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Nr. 147MinisterratssitzungDienstag, 10. März 1953 Beginn: 9 Uhr Ende: 12 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Abschluß der politischen Befreiung in Bayern. II. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts. III. 5. Verordnung zur Durchführung des Entschädigungsgesetzes. IV. Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund. V. Auskunft über die Verwendung von sogen. Globalmitteln. VI. Reichsanstalt für Angestellten-Versicherung. VII. Zuschüsse an öffentliche Verkehrsbetriebe (Freifahrt für Schwerbeschädigte). VIII. Neubau eines Dienstgebäudes für das Deutsche Patentamt. IX. Neufassung der Richtlinien über die Gewährung staatsverbürgter Flüchtlingsproduktiv-Kredite. X. Ausstellung von Bildern der Alten Pinakothek in den Vereinigten Staaten von Amerika . XI. Personalangelegenheiten. XII. Ausstellung des Deutschen Mode-Instituts in München. XIII. Umsiedlung von heimatlosen Ausländern in das Lager Valka bei Nürnberg . XIV. Aufnahme von Sowjetzonenflüchtlingen in Bad Reichenhall . XV. Haus- und Straßensammlung für die Helgoland-Spende.

I. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Abschluß der politischen Befreiung in Bayern 1

Stv. Ministerpräsident Dr.Hoegner stellt fest, daß gegen die jetzige Fassung des Gesetzentwurfs noch einige Bedenken bestünden; im einzelnen handle es sich um folgendes:2

a) § 1

Hier schlage die Staatskanzlei vor, schon in dieser Bestimmung die volle Bezeichnung, das Datum und die Fundstelle des Befreiungsgesetzes anzuführen, nicht erst in § 2, wie es in dem Entwurf der Fall sei.

Staatsminister Weinkamm erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden.

b)

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, das Innenministerium sei der Auffassung, daß Ziff. 2 des § 2 Abs. 1, in der vorgesehen werde, daß der Verlust des aktiven Wahlrechts und des Rechts, einer politischen Partei als Mitglied anzugehören, erlassen werden sollen, zu Bedenken Anlaß gebe und deshalb gestrichen werden müsse.3

Staatsminister Weinkamm erklärt, zweifellos sei diese Bestimmung nicht bedenkenfrei, sie sei aber doch in den Entwurf aufgenommen worden, um nun einmal die politische Befreiung zum Abschluß bringen zu können. Insgesamt werde es sich um etwa 8 000 Belastete und Hauptschuldige handeln.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner hält seine Bedenken aufrecht, ebenso Staatsminister Zietsch.

Der Ministerrat beschließt, Ziff. 2 des § 2 Abs. 1 zu streichen.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths wirft die Frage auf, ob Abs. 3, wonach Ersatzansprüche und Ansprüche auf Wiedereinstellung durch dieses Gesetz nicht entstünden, nicht besser als eigener Paragraph in die Schlußbestimmungen aufgenommen werden solle.4

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, an sich sei Abs. 3 überhaupt überflüssig; wenn er aber bestehen bleibe, so halte er den Vorschlag von Herrn Staatssekretär Dr. Guthsmuths für richtig.

Der Ministerrat beschließt, Abs. 3 des § 2 als eigene Bestimmung am Schluß des Gesetzes aufzunehmen.

c) § 4

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, die Staatskanzlei rege an, in Abs. 3 des Art. 25 des Befreiungsgesetzes, der durch § 4 des Entwurfs abgeändert werde, das Wort „sollen“ durch das Wort „müssen“ zu ersetzen.5

Staatsminister Weinkamm spricht sich dafür aus, § 4 in der vorstehenden Form zu belassen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

d) § 8

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner weist daraufhin, daß die Staatskanzlei vorschlage, Art. 52 des Befreiungsgesetzes aufzuheben.6

Ministerialrat Dr. Gerner erläutert diesen Vorschlag dahingehend, daß eine Bestimmung, wonach Entscheidungen der Spruch- und Berufungskammern vom Minister für politische Befreiung aufgehoben werden könnten, an sich rechtstaatlichen Begriffen widerstreite, wenn auch zuzugeben sei, daß es sich bei den Spruchkammern nicht um eigentliche Gerichte handle.

