Der Bayerische Ministerrat

Der Bayerische Ministerrat wurde ursprünglich als Versammlung der Staatsminister durch die „Instruktion vom 9. Januar 1821 über die Bildung des Ministerrats“ institutionalisiert. Der Ministerrat diente als beratendes Organ des Königs. Zwar übte das Gremium im Laufe der fortschreitenden Konstitutionalisierung der Monarchie im Bayern des 19. Jahrhunderts in zunehmendem Maße auch tatsächliche Exekutivfunktionen aus, aber erst durch den revolutionären Umsturz vom 7./8. November 1918 wurde der Bayerische Ministerrat, auch „Gesamtministerium“ genannt, zum höchsten Regierungsorgan. Von 1930 bis 1933 war das Gesamtministerium – ohne eine parlamentarische Mehrheit – unter Ministerpräsident Heinrich Held nur geschäftsführend im Amt; nach 1933 blieb der Ministerrat zwar formal bestehen, war aber im System des NS-Staates bedeutungs- und funktionslos geworden.

Der erste Bayerische Ministerrat nach Kriegsende trat am 8. Juni 1945 unter dem Vorsitz des am 28. Mai von der US-Militärregierung zum Bayerischen Ministerpräsidenten eingesetzten früheren BVP-Politikers Fritz Schäffer zusammen.

Grundlage für die anfänglich noch unregelmäßig, sehr bald und in allen späteren Kabinetten dann auf wöchentlicher Basis stattfindenden Ministerratssitzungen war zunächst die am 26. Juli 1945 verabschiedete „Geschäftsordnung für die vorläufige Regierung des Landes Bayern“. Diese regelte unter anderem die Zusammensetzung der Regierung, die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten, auch den Verkehr mit der Besatzungsmacht. Bezüglich der Ministerratssitzungen enthielt sie nur die Bestimmungen, daß bei Stimmengleichheit im Kabinett diejenige des Ministerpräsidenten ausschlaggebend sei und daß ein Protokoll geführt werden müsse.

Der Art. 43 der Bayerischen Verfassung vom 8. Dezember 1946 definiert die Staatsregierung als „oberste leitende und vollziehende Behörde des Staates“, bestehend aus dem „Ministerpräsidenten, den Staatsministern und den Staatssekretären“. Die Termini „Staatsregierung“, „Kabinett“ und „Ministerrat“ sind seither dabei im praktischen Sprachgebrauch als weitgehend synonym zu setzen, wenn auch in den späteren Geschäftsordnungen der Staatsregierung die Bezeichnung „Ministerrat“ im engeren Sinne auf die regelmäßigen Sitzungen der Regierungsmitglieder angewendet wird.

Entgegen der Vorgabe des Art. 53 der Bayerischen Verfassung wurde zunächst keine neue Geschäftsordnung für die Bayerische Staatsregierung erlassen. Die Arbeit in den Ministerratssitzungen und deren Niederschrift folgten daher den Gewohnheiten und dem Procedere, wie sie sich seit 1945 eingespielt hatten.

Regelmäßige Teilnehmer am Ministerrat waren die Regierungsmitglieder (Minister und Staatssekretäre), die alle in gleicher Weise stimmberechtigt sind, der Leiter der Staatskanzlei, der Protokollführer – ein höherer Beamter der Staatskanzlei – sowie seit 1951 auch der Chef des Presse- und Informationsamtes der Staatskanzlei. Seit 1949 nahm ferner bei der Beratung von Bundesangelegenheiten auch stets ein fachlich zuständiger Referent der Staatskanzlei am Ministerrat teil.

Die Ministerratsprotokolle dokumentieren durchgehend eine sehr sachliche Atmosphäre der Kabinettsberatungen, ein Umstand, der sicherlich auch dem Führungsstil vor allem der beiden Ministerpräsidenten und „Vollblutjuristen“ Wilhelm Hoegner und Hans Ehard geschuldet ist. Die Erstausfertigung der Protokolle wurde vom Protokollführer, dem Leiter der Staatskanzlei und dem Ministerpräsidenten gezeichnet und nach Durchsicht und Freigabe durch den Regierungschef und in der Regel zwei bis drei Wochen nach der Ministerratssitzung als hektographiertes Exemplar an die Ressorts verteilt. Es bestand kein Einspruchsrecht der Ressortminister gegen das Protokoll. Erst mit der neuen Geschäftsordnung für die Bayerische Staatsregierung vom 1. August 1952 wurde die Möglichkeit von Einwendungen gegen den Inhalt der Niederschrift, die innerhalb einer Woche der Staatskanzlei mitzuteilen waren und über die der Ministerpräsident entschied, auch formal fixiert.

Es ist dabei bemerkenswert, wie konstant sich die Arbeitsweise des Ministerrats ebenso wie die formale Ausfertigung der Protokolle seit 1945/46 gestaltete. Auch eine neue Geschäftsordnung der Staatsregierung vom 19. Dezember 1956 brachte keine substantiellen Änderungen an der bisherigen Praxis.