Ministerpräsident Dr. Ehard,1 stv. Ministerpräsident Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium).2
Finanzminister Dr. Kraus, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Oberste Baubehörde), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).3
I. Gesetz über den öffentlichen Dienst in Bayern (Beamtengesetz). II. Fall Loritz. III. Gesetz über die Versorgung von Friedensblinden. IV. Flüchtlings- und Siedlungsfragen. V. Egon Herrmann. VI. Übergangsgeld für die den Gemeinden und Gemeindeverbänden zugewiesenen Inhaber einer Zusicherung nach dem Gesetz vom 27. 3. 1948. VII. Erhebung eines Notgroschens. VIII. Einladung zur Brückeneinweihung in Ulm und Neu-Ulm. IX. Personalangelegenheiten.
Dr. Ehard teilt mit, die Militärregierung habe den neuen Entwurf5 des Beamtengesetzes für nicht befriedigend erklärt und eine Reihe von Einwendungen geltend gemacht. Seiner Auffassung nach müsse die Angelegenheit zunächst zurückgestellt werden, da es keinen Sinn habe, noch in weitere Verhandlungen einzutreten.
MinisterpräsidentDer Ministerrat schließt sich diesem Vorschlag an.
Dr. Ehard gibt einen Überblick über den bisherigen Verlauf der Angelegenheit Loritz und teilt mit, daß er heute Nachmittag um 4.15 Uhr eine Besprechung bei der Militärregierung haben werde.7 Er ersuche das Justizministerium, möglichst bald einen umfassenden Bericht über den Ablauf der Sache fertigzustellen und der Militärregierung zu übersenden.
Ministerpräsident8
Anschließend verliest Ministerpräsident Dr. Ehard das Schreiben vom 28. Juli 1949, das er heute Nachmittag bei der Besprechung übergeben werde.Geiger erkundigt sich, wie es sich mit den angeblich 230 Fällen verhalte, die die Militärregierung bisher schon nach ihren Angaben geprüft habe.
StaatssekretärDr. Müller antwortet, die Militärregierung habe grundsätzlich das Recht, auf Grund des Gesetzes Nr. 2,9 das übrigens ein Gesetz General Eisenhowers sei, in jedes Verfahren einzugreifen. Es sei wohl richtig, daß die Militärregierung häufig Akten erholt habe, niemals aber in so störender Weise wie jetzt. Auch habe sie niemals in den Terminablauf eingegriffen. Ein solcher Fall wäre nur einmal vorgekommen, damals habe er als Justizminister veranlaßt, daß der Termin trotzdem stattgefunden habe. Die ganze Angelegenheit sei übrigens von höchst grundsätzlicher Bedeutung und habe mit Herrn Loritz an sich nichts zu tun.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard erklärt abschließend, man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Loritz geschützt werden solle, der bekanntlich überall im Land nach wie vor die Justizverwaltung beschimpfe und verleumde.10 Außerdem habe die Militärregierung grundsätzliche Angriffe gegen die Justiz gerichtet, ohne dem Ministerium die Möglichkeit zu geben, die angeblichen Informationen festzustellen.11
MinisterpräsidentDr. Grieser erklärt einleitend, die Forderung, die Friedensblinden mit den Kriegsblinden gleichzustellen, sei schon in den 20er Jahren aufgetaucht; sie habe auch damals schon den Reichstag beschäftigt. Er selbst habe seinerzeit erreicht, daß die Friedensblinden in die gehobene Fürsorge eingereiht worden seien. Die völlige Gleichstellung werde jetzt wieder überall, auch in der britischen Zone, betrieben. Der Landtag habe nun neuerdings mit Beschluß vom 20. 7. 1949 die Staatsregierung beauftragt, die Einbringung eines entsprechenden Gesetzes umgehend durchzuführen.12 Der vom Arbeitsministerium jetzt vorgelegte Entwurf13 bleibe bedeutend hinter dem ursprünglichen am 3. März 1949 im Ministerrat besprochenen Entwurf zurück;14 so sehe er z. B. vor, daß Leistungen für Friedensblinde nur dann zu gewähren sind, soweit diese keine Einkünfte haben. Das wesentlichste sei das vorgesehene Blindengeld von DM 75,– und er bitte dringend, wenigstens in diesem Punkt zuzustimmen. Im übrigen könne man dann mit den anderen Ländern der westlichen Besatzungszonen Verhandlungen führen, ob die Gleichstellung auch auf den anderen Gebieten durchzuführen sei. Dieser Vorschlag gehe auf eine Anregung des Finanzministeriums zurück, den sich das Arbeitsministerium gern zu eigen mache. Man müsse auch bedenken, daß von amerikanischer Seite die Einheitlichkeit der Fürsorge gefordert werde, es bedeute aber keinen Verstoß gegen diesen Grundsatz, wenn man das Blindengeld zahle. Was eine zukünftige Regelung mit dem Bund betreffe, so glaube er kaum, daß der Bund die Fürsorge für die Friedensblinden übernehmen werde.