Nach kurzer Aussprache wird beschlossen, § 8 in der vorliegenden Form bestehen zu lassen.

e) § 11

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, gegen § 11 habe er erhebliche Bedenken, da diese Bestimmung eigentlich nichts anderes als eine Belohnung für Leute sei, die ihren Verpflichtungen, Sühnegelder zu bezahlen, nicht nachgekommen, seien. Er müsse sich deshalb dafür aussprechen, § 11 zu streichen.7

Staatsminister Zietsch unterstützt diesen Vorschlag.

Der Ministerrat beschließt, § 11 zu streichen.

f)

Endlich wird noch beschlossen, in § 12 Abs. 2 am Anfang das Wort „insbesondere“ zu streichen.8

Den übrigen Bestimmungen wird zugestimmt; dabei wird noch vereinbart, daß der Minister für politische Befreiung etwaige Änderungen, die durch die heute beschlossenen Abänderungen notwendig geworden sein sollten, von sich aus vornehme, damit der Entwurf dann dem Landtag zugeleitet werden könne.9

II. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts 10

Staatsminister Zietsch erläutert den Gesetzentwurf und macht darauf aufmerksam, daß er im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz stehe, das eine Erhöhung des Grundgehaltes um 20% vorsehe und soeben vom Bundestag verabschiedet worden sei.11 Bei der Behandlung im Bundestag habe die Bundesregierung keinen Einspruch erhoben, auch der Bundesfinanzminister nicht. Offensichtlich würde es dieser aber gerne sehen, wenn der Bundesrat in dieser Sache den Vermittlungsausschuß anrufen würde. Er halte es für ausgeschlossen, daß jetzt, nach der Entscheidung des Bundestags, der Bundesrat Einspruch erhebe.

Der Ministerrat beschließt, den Vermittlungsausschuß nicht anzurufen.

Staatsminister Zietsch fährt fort, er glaube, daß es heute noch nicht möglich sei, von dieser grundsätzlichen Frage abgesehen, den vorliegenden Entwurf schon zu behandeln und schlage deshalb vor, ihn bis zur nächsten Ministerratssitzung zurückzustellen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.12

III. 5. Verordnung zur Durchführung des Entschädigungsgesetzes 13

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß gegen den Entwurf Bedenken nicht bestünden, die Staatskanzlei habe lediglich darauf hingewiesen, daß die Verordnung in der Überschrift nicht das Datum „1. März 1953“ tragen könne, auch wenn sie an diesem Tag in Kraft trete. Sie habe ferner angeregt, in § 2 Abs. 1 an die Stelle der Worte „am 1. März 1953“ die Worte „mit Wirkung vom 1. März 1953“ treten zu lassen, sowie § 2 Abs. 3 als entbehrlich bezeichnet.

Staatsminister Zietsch erklärt sich mit diesen Abänderungen einverstanden, worauf beschlossen wird, im übrigen dem Entwurf zuzustimmen.14

IV. Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund15

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, in den letzten Tagen habe eine aus den Herren Abgeordneten Dr. Lacherbauer,16 Eberhard 17 und Elsen 18 bestehende Kommission mit dem Herrn Bundesfinanzminister in Bonn wegen der Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer Verhandlungen geführt, an denen auch Herr Staatssekretär Dr. Ringelmann teilgenommen habe. Der Sinn dieser Besprechung sei gewesen, die auf die Länder treffende Quote an dem Bundesanteil mit der Leistungsfähigkeit der Länder zu verkoppeln.19

