Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Wirtschaftsminister Bezold.
I. Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung von Zuständigkeiten auf das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge. II. Fragen der Beamtenbesoldung. III. Zuschüsse für Himalaya-Expeditionen. IV. Institut für Zeitgeschichte. V. Personalangelegenheiten. VI. Gedenktag der 10-jährigen Vertreibung der Schlesier und Sudetendeutschen. VII. Kommission für bayerische Landesgeschichte. VIII. Kongreß der Internationalen Union zum Schutz der öffentlichen Sittlichkeit. IX. Staatliches Anwesen Arcisstraße 19. X. Textilwerk Münchberg. XI. Ehrenpreis für sportliche Wettkämpfe usw.. XII. Kurze Anfrage des Herrn Abg. Dr. Heubl.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, es sei noch nicht notwendig, diesen Gesetzentwurf in der heutigen Sitzung zu behandeln, er schlage vielmehr vor, zunächst den Entwurf den einzelnen Staatsministerien zur Stellungnahme zuzuleiten.
Im übrigen habe er heute eine Besprechung mit den Herren Staatsministem Dr. Geislhöringer und Stain sowie den Herren Staatssekretären Vetter und Weishäupl abgehalten, bei der eine Einigung über die noch strittige Frage erzielt worden sei, ob die Planstellen der Abt. VI (Wohnraumbewirtschaftung und Flüchtlingswesen) bei den Regierungen und die Planstellen der Landratsämter in Zukunft vom Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge bewirtschaftet werden sollten.2 Die Einigung laufe darauf hinaus, daß die Zuständigkeiten nach wie vor beim Staatsministerium des Innern verbleiben sollten.
Er bitte abschließend, den Gesetzentwurf nach nochmaliger Beratung durch die einzelnen Ministerien dem Ministerrat wieder vorzulegen.3
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf ein Fernschreiben des Bundesministers der Finanzen, wonach sich die Finanzministerkonferenz über eine Änderung des Grundgesetzes hinsichtlich der Beamtenbesoldung geeinigt habe. Das Bundesfinanzministerium sei nun bereit, einen entsprechenden Gesetzentwurf dem Bundeskabinett vorzulegen.5
Staatsminister Zietsch stellt fest, daß das Fernschreiben des Bundesfinanzministers den Tatsachen nicht völlig entspreche; Bayern müsse seiner Meinung nach nach wie vor auf einer Auffassung bestehen bleiben, daß keine Änderung des Grundgesetzes vorgenommen werden solle, sondern die Fragen der Beamtenbesoldung in einem Staatsvertrag zu regeln seien, wenn überhaupt eine Änderung in Betracht komme, dann jedenfalls sowohl bei Art. 756 wie bei Art. 73 des Grundgesetzes.7
Ministerpräsident Dr. Hoegner stimmt zu und betont, diese Linie werde er auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Düsseldorf einhalten.8
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf die Note des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 7. Februar 1955, mit der zwei Gesuche um Bewilligung von Staatszuschüssen für Himalaya-Expeditionen vorgelegt würden.10 Bei dem einen handle es sich um die Deutsche-Nepal-Expedition 1955, für die ein Zuschuß von 12 500 DM beantragt werde,11 bei der anderen um die Deutsch-Schweizerische-Himalaya-Expedition 1955 mit einem Zuschußbetrag von 15 600 DM.12 Außerdem liege noch ein Gesuch um einen Zuschuß für eine kleine vom Deutschen Alpenverein geförderte Expedition vor, die insgesamt Mittel in Höhe von 20 000 DM erfordere.13
Staatsminister Dr. Baumgartner spricht sich dafür aus, im Hinblick auf die Finanzlage des Staates diese Zuschüsse abzulehnen, zumal es in erster Linie Sache des Bundes sei, derartige Expeditionen zu unterstützen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß der Expedition des Herrn Dr. Herrligkoffer Zuschüsse von insgesamt 45 000 DM gewährt worden seien,14 schlägt jedoch vor, in den vorliegenden Fällen zunächst zu erklären, die Staatsregierung müsse die Haushaltsverhandlungen abwarten. Wenn diese abgeschlossen seien, könne man dann feststellen, daß für Zuschüsse keine Mittel zur Verfügung stünden.
