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Nr. 149MinisterratssitzungDienstag, 24. März 1953 Beginn: 9 Uhr Ende: 12 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium).

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt zu Beginn der Sitzung mit, daß Herr Ministerialdirektor Dr. Otto Graf1 vom Bundesministerium für Wirtschaft gestern verstorben ist.

I. Bundesratsangelegenheiten

1. Entwurf von sieben Zustimmungsgesetzen zu den Abkommen zur Regelung deutscher Auslandsschulden2

Staatssekretär Dr. Ringelmann erklärt zu diesem Entwurf, es bestehe noch eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Finanzministerien der Länder und dem Bundesfinanzministerium hinsichtlich der StEG.3 Man müsse sich dagegen verwahren, daß gegen die StEG und die über diese die Aufsicht führenden Länder Vorwürfe erhoben würden.4 Zur Zeit werde ein Schreiben der vier Ministerpräsidenten an den Bundesfinanzminister vorbereitet.5

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht, ihm möglichst bald den Entwurf herüberzugeben, da er diese Angelegenheit im Auswärtigen Ausschuß des Bundesrats zur Sprache bringen werde.

Staatsminister Dr. Seidel empfiehlt, auch einen Auszug aus der Denkschrift der StEG beizulegen. Diese habe ihren Standpunkt mit guten Gründen auch bei der Schulden-Konferenz in London vorgetragen.6

Staatssekretär Dr. Ringelmann sichert zu, den Entwurf des Schreibens dem Herrn Ministerpräsidenten zuzuleiten und dabei auch die Denkschrift der StEG zu berücksichtigen.

Im übrigen wird beschlossen, zu Punkt 1 keine Einwendungen zu erheben.7

2. Entwurf eines Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz)8

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, der Bundestag habe in der Plenarsitzung vom 18. März 1953 mit der 3. Lesung des Gesetzentwurfs begonnen,9 die Schlußabstimmung werde in der Sitzung vom 25./26. März stattfinden.10 Es sei möglich, daß sich auch der Bundesrat schon in der Plenarsitzung vom 27. März mit dem Gesetzentwurf befassen werde.

Staatssekretär Dr. Oberländer erklärt, nach einer ihm gestern Abend zugegangenen Mitteilung sei der Entwurf auf die Tagesordnung des 17. April 1953 gesetzt worden, so daß man sich heute noch nicht damit befassen müsse.

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, der Gesetzentwurf sei in entscheidenden Dingen völlig unübersichtlich, er habe den Eindruck, daß sich eigentlich niemand recht auskenne.

Der Ministerrat beschließt, den Entwurf heute noch nicht zu behandeln.11

3. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes12

Der Empfehlung des Finanzausschusses in Ziff. II der BR-Drucks. Nr. 132/1/53  entsprechend wird beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen.13

4. Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung14

Ministerialrat Dr. Gerner weist darauf hin, daß bei diesem Entwurf die Deckungsfrage noch völlig ungeklärt sei; trotzdem empfehle der Koordinierungsausschuß, keinen Antrag nach Art. 77 Abs.  GG zu stellen.15

5. Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet16

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt ein Schreiben eines Abgeordneten bekannt, in dem die Verhältnisse in dem Auffanglager Dillingen geschildert werden.17 Danach scheine es ihm doch dringend notwendig zu sein, die Sowjetzonenflüchtlinge sorgfältig zu prüfen. Nachdem die eigentlichen Heimatvertriebenen zum Teil immer noch in Baracken wohnen müßten, könne er die steigende Unruhe in diesen Kreisen gut verstehen, vor allem, wenn man höre, daß die Sowjetzonenflüchtlinge erhebliche Forderungen stellten.

Auf alle Fälle habe er es für richtig gehalten, einen Erfahrungsbericht des Regierungspräsidenten von Augsburg einzuholen.

Staatssekretär Dr. Oberländer bestätigt, daß die Ausführungen in dem erwähnten Schreiben jedenfalls zum Teil richtig seien. Vielleicht müsse man überhaupt das Notaufnahmeverfahren ändern, vor allem, nachdem bekannt geworden sei, daß sich in Berlin ein großer Teil der Sowjetzonenflüchtlinge gar nicht der Untersuchung stelle. Nach wie vor sei es höchst zweckmäßig und notwendig, das Prüfungsverfahren in Berlin selbst beizubehalten.