Staatssekretär Dr. Ringelmann führt aus, der in der erwähnten Sitzung erarbeitete Entwurf gehe davon aus, daß ein etwaiger Fehlbetrag des Bundes nicht durch einen festen Prozentsatz von der Einkommen- und Körperschaftsteuer gedeckt werde, da auf diese Weise dem Bund unter Umständen mehr überlassen werde, als was er eigentlich brauche.20 Er habe u.a. darauf hingewiesen, daß eine Aufteilung allein nach der Finanzkraft der Länder eine zu starke Belastung der leistungsfähigen Länder darstelle und deshalb angeregt, auf den inneren Finanzausgleich aufzubauen. Danach würden sich die von den Ländern aufzubringenden Anteile nach ihren Einnahmen aus der Einkommen- und aus der Körperschaftsteuer bestimmen, vervielfacht mit der in 100-Teilen der Ausgleichsmeßzahl ausgedrückten Finanzkraft. Als Finanzkraft eines Landes gelte die sich aus dem Gesetz über den Finanzausgleich unter den Ländern ergebende, um den Zuschuß erhöhte und um den Beitrag verminderte Finanzkraftmeßzahl. Mit dieser Berechnungsweise komme man z.B. bei Bayern auf 82,43, bei Nordrhein-Westfalen auf 112,83, Schleswig-Holstein auf 75,92, Rheinland-Pfalz auf 84,09, Hessen auf 105 usw.

Der Fehlbetrag des Bundes für 1953 werde vom Bundesfinanzminister mit 5 038 Millionen beziffert, wozu noch eine Nachforderung von 500 Millionen DM für Sowjetzonen-Flüchtlinge komme. Von den rund 5 000 Millionen DM gingen in den Jahren 1953 und 1954 vorläufig je 950 Millionen zum Ausgleich der Ausfälle infolge der Steuersenkung21 ab, sie sollten durch Mehreinnahmen an Einkommen- und Körperschaftsteuer im Rechnungsjahr 1954 jeweils in Höhe von 50% dieser Mehreinnahmen abgedeckt werden; allerdings verlange der Bundesfinanzminister vorläufig noch 80% der Mehreinnahmen zur Abdeckung dieser gestundeten Beträge.

Wenn man von der Finanzkraftmeßzahl ausgehe, so belaufe sich z.B. der von Bayern abzuführende Anteil auf 35,73%, also etwa 536 Millionen DM, der Anteil Nordrhein-Westfalens betrage dann 45,10, der von Schleswig-Holstein 30,3%. Es werde sich eine Staffelung ergeben, die zwischen 30 und 46% schwanke. Der Bundesfinanzminister habe sich mit dieser Regelung einverstanden erklärt, wenn damit zu rechnen sei, daß sich dafür eine Mehrheit im Bundesrat finde. Soweit sich bisher feststellen lasse, würde dem bayerischen Vorschlag Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz zustimmen, vielleicht auch Hamburg und Bremen, die im inneren Finanzausgleich durch Ansatz der Hafenleistungen begünstigt würden. Scharfer Widerstand sei allerdings von Nordrhein-Westfalen und Württemberg zu erwarten.

Das Ergebnis für Bayern werde zweifellos günstig sein, allerdings müßten noch verschiedene Fragen geklärt werden und zwar, wie hoch der Fehlbetrag des Bundes angesetzt werden müsse, ferner sei eine endgültige Einigung darüber erforderlich, ob der Bund die Mehreinnahmen in den künftigen Rechnungsjahren mit 80 oder nur mit 50% in Anspruch nehmen könne.

Vorteilhaft sei es sicher, daß mit dieser Regelung das Bundesfinanzministerium genau wisse, was es von den Ländern bekommen werde, für diese wieder sei es günstig, daß bei steigender Konjunktur die Mehreinnahmen aus den Steuern im wesentlichen ihnen zugute kämen. Auch die Bestrebungen, eine Bundessteuerverwaltung zu schaffen, würden auf diese Weise wohl zurückgedrängt werden können.

Staatsminister Zietsch erklärt, gegen die geplante Regelung ernste Bedenken zu haben.22 Er weise darauf hin, daß das Haushaltsgesetz kein Zustimmungsgesetz sei. Die Situation sei doch so, daß der Bund einen Fehlbetrag von 5,5 Milliarden vorlege; wenn nun die Länder nach Prüfung der Einnahmen- und Ausgaben-Ansätze zu dem Ergebnis kämen, daß der Fehlbetrag nicht so groß sein müsse, so könne der Bundesfinanzminister doch auf seiner Berechnung bestehen bleiben. Nach der jetzigen Regelung erhalte er einfach 37% und müsse eben sehen, wie er damit fertig werde, z.B. dadurch, daß er die Steuern auf Genußmittel usw. nicht weiter senke, sondern vielleicht sogar erhöhe.