Staatsminister Zietsch unterstützt diesen Vorschlag, während Staatssekretär Dr. Meinzolt auf die große wissenschaftliche Bedeutung vor allem der Nepal-Expedition aufmerksam macht.15
Der Ministerrat beschließt, zunächst das Ergebnis der Haushaltsverhandlungen abzuwarten.16
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß der Ministerrat am 1. Februar 1955 beschlossen habe, einen Antrag zu stellen, das Institut für Zeitgeschichte in das Königsteiner Abkommen aufzunehmen. In der Zwischenzeit sei nun eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Staatsministerium der Finanzen und dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus aufgetreten, für welchen Zeitpunkt der Antrag gestellt werden solle, er sei an sich der Meinung gewesen, der Antrag sei sofort zu stellen, so daß das Institut schon ab Beginn des Haushaltsjahres 1955 in das Königsteiner Abkommen18 aufgenommen werde.
Staatsminister Zietsch meint, für 1955 werde der Antrag zu spät kommen, während Staatssekretär Dr. Meinzolt es für möglich hält, doch noch für das kommende Haushaltsjahr das Institut anzumelden. Auf alle Fälle könne es nicht schaden, diesen Versuch zu machen.
Staatsminister Zietsch gibt zu bedenken, ob die Konferenz der Länder nicht mit diesem Antrag belastet werde, ohne daß es genügend vorbereitet sei.
Staatssekretär Dr. Meinzolt entgegnet, die Vorbereitungen seien alle getroffen, so daß kein Hinderungsgrund bestehe, den Antrag sofort vorzulegen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt zum Abschluß, den Antrag für 1955 vorzulegen, wenn dies bereits zu spät sei, könne er für 1956 gelten.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.19
1. Präsident der Bayer. Bereitschaftspolizei Remold20
Ministerpräsident Dr. Hoegner nimmt Bezug auf die Ministerratssitzung vom 1. Februar 1955, in der Herr Staatsminister Dr. Geislhöringer mitgeteilt habe, dem Präsidenten der Bayer. Bereitschaftspolizei sei vom Bundesinnenministerium ab 1. April 1955 die Stelle des Inspekteurs aller Bereitschaftspolizeien angeboten worden. Damit würde sich natürlich Herr Remold bedeutend besser stellen als jetzt, so daß sich die Frage ergebe, ob er nicht für seine Person in eine höhere Besoldungsstufe gehoben werden solle.
In der Sitzung vom 1. Februar 1955 sei vereinbart worden, daß diese Angelegenheit zunächst zwischen den Staatsministerien des Innern und der Finanzen besprochen werden solle.
Staatsminister Zietsch stellt fest, daß er bisher noch kein Schreiben des Staatsministeriums des Innern erhalten habe.
Staatsminister Dr. Geislhöringer entgegnet, das Innenministerium habe bereits vorgeschlagen, Herrn Remold in Besoldungsgruppe B 9 aufzunehmen.
Staatssekretär Vetter fügt hinzu, über die Besoldung der Präsidenten der Bereitschaftspolizeien bestehe ein Abkommen zwischen den Ländern, demzufolge es ungewöhnlich sei, wenn Herr Remold in Besoldungsgruppe B 8 aufgenommen werde, zumal er jetzt schon der am höchsten besoldete Präsident der Bereitschaftspolizeien der Länder sei. Es sei aber durchaus zu vertreten, ihn in Besoldungsgruppe B 9 einzureihen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt dem Herrn Staatsminister des Innern, diesen Vorschlag zu machen, er selbst sei unbedingt dafür, zumindest alles zu versuchen, um Herrn Remold in Bayern zu halten.
Staatsminister Zietsch sichert zu, mit dem Herrn Staatsminister des Innern über diesen Fall sprechen zu wollen.
2. Ernennung des früheren Landesarbeitsamts-Vizepräsidenten im Landesdienst, Alfred May, Landesarbeitsamt Nordbayern, zum Direktor beim Landesarbeitsamt als ständigen Stellvertreter des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Nordbayern21
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt ein Schreiben des Bundesministers für Arbeit vom 9. Februar 1955 bekannt, das folgendermaßen laute:
„Mit Kabinettsbeschluß vom 19.1.1955 hat die Bundesregierung in Erwägung gezogen, dem Herrn Bundespräsidenten die Ernennung des früheren Vizepräsidenten des Landesarbeitsamts Nordbayern im Landesdienst,
zum Direktor beim Landesarbeitsamt als ständigen Stellvertreter des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Nordbayern vorzuschlagen.
Gemäß § 27 Abs. 2 des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 10.3.1952 (Bundesgesetzbl. I, Seite 123 ) hat die Bundesregierung vorher die beteiligte Landesregierung zu hören.
Ich darf Sie bitten, mir die Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung zu dem in Aussicht genommenen Vorschlag der Bundesregierung mitzuteilen.“
Er glaube, daß man diesem Vorschlag ohne weiteres zustimmen könne,
Staatssekretär Weishäupl gibt zu bedenken, daß das Kabinett in einer früheren Sitzung sich dafür ausgesprochen habe, Herrn May als Präsident des Landesarbeitsamts Südbayern vorzuschlagen.
Staatsminister Zietsch entgegnet, dies könne immer noch geschehen, zunächst halte er es aber für richtig, auf das Schreiben des Bundesministers für Arbeit mitzuteilen, daß die Bayerische Staatsregierung dem Vorschlag zustimme.
Der Ministerrat beschließt, dem Bundesminister für Arbeit mitzuteilen, daß in der heutigen Sitzung beschlossen worden sei, dem Vorschlag, Herrn Alfred May zum Direktor beim Landesarbeitsamt als ständigen Stellvertreter des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Nordbayern zu ernennen, zuzustimmen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß diesen Sommer Gedenkstunden zur Erinnerung an die Vertreibung der Deutschen aus den deutschen Ostgebieten und der Tschechoslowakei abgehalten würden. Es frage sich nun, ob Gedenkfeiern durch die Staatsregierung selbst abgehalten werden sollten?
Staatsminister Stain schlägt vor, dies den Landsmannschaften zu überlassen, zwischen denen schon Besprechungen im Gang seien. Selbstverständlich wäre es gut, wenn die Staatsregierung sich daran beteilige. Voraussichtlich werde in 14 Tagen eine endgültige Einigung der Landsmannschaften vorliegen, wenn nicht, könne man immer noch überlegen, in welcher Form die Staatsregierung die Sache in die Hand nehmen könne.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stimmt zu, stellt aber fest, daß die Staatsregierung auf alle Fälle in Erscheinung treten müsse, entweder allein oder gemeinsam mit den Landsmannschaften.22
Ministerpräsident Dr. Hoegner unterstreicht die Bedeutung der Kommission für bayerische Landesgeschichte, die er selbst im Jahre 1945/46 wieder ins Leben gerufen habe.24 Die Kommission benötige dringend eine weitere Stelle für einen Mitarbeiter, er bitte Herrn Staatsminister Rucker, die Angelegenheit wohlwollend zu prüfen.
Anschließend überreicht Ministerpräsident Dr. Hoegner Herrn Staatsminister Rucker ein Schreiben des Vorsitzenden der Kommission, Universitätsprofessor Dr. Spindler.25
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, daß der Kongress die Bayerische Staatsregierung um einen Zuschuß von 1 000,- DM für eine Internationale Tagung gebeten habe.
Auf Vorschlag von Staatsminister Dr. Baumgartner wird beschlossen, keinen Zuschuß zu geben und das Schreiben vorerst unbeantwortet zu lassen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf ein Schreiben des Herrn Staatsministers für Unterricht und Kultus an den Herrn Staatsminister des Innern vom 14. Januar 1955, in dem gebeten werde, das Gebäude Arcisstraße 19, in dem das Landesamt der Bayer. Bereitschaftspolizei untergebracht sei, im Frühjahr 1955 an die Technische Hochschule zu übergeben.
Ursprünglich habe er angenommen, daß das Landesamt in das Gebäude an der Rosenheimerstraße, das in Kürze vom Statistischen Landesamt geräumt wird, einziehen könne; es habe sich aber herausgestellt, daß lediglich die 1. Abteilung der Bereitschaftspolizei in dem Haus an der Rosenheimerstraße untergebracht werden könne, das Landesamt aber in der Arcisstraße 19 verbleiben müsse.
Sei es möglich, daß der für die Arcisstraße 19 vorgesehene Teil der technischen Hochschule auf dem Gelände untergebracht werden könne, das durch Theresien-, Luisen-, Heß- und Arcisstraße umgrenzt werde?
Staatsminister Rucker verneint diese Frage und betont, über dieses Gelände sei schon völlig verfügt.
Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt, daß sich nochmals die Raumkommission mit dieser Frage beschäftigen solle, um – wenn möglich – eine andere Lösung zu finden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest einen als „Protest“ bezeichneten Brief einer Gemeinschaftsgruppe aus der Sowjetzone, der sich offenbar dagegen richte, daß Pakete usw. an die Arbeiter des Münchberger Textilwerkes beschlagnahmt werden seien. Irgendeine Bedeutung habe dieses Schreiben natürlich nicht, er habe es aber doch bekanntgeben wollen.
Staatsminister Zietsch bemerkt, aus der Sowjetzone sei bekanntlich auch versucht worden, Kinder der arbeitslos gewordenen Arbeiter zu einen Aufenthalt in der Sowjetzone zu veranlassen. Es habe sich aber gezeigt, daß keine der Arbeiterfamilien des Textilwerkes von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht habe.27
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß im Ministerrat vereinbart worden sei, bei Gesuchen um Ehrenpreise zunächst festzustellen, ob die betreffenden Veranstalter sich auch an andere Ministerien gewandt hätten. Es liege nun ein Gesuch des Ski-Clubs Rottach-Egern vor, der sich offenbar auch an andere Ministerien bereits gewandt habe.
Es wird festgestellt, daß die Staatsministerien der Justiz und für Unterricht und Kultus bereits Zuschüsse gegeben haben und vereinbart, daß der Herr Ministerpräsident infolgedessen keinen Preis stiftet.
Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest eine kurze Anfrage des Abg. Dr. Heubl, warum die Bayer. Staatskanzlei im Gegensatz zur römischen Presse keine Notiz davon genommen habe, daß vor 30 Jahren das Bayerische Konkordat in Kraft getreten sei.
Er schlage Herrn Staatsminister Dr. Baumgartner vor, die Anfrage wie folgt zu beantworten:
„Die Bayerische Staatsregierung hat zum 30. Jahrestag der Unterzeichnung des Bayerischen Konkordats, dem 29. März 1954, ein Telegramm an Seine Heiligkeit Papst Pius XII. gerichtet.
Seine Heiligkeit, Papst Pius XII., hat daraufhin der Bayerischen Staatsregierung seinen Dank für die Glückwünsche ausgesprochen.
Im Hinblick auf diesen Telegrammwechsel wurde es nicht für erforderlich gehalten, der Unterzeichnung des Mantel-Gesetzes zum Bayerischen Konkordat am 15. Januar 1925 oder des Austausches der Ratifikationsurkunden am 24. Januar 1955 noch besonders zu gedenken.“
Der Ministerrat billigt den Text der Antwort.29
Zum Abschluß der Sitzung wird beschlossen, am Montag, den 21. Februar 1955, 19 Uhr 30, einen außerordentlichen Ministerrat abzuhalten, bei dem Herr Staatsminister Zietsch dem Ministerrat einen Bericht über die Finanzlage des Bayerischen Staates und die Aufstellung des Haushalts 195530 abgeben wird.