StaatssekretärDr. Müller weist auf die schwierige Finanzlage hin und macht darauf aufmerksam, daß es im Widerspruch zu allen rechtlichen Grundsätzen stehe, wenn man Renten gewähren würde, ohne daß wie bei den Kriegsblinden eine Leistung oder ein Opfer für die Allgemeinheit vorliege.15 Es sei auch zu befürchten, daß die Gruppen der zivilen Taubstummen, der Siechen und Verkrüppelten usw. mit den gleichen Forderungen auftreten würden. Es handle sich immerhin bei dem vorliegenden Gesetzentwurf um einen Bedarf von 1, 2 Millionen und er wisse nicht, wie dieser Betrag aufgebracht werden könne.
StaatssekretärDr. Ankermüller schließt sich dem Vorschlag des Herrn Staatssekretärs Dr. Grieser an und bestätigt, daß die Zahlung der 75,- DM Blindengeld keine Durchbrechung der Einheitlichkeit der Fürsorge bedeute.
StaatsministerDr. Grieser betont daraufhin nochmals, daß das Arbeitsministerium nicht die Gleichstellung beantrage, sondern nur den gleichen Zuschuß für Kriegs- und Friedensblinde als Pflege- oder Blindengeld.
StaatssekretärDr. Hundhammer schlägt vor, die Sache abzuschließen und den Entwurf dem Landtag zuzuleiten, der ja bereits einen entsprechenden Beschluß gefaßt habe.
Staatsminister16 der lediglich die Zahlung eines Blindengeldes von DM 75,- auch an die Friedensblinden vorsehe, außerdem aber entsprechende Verhandlungen über die grundsätzliche Gleichstellung mit den übrigen Ländern der amerikanischen und britischen Zone aufzunehmen.17
Der Ministerrat beschließt sodann, dem Vorschlag des Staatsministeriums für Arbeit und Soziale Fürsorge entsprechend dem Beschluß des Landtags einen Gesetzentwurf vorzulegen,1. Siedlung Haar bei München
Geiger teilt mit, am gestrigen Tage habe die erste Sitzung des Landesplanungsausschusses stattgefunden, bei der leider das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht vertreten gewesen sei. Dabei sei auch die sogenannte Großsiedlung Haar b. München besprochen worden, die 400 Siedlerstellen vorsehe und insgesamt mehrere Tausend Bewohner aufnehmen solle. Diese Siedlung werde ohne Vorbereitung durchgeführt und ohne Einschaltung der Landesplanung. Zunächst sei die Finanzierungsfrage vollkommen ungeklärt, darüber hinaus sei aber auch die Wahl des Standortes gänzlich unmöglich. Für die Siedler bestehe keinerlei Beschäftigungsmöglichkeit, auch die Wasser- und Stromversorgung sei außerordentlich schwierig, genauso wie die Beseitigung der Abwässer.
