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Nr. 23MinisterratssitzungMontag, 2. Juni 1947 Beginn: 9 Uhr 15 Ende: 11 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hans Ehard, stv. Ministerpräsident Dr. Wilhelm Hoegner, Staatsminister Dr. Anton Pfeiffer, Staatsminister für Wirtschaft Dr. Rudolf Zorn, Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Dr. Joseph Baumgartner, Staatsminister für Arbeit und soziale Fürsorge Albert Roßhaupter, Staatsminister für Verkehrsangelegenheiten, Post- und Telegraphenwesen Otto Frommknecht, Staatssekretär Wolfgang Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Johann Pittroff (Kultusministerium), Staatssekretär Hugo Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Dipl.-Ing. Hans Schuberth (Verkehrsministerium), Geh. Rat Hepp (Finanzministerium).1

Entschuldigt:

Staatsminister des Innern Josef Seifried, Staatsminister für Unterricht und Kultus Dr. Alois Hundhammer, Staatsminister der Finanzen Dr. Hans Kraus, Staatsminister für Sonderaufgaben Alfred Loritz, Staatssekretär Dr. Willi Ankermüller (Innenministerium), Staatssekretär Franz Fischer (Innenministerium – Bauabteilung), Staatssekretär Dr. Ludwig Hagenauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Dieter Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Hans Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Lorenz Sedlmayr (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Hans Gentner (Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten), Staatssekretär Heinrich Krehle (Arbeitsministerium).

Tagesordnung:

I. Mitteilung des Ministerpräsidenten über die bevorstehende Konferenz der Ministerpräsidenten. [II. Programm des Länderrats vom 3. Juni 1947]. [III. Maßnahmen gegen Tauschhändler]. [IV. Durchführungsverordnung zum Flüchtlingsgesetz]. [V. Ernennung eines Präsidenten für das Oberlandesgericht Bamberg]. [VI. Fronleichnamsprozession].

I. Mitteilung des Ministerpräsidenten über die bevorstehende Konferenz der Ministerpräsidenten2

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt nähere Einzelheiten zu der bevorstehenden Ministerpräsidentenkonferenz bekannt.3 Er habe bisher auf seine Einladung von den Ministerpräsidenten der amerikanischen, der britischen und französischen Zone zusagende Antworten erhalten. Die Beteiligung der Ministerpräsidenten der Ostzone sei noch ungewiß; Absagen seien jedoch bisher nicht erfolgt.4 Da von verschiedenen Seiten behauptet worden sei, daß er mit der Einladung zu einer Konferenz aller deutschen Ministerpräsidenten besondere Hintergedanken verfolge,5 müsse er demgegenüber ausdrücklich versichern, daß er nur zwei Absichten habe, nämlich

a) zu prüfen, wie unser Volk über den nächsten Winter gebracht werden kann,

b) Klarheit und Wahrheit zu schaffen über die Lage des deutschen Volkes.

Es müsse die Frage aufgeworfen werden: Was haben wir – was haben wir nicht. Daraus ergebe sich die Folgerung, was wir im Zusammenspiel unserer eigenen Kräfte leisten und erreichen können und was wir den Besatzungsmächten unterbreiten müssen, um ihre Hilfe zu erbitten. Was die Konferenz nicht sein solle, könne mit einem Satz gesagt werden: Sie solle keine politische Konferenz sein. Es solle keine Uneinigkeit im deutschen Volk und unter den politischen Parteien aufgerissen werden. Es sei wohl möglich, daß sich am Rande der Besprechungen auch einmal ein Gespräch über politische Fragen ergebe, um einmal auch diese Dinge ins Laufen zu bringen. Er sei aber der Meinung, daß diese Fragen noch nicht auf der kommenden Konferenz durchbesprochen werden könnten. Das wäre eine Aufgabe für weitere Konferenzen, falls die jetzige eine Fortsetzung fände. Zu der Form der Konferenz wolle er nur mitteilen, daß neben dem Regierungschef noch zwei bevollmächtigte Mitglieder der betreffenden Regierung erscheinen werden. Er bitte daher den Ministerrat um Einverständnis, daß stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner und Staatsminister Dr. Pfeiffer als Mitglieder der bayerischen Delegation benannt würden.

Der Ministerrat erklärt sein Einverständnis.

