Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident Dr. Müller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Finanzminister Dr. Kraus, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Staatssekretär a. D. Sachs (Sonderministerium).1
Innenminister Dr. Ankermüller, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Oberste Baubehörde), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium).
I. Gesetz über den Abschluß der politischen Befreiung in Bayern. II. Entlassungsgeld für Heimkehrer. III. Weihnachtsgratifikationen. IV. Bundesangelegenheiten. V. [Arbeitsberichte der Staatsministerien]. [VI. Verfassungsreferent für das Bundesinnenministerium]. [VII. Flüchtlingsfragen]. [VIII. Satzung der Akademie der Schönen Künste].
Dr. Ehard 3 gibt einleitend bekannt, daß Hessen bereits ein entsprechendes Gesetz angenommen4 und nun auch Herr Staatssekretär Sachs einen Entwurf ausgearbeitet habe.5 Außerdem befasse sich das Staatsministerium der Justiz mit dieser Frage und bereite gleichfalls einen Entwurf vor.
MinisterpräsidentDr. Müller weist darauf hin, daß bezüglich des Abschlusses der politischen Befreiung in Westdeutschland große Unterschiede bestünden, vor allem gegenüber der britischen Zone. Die Justizministerkonferenz werde sich bemühen, eine gewisse gleiche Basis für den Abschluß zu finden. Andernfalls entstände eine völlig ungleiche Behandlung und damit ein Unrecht. Die Justizministerkonferenz habe sich auf 7 Punkte geeinigt,6 während bei 2 weiteren Punkten noch Vorbehalte von Schleswig-Holstein und Hessen geltend gemacht würden. Man habe dann eine Kommission beauftragt, für die nächste Justizministerkonferenz am 16./17. Dezember einen Entwurf vorzulegen. Jedenfalls müsse vermieden werden, daß die Frage im Bundestag behandelt werde und der Bund die Zuständigkeit an sich ziehe.7 Württemberg-Baden, das bereits einen Entwurf ausgearbeitet habe,8 sei als federführendes Land bestimmt worden.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard schlägt sodann vor, den Entwurf des Staatsministeriums der Justiz zu besprechen.9
MinisterpräsidentZu § 1:
Dr. Ehard stellt fest, daß diese Bestimmung praktisch in Zukunft die Erhebung der Klage nur gegen Hauptschuldige und Belastete zulasse. Im übrigen werde nach dieser Bestimmung eine Einreihung in Gruppe 1 oder 2 nur auf Grund der Tatbestände der Art. 7–910 des Befreiungsgesetzes vorzunehmen sein, während die Art. 6 und 10 außer Betracht blieben.11
MinisterpräsidentSachs teilt mit, zweifellos werde sich die Besatzungsmacht noch weiterhin für die Durchführung der Entnazifizierung interessieren, wenn sie auch nicht mehr unmittelbar eingreifen werde. Er habe in seinem Entwurf den Art. 1 so vorsichtig gefaßt, daß keine Schwierigkeiten entstehen könnten.12 Es gäbe eben doch tatsächlich Fälle, in denen die formale Belastung so schwer sei, daß die Betreffenden nicht aus der Verantwortlichkeit entlassen werden könnten. In solchen Fällen sei ein Eingreifen der Besatzungsmacht möglich, wenn keine Klage erhoben werde.
StaatssekretärDr. Ehard macht darauf aufmerksam, daß im Entwurf des Justizministeriums vorgesehen sei, daß der Kläger keine Klage zu erheben habe, wenn auf Grund des Ergebnisses der Ermittlungen kein hinreichender Verdacht bestehe, wonach der Betroffene in Gruppe 1 oder 2 einzureihen sei, das bedeute, daß die formale Belastung zugrunde gelegt werden müsse und dann das Ergebnis der Ermittlungen. Wenn die gesetzliche Vermutung ganz beseitigt würde, so müssen doch mindestens Erhebungen gepflogen werden. Er habe Bedenken, die gesetzliche Vermutung der Art. 6 und 10 des Befreiungsgesetzes gänzlich zu beseitigen.
MinisterpräsidentDr. Müller meint, wenn man mit Württemberg-Baden zu einem gemeinsamen Entwurf komme, könne man wohl nicht von einer Sonderpolitik Bayerns sprechen. Er halte es für das zweckmäßigste, von dem Kollegium der Justizminister diesen Entwurf ausarbeiten zu lassen und glaube sicher, daß man dann zu einem Einvernehmen kommen werde.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard empfiehlt nochmals, die Frage der gesetzlichen Vermutung besonders sorgfältig zu prüfen, im übrigen bestünden wohl gegen § 1 keine Bedenken.
MinisterpräsidentZu §2:
Dr. Ehard erklärt, gegen diese Bestimmung sei wohl nichts einzuwenden.
MinisterpräsidentSachs berichtet, er habe 15000 Bewährungsfristen für abgelaufen erklärt und man sei in Bayern in einer ganz anderen Lage wie in den übrigen Ländern. Insgesamt würden nur noch einige hundert Bewährungsfristen laufen. Er sei der Auffassung, daß die im § 2 vorgesehene Befristung gestrichen werden müsse.
StaatssekretärDr. Müller erklärt sich damit einverstanden.
Stv. MinisterpräsidentZu § 4:
Dr. Ehard betont zu dieser Bestimmung, hier handle es sich um die Frage der Wählbarkeit, die ja von grundsätzlicher Bedeutung sei. Er glaube aber, daß man dieses Problem nicht unter der Hand regeln könne, sondern es deutlich in diese Bestimmung einbauen müsse.
MinisterpräsidentSachs antwortet, in seinem Entwurf sei er so weit gegangen, als nur irgendmöglich. Er trete dafür ein, diesen § des Entwurfs des Justizministeriums zu streichen. Im übrigen sei er überhaupt nicht in der Lage, zu dem Entwurf des Staatsministeriums der Justiz, den er heute zum erstenmal sehe, sofort Stellung zu nehmen, da es doch um sehr prinzipielle Dinge gehe. Er schlage vor, daß sich das Staatsministerium der Justiz nochmals mit ihm in Verbindung setze, zumal er ja doch über eine mehrjährige Erfahrung verfüge.
StaatssekretärDr. Müller erklärt, den Justizministerien gehe es darum, auf der nächsten Konferenz zu einem Abschluß zu kommen, damit sich der Bundesrat mit der ganzen Angelegenheit nicht mehr beschäftige.
Stv. Ministerpräsident13 vom B. Staatsministerium der Justiz nochmals in Verbindung setze, um den Entwurf endgültig festzulegen.
Der Ministerrat beschließt sodann, daß sich Staatssekretär Sachs mit Herrn Oberstlandesgerichtsrat KuchtnerAnschließend werden dann noch kurz die übrigen Bestimmungen des Entwurfs besprochen.
Zu § 5:
Dr. Ehard gibt zu bedenken, daß sich durch die Ausdehnung auf die Heimkehrer die Angelegenheit noch einige Zeit fortschleppen werde.
MinisterpräsidentZu § 6:
Sachs stellt fest, diese Bestimmung sei nicht klar durchdacht, der Kassationshof sei bekanntlich kein Gericht. Wenn man ihn hier als neue selbständige Stelle schaffen wolle, so sei das zweifellos unrichtig. Als Beispiel wolle er nur anführen, daß er selbst in einer Reihe von Fällen zu Gunsten derjenigen Betroffenen entschieden habe, deren Fall schon vor dem Kassationshof behandelt worden sei. Er müsse nochmals bedauern, daß niemand vom Staatsministerium für politische Befreiung zugezogen worden sei und außerdem feststellen, daß auch der württembergische Entwurf gesetzestechnisch keineswegs befriedigen könne.
StaatssekretärDr. Ehard meint, es wäre trotzdem wichtig, sich mit Württemberg-Baden zu verständigen, zumal Hessen schon eigene Wege gegangen sei.
MinisterpräsidentSachs wendet sich sodann noch gegen § 7 und weist darauf hin, daß diese Bestimmung eine Nachprüfung bis ins Ungemessene herbeiführen könne.
StaatssekretärZu § 10:
Dr. Ehard bezeichnet es als besonders wichtig, daß kein Anspruch14 auf Wiedereinstellung in den öffentlichen Dienst eingeräumt werde.15
MinisterpräsidentDr. Grieser berichtet, die Fraktion der SPD habe im Bayer. Landtag beantragt, das Entlassungsgeld für Heimkehrer von DM 90,- auf DM 200,- zu erhöhen,17 was eine Mehrbelastung von 2, 4 Mio. DM bedeute. Der Landtagsausschuß habe lediglich einen Beschluß gefaßt, die Staatsregierung um Prüfung zu ersuchen, bis zu welchem Betrag das Entlassungsgeld erhöht werden könne. Das Staatsministerium für Arbeit und Soziale Fürsorge schlage deshalb vor, eine Erhöhung auf 120,- DM ab 1. Dezember bis Ende März 1950 vorzunehmen, was einen zusätzlichen Betrag von ca. 500000 DM bedeute.
StaatssekretärDr. Hundhammer tritt dafür ein, das Entlassungsgeld auf 150,- DM zu erhöhen, womit sich auch die SPD zufrieden geben müsse.
StaatsministerDr. Grieser macht darauf aufmerksam, daß es ihm wichtig sei, die vernünftigen Heimkehrer zu gewinnen und dem Einfluß des Herrn Blatt18 zu entziehen, der zweifellos ein politischer Hetzer sei.19
StaatssekretärDr. Kraus spricht sich gegen die Erhöhung des Entlassungsgeldes von 150,- DM aus.
StaatsministerDr. Grieser sichert zu, das Arbeitsministerium werde in seinem Etat entsprechende Einsparungen vornehmen, so daß keine Mehrbelastung eintrete; er werde in diesem Sinne mit Ministerialrat Dr. Barbarino20 sprechen.
StaatssekretärDr. Hundhammer rät nochmals dazu, mit Rücksicht auf den Antrag der SPD keine zu geringe Erhöhung vorzunehmen und einen Betrag von 150,- DM zu beschließen.
Staatsminister21
Der Ministerrat beschließt sodann mit Mehrheit, der Erhöhung des Entlassungsgeldes für Heimkehrer von 90,- DM auf 150,- DM zuzustimmen.Dr. Kraus führt aus, es sei noch eine Bestimmung in den Richtlinien zur Einkommensteuer in Kraft,23 wonach lediglich 100,- DM Weihnachtsgratifikation steuerfrei bleiben könnten. Diese Richtlinien seien nicht geändert und man könne nicht ohne weiteres von ihnen abweichen.
StaatsministerDr. Ehard spricht sich dafür aus, im Communiqué bekanntzugeben, daß man sich nochmals mit der Frage der Weihnachtsgratifikation befaßt habe, daß aber auf Grund der Rechtslage keine Möglichkeit bestehe, sie steuerfrei zu lassen.24
MinisterpräsidentDr. Pfeiffer teilt mit, daß die nächste Sitzung des Bundesrats am 19. Dezember stattfinde. Von besonderer Wichtigkeit sei die Frage der Amnestie, ferner die Besprechung des Lohnstops und der Mineralölpreise. Wenn der Bundestag ein Gesetz angenommen habe, zu dem die Zustimmung des Bundesrats nicht erforderlich sei, könne dieser bekanntlich ein Veto einlegen. Ein Kollegium von 22 Mitgliedern habe dann die Sache gemeinsam durchzusprechen und unter Umständen eine Abänderung des Gesetzestextes vorzunehmen.26 Diese Möglichkeit stehe nun zum erstenmal zur Entscheidung am 19. Dezember 1949 und eine entsprechende Vorarbeit sei außerordentlich dringlich. Die Geschäftsordnung müsse vom Bundestag beschlossen, vom Bundesrat genehmigt werden und es handle sich dabei um verschiedene Punkte, die von großer Wichtigkeit sein könnten. Der Präsident des Bundestags habe Herrn Dörr27 mit der Ausarbeitung eines Entwurfs beauftragt.28 Außerdem habe der Bundesrat einen Unterausschuß des Rechtsausschusses ebenfalls beauftragt.29 Er habe dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Herrn von Brentano,30 vorgeschlagen, erst in der Fraktion und dann im Ältestenrat beide Entwürfe zu besprechen.31 Vielleicht sei es möglich, schon am Freitag dem Bundestag eine vorläufige Geschäftsordnung vorzuschlagen, die auf zwei Monate befristet sei. Er bitte den Herrn Justizminister, am Mittwoch eine Vorbesprechung darüber herbeizuführen. Wenn man mit dieser ganzen Angelegenheit nicht rechtzeitig fertig werde, fehlten die Voraussetzungen für das Einlegen eines Vetos.32
Staatsminister33 Auch sei es notwendig, daß das Wirtschaftsministerium bald einen zweiten Vertreter entsende, der vor allem auch in Tariffragen bewandert sei und die Verbindung mit dem Verkehrsministerium zu halten habe.
Im übrigen müsse er nochmals darauf hinweisen, daß die Abordnung eines ständigen Vertreters des Justizministeriums unbedingt erforderlich sei.Dr. Müller erklärt, er werde demnächst einen Vertreter des Justizministeriums ernennen. Was die Frage der Amnestie betreffe, so glaube er, daß auf der nächsten Justizministerkonferenz eine Entscheidung fallen werde.
Stv. MinisterpräsidentDr. Pfeiffer macht noch darauf aufmerksam, daß in der nächsten Sitzung des Wirtschafts-, Rechts- und Verkehrsausschusses sehr bedeutsame Fragen behandelt würden.
StaatsministerDr. Ehard ersucht, ihm möglichst zum Jahresende einen Überblick über die von den einzelnen Ministerien im Laufe des vergangenen Jahres durchgeführten Arbeiten zuzuleiten.34
MinisterpräsidentDr. Ehard teilt mit, er habe einen Brief des Herrn Staatssekretärs Ritter von Lex bekommen, in dem dieser um Entsendung mindestens eines Verfassungsreferenten für sein Ministerium ersuche.35 Er bitte sich zu überlegen, wer dafür in Frage komme.36
MinisterpräsidentJaenicke berichtet, am 13. Dezember werde eine Sitzung über die Rückführung von 45000 Reichsdeutschen aus Polen stattfinden. Er bitte um Zustimmung, daß er dabei den Standpunkt vertrete, daß Bayern angesichts seiner besonderen Belastung nur solche Rückgeführte aufnehmen müsse, die Verdienstmöglichkeiten und Wohnung in Bayern hätten.
StaatssekretärDie bisher von der IRO besetzte Kaserne in Berchtesgaden werde jetzt übergeben und die IRO beabsichtige, ein Altersheim für die DP's, aber auch für deutsche Flüchtlinge einzurichten, was den Aufwand von 500000 DM bedeute.
An sich sei das ein außerordentlich hoher Betrag, wenn man aber das Angebot ablehne, könnten auch erhebliche Schwierigkeiten entstehen. Er bitte ihn zu ermächtigen, bei der morgigen Sitzung in Frankfurt so vorzugehen, daß er zwar grundsätzlich annehme, sich aber nicht endgültig binde.
Dr. Kraus stellt fest, in dieser Frage müsse das Besatzungskostenamt eingeschaltet werden und man könne sich heute noch nicht festlegen. Er bitte dringend, die Frage zunächst noch mit Oberregierungsrat Dr. Kaiser37 zu besprechen.
StaatsministerDr. Müller schlägt vor, Herr Oberregierungsrat Kaiser solle Herrn Staatssekretär Jaenicke zu der morgigen Sitzung begleiten.
StaatssekretärDer Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.
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Zum Abschluß wird noch kurz die Frage der Satzungen der Akademie der Schönen Künste besprochen, die laut Mitteilung des Herrn Staatsministers Dr. Hundhammer unrichtig im GVBl. veröffentlicht worden seien.Leusser feststellt, daß die Staatskanzlei daran kein Verschulden treffe, wird beschlossen, die Angelegenheit durch unmittelbare Besprechungen zwischen Kultusministerium und Staatskanzlei zu klären.39
Nachdem Herr Ministerialrat