Der jetzige Vorschlag gehe nun dahin, das einzuführen, was die Länder bisher abgelehnt hätten, nämlich die Festsetzung eines festen Fehlbetrags, den die Länder zu decken hätten.

Bei der Verteilung könne Bayern vielleicht günstig abschneiden. Andererseits habe man aber die Höhe des Fehlbetrags keineswegs in der Hand. Dieses Jahr betrage er schon 5,5 Milliarden, nächstes Jahr werde er dann neu festgesetzt.

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, für ihn sei entscheidend die Frage, wer den Fehlbetrag festsetze, aus dem sich die Zuschüsse der Länder berechneten.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erwidert, wenn man einen festen Fehlbetrag festsetze, so müsse dies durch ein Gesetz geschehen, das der Zustimmung des Bundesrats bedürfe.

Staatsminister Zietsch weist daraufhin, daß bei einem Fehlbetrag von 5 Milliarden Bayern mit 41%, Niedersachsen mit 38,6%, Nordrhein-Westfalen mit 52%, Baden-Württemberg mit 53,8% in Anspruch genommen werde, auf alle Fälle aber Bayern mehr als 37% zahlen müsse.

Staatssekretär Dr. Ringelmann wendet ein, daß nach der Berechnung Schäffers von einem Fehlbetrag von 4,038 Millionen DM ausgegangen werden könne.

Nach längerer Aussprache stellt Ministerpräsident Dr. Ehard fest, daß der Plan jedenfalls den Vorteil habe, daß der schematische Prozentsatz variiert werden solle und die Leistungsfähigkeit der Länder zu berücksichtigen sei. Allerdings sei zu prüfen, wie der Fehlbetrag festgesetzt werde und welchen Einfluß der Bundesrat darauf habe. Er glaube, daß man in diesem Sinne im Finanzausschuß am kommenden Donnerstag weiter verhandeln könne.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.23

Einkommen- und Körperschaftsteuer

V. Auskunft über die Verwendung von sogenannten Globalmitteln

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, daß der Haushaltsausschuß des Bayerischen Landtags Auskunft über die Verwendung von sogen. Globalmitteln verlange. Diese Bezeichnung sei eigentlich nicht zutreffend, es handle sich wohl um Beträge, die in einem besonderen Titel in den Haushaltsplan eingestellt, aber nicht im einzelnen aufgeteilt seien, weil eine Aufteilung zunächst auch gar nicht möglich sei. Er könne sich vorstellen, daß der Landtag ein Interesse daran habe, zu erfahren, wie derartige Mittel im vergangenen Jahr verwendet worden seien, um prüfen zu können, inwieweit sie auch in den neuen Haushalt aufgenommen werden müßten.

Man könne dem Haushaltsausschuß vielleicht antworten, man sei bereit, einen Überblick über die Verwendung der Mittel zu geben, das könne aber nicht dazu führen, eine Rechnungslegung zu verlangen. Auf keinen Fall aber könne die Verwendung eines Dispositionsfonds geprüft werden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, in den vergangenen Jahren sei es gelegentlich vorgekommen, daß bei einzelnen Globalposten gefragt worden sei, wie man diesen Betrag verteilt habe. Dagegen sei nichts einzuwenden, es habe sich auch früher an die Auskunft des betreffenden Ministers nie eine Aussprache geknüpft. Wenn aber jetzt Listen verlangt würden, aus denen sich die Verwendung im einzelnen ergebe, so sei dies etwas ganz anderes. Das bedeute z.B., daß das Staatsministerium des Innern endlose, mühevolle Arbeit verlangende Aufstellungen anfertigen müsse, wie z.B. die Globalmittel für die Unterstützung von Wohlfahrtseinrichtungen, Zuschüsse an Feuerwehren usw. verwendet worden seien. Er glaube nicht, daß sich die Antragsteller genau überlegt hätten, was ihr Antrag eigentlich für Wirkungen habe.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint gleichfalls, daß eine gewissermaßen vorweggenommene Rechnungslegung nicht möglich sei. Man werde aber nicht daran vorbeikommen, dem Landtag gewisse Auskünfte zu geben, allerdings ohne Vorlage von Listen.