Ministerpräsident Dr. Ehard bittet sodann Staatsminister Dr. Pfeiffer, einen Bericht über den geplanten Ablauf der Konferenz zu geben.

Staatsminister Dr. Pfeiffer berichtet sodann, daß die Konferenz sich in eine Vorkonferenz und eine Hauptkonferenz gliedere.6 Die Konferenz beginne am Mittwoch mit je einem Vertreter der beteiligten Delegationen, um das Programm der Hauptkonferenz vorzubesprechen. Das Ergebnis der Vorbesprechung solle dann den Ministerpräsidenten zur Entscheidung vorgelegt werden. Die Hauptkonferenz werde am Donnerstag Abend mit einer internen Besprechung der Ministerpräsidenten allein beginnen und am Freitag und Samstag ihre Hauptsitzungen abhalten. Es seien umfangreiche Vorarbeiten getroffen worden für die technischen Fragen, für die Unterbringung und Verpflegung der Delegationen und die weitere Ausgestaltung der Konferenz. Wenn von allen eingeladenen Regierungen Delegationen erschienen, müsse man mit 54 Personen rechnen. Dazu kämen die Vertreter der Presse. Von der deutschen Presse seien bisher 40 Vertreter angekündigt; die Militärregierung wolle ihre Pressevertreter auf 25 beschränken. Staatsminister Dr. Pfeiffer gibt dann nähere Einzelheiten über den äußeren Ablauf der Konferenz bekannt und weist insbesondere darauf hin, daß außer den Sitzungen am Freitag Abend um 20.15 Uhr ein Staatsempfang der Bayerischen Regierung im Haus der Kunst und am Samstag um 18 Uhr eine Aufführung der Oper „Carmen“ für die Delegationsmitglieder vorgesehen sei. Am Sonntag um 16 Uhr finde ein Tee-Empfang durch Oberbürgermeister Dr. Scharnagl im Schloß Nymphenburg statt. Mit Ausnahme des Staatsempfangs am Freitag Abend könnten an den übrigen Veranstaltungen sich auch Damen beteiligen. Der Plan einer Zugspitzfahrt für Sonntag sei fallen gelassen worden. Einerseits, weil er zu teuer gekommen und wegen des Wetters auch zu unsicher gewesen wäre, andererseits, weil notfalls auch am Sonntag noch Gelegenheit für Besprechungen Vorbehalten bleiben solle. Wegen der Verpflegung der Delegierten sei mit dem Landwirtschaftsminister alles genau besprochen worden. Sie solle durchaus einfach gehalten werden, aber doch so, daß eine gewisse Behaglichkeit für die Teilnehmer geschaffen werde. Es werde möglichst nur Erzeugnisse des Landes geben, als Getränke einfaches Bier und Wein aus Franken, der von den Winzern aus ihren freien Kontingenten zur Verfügung gestellt worden sei. Die Tagesordnung sei gebunden durch die Themen der Einladung und die verfügbare Zeit. Die Vorbesprechungen auf zonaler Basis haben ergeben, daß man alle Fragen des künftigen staatlichen Aufbaues Deutschlands, des Finanzausgleichs, der Grenzen und der Reparationen draußen lassen wolle.7 Auftakt der Tagesordnung werde die Begrüßungsrede des bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Ehard bilden,8 an die sich eine Resolution über das Bekenntnis zur Zusammengehörigkeit aller deutschen Länder und eine weitere als Gruß an die deutschen Kriegsgefangenen anschließen werde.9 Als 1. Hauptthema der Konferenz würden dann die Wirtschaftsprobleme behandelt werden mit der Forderung nach Wirtschaftseinheit mit Einrichtung einer gesamtdeutschen Wirtschaftsverwaltung,10 nach Förderung des Kohlenbergbaus, Einstellung der Demontagen, Rohstoffkredite für den Export, Erhaltung des bisherigen Güterwagenvolumens und Stärkung des Transportwesens, ungehinderter Personen- und Güterverkehr über die Zonengrenzen, Erleichterung des Interzonenhandels, ungehinderter Nachrichten- und Zeitungsverkehr zwischen den Zonen, Förderung des Außenhandels und ein gemeinsames Büro für statistische Erhebungen der deutschen Länder. Das 2. Hauptthema seien dann die Ernährungsprobleme des deutschen Volkes mit Forderungen nach landwirtschaftlichen Produktionsmitteln, zusätzlichen Fettlieferungen aus dem Ausland und Beseitigung der Gefahren des übermäßigen Holzeinschlags. Weitere Hauptthemen seien die Fragen der Brennstoff- und Stromversorgung, die Auswirkungen der Unterernährung auf die Volksgesundheit, die Flüchtlingsfragen und Finanz- und Steuerfragen. Den Ausklang der Konferenz sollen dann eine Aufforderung an die vom Naziregime vertriebenen Deutschen zur Heimkehr und Mitarbeit,11 ferner eine Aufforderung zur Schaffung eines politischen Burgfriedens und schließlich die Schlußrede des bayerischen Ministerpräsidenten bilden.12

