um ein Jahr zuzustimmen.75

43.Entwurf eines Gesetzes über die Beiträge des Bundes zu den Steuerverwaltungskosten der Länder76

Es wird auf den Beschluß des Ministerrats zu Punkt 7) der Tagesordnung Bezug genommen.77

C)Rentenerhöhung in der Kriegsopfervorsorgung

Ministerialrat Dr. Gerner bemerkt zum Schluß, voraussichtlich werde der Bundestag noch in dieser Woche ein Gesetz über die Erhöhung der Renten in der Kriegsopferversorgung verabschieden. Es entstehe nun die Frage, in welcher Form der Bundesrat zu diesem Gesetzesbeschluß in seiner Sitzung vom 17. Dezember 1954 Stellung nehmen solle.

Staatssekretär Weishäupl meint, soweit sich die Sache bisher übersehen lassen könne, sei es wohl möglich, auch vom Bundesrat her die Zustimmung zu erteilen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

II.Errichtung eines Atom-Meilers bei München78

Ministerpräsident Dr. Hoegner unterrichtet das Kabinett über Besprechungen, die er wegen der Errichtung des Atom-Meilers bei München in den letzten Tagen gehabt habe. Gegen diesen Plan habe er selbst keine Bedenken mehr, da feststehe, daß es sich im wesentlichen um eine Einrichtung für Forschungszwecke handle, die für die bayerische Wirtschaft sehr bedeutungsvoll werden könne. Nachdem auch Professor Dr. Heisenberg sich besonders für München einsetze, könne es die Bayerische Staatsregierung nicht zulassen, daß Karlsruhe der Landeshauptstadt München den Rang ablaufe.

Stv. Ministerpräsident Dr. Baumgartner erklärt, ebenfalls keine Einwendungen zu erheben, wenn feststehe, daß es sich bei dem Meiler um Forschungszwecke handle und gewisse Zusicherungen gegeben würden, daß an eine Ausweitung für Rüstungs- oder Kriegszwecke nicht gedacht sei.

Staatsminister Rucker weist darauf hin, daß er sich seit mehreren Jahren mit dieser Frage befaßt und sich auch wiederholt mit Professor Dr. Heisenberg darüber unterhalten habe. Für Kriegszwecke komme der in der Nähe Münchens zu errichtende Atom-Meiler überhaupt nicht in Frage, es handle sich vielmehr darum, im Inland die Isotopen selbst herzustellen, die bisher aus dem Ausland bezogen werden mußten. Es wäre sehr bedauerlich, wenn Bayern diese Gelegenheit versäumen würde. Auch eine Verseuchung des Wassers, von der vielfach geredet werde, sei nicht zu befürchten, gegebenenfalls werde die Inaktivierung keinerlei Schwierigkeiten machen.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths fügt hinzu, in Aussicht genommen sei ein Gelände in der Nähe Unterföhrings, bei dessen Lage irgendeine Gefahr nicht eintreten könne; die Grundstücksfrage jedenfalls sei bestens gelöst.

Staatssekretär Dr. Meinzolt erklärt, der Atom-Meiler werde – wie schon erwähnt – in Unterföhring errichtet werden, die Forschungsstelle selbst komme aber in die Ungererstraße. Beide Einrichtungen stünden unter der Oberleitung von Professor Dr. Heisenberg, der den Schwerpunkt eindeutig auf die Forschung lege. Die Bayerische Staatsregierung müsse sich jetzt entschließen, da die Entscheidung München oder Karlsruhe in nächster Zeit getroffen werde.