Staatsminister Dr. Oechsle fügt hinzu, er habe z.B. einen Betrag von 3 Millionen DM zur Bekämpfung der Berufsnot der Jugend zu verteilen gehabt. Es sei unmöglich, wenn der Landtag eine Liste über die Hunderte von Zuweisungen verlange, die aus diesem Betrag gegeben worden seien. Er könne aber durchaus erklären, man habe die Mittel zur Einrichtung von Lehrlingswerkstätten usw. benützt.

Der Ministerrat beschließt, dem Vorschlag von Staatsminister Dr. Oechsle entsprechend in großen Zügen Auskunft über die Verwendung von Globalmitteln zu geben, Listen über die Verteilung im einzelnen aber nicht vorzulegen.

VI. Reichsanstalt für Angestellten-Versicherung24

Staatsminister Dr. Oechsle gibt bekannt, daß die Angestelltenverbände darauf drängten, die frühere Reichsanstalt für Angestelltenversicherung als Bundesanstalt wiederzuerrichten und zwar mit dem Sitz in Berlin. Das bedeute, daß die Länder das ganze Beitragsaufkommen verlören und eine neue kostspielige Verwaltung errichtet werde, während bisher die Aufgaben der früheren Reichsanstalt bei den Landesversicherungsämtem mit einem sehr geringen Kostenaufwand durchgeführt worden seien. In dieser Frage gingen die extremen Bestrebungen auf der einen Seite auf die Einheitsversicherung, auf der anderen Seite auf die Bundesanstalt, während er auf dem Standpunkt stehe, es sei nach wie vor am zweckmäßigsten, die Angestelltenversicherung als Sonderabteilung an den Landesversicherungsanstalten beizubehalten. Unter Umständen könne man daran denken, einer Bundesanstalt selbst zuzustimmen, vorausgesetzt, daß die Aufgaben nach wie vor den Landesversicherungsanstalten der Länder bleiben.

Staatssekretär Dr. Ringelmann fügt hinzu, daß mit diesem Plan wieder die Frage der Mischverwaltung auftrete.

Staatsminister Dr. Oechsle fährt fort, vielleicht wäre es zweckmäßig, den Angestellten ein gewisses Selbstverwaltungsrecht zu geben und einen Vertretungskörper bei den Landesversicherungsanstalten zu errichten.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es für richtig, am Donnerstag im Sozialpolitischen Ausschuß des Bundesrates die grundsätzliche Frage zu erörtern und dabei jedenfalls darauf hinzuweisen, daß der richtige Zeitpunkt für die Errichtung einer solchen Bundesanstalt wohl nicht gekommen sei.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.25

VII. Zuschüsse an öffentliche Verkehrsbetriebe (Freifahrt für Schwerbeschädigte)26

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner nimmt Bezug auf die Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 2.3.1953 an das Staatsministerium des Innern und erklärt, eine endgültige Einigung zwischen den beiden Ministerien sei jetzt zustande gekommen.

Auf Frage von Herrn Staatsminister Dr. Oechsle erwidert Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner, am 1. April 1953 hätten nur diejenigen Schwerbeschädigten mit einem Beschädigungsgrad zwischen 50 und 70% Anspruch auf Freifahrt, deren Einkommen monatlich DM 300,- nicht übersteige. Es handle sich hier um eine nur in Bayern geltende Sondervergünstigung.

Staatsminister Zietsch bestätigt, daß nun keine Meinungsverschiedenheiten mehr bestünden, worauf sich der Ministerrat mit der in der erwähnten Note des Finanzministeriums getroffenen Regelung einverstanden erklärt.