Ministerpräsident Dr. Ehard bemerkt dazu, daß die Referate und Diskussionen zeitlich begrenzt werden müßten, da sonst die Zeit nicht ausreiche. Er sei sich darüber klar, daß man, wenn man schon eine solche Sache mache, auch die Leitung straff in der Hand behalten müsse, damit die Konferenz ihrer Aufgabe gerecht werde und nicht auseinanderfalle.

Der Ministerrat stimmt den Ausführungen zu.13

[II.] Programm des Länderrats vom 3. Juni 194714

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, daß auf der morgigen Länderratstagung folgende Fragen zur Behandlung stehen:

a) Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes zur Verhütung mißbräuchlicher Ausnutzung von Vollstreckungsmöglichkeiten.

Die Frage sei dabei, ob das Gesetz zoneneinheitlich erlassen oder dem Landtag vorgelegt werden solle. Er sei in erster Linie für Vorlage an den Landtag, würde aber auch einer zoneneinheitlichen Regelung zustimmen, wenn die anderen Länder der Zone es so machen wollen.

Der Ministerrat ist damit einverstanden.15

b) Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die Bereinigung alter Schulden. Hier liege es genauso wie bei dem vorgenannten Gesetz. Er werde sich also auch hier einer zoneneinheitlichen Regelung anschließen, wenn die anderen Länder der Zone es so haben wollen.

Der Ministerrat ist damit einverstanden.16

c) Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die Mitwirkung des Staatsanwalts in bürgerlichen Rechtssachen.

Er sei der Meinung, daß dieses Gesetz aufgehoben werden müsse. Es handle sich bei diesem Gesetz aus der Nazizeit17 um die Möglichkeit, daß der Reichsanwalt noch nach Rechtskraft eines zivilrechtlichen Urteils die Entscheidung anfechten kann, wenn dies im Interesse der NSDAP oder ihrer Ziele geboten erscheine. Ein solches Gesetz sei zweifellos nicht mehr tragbar. Er halte hier eine zoneneinheitliche Regelung für angebracht.

Der Ministerrat ist damit einverstanden.18

d) Zweites Abänderungsgesetz des Strafgerichtsverfassungsgesetzes 1946.

Es handle sich hierbei um eine Ermächtigung an die Obersten Justizverwaltungsbehörden, die Strafkammern (bisher aus drei Richtern bestehend) durch Zuziehung von Schöffen erweitern zu können. Da das Strafgerichtsverfassungsgesetz von 1946 für die US-Zone gleichheitlich ergangen sei,19 sei auch ein zoneneinheitlicher Erlaß des Abänderungsgesetzes zweckmäßig.

Der Ministerrat ist damit einverstanden.20

e) Zweizonenkonferenz der Arbeitsminister.21

Es solle die Einrichtung einer ständigen Konferenz der Arbeitsminister der zwei Zonen geschaffen werden, die aber kein neues Zweizonenamt darstellen solle, sondern nur durch Zusammenarbeit der Arbeitsminister für die einheitliche gesetzliche Regelung aller wichtigen arbeitsrechtlichen und sozialpolitischen Fragen sorgen solle.22 Es liege ein besonderer Entwurf des Sozialpolitischen Ausschusses des Länderrats über die Aufgaben und die Organisation dieser „Ständigen bizonalen Konferenz der Arbeitsminister“ vor.23 Es sei allerdings möglich, daß der in Aussicht stehende Wirtschaftsrat der beiden Zonen auch für sozialpolitische Fragen zuständig sein werde. Dies könne aber abgewartet werden. Zunächst könne der Einrichtung dieser Ständigen bizonalen Konferenz zugestimmt werden.24

Der Ministerrat stimmt zu.

f) Bildung einer Landesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.25

Es sei beabsichtigt, die z.Zt. von den Arbeitsministerien vorgenommenen Aufgaben der Arbeitsvermittlung, Arbeitslenkung und Arbeitslosenversicherung, die vor 1933 der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung übertragen waren, wieder auf selbständige Landesanstalten zu übertragen.26 Der Herr Arbeitsminister könne dazu vielleicht nähere Ausführungen machen.

Staatsminister Roßhaupter berichtet dazu, daß schon bei der 1. Zusammenkunft der Arbeitsminister im Jahre 1945 im Hauptquartier in Frankfurt 27 der Wunsch nach einer unabhängigen Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung geäußert worden sei. Dieser Wunsch habe vom Standpunkt einer einheitlichen Arbeitsverwaltung aus gesehen seine Berechtigung. Damals sei man allerdings bei den Amerikanern der Meinung gewesen, daß der Zusammenschluß aller Zonen in Kürze, bis spätestens Dezember 1945, erfolgen werde. Er müsse jedoch zugeben, daß angesichts der heutigen Sachlage die Wiedererrichtung dieser Reichsanstalt nicht mehr die Bedeutung habe wie es scheinen könnte. Es müsse freilich eine einheitliche Regelung der einschlägigen Fragen erfolgen. Das alles könne aber auf den Zusammenkünften der Arbeitsminister, die ja zukünftig stattfinden sollen, einheitlich abgesprochen und koordiniert werden. Was die Verwaltung des Reichsstocks,28 jetzt Landesstock29 genannt, betreffe, so müsse darauf hingewiesen werden, daß darüber die Länder nie verfügen können. Es handle sich bei diesen Geldern um eine Zweckbestimmung für bestimmte Fälle.

Ministerpräsident Dr. Ehard wirft hier ein, daß dies natürlich nicht bestritten werde. Es sei aber ein Unterschied, ob die 200 Mill. RM jährlich in München zur Verfügung stünden oder ob sie in Berlin seien. Er sei der Meinung, daß die Frage der Bildung einer Landesanstalt eine Angelegenheit des Landtags sei und dessen Entscheidung Vorbehalten werden müsse.

Der Ministerrat schließt sich dieser Auffassung an.

g) Entwurf einer Preisrechtsverordnung30

Ministerpräsident Dr. Ehard bittet Oberregierungsrat v. Elmenau um Vortrag.

Oberregierungsrat von Elmenau verweist auf die Entstehungsgeschichte der Preisrechtsverordnung,31 die vom Länderstandpunkt auch deshalb erforderlich sei, weil das Verwaltungsamt in Minden derzeit eine Preisdiktatur auch in der US-Zone ausübe. Ursprünglich habe der Sonderbeauftragte für Preisbildung und Preisüberwachung beim Länderrat die Preise in der US-Zone reguliert,32 zwar auch mit weitgehenden Vollmachten, doch sei der Sonderbeauftragte an die Beschlüsse des Preisausschusses des Länderrats – in dem die Wirtschaftsminister bzw. deren Preisbeauftragte saßen – derart kontrolliert gewesen, daß im Falle einer Abweichung des Sonderbeauftragten von einem einzigen Votum dieses Ausschusses, oder im Falle der Uneinigkeit des Ausschusses, die Entscheidung des Länderrats selbst angerufen werden mußte.

Ministerpräsident Dr. Ehard weist auf die Bedeutung dieser Konstruktion besonders hin.