Staatssekretärentstehen würden. Er verstehe überhaupt nicht, wie das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten derartige Siedlungspläne durchführen könne.
Am 3. August solle bereits der erste Spatenstich durch den Herrn Ministerpräsidenten und Landesdirektor Van Wagoner vorgenommen werden. Seiner Ansicht nach müsse das Landwirtschaftsministerium veranlaßt werden, die Feier am 3. August abzublasen, da sonst die größten SchwierigkeitenDr. Ankermüller schließt sich diesen Ausführungen an und weist darauf hin, daß ständig Schwierigkeiten zwischen dem Landwirtschafts- und Innenministerium in der Frage der Siedlung bestünden, ähnlich wie früher zwischen Landwirtschafts- und Arbeitsministerium. Kleinsiedlungen hätten mit dem Landwirtschaftsministerium an sich nicht das geringste zu tun und gehörten in den Bereich des Innenministeriums als des Wohnungsbauministeriums. Er müsse auch darauf hinweisen, daß in Haar keinerlei Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden, da dort nirgendwo Industrieanlagen seien. Dazu komme noch, daß an sich das Gelände zum Teil für den Autobahnring und für die Erweiterung des Flugplatzes Riem ausgewählt sei. Es sei hier tatsächlich nichts überlegt und gesichert worden. Am wenigsten die Finanzierung, für die ein Betrag von 20 Millionen notwendig sei. Das Landwirtschaftsministerium habe vom Innenministerium bereits 1, 8 Millionen DM angefordert.
StaatsministerDr. Müller macht darauf aufmerksam, daß die Verträge, die mit dem Vorbesitzer, Herrn von Finck,18 abgeschlossen worden seien, auch nicht in Ordnung gingen. Herr von Finck habe die betreffenden Grundstücke im Wege der Bodenreform zur Verfügung gestellt und erhalte angeblich dafür 260000 DM, eine Regelung, die im Widerspruch mit dem Entschädigungsgesetz über die Bodenreform19 stehe.20
Staatssekretär21
Staatssekretär Dr. Müller gibt daraufhin dem Protokollführer des Ministerrats den Auftrag, den Herrn Ministerpräsidenten zu informieren, damit die Feier des Spatenstichs am 3. August zum mindesten bis zu einer etwaigen Klärung verschoben werden könne.2. Flüchtlingslager
Dr. Ankermüller teilt mit, auf dem Flüchtlingssektor bestünden immer noch die größten Schwierigkeiten, besonders durch die Überbelegung der Lager. Nach wie vor kämen in großer Zahl Flüchtlinge aus der Ostzone, besonders aber auch aus Österreich. Die letzteren versuchten, über Bayern in die französische Zone zu gelangen, in die sie aber nur unter der Bedingung aufgenommen würden, daß sie auf die Zahl derjenigen Ausgewiesenen angerechnet würden, die regulär aufgenommen werden. Man müsse versuchen, einen Schritt bei der Militärregierung zu unternehmen; ein entsprechendes Schreiben werde für den Herrn Ministerpräsidenten vorbereitet.
Staatsminister3. Werbe- und Propagandamaterial
Dr. Ankermüller erklärt, das Staatsministerium der Finanzen müsse insgesamt 50000 DM zur Verfügung stellen, damit Werbe- und Propagandamaterial gedruckt und verbreitet werden könne, das zur Verteilung im In- und Ausland bestimmt sei. Dieses Material solle einerseits einen Überblick über die bestehenden Schwierigkeiten geben und andererseits die maßgebenden Kreise im Ausland darauf hinweisen, was mit ihrer Unterstützung alles geschehen könne.
StaatsministerDr. Schwalber meint, es sei wohl zu erwarten, daß die Flüchtlingsvertretungen vom Bund übernommen werden und es frage sich, ob man sich jetzt noch in besondere Unkosten stürzen solle.
StaatssekretärDr. Ankermüller wiederholt die Notwendigkeit, gerade die kirchlichen und Wohlfahrtsorganisationen im Ausland durch geeignetes Material auf die Flüchtlingsprobleme in Deutschland hinzuweisen.
StaatsministerKrehle teilt in diesem Zusammenhang mit, die Aktion für die Werbung von Arbeitskräften nach England und Frankreich22 bei den Arbeitsämtern gehe sehr schleppend vor sich; vor allem weil bezüglich der Sozialversicherung noch keine Gegenseitigkeit bestehe.
StaatsministerDr. Müller berichtet über seine Erfahrungen in Amerika,23 wo vielfach noch höchst unklare Vorstellungen über die Flüchtlingsfragen bestünden. Weite Kreise in Amerika würden es durchaus begrüßen, wenn man ihnen entsprechendes Propagandamaterial herüberschicken könnte.
StaatssekretärDr. Ankermüller bestätigt, daß das Ausland keine Kenntnis über die Schwierigkeiten des Flüchtlingsproblems habe. Darum sei es auch notwendig, entsprechendes Material, das nicht allzuviel Mittel beanspruche, zu veröffentlichen. Er schlage vor, daß das Nähere zwischen dem Innen- und Finanzministerium vereinbart werde.
StaatsministerDieser Vorschlag wird vom Ministerrat gutgeheißen.
Sachs teilt mit, am heutigen Morgen sei Egon Herrmann von der Spruchkammer entlastet worden,25 da durch mehrere eidesstattliche Erklärungen sein Widerstand nachgewiesen worden sei.26 Infolgedessen könne Herrmann jetzt auch in die Wahlliste aufgenommen werden.27
MinisterialdirektorSachs berichtet über die zweite Ausführungsverordnung zum Überführungsgesetz, die im Einvernehmen mit dem Sonderministerium und dem Innenministerium vom Finanzministerium ausgearbeitet worden sei. Danach trägt unbeschadet einer gesetzlichen Regelung der bayerische Staat das in § 8 bestimmte Übergangsgeld für diejenigen Inhaber einer Zusicherung, die einer bayerischen Gemeinde oder einem Gemeindeverband zugewiesen werden und zwar bis zum Letzten des Monats, in welchem der Gemeinde oder dem Gemeindeverband die Zuweisung zugeht.
MinisterialdirektorDr. Ankermüller die nach wie vor bestehenden Bedenken des Innenministeriums geltend gemacht hat, beschließt der Ministerrat einstimmig, den vorliegenden Verordnungsentwurf zu verabschieden, nachdem eine gesetzliche Regelung noch vorbehalten sei.29
Nachdem Herr StaatsministerGeiger erklärt, das Wirtschaftsministerium habe im Interesse der Filmindustrie nach wie vor die größten Bedenken gegen die Erhebung eines Notgroschens für Film- und Theaterveranstaltungen.
StaatssekretärDr. Ankermüller erklärt, es handle sich hier um eine Angelegenheit der Selbstverwaltung, zu der die Regierungspräsidenten die Genehmigung nicht verweigern könnten.
StaatsministerDer Ministerrat beschließt gegen die Stimme des Herrn Staatssekretärs Geiger, es bei der bisherigen Regelung zu belassen und in das Verwaltungsrecht der Gemeinden nicht einzugreifen.
Dr. Müller gibt die Einladung des Oberbürgermeisters der Stadt Neu-Ulm31 zu der am 8. August stattfindenden weiteren Veranlassung zwischen den Städten Ulm und Neu-Ulm bekannt.
Stv. Ministerpräsident32
Es wird vereinbart, daß die Bayer. Staatsregierung durch den Herrn stv. Ministerpräsidenten Dr. Müller und Herrn Staatsminister Frommknecht vertreten werden soll.33
Der Ministerrat beschließt auf Vorschlag des Wirtschaftsministeriums, Herrn Regierungsdirektor Dr. Jakob Kratzer zum Ministerialrat im Wirtschaftsministerium zu ernennen.