Schwerbeschädigte

VIII. Neubau eines Dienstgebäudes für das Deutsche Patentamt27

Staatsminister Zietsch führt aus, nachdem eine gewisse Neigung zu bestehen scheine, das Deutsche Patentamt von München weg zu verlegen, sei der Neubau eines Dienstgebäudes dringend erforderlich. Er verweise auf seine Note vom 4. März 1953, mit der sich aber heute der Ministerrat noch nicht zu beschäftigen brauche.28 Es handle sich jetzt nur darum, zuzustimmen, daß kein Wettbewerb ausgeschrieben werde, sondern die Ausarbeitung der Pläne dem Architekten Winkler 29 übertragen werde; dieser müsse sich allerdings verpflichten, noch einen weiteren Architekten zuzuziehen.30

Der Ministerrat erklärt sich mit dieser Regelung einverstanden.31

Deutsches Patentamt

IX. Neufassung der Richtlinien über die Gewährung staatsverbürgter Flüchtlingsproduktiv-Kredite32

Staatsminister Zietsch führt aus, das derzeitige Verfahren bei der Übernahme von Staatsbürgschaften sei sehr zeitraubend, sodaß es sich als notwendig erwiesen habe, die Richtlinien über die Gewährung von staatsverbürgten Flüchtlingsproduktiv-Krediten vom 31.5.1949 neu zu fassen. Dies sei schon deshalb notwendig, damit die Bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung, der die Vorprüfung und die Überwachung der staatsverbürgten Kredite obliege, in den Gang des Verfahrens eingegliedert werden könne.

Das Verfahren werde hauptsächlich in folgenden Punkten vereinfacht:

a) die Bürgschaftsanträge werden von den Hausbanken nicht mehr über die Kreisverwaltungsbehörden, sondern unmittelbar bei den Regierungen eingereicht;

b) über Bürgschaftsanträge für Kredite bis zu DM 20 000,- entscheide im allgemeinen anstelle der Regierungen die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung;

c) alle Anträge auf Umschreibung von Staatsbürgschaften, Haftungsentlassung, Änderungen von Sicherheiten usw. werden nicht mehr beim Staatsministerium der Finanzen, sondern unmittelbar bei der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung eingereicht.

Der Ministerrat beschließt, der Neufassung der Richtlinien zuzustimmen.

Flüchtlingsproduktivkredite

X. Ausstellung von Bildern der Alten Pinakothek in den Vereinigten Staaten von Amerika 33

Staatsminister Dr. Schwalber teilt mit, bei der geplanten Ausstellung sei insoferne eine neue Schwierigkeit aufgetaucht, als sich keine Versicherungsgesellschaft bereit finde, eine Versicherung abzuschließen, durch welche ein Arrest abgewendet oder aufgehoben werden könne.34 Damit sei eine wesentliche Voraussetzung für die seinerzeitige Zustimmung des Ministerrats weggefallen, so daß seiner Meinung nach nochmals, auch im Hinblick auf die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 5. März 1953, die ihm jetzt vorliege, die Angelegenheit im Ministerrat beraten werden müsse.35

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, die Frage bis zum nächsten Ministerrat zurückzustellen, da heute der Herr Ministerpräsident nicht mehr anwesend sei.36

Leihgabe ins Ausland

XI. Personalangelegenheiten

Staatsminister Dr. Schwalber erklärt, seinen Antrag auf Ernennung des Oberverwaltungsgerichtsrats Dr. Heizer 37 zum Ministerialrat im Staatsministerium für Unterricht und Kultus zurückzuziehen, nachdem Dr. Heizer selbst sein Einverständnis mit einer Berufung an das Kultusministerium widerrufen habe.