Oberregierungsrat von Elmenau fährt fort, daß die Befugnisse des Sonderbeauftragten des Länderrats mit Weisung vom 15.11.46 auf das Verwaltungsamt in Minden übergegangen seien, jedoch ohne das Korrektiv durch einen Preisausschuß bzw. die Länderregierungen. Infolgedessen sei Minden zu diktatorischen Maßnahmen befugt, was sich z.B. im Falle der süddeutschen Apothekertaxe sehr nachteilig auszuwirken drohe. Der beiliegende Entwurf sei ein unbestreitbarer Fortschritt insbesondere insofern, als den Preisbildungsstellen der Länder wieder namhafte Befugnisse eingeräumt würden, da die beim Verwaltungsrat für Wirtschaft und bei dessen Vorsitzenden verbleibenden Befugnisse enumerativ angeführt und somit auf bestimmte Fälle begrenzt seien. Die vorliegende Fassung des Entwurfs sei vom Wirtschaftsrat des Länderrats und von einem durch Letzteren eingesetzten Sonderausschuß durchberaten und im Sinne einer Wahrung der Länderinteressen gestaltet worden. Zweifelhaft sei allerdings, ob der Erlaß der Verordnung noch auf dem durch MGR. vorgeschriebenen Weg erfolgen würde,33 oder ob bereits der durch die bevorstehende Proklamation Nr. 5 des US-Oberbefehlshabers geschaffene Wirtschaftsrat in Frankfurt befaßt werden müsse.34

Staatsminister Dr. Zorn beantragt anschließend eine Abänderung in § 735 des Entwurfs in dem Sinn, daß vor Anordung wichtiger Maßnahmen die beim (nicht die vom) Verwaltungsamt gebildeten Preisausschüsse zu hören seien. Ferner müsse dafür gesorgt werden, daß auch die Preisbildungsstellen aller betreffenden Länder gehört werden müßten, da nicht in allen Preisausschüssen sämtliche Preisbildungsstellen vertreten seien.

Ministerpräsident Dr. Ehard bittet besonders festzuhalten, daß nach dem Entwurf die Preisbildungsstellen der Länder wieder mehr eingeschaltet würden. Im übrigen wolle er noch, da er jetzt zu General Müller fahren müsse, folgendes sagen: Die bizonalen Verwaltungsräte sollen nun in Frankfurt/Main zusammengefaßt werden. Es solle dort auch eine Art Wirtschaftsversammlung aus 53 Mitgliedern36 gebildet werden, die aus den einzelnen Ländern gewählt werden sollen.37 Diese Wirtschaftsversammlung solle Gesetzgebungsbefugnisse haben. Allerdings nur eine Art Grundsatz-Gesetzgebung. Die Mitglieder der Wirtschaftsversammlung könnten daher nicht zugleich Mitglieder eines Landesparlaments sein. Daneben solle noch ein Exekutivausschuß geschaffen werden, der aus je einem Vertreter der Länder, also acht Vertretern der zwei Zonen, als ständige Bevollmächtigte der Länderregierungen bestehen solle. Dazu kämen ferner noch Exekutivdirektoren als Abteilungsleiter der einzelnen Verwaltungsämter, die in ihrer jetzigen Form verschwinden würden, und die sowohl dem Exekutivausschuß wie dem Wirtschaftsrat unterstellt seien. Er sei persönlich der Meinung, daß es so nicht gehen dürfe. Es würde dazu führen, daß die nordischen Länder mit ihren 5 Vertretern die 3 süddeutschen Länder in dem Exekutivausschuß stets überstimmen könnten.38 Ministerpräsident Dr. Ehard entfernt sich sodann aus dem Ministerrat und übergibt den Vorsitz dem stv. Ministerpräsidenten Dr. Hoegner.

[III.] Maßnahmen gegen Tauschhändler

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, daß er eben aus Unterfranken eine Mitteilung erhalten habe, daß die Züge aus Norddeutschland voll von Menschen seien, die Sensen, Gabeln, Nägel und sonstige landwirtschaftliche Geräte mitbringen und bei den Bauern vertauschen wollen. Es sei schon zu Bedrohungen der Bauern gekommen, wenn sie nichts geben wollten. Man müsse sich darüber klar werden, was dagegen geschehen könne.

Staatsminister Dr. Zorn ist der Auffassung, daß es sich zweifellos um Verstöße gegen die Bewirtschaftungsvorschriften handle. Die Polizei könne dagegen Vorgehen und zwar sowohl die allgemeine Polizei wie die Bahnpolizei.39 Er werde sich beschleunigt an das Innenministerium wenden, um entsprechende polizeiliche Maßnahmen zu treffen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß also die Polizei eingesetzt werde, um diesen Leuten ihre Ware abzunehmen und diese Landplage zu beseitigen und daß das Wirtschaftsministerium sich deswegen sofort mit dem Innenministerium zusammensetzen werde.