Mit Zustimmung des Ministerrats stellt Ministerpräsident Dr. Hoegner fest, daß gegen die Errichtung des Atom-Meilers bei Unterföhring keine Bedenken erhoben werden unter der Voraussetzung, daß es sich um ein Forschungsinstitut handelt und Kriegs- oder Rüstungszwecke nicht in Betracht kommen.79

Atomenergie

III.Regelung des Dienstes an den Tagen vor Weihnachten, Neujahr, Ostern und Pfingsten80

Ministerpräsident Dr. Hoegner nimmt Bezug auf die Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 23. November 1954 und stellt fest, daß der bisherige Ministerrat bereits zweimal die beantragte Regelung abgelehnt habe. Es gehe nicht an, daß das Finanzministerium Dinge, die schon erledigt seien, nochmals vor das Kabinett bringe.

Staatsminister Zietsch erwidert, in beiden Sitzungen sei er nicht anwesend gewesen; was jetzt vorgelegt worden sei, stelle eine Abänderung der früheren Note vom 23. November 1954 dar.

Es sei keinesfalls notwendig, sieh heute damit zu befassen; er bitte aber, die Angelegenheit auf die Tagesordnung des nächsten Ministerrats zu setzen, wobei er nochmals betonen wolle, daß es sich bei den Vorschlägen vom 13. Dezember 1954 um etwas anderes als in der Note vom 23. November handle.81

IV.Verordnung des Staatsministeriums der Finanzen zur Durchführung des Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts (ÜV-Lehrerbesoldung)82

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, diese Angelegenheit sei schon im Ministerrat vom 7. Dezember 1954 behandelt, aber dann zurückgestellt worden. Der Entwurf diene der Übernahme des § 7 Abs. 3 der Verordnung des Finanzministeriums zur Durchführung des Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts (ÜV-Lehrerbesoldung)83 in eine Verordnung der Staatsregierung, da nach dem Inhalt dieser Bestimmung § 18 der von der Staatsregierung erlassenen Laufbahnverordnung außer Anwendung gesetzt werden soll, was nach hiesiger Auffassung nur durch eine Verordnung der Staatsregierung geschehen könne. Das Finanzministerium habe mit Schreiben vom 8.12.1954 sein Einverständnis mit der Streichung des § 7 Abs. 3 aus seiner Verordnung erklärt. Es werde daher folgender Wortlaut vorgeschlagen:

„Verordnung zur Ergänzung der Laufbahnverordnung

Vom

Auf Grund Art. 173 des Bayerischen Beamtengesetzes vom 28. Oktober 1946 (GVBl. S. 349) erläßt die Bayerische Staatsregierung nach Anhörung des Landespersonalamts folgende Verordnung:

Art. 1

Auf Beförderungen, die bis zum 31. Dezember 1955 unter erstmaliger Besetzung einer im Zusammenhang mit dem Dritten und dem Vierten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts vom 11. August 1954 (GVBl. S. 154, 155) gehobenen oder neu geschaffenen Planstelle erfolgen, findet § 18 der Verordnung über die Vorbildung, Ernennung und die Laufbahnen der bayerischen Beamten vom 23. Juni 1952 (GVBl. S. 199) keine Anwendung.

Art. 2

Diese Verordnung trift am 1. April 1954 in Kraft.“

Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt, Bedenken gegen diese Formulierung bestünden wohl nicht, praktisch handle es sich nur darum, daß eine Verordnung des Finanzministeriums in eine Verordnung der Staatsregierung umgewandelt werde.

Der Ministerrat beschließt, der Verordnung in der vorgeschlagenen Form zuzustimmen.84

VO zur Ergänzung der Laufbahnverordnung vom 17. Dezember 1954

V.Beflaggung der öffentlichen Gebäude am Neujahrstag

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt ein Schreiben des Bundesministers des Innern vom 6. Dezember 1954 bekannt, in dem mitgeteilt werde, daß der Bund – wie in den vergangenen Jahren – beabsichtige, auch am Neujahrstag 1955 die öffentlichen Gebäude zu beflaggen. Gleichzeitig werde angeregt, daß in den Ländern entsprechend verfahren werde.

Die Bayerische Staatsregierung habe in den letzten Jahren regelmäßig beschlossen, von der Beflaggung der Dienstgebäude am Neujahrstag abzusehen. Er glaube, daß auch am 1. Januar 1955 so verfahren werden solle.