Die Unruhe unter den Heimatvertriebenen sei in der Tat groß, nachdem sie feststellen müßten, daß die Flüchtlinge aus der Ostzone sofort Arbeit und Wohnung bekämen. Hinsichtlich der Lager sei aber alles getan, was möglich sei, Selbstverständlich müsse Bayern nach wie vor daran festhalten, daß seine Quote nur 3,7% betrage.

Der Ministerrat beschließt, dem Entwurf zuzustimmen.18

6. Entwurf eines Gesetzes über die landwirtschaftliche Selbstverwaltung19

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, der Koordinierungsausschuß spreche sich in erster Linie dafür aus, der Empfehlung in Ziff. I der BR-Drucks. Nr. 96/1/53  zuzustimmen, die dahin gehe, den Entwurf abzulehnen, da in der Tat eine Bundeszuständigkeit verneint werden müsse.20

Auch Staatssekretär Dr. Koch empfiehlt, den Vorschlag des Rechtsausschusses auf Ablehnung mit allem Nachdruck zu unterstützen.

Der Ministerrat beschließt, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Ministerialrat Dr. Gerner wirft dann die Frage auf, ob die übrigen in Ziff. II der erwähnten Drucksache enthaltenen Empfehlungen unterstützt werden sollten, falls der Antrag auf Ablehnung keine Mehrheit finde.21

7. Entwurf einer Verordnung über die Erhebung eines Bundesausgleichs in der Milchwirtschaft22

Der Ministerrat beschließt,

a) dem Entwurf nach Maßgabe der in der BR-Drucks. Nr. 103/1/53  enthaltenen Abänderungsvorschlägen des Agrar-Ausschusses zuzustimmen;

b) zu der unter Ziff. 5 der Empfehlungen vorgeschlagenen Fassung des § 3 Abs. 1 zu beantragen, daß die Worte „und wird fällig“ gestrichen werden;

c) zu beantragen, daß bei der in Ziff. 6 der Empfehlung vorgeschlagenen Fassung des § 3 Abs. 2 nach Satz 1 folgender Satz eingefügt wird:

„Die Abgabe wird mit der Eröffnung der Festsetzung fällig“.

Staatsminister Dr. Seidel erkundigt sich in diesem Zusammenhang, ob durch diese Verordnung eine Preiserhöhung bei Milch eintreten werde. Bekanntlich habe der Ministerrat vor einiger Zeit beschlossen, den Preis für Frischmilch nicht zu erhöhen;23 er befürchte, daß nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung die Frage der Preiserhöhung doch wieder auf das Kabinett zukommen werde.

Staatsminister Dr. Schlögl bestätigt ausdrücklich, von Staatssekretär Maag unterstützt, daß durch diese Verordnung eine Erhöhung des Milchpreises keinesfalls eintreten werde.24

11. Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1952 (Nachtragshaushaltsgesetz 1952)28

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, der Bundestag habe sich beim 1. Durchgang des Gesetzentwurfs der von Bayern angeregten und vom Bundesrat beschlossenen Erhöhung der Mittel für die Förderung des Handwerks nicht angeschlossen.29 Es sei nun die Frage zu entscheiden, ob der Vermittlungsausschuß angerufen werden solle.

Staatsminister Dr. Seidel empfiehlt auf alle Fälle, diesen Antrag zu stellen, auch wenn er wenig Aussicht auf Annahme habe.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.30

Anschließend berichtet Staatssekretär Dr. Ringelmann über die Verhandlungen mit dem Bundesfinanzminister wegen des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer.31

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, jedenfalls müsse der Fehlbetrag weiter erörtert werden, dessen Höhe ihm keinesfalls festzustehen scheine. Vorläufig sei er noch nicht überzeugt, daß dieser Fehlbetrag 4 oder gar 5 Milliarden betrage.32

12. Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Vorfinanzierung des Lastenausgleichs33

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, der Finanzausschuß des Bundesrats empfehle, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen, da er nur eine Regelung für das Jahr 1952 bringe, die angesichts der Liquidität des Lastenausgleichsfonds nicht notwendig erscheine.34

Staatssekretär Dr. Oberländer spricht sich dagegen für die Annahme aus, mit dem Hinweis, daß die Liquidität zwar jetzt gegeben sei, die Verhältnisse in zwei bis drei Monaten aber ganz anders sein würden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann entgegnet, es stehe fest, daß im Lastenausgleichsfonds 700 Millionen mehr enthalten seien, als man angenommen habe. Auch für die Zukunft betrachte er die Lage günstig und könne deshalb nicht einsehen, daß nochmals ein Betrag von 150 Millionen DM den Ländern aufgeladen werde.35

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, das Gesetz stehe in keinem Verhältnis zu den etwaigen Leistungen für die Lagerauflösung.

Staatssekretär Dr. Oberländer erklärt daraufhin, wenn diese Verbindung in der Tat nicht gegeben sei, bestehe er nicht weiter auf der Zustimmung.

Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.36

14. Entwurf einer Vierten Verordnung über Zollsatzänderungen gemäß § 4 des Zolltarifgesetzes38

Bedenken werden nicht erhoben.

15. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes39

Staatsminister Dr. Oechsle erklärt, das Gesetz sei notwendig, da die bisherigen Sätze in der Tat ungenügend seien und sozial nicht mehr verantwortet werden könnten. Er verkenne die Belastung des Bundeshaushalts nicht, die ja schließlich auch auf die Länder zurückkomme, halte es aber für unmöglich, sich gegen den Gesetzentwurf auszusprechen.

Staatsminister Dr. Seidel unterstützt diese Auffassung, worauf beschlossen wird, zuzustimmen und die Empfehlungen der beteiligten Ausschüsse unter Ziff. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8 und 9 zu unterstützen, nicht dagegen diejenige unter Ziff. 7.40

17. Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Durchführung von wirtschaftlichen Verträgen mit ausländischen Staaten42

Zustimmung.43

18. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen44

Es wird festgestellt, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werden wird.45

19. Entwurf eines Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes (VwVG)46

Der Ministerrat beschließt vorsorglich, zu diesem Entwurf, der voraussichtlich von der Tagesordnung abgesetzt werden wird, keinen Antrag nach Art. 77 Abs.  GG zu stellen.47

20. Entwurf einer Verwaltungsvorschrift über die Untersuchung italienischer Weine bei der Einfuhr48

Es wird beschlossen, dem Entwurf die Zustimmung zu versagen, ferner die vom Innenausschuß beschlossene Empfehlung bezüglich der Revision bzw. Kündigung des Abkommens zu unterstützen.49

21. Entwurf einer Verordnung zur Überführung des Amtes für Landeskunde in Landshut in die Bundesverwaltung50

Stimmenthaltung.51

22. Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht52

Von einer Äußerung wird abgesehen.

23. Entwurf eines Gesetzes über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte (Personalvertretung) in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben des Bundes, und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts53

und

24. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Abgaben auf Mineralöl54

Ein Antrag nach Art. 77 Abs.  GG wird nicht gestellt.55

25. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West)56

Bedenken werden nicht erhoben.

Ministerialrat Dr. Gerner macht darauf aufmerksam, daß die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit noch geprüft werden müsse.57

26. Entwurf eines Gesetzes zur Abwicklung und Entflechtung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens58

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, der Koordinierungsausschuß empfehle, bei diesem Gesetzentwurf Stimmenthaltung zu üben.59

Der Ministerrat beschließt auf Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Oechsle, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.60

II. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das öffentliche Versicherungswesen61

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, durch diesen Entwurf sollten auch jene Gemeinden, die mindestens 20 000 und weniger als 100 000 Einwohner hätten, zu Pflichtmitgliedern des Bayerischen Versorgungsverbandes gemacht werden. Bisher sei die Pflichtmitgliedschaft auf Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohner beschränkt gewesen.

Bedenken gegen den Entwurf seien nicht erhoben worden, auch der Verband der Landgemeinden Bayerns und der Bayer. Städteverband seien mit der Ausdehnung der Pflichtmitgliedschaft einverstanden.

Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen.62

III. Entwurf einer Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über kommunale Wahlbeamte63

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß gegen diese Verordnung keine Einwendungen geltend gemacht worden seien.64

Er sei aber der Meinung, § 1 sei etwas unübersichtlich, er schlage deshalb vor, in der zweiten Zeile das Wort „gemäß“ zu streichen und die Worte „Art. 7 ... bis Gesetz- und Verordnungsblatt S. 223“ in Klammern zu setzen, ferner die folgenden Worte bis GVBl. S. 67 zu streichen.65

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich damit einverstanden.

Der Ministerrat beschließt, dem Verordnungsentwurf zuzustimmen.66

IV. Anorgana GmbH, Gendorf67

Staatssekretär Dr. Ringelmann führt aus, das Verkaufsangebot der IG Farben-Industrie i. Liqu. sei bis 31. März 1953 befristet, es sei deshalb notwendig, eine Verlängerung zu erreichen. Die größte Schwierigkeit bestehe jetzt darin, eine Vereinbarung mit der Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG)68 zu treffen.

Ministerpräsident Dr. Ehard unterstreicht die Notwendigkeit, daß sich hinsichtlich der Anorgana die beteiligten Staatsministerien der Finanzen, für Wirtschaft und Verkehr und für Arbeit und soziale Fürsorge einig würden.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths führt aus, die Verhältnisse duldeten keinen Aufschub mehr. Die Anorgana beschäftige jetzt 2 450 Personen, eine Massenentlassung von 500 Arbeitern werde aber vorbereitet. Vor allem komme es darauf an, eine endgültige neue Leitung einzusetzen, die die Beschäftigung auf das zukünftige Programm anstelle. Er befürchte, daß sich die Verhandlungen mit der IVG noch lange hinausziehen würden, man aber nicht länger zuwarten könne. Das Wirtschaftsministerium habe sich einen Treuhand-Bericht vorlegen lassen und dann mit der Vereinsbank verhandelt, um ein klares Bild über die Liquiditätslage der Anorgana zu gewinnen. Unter der Voraussetzung, daß 2,8 Millionen DM Remontagekredite gewährt würden und die Vereinsbank die zugesagten 2,75 Millionen DM mittelfristigen Kredit zur Verfügung stelle, ergebe sich eine 2. Liquidität von + 3 Millionen DM.

Die Anorgana benötige voraussichtlich in nächster Zeit außer den bereits erwähnten Krediten eine Summe von rund 5 Millionen DM für Investitions- und weitere 2 Millionen DM für Betriebsmittel. Die ganze Angelegenheit sei deshalb so dringend, weil die Vereinsbank nicht mehr länger warten wolle und auch die Bayernwerk AG, die aus Stromlieferungen eine Forderung von 2,9 Millionen DM habe, auf baldiger Zahlung bestehe.69

Auch Staatsminister Dr. Oechsle betont, daß nicht mehr länger gewartet werden könne, obwohl er zunächst selbst den Antrag gestellt habe, die Entscheidung im Ministerrat zu vertagen, bis die Verhältnisse in der Anorgana genau geprüft seien.

Staatssekretär Dr. Ringelmann bezeichnet den Kaufpreis von 3 Millionen DM als angemessen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt ein Fernschreiben der Industriegewerkschaft Chemie bekannt, in dem dringend um Hilfe für die Belegschaft gebeten werde.

Staatsminister Dr. Seidel meint, ziffernmäßig scheine die Sache in Ordnung zu sein, allerdings müsse noch das Verhältnis zur IVG bereinigt werden. In dieser Hinsicht könne vielleicht eine Intervention beim Bundesfinanzminister Erfolg haben.

Anschließend wird die Frage überlegt, ob der Landtag eingeschaltet werden müsse, was von Ministerpräsident Dr. Ehard mit Zustimmung des Kabinetts verneint wird.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths wiederholt, daß ungefähr 520 Arbeitnehmer abgebaut werden müßten, es bleibe aber dann immer noch eine Belegschaft von ca. 1 950 Personen.

Was die IVG betreffe, so sei diese zweifellos in schwieriger Lage, weil sie in ihrer DM-Eröffnungsbilanz die Anorgana außerordentlich hoch bewertet habe.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt als Ergebnis der Aussprache fest, daß sich Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsministerium grundsätzlich einig seien. Es könne also wohl ein Beschluß gefaßt werden, der ungefähr dahingehe, daß der Vertrag mit der IG Farben-Industrire AG i. Liqu. abgeschlossen werden könne, ferner die Geschäftsleitung neu bestimmt und mit Bundesfinanzminister Schäffer wegen der IVG verhandelt werde.

Das Kabinett faßt nach kurzer Aussprache folgenden Beschluß:

1. Der Ministerrat ist einstimmig der Meinung, daß das notarielle Kaufangebot der IG Farben-Industrie AG i. Liqu. an den bayerischen Staat auf Erwerb der Geschäftsanteile der Anorgana GmbH, Gendorf, das bis 31.3.1953 befristet ist, angenommen werden soll.

2. Das Staatsministerium der Finanzen und das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr sollen wegen der Annahme und Durchführung des Vertragsangebots bzw. des Vertrages das weitere veranlassen.

3. Die beiden Ministerien sollen außerdem die notwendigen Maßnahmen zur Neuordnung der Geschäftsleitung treffen.

4. Die Staatsministerien der Finanzen und für Wirtschaft und Verkehr bereiten den Entwurf eines Schreibens an den Bundesfinanzminister vor, in dem um dessen Eingreifen bei den Verhandlungen mit der Industrie-Verwaltungs-Gesellschaft ersucht wird. Dieses Schreiben wird dann vom Herrn Ministerpräsidenten unterzeichnet.70

Anorgana

V. Personalangelegenheiten

1. Versetzung des Generaldirektors der Bayer. Staatsgemäldesammlungen Dr. Eberhard Hanfstaengl in den Ruhestand71

Der Ministerrat beschließt, den Generaldirektor der Bayer. Staatsgemäldesammlungen, Dr. Eberhard Hanfstaengl, mit dem 31. März 1953 in den Ruhestand zu versetzen.

2. Ernennung des Prof. Ernst Buchner zum Generaldirektor der Staatsgemäldesammlungen

Staatsminister Dr. Schwalber erinnert daran, daß er sich schon in der letzten Ministerratssitzung eingehend mit den gegen Prof. Dr. Buchner erhobenen Vorwürfen auseinandergesetzt habe. Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus habe alles eingehend geprüft, insbesondere auch die von Buchner vorgenommenen Verkäufe und Ankäufe. Wenn man auch hinsichtlich der Zweckmäßigkeit solcher Transaktionen verschiedener Meinung sein könne, so sei es jedenfalls nicht berechtigt, Buchner Verletzung seiner Pflichten vorzuwerfen. Dabei müsse schließlich auch berücksichtigt werden, daß durch sein Verdienst der gesamte Bestand der Alten Pinakothek gerettet worden sei im Gegensatz zur Graphischen Sammlung, die zu 90% den Fliegerangriffen zum Opfer gefallen sei.

Der Ministerrat beschließt, Prof. Dr. Buchner zum Generaldirektor der Bayer. Staatsgemäldesammlungen zu ernennen.

3. Dienstverlängerung des Ministerialdirigenten im Staatsministerium der Finanzen, Dr. Josef Traßl

Es wird beschlossen, die Amtszeit des Ministerialdirigenten im Bayer. Staatsministerium der Finanzen, Dr. Josef Traßl, bis 30. September 1953 zu verlängern.

4. Ernennung des Regierungsdirektors Dr. Walter Ahnelt72 zum Ministerialrat im Bayer. Staatsministerium des Innern

Der Ministerrat stimmt dieser Ernennung zu, wobei vereinbart wird, daß die Ernennungsurkunde noch heute vom Herrn Ministerpräsidenten unterschrieben wird.

VI. Anträge

des

a) Abg. August Haußleiter und fünf anderer

b) