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Nr. 140MinisterratssitzungDienstag, 27. Januar 1953 Beginn: 9 Uhr Ende: 11 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes Nr. 124 über die Wiedererrichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts. II. Bundesjagdgesetz; hier: Antrag auf Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. III. Entwurf eines Gesetzes über das Verfahren in Wild- und Jagdschadenssachen. IV. Bundesratsangelegenheiten. V. Elektrizitätslastverteilung in den bayerischen Grenzgebieten, insbesondere für den Stadt- und Landkreis Lindau. VI. Notaufnahme von Flüchtlingen aus der sowjetisch besetzten Zone. VII. Inkraftsetzung des Bayer. Rundfunkgesetzes im bayerischen Kreis Lindau. VIII. Amtsschilder für die Oberfinanzdirektionen. IX. Einwanderung von Juden aus Israel. X. Denkschrift über die Flüchtlingsfrage. XI. Oberster Rechnungshof.

Zu Beginn der Sitzung verliest Staatsminister Dr. Hoegner ein von 114 Belegschaftsmitgliedern der Bayerischen Motorenwerke Allach unterzeichnetes Schreiben, in dem der Bayerischen Staatsregierung der Dank dafür ausgesprochen wird, daß diese 114 Arbeiter in die bei Allach errichteten DP-Wohnungen eingewiesen worden sind.1

I. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes Nr. 124 über die Wiedererrichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts 2

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, dieser Entwurf bezwecke, dem Bayer. Obersten Landesgericht die Zuständigkeit für Beschwerden in Binnenschiffahrtssachen nach dem Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen vom 27. September 1952 BGBl. I S. 641 3 zu entziehen; damit solle vermieden werden, daß für Berufungen in diesen Angelegenheiten die Oberlandesgerichte, für Beschwerden aber das Oberste Landesgericht zuständig seien.

Bedenken seien gegen diesen Entwurf nicht erhoben worden, die Abt. III der Bayer. Staatskanzlei schlägt lediglich vor, den einleitenden Satz in Art. l wie folgt zu ändern:

„In § 4 des Gesetzes Nr. 124 . . . wird der Ziff. 2 Satz 2 folgender neuer Buchstabe e) angefügt:“

Damit werde der bisher vorgesehene doppelte Änderungshinweis in Art. l vermieden.

Der Ministerrat beschließt daraufhin, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.4

II. Bundesjagdgesetz; hier: Antrag auf Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht 5

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, es handle sich darum, ob die Bayerische Staatsregierung wegen des Bundesjagdgesetzes vom 29.11.1952 einen Antrag an das Bundesverfassungsgericht stellen wolle oder nicht. In der Tat könne das Bundesjagdgesetz nicht als Rahmenvorschrift im Sinne des Art. 75  GG angesehen werden, so daß der Bund zum Erlaß des Gesetzes nicht befugt gewesen sei.6 Es würde der bisherigen Haltung der Bayer. Staatsregierung entsprechen, den Antrag auf Normenkontrolle zu stellen, es frage sich aber, ob es in diesem Fall angebracht und praktisch notwendig sei.

Staatsminister Dr. Schlögl fügt hinzu, es handle sich um eine rein grundsätzliche Frage, die sachlich nicht allzu bedeutungsvoll sei.7

Staatsminister Weinkamm erklärt, wenn das Landwirtschaftsministerium an dem Antrag nicht besonders interessiert sei, würde er vorschlagen, davon abzusehen. Der gegenwärtige Anlaß erscheine ihm zu gering, um zum erstenmal die Frage zu klären, wie ein Rahmengesetz beschaffen sein müsse oder dürfe.

Staatssekretär Dr. Koch stellt fest, daß das Bundesgesetz zweifellos zu weitgehend sei, immerhin biete dafür Art. 74  GG8 eine gewisse Handhabe.

Ministerialrat Dr. Gerner bezweifelt es dagegen, daß sich der Bund in dieser Sache auf Art. 74 stützen könne.

Der Ministerrat beschließt, einen Antrag auf Normenkontrolle an das Bundesverfassungsgericht nicht zu stellen.