Der Ministerrat beschließt, diesem Vorschlag entsprechend am 1. Januar 1955 die Dienstgebäude des Bayerischen Staates nicht zu beflaggen.

VI.Veränderung in der Geschäftsverteilung der Ministerien

Staatsminister Stain bringt eine Vereinbarung der Koalitionsparteien zur Sprache, wonach die Abt. V und VI des Staatsministeriums des Innern auf das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge übergehen sollen.85 Er verweise dabei auf Art. 49 der Bayer. Verfassung86 und bitte, dem Landtag in der nächsten Sitzung einen entsprechenden Vorschlag zu machen. Damit ergebe sich auch die Frage, welche Bestimmungen für die Übergangszeit getroffen werden sollten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner antwortet, die Frage, ob eine Gesetzesänderung notwendig sei, müsse noch geprüft werden, außer Art. 49 komme auch noch Art. 77 der Bayer. Verfassung in Frage.87 Es sei also festzustellen, ob der Übergang einfach auf Grund des Art. 49 BV erfolgen könne oder ob nicht doch ein Gesetz notwendig sei.

Staatsminister Stain bemerkt, er habe bereits Überlegungen anstellen lassen, die zu dem Ergebnis gekommen seien, daß Art. 77 BV die allgemeine Staatsverwaltung betreffe, Art. 49 sich dagegen ausdrücklich mit den Ministerien befasse; er glaube deshalb nicht, daß der Übergang unter Art. 77 falle.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt abschließend, die Opposition werde sicher Einwendungen erheben, wenn die Rechtslage nicht völlig eindeutig geprüft sei. Dies könne aber natürlich nicht im Ministerrat geschehen, weshalb er die Herren Staatsminister Dr. Geislhöringer und Stain bitte, sich in den nächsten Tagen in Verbindung zu setzen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.88

VII.Verlängerung der Dienstzeit des Ministerialdirektors Hans Walther im Staatsministerium der Justiz89

Staatsminister Dr. Koch erinnert daran, daß das letzte Kabinett die Dienstzeit des Ministerialdirektors Hans Walther durch Beschluß vom 12. Mai 1953 bis zum 31. Dezember 1954 verlängert habe. Er bitte nun um eine weitere Verlängerung, da Ministerialdirektor Walther im Ministerium nicht zu entbehren sei und außerdem zum Kreis der politisch Verfolgten gehöre.

Staatsminister Zietsch erklärt sich mit der Verlängerung einverstanden, während Ministerpräsident Dr. Hoegner feststellt, einem Landtagsbeschluß zufolge könne Herr Walther als politisch Verfolgter bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres im Dienst bleiben.

Der Ministerrat beschließt, die Dienstzeit des Ministerialdirektors Hans Walther bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres zu verlängern.

VIII.Ruhestandsbezüge der ausgeschiedenen Minister und Staatssekretäre

Ministerpräsident Dr. Hoegner spricht sich dafür aus, die Ruhegehaltsbezüge der ausgeschiedenen Minister und Staatssekretäre so rasch wie möglich festzusetzen.

Staatsminister Zietsch antwortet, die Festsetzung werde bereits vorbereitet.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bittet daraufhin, wenn irgend möglich, eine entsprechende Vorlage schon bis zum nächsten Dienstag in den Ministerrat zu bringen

Am Schluß der Sitzung empfiehlt Ministerpräsident Dr. Hoegner allen Herren Staatsministern dringend, Vorlagen für den Ministerrat möglichst frühzeitig zu übermitteln. Es sei der Staatskanzlei und den beteiligten Ministerien nicht zumutbar, sich noch am Tag vor der Kabinettssitzung, wie es leider häufig vorgekommen sei, mit den Vorlagen zu befassen.

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Dr. Albrecht Haas Staatssekretär