[IV.] Durchführungsverordnung zum Flüchtlingsgesetz

Staatssekretär Jaenicke hält Vortrag über diese Frage. Es seien alle an dieser Frage beteiligten Ministerien gehört worden, auch der Flüchtlingsausschuß des Länderrats und die Militärregierung.40 Der Länderrat habe unter den verschiedenen Entwürfen die bayer. Verfassung angenommen.41 Er wolle hier nur zu einigen wichtigen Punkten Stellung nehmen. Es sei da zu § 1 Abs. 1 Ziffer 3 des Flüchtlingsgesetzes die Frage der Zusammenführung der Familienangehörigen zu regeln. Er stehe hier im Gegensatz zu seinem Vertreter Dr. Ziegler.42 Dieser meine, daß man die Frage nur aus menschlichen Gesichtspunkten klären könne, ohne Rücksicht auf die Wohnraumfrage. Er selbst dagegen stehe auf dem Standpunkt, daß das nicht gehe, sondern daß zunächst auch die Wohnungsfrage berücksichtigt werden müsse. Es wäre nicht tragbar, wenn auf dem Wege der Zusammenführung der Familienangehörigen plötzlich Hunderttausende nach Bayern kommen würden. Er habe sich auf den Standpunkt gestellt, daß man nicht alle Verwandten hereinlassen könne. Es müsse eine Beschränkung auf ganz nahe Angehörige erfolgen, so daß möglichst kein zusätzlicher Wohnraum benötigt werde. Man habe sich auf den Zuzug von Ehegatten, unversorgten Kindern und unterhaltsbedürftigen Eltern beschränkt unter der Voraussetzung, daß der Ernährer seiner Unterhaltspflicht nachkommen könne. Er bitte daher um Zustimmung, daß er nach wie vor die Zuzugsgenehmigung an die Zustimmung der unteren Instanzen knüpfen könne und daß eine unbedingte Zuzugsgenehmigung nicht gegeben werde.

Der Ministerrat erklärt sich einverstanden.

Staatssekretär Jaenicke fährt fort, daß eine einzige Divergenz bei der Beratung der Bestimmungen für Beamte entstanden sei. Der Flüchtlingsausschuß sei auf dem Standpunkt gestanden, daß die Flüchtlingsbeamten die gleichen Rechte und Pflichten wie die einheimischen Beamten haben müßten. Das Finanzministerium dagegen wolle die Behandlung der Beamten von der Entscheidung des Landespersonalamtes abhängig gemacht sehen. Alle Flüchtlingsbeamten sollten danach auf eine Liste gesetzt werden, auf die erst zurückgegriffen werden solle, wenn die einheimischen Kräfte alle untergebracht seien. In Stuttgart habe der Vertreter der Militärregierung sich der Auffassung des Flüchtlingsausschusses angeschlossen. Er bitte daher, daß sich der Ministerrat ebenfalls dieser Auffassung anschließen möge.

Geh. Rat Hepp (Finanzministerium) wirft die Frage ein, wie das nun bei Beamten gehandhabt werden solle, wenn keine Beamtenstellen für sie da seien.

Staatssekretär Jaenicke erwidert, daß natürlich ein Beamter nicht eingestellt werden könne, wenn keine Stelle für ihn da sei.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, daß er schon wiederholt darauf hingewiesen habe, daß keine Stellen für Beamte Vorbehalten werden dürften, die erst entnazifiziert werden sollen. Er wolle bei dieser Gelegenheit noch feststellen, daß die vom Finanzministerium geplante Einsparung von 25% aller Beamtenstellen unmöglich durchgeführt werden könne, da ja die Bevölkerung um 2 Millionen zugenommen und sich daher auch die Verwaltungsarbeit erhöht habe. Dazu komme z.B. bei der Justiz eine enorme Steigerung der Kriminalität im Gegensatz zu normalen Zeiten.

Staatssekretär Schuberth meint, daß ja nicht immer eine Planstelle da sein müsse. Man könne die Leute auch in eine Tätigkeit, die ihrer bisherigen entspreche, einsetzen, ohne Rücksicht auf eine Planstelle.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, daß auch davon geredet worden sei, daß die Beamten erst wieder Prüfungen durchmachen müssen. Das gehe natürlich so nicht, daß z. B. ein alter Richter erst noch einmal die bayerische Referendarprüfung nachholen müsse.