III. Entwurf eines Gesetzes über das Verfahren in Wild- und Jagdschadenssachen 9

Ministerpräsident Dr. Ehard betont, daß dieser Gesetzentwurf jetzt behandelt werden könne, nachdem der Ministerrat beschlossen habe, wegen des Bundesjagdgesetzes keinen Antrag zu stellen.10 Bedenken gegen den Entwurf bestünden nicht, die Staatskanzlei schlage lediglich vor, in Art. 9 ein „Benehmen“ mit den „beteiligten Staatsministerien“ anstelle des jetzt vorgesehenen „Einvernehmens“ genügen zu lassen.

Außerdem werde angeregt, die Begründung auf Seite 2 Zeile 7 wie folgt abzuändern:

„Art. 70 EG zum BGB ist daher bis zum Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes vom 29.11.1952, d.h. bis zum 1.4.1953 (§ 46 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 des Bundesjagdgesetzes) weiterhin gültig.“

Der folgende Absatz müsse dann lauten:

„Für die Zukunft sieht § 35 des Bundesjagdgesetzes ein Feststellungsverfahren vor einer Verwaltungsbehörde (Vorverfahren) vor.“

Staatsminister Dr. Schlögl erklärt sich mit diesen Änderungen einverstanden.

Staatssekretär Dr. Koch kommt dann auf die Begründung zu Art. 7 zu sprechen und äußert Bedenken gegen die Sätze 3 – 5, die zumindest mißverständlich seien und den Eindruck erwecken könnten, als werde der zivilprozessuale Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung eingeschränkt. Das Justizministerium schlage deshalb vor, diese Sätze zu streichen.

Da auch Staatsminister Dr. Schlögl dieser Streichung zustimmt, wird beschlossen, dem Gesetzentwurf mit den beschlossenen Änderungen zuzustimmen.11

IV. Bundesratsangelegenheiten

1. Novelle zum Bundesgesetz zu Art. 131  GG 12

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt zunächst fest, daß die Terminfestsetzungen im Bundesrat zu immer größeren Schwierigkeiten führten und vielfach überhaupt kaum mehr Zeit sei, sich mit wichtigen Vorlagen eingehend zu beschäftigen. So sei z.B. erst gestern Abend der Entwurf des Zentralbankgesetzes13 gekommen, das bereits am Mittwoch im Rechtsausschuß besprochen werden solle. Bei größeren Vorlagen müßten die Sitzungen um etwa acht Tage verschoben werden, damit man genügend Zeit zur Verfügung habe.

Ministerialrat Dr. Gerner fügt hinzu, es wäre doch vielleicht auch möglich, daß sich der Bundesratspräsident mit der Bundesregierung über eine Ausdehnung der Drei-Wochenfrist einige.

Was das Landeszentralbankgesetz betreffe, so sei erreicht worden, daß dieser Gesetzentwurf erst am 30. Januar als zugestellt gelte.

Staatsminister Zietsch führt aus, was das Gesetz zu Art. 131 anlange, so habe der Bundesrat dagegen von Anfang an eine Reihe von Bedenken gehabt, schließlich aber doch davon abgesehen, den Vermittlungsausschuß anzurufen, damit das Gesetz nicht verzögert werde. Schon im April 1951 sei aber der Innenausschuß beauftragt worden, einen Initiativentwurf zur Abänderung des Gesetzes vorzubereiten. Dieser Entwurf liege jetzt vor, gleichzeitig wolle aber auch die Bundesregierung eine Novelle bringen, die allerdings den Vorschlägen des Bundesrats nicht entspreche. Der Innenausschuß bzw. der von ihm eingesetzte Arbeitskreis wünsche nun eine Entscheidung darüber, ob die bisherige Ausarbeitung der Bundesregierung nur als Material gegeben werden oder ob man an einem Initiativantrag festhalten solle. Letzteres wäre der wirkungsvollere Weg, er glaube aber nicht, daß heute schon ein Kabinettsbeschluß gefaßt werden könne.

Wie gesagt, scheine die Novelle der Bundesregierung die Wünsche der Länder nicht zu erfüllen, deshalb sei es wohl richtiger, an einem Initiativantrag festzuhalten.

Staatssekretär Dr. Ringelmann fügt hinzu, heute tagten bereits die Referenten. Der Vertreter des Bayer. Finanzministeriums sei beauftragt worden, für die Vorlage des Arbeitskreises als Initiativantrag einzutreten, da in der Tat sehr wesentliche Länderinteressen auf dem Spiele stünden.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.14

2. Verwaltungsbeirat für die Anstalten des Wetterdienstes 15

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, Kultus- und Wirtschaftsministerium hätten sich geeinigt, dagegen sei noch kein Einverständnis zwischen Wirtschaftsministerium und Oberster Baubehörde erzielt worden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, die Oberste Baubehörde habe ein erhebliches Interesse, in diesem Beirat vertreten zu sein, vor allem wegen der Bedeutung der Anstalten für Klima- und Hochwasserbeobachtungen; deshalb schlage sie als Vertreter den Vorstand des Landesamts für Gewässerkunde 16 vor.

Staatsminister Dr. Seidel betont demgegenüber die Wichtigkeit des Wetterdienstes für den gesamten Verkehr, insbesondere für den Flugverkehr.

Der Ministerrat beschließt nach kurzer Aussprache, die bayerische Vertretung dem Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr zu übertragen.

3. Verwaltungsrat der Bundesbahn

Ministerialrat Dr. Gerner macht darauf aufmerksam, daß Dr. Haindl 17 turnusgemäß aus dem Verwaltungsrat der Bundesbahn ausscheide, aber wieder vorgeschlagen werden könne.

Nachdem Staatsminister Dr. Seidel feststellt, daß Herr Dr. Haindl die bayerischen Interessen im Verwaltungsrat sehr gut vertreten habe, wird beschlossen, seine Wiederwahl vorzuschlagen. Dies soll durch das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr betrieben werden.18

4. Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Baugesetzes19

Ministerialrat Dr. Gerner erinnert daran, daß die Bundesregierung am 6. Oktober 1952 namens des Bundestags und Bundesrats das Bundesverfassungsgericht um die Erstattung eines Rechtsgutachtens wegen eines Baugesetzes gebeten habe. Eine Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung, die von der Obersten Baubehörde vorbereitet werden müßte, sei bis jetzt noch nicht abgegeben worden. Offenbar habe die Oberste Baubehörde noch keinen Entwurf ausgearbeitet.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, er glaube nicht, daß der Bund in absehbarer Zeit ein Baugesetz erlassen werde, deshalb werde er in diesen Tagen den Entwurf eines Bayerischen Baugesetzes vorlegen.20

Ministerialrat Dr. Gerner meint, wenn bis 31. Januar21 die Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung nicht mehr ausgearbeitet werden könne, würde es reichen, wenn heute ein Beschluß gefaßt werde, daß sich Bayern beteilige.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.22

5. Bundeswahlgesetz 23

Ministerialrat Dr. Gerner weist darauf hin, daß der Entwurf des Bundeswahlgesetzes am Mittwoch, den 28. Januar und Donnerstag, den 29. Januar in den zuständigen Ausschüssen behandelt werde.24 Dabei müsse außer der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit vor allem der § 12 erörtert werden.25 In dieser Bestimmung, die auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken stoße, sei vorgesehen, daß der Bund ein absolutes Weisungsrecht für die Durchführung der Wahl in Anspruch nehme. Dabei sollen die Landeswahlleiter im Benehmen mit dem Bundeswahlleiter bestellt werden.

Eine Verwaltungszuständigkeit komme aber dem Bund im Bereich der Durchführung des Bundeswahlgesetzes nicht zu, dies sei vielmehr eine eigene Angelegenheit der Länder. Man könne auch nicht sagen, es handle sich hier um eine Verwaltungszuständigkeit des Bundes aus der Natur der Sache oder kraft Sachzusammenhangs oder aus dem Gesichtspunkt der Amtshilfe. Deshalb müsse man wohl daran festhalten, daß die Durchführung der Bundeswahl Ländersache sei. Was die Kosten betreffe, so könnten die Länder diese zunächst selbst tragen, sie hätten aber dann einen Erstattungsanspruch gegen den Bund.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erwähnt, daß man sich schon beim ersten Durchgang auf diesen Standpunkt gestellt habe.

Im Laufe der folgenden Aussprache sprechen sich die meisten Kabinettsmitglieder für eine Ablehnung des Gesetzentwurfs aus, während Staatsminister Dr. Seidel erklärt, er habe sich mit dem Entwurf noch nicht befassen können und sei deshalb nicht in der Lage, Stellung zu nehmen.

Ministerpräsident Dr. Ehard empfiehlt, zunächst einmal den Entwurf der Sitzung des Innenausschusses abzuwarten, in der wahrscheinlich ein Antrag auf Ablehnung gestellt werde.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.26

6. Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 107  GG 27

Staatsminister Zietsch führt aus, der Vermittlungsausschuß habe mit Mehrheit einen Vorschlag angenommen, das Verlängerungsgesetz zu Art. 107 bis Ende 1954 zu befristen.28 Mit diesem Vorschlag habe sich die Finanzministerkonferenz zusammen mit dem Bundesfinanzminister beschäftigt. Dieser habe seinen Entwurf verteidigt und ausdrücklich erklärt, es sei nicht loyal, eine neue Bundesregierung allzulange zu binden.

Er müsse gestehen, daß ihn die Argumente Schäffers beeindruckt hätten und er sich deshalb der Stimme enthalten habe.

Die Entscheidung hänge jetzt bei Nordrhein-Westfalen und Bayern allein.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß einer Verlängerung jedenfalls nur dann zugestimmt werden könne, wenn sie nicht länger als bis Ende 1954 gelten solle.

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, der Ministerrat müsse sich bis nächsten Dienstag schlüssig werden, bis dahin könne er über das Ergebnis der in dieser Woche stattfindenden Sitzung des Finanzausschusses berichten.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt sich damit einverstanden und unterstreicht die Schwierigkeit dieser Angelegenheit.29

V. Elektrizitätslastverteilung in den bayerischen Grenzgebieten, insbesondere für den Stadt- und Landkreis Lindau 30

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert an die Ministerratssitzung vom 27.5.1952, in der das Kabinett die vom Wirtschaftsministerium vorgeschlagene Zuständigkeitsverteilung für die Energielastverteilung in den Grenzgebieten abgelehnt und es beim bisherigen Zustand belassen habe.31 Dagegen habe der Bundeswirtschaftsminister am 6. November 1952 Verwahrung eingelegt32 mit dem Hinweis auf die Bestimmungen des Energienotgesetzes.33 Die Staatsministerien des Innern und für Wirtschaft und Verkehr hätten nun zu diesem Schreiben Stellung genommen.34 Danach seien sich die beiden Ministerien im wesentlichen einig, vor allem darüber, daß das Gebiet Lindau für den bayerischen Elektrizitätsbezirk (VIII) beansprucht werden könne. Eine gewisse Schwierigkeit scheine nur bei dem Gebiet um Dettingen zu bestehen, das vom Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk (RWE) versorgt werde.35

Staatsminister Dr. Seidel erklärt, am zweckmäßigsten sei es, wenn die Sachbearbeiter des Innen- und Wirtschaftsministeriums gemeinsam ein Schreiben an den Bundeswirtschaftsminister ausarbeiten würden.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.36

Elektrizitätsversorgung

VI. Notaufnahme von Flüchtlingen aus der sowjetisch besetzten Zone37

Staatssekretär Dr. Oberländer teilt mit, am Donnerstag und Freitag fänden in Bonn zwei Sitzungen statt, auf der einige sehr wichtige Fragen zu entscheiden seien.38 Es handle sich dabei

1. um die Änderung des Verteilungsschlüssels,39

2. die Erhöhung der Zahl der sogenannten Pensionäre, die vor ihrer Überführung nach Nordrhein-Westfalen in Bayern untergebracht würden und

3. um die Frage, ob die Flüchtlinge aus der Sowjetzone unmittelbar in die Lager von Gießen und Uelzen überführt werden sollten.40

Was den ersten Punkt betreffe, so könne Bayern keinesfalls einer Veränderung des Schlüssels zustimmen.

Dagegen müsse der Vorschlag zu 2. wohl angenommen werden, zumal auch die Möglichkeit bestehe, die Zahl der vorläufig in Bayern unterzubringenden Flüchtlinge von 5 000 auf 10 000 zu erhöhen.

Was den 3. Punkt anlange, so wünsche Berlin an sich verständlicherweise, daß sämtliche in Berlin eintreffenden Flüchtlinge ungeprüft nach Gießen und Uelzen überführt würden. Tatsächlich könne Berlin mit dem Zustrom kaum mehr fertig werden, es sei aber zu befürchten, daß bei der vorgeschlagenen Methode sich die Zahl derjenigen Personen, die ohne zwingenden Grund aus der Sowjetzone flüchteten, noch weiter erhöhe.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält gleichfalls diesen Vorschlag für außerordentlich bedenklich und meint, wenn diese Leute einmal im Bundesgebiet seien, sei es ausgeschlossen, sie nochmals zurückzubringen.

Staatssekretär Dr. Oberländer fügt hinzu, früher habe man lediglich 25% der Flüchtlinge aufgenommen, jetzt sei es umgekehrt.

Der Ministerrat beschließt, den Vorschlägen 1 und 3 nicht zuzustimmen, den unter 2 jedoch anzunehmen.41

DDR-Flüchtlinge

VII. Inkraftsetzung des Bayer. Rundfunkgesetzes im bayerischen Kreis Lindau 42

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet kurz über die bisherigen Bemühungen, das Bayer. Rundfunkgesetz im Kreise Lindau in Kraft zu setzen. Der Südwestfunk sei damit einverstanden, lege jedoch Wert darauf, daß die Zustimmung der beteiligten Länder eingeholt werde. Die württembergische Regierung habe bereits erklärt, daß keine Einwendungen erhoben würden. Es komme jetzt darauf an, daß sich auch der bayerische Ministerrat mit Beschluß für die Neuregelung einverstanden erklärt.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.43

VIII. Amtsschilder für die Oberfinanzdirektionen

Auf Vorschlag des Herrn Staatsministers der Finanzen wird folgender Beschluß gefaßt:

Bei den Oberfinanzdirektionen sollen neben den Amtsschildern mit dem Bundesadler zugleich Amtsschilder mit dem bayerischen Staatswappen angebracht werden.44

IX. Einwanderung von Juden aus Israel 45

Staatssekretär Dr. Oberländer teilt mit, die aus Israel über Paris nach München und Föhrenwald gekommenen Juden seien immer noch da, der Bund scheine nichts unternehmen zu wollen.

Ministerpräsident Dr. Ehard sichert zu, diese Angelegenheit in seiner nächsten Besprechung mit dem Bundeskanzler zur Sprache zu bringen.

Staatssekretär Dr. Oberländer fährt fort, die jüdischen Vereinigungen und die Juden des Lagers Föhrenwald selbst stellten sich geschlossen gegen diese Leute, sie würden dieser Tage einen schriftlichen Protest vorlegen.46

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt, diesen Protest des Judenrats der Bundesregierung zuzuleiten. Was die Ausländer unter diesen Juden betreffe, es handle sich wohl um etwa 200, so könne man diesen Personenkreis ohne weiteres ausweisen.47

X. Denkschrift über die Flüchtlingsfrage48

Staatssekretär Dr. Oberländer fährt fort, er halte es nicht für zweckmäßig, die vom Ministerrat vor einiger Zeit angeregte Denkschrift49 über die Flüchtlingsfrage in Bayern auszuarbeiten und zu veröffentlichen, da zwar in der Kreditfrage sehr viel geleistet worden sei, dagegen verhältnismäßig50 wenig beim Wohnungsbau. Unter diesen Umständen könnte eine Denkschrift Schaden anrichten.51

Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.52

XI. Oberster Rechnungshof 53

Staatsminister Dr. Schlögl beschwert sich über die Art und Weise, in der der Präsident des Obersten Rechnungshofs sich in eine Untersuchung über Vorgänge im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingeschaltet habe.54

Nach kurzer Aussprache bittet Staatsminister Zietsch den Herrn Ministerpräsidenten, möglichst bald mit dem Präsidenten des Obersten Rechnungshofs diese Angelegenheit zu besprechen.55

Zum Abschluß der Kabinettssitzung gibt Ministerpräsident Dr. Ehard bekannt, daß am Mittwoch, den 28. Januar 1953, um 10 Uhr, in der Staatskanzlei eine Besprechung über das Landesamt für Verfassungsschutz 56 stattfinde, am Donnerstag, den 29. Januar für 8 Uhr 30 habe der Präsident des Landtags zu einer Sitzung eingeladen, auf der unter anderem die Vorgänge an der Zonengrenze bei Coburg behandelt werden sollten und schließlich lade er selbst zu einer Koalitionsbesprechung am Montag, den 2. Februar, 18 Uhr 30, ein, auf der das Haushaltsgesetz und das Gesetz zur Sicherung des politischen Friedens in Bayern57 besprochen werden sollten.

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend Ministerialdirektor