XII. Ausstellung des Deutschen Mode-Instituts in München38

Staatssekretär Dr. Guthsmuths erklärt, das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr habe in einer Note vom 9.3.1953,39 die aber dem Ministerrat noch nicht vorliege, dringend um eine Entscheidung gebeten, in welchem Gebäude das Modeinstitut seine Frühjahrsvorführungen zeigen könne. Nach eingehender Prüfung habe sich herausgestellt, daß eigentlich nur das Prinz-Carl-Palais in Frage komme;40 gegen diesen Plan machten aber das Staatsministerium für Unterricht und Kultus und die Direktion der staatlichen Antiken-Sammlung Bedenken geltend.41 Die Sache sei deshalb so dringend, weil in den allernächsten Tagen dem Modeinstitut ein endgültiger Bescheid gegeben werden müsse. Wenn sich hier kein geeignetes Gebäude finde, werde die Ausstellung in Düsseldorf abgehalten und auch in Zukunft nicht mehr nach München kommen.

Staatsminister Dr. Schwalber erwidert, an ihn selbst sei das Wirtschaftsministerium noch nicht herangetreten. Er habe aber doch den Eindruck, daß eine derartige Vorführung im Prinz-Carl-Palais schwierig durchzuführen sei.

Auf Vorschlag von Stv. Ministerpräsidenten Dr. Hoegner wird vereinbart, daß Staatsminister Dr. Schwalber und Staatssekretär Dr. Guthsmuths gemeinsam die Möglichkeiten prüfen mögen.42

Deutsches Mode-Institut

XIII. Umsiedlung von heimatlosen Ausländern in das Lager Valka bei Nürnberg 43

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt einen Protest der „Nationalen Vertretung der russischen Emigration“ bekannt, in dem behauptet werde, heimatlose Ausländer würden mit Gewalt aus dem Regierungslager München-Feldmoching in das Valka-Lager umgesiedelt.44 Ihm selbst sei davon nichts bekannt, er habe deshalb einen sofortigen Bericht angefordert. Bei diesem Anlaß weise er darauf hin, daß Meldungen von Nürnberger Zeitungen, wonach er vom Ministerrat beauftragt sei, wegen Errichtung des Bundesauffanglagers in Valka mit der Stadt zu verhandeln, unrichtig seien. Im Ministerrat sei bekanntlich nur vereinbart worden, daß er versuchen solle, auf den Oberbürgermeister von Nürnberg beruhigend einzuwirken. Er habe sich dazu auch bereit erklärt, allerdings erst nach Rückkehr des Herrn Staatssekretärs Dr. Oberländer aus dem Urlaub. Der Ministerrat habe aber ausdrücklich festgestellt, daß an dem Vertrag zwischen der Bayerischen Regierung und dem Bundesinnenministerium festgehalten werde.45

Valka/Langwasser

XIV. Aufnahme von Sowjetzonenflüchtlingen in Bad Reichenhall 46

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, der Oberbürgermeister von Reichenhall 47 habe gegen die Belegung der dortigen Kaserne mit Sowjetzonenflüchtlingen protestiert. Trotzdem müsse an der Belegung der Kaserne festgehalten werden, da keine andere Möglichkeit zur Unterbringung bestehe.48

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, auch er habe dem Oberbürgermeister zu verstehen gegeben, daß er die Bemühungen Bad Reichenhalls nicht unterstützen werde.49

XV. Haus- und Straßensammlung für die Helgoland-Spende50

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt ein Schreiben des Herrn Ministerpräsidenten Lübke 51 von Schleswig-Holstein bekannt, in dem es heißt, ein Termin für die vom Ministerrat am 4. März 1952 genehmigte Haus- und Straßensammlung für die Helgoland-Spende in Bayern habe noch nicht vereinbart werden können, da sich die Jugendverbände zur Übernahme der Trägerschaft nicht hätten entschließen können. Er bitte deshalb, Einfluß auf die Jugendverbände bzw. auf den Jugendring zu nehmen und diese zu bitten, sich in den Dienst dieser Aufgabe zu stellen.

Er sei der Auffassung, daß dieser Wunsch nicht erfüllt werden könne und dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein mitgeteilt werden müsse, nachdem der Jugendring und die Jugendverbände die Durchführung der Sammlung abgelehnt hätten, sehe sich der Ministerrat nicht in der Lage, neuerdings an diese heranzutreten.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend Ministerialdirektor