Staatsminister Dr. Zorn meint, man müsse davon ausgehen, daß ein Flüchtling auch nicht besser gestellt werden müsse, wie ein Einheimischer. Er habe nämlich die Erfahrung gemacht, daß Flüchtlinge oft Ansprüche erheben, die zu weit gehen. So habe z.B. ein früherer Kommunalbeamter, der besonders gut bezahlt war, auch hier eine besonders bezahlte Stellung verlangt.

Staatssekretär Pittroff wirft die Frage auf, ob die Flüchtlingsbeamten den gleichen Rang erhalten müßten, wie sie ihn früher hatten. Es stünden gar nicht so viele passende Stellungen zur Verfügung. Man könne z.B. nicht jeden Oberstudiendirektor aus Flüchtlingskreisen als Leiter einer Mittelschule einstellen.

Staatssekretär Jaenicke erklärt, daß dies natürlich nicht möglich sei. Es gebe aber auch Fälle einer Verwendung, wie sie bestimmt nicht sein solle. Er habe beispielsweise gehört, daß ein Rektor als Hilfslehrer eingesetzt worden sei, obwohl er doch mindestens als Lehrer hätte eingestellt werden können.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß der heutige Ministerrat nicht beschlußfähig sei. Er würde daher vorschlagen:

Der Ministerrat ist damit einverstanden, daß die Ausführungsverordnung bis nach dem nächsten Ministerrat zurückgestellt wird und als genehmigt gilt, wenn bis dahin keine Widersprüche erfolgen.

Staatsminister Dr. Zorn weist noch darauf hin, daß sich das Recht zur Beschlagnahmung von Gebäuden und Werkstätten überschneide mit dem Beschlagnahmerecht der Wirtschaftskontrollstellen.

Staatssekretär Jaenicke erklärt, daß er diese Frage noch einmal prüfen werde.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, daß er also annehmen könne, daß die Angelegenheit bis zum nächsten Mal zurückgestellt werde.

Der Ministerrat stimmt zu.43

Staatssekretär Jaenicke gibt noch Einzelheiten über die Leistungen der Flüchtlingsindustrie bekannt und weist dabei darauf hin, daß der tschechische Staat früher 52% seiner Einnahmen aus diesen Industrien bezogen habe und daß 65% davon Export gewesen sei. Die Flüchtlingsindustrie sei durchaus geeignet, dem bayerischen Staat gute Einnahmen einzubringen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, daß dies gern zur Kenntnis genommen werde und daß man hoffen wolle, daß sich der Zustrom von Flüchtlingen letzten Endes zum Segen des Landes auswirke.

[V.] Ernennung eines Präsidenten für das Oberlandesgericht Bamberg

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, daß infolge des Todes des Geh. Rats Dr. Krapp die Stelle des Oberlandesgerichtspräsidenten in Bamberg neu zu besetzen sei. Die Auswahl eines Nachfolgers sei sehr gering. Der Herr Ministerpräsident und er seien sich darüber einig geworden, den bisherigen Generalstaatsanwalt Dr. Dehler für diese Stelle in Vorschlag zu bringen.44 Sie seien allerdings beide der Meinung, daß ein solcher Posten möglichst unpolitisch sein sollte. Dr. Dehler habe sich aber bereit erklärt, seine Tätigkeit als Parteimann erheblich einzuschränken. Unter diesen Umständen habe er keine Bedenken mehr, da Dr. Dehler großes Ansehen in Bamberg genieße und persönlich der geeignete Mann für diese Stelle sei.

Der Ministerrat ist grundsätzlich damit einverstanden.

[VI.] Fronleichnamsprozession

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt die Einladung des Ordinariats zur Teilnahme an der Fronleichnamsprozession bekannt und bittet um möglichst rege Beteiligung.45

München, den 2. Juni 1947

Der Bayerische Ministerpräsident:
gez. Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des Ministerrats:
I.V.
gez. Dr. Peter Erber
Landgerichtsdirektor
Der Leiter der Bayer. Staatskanzlei:
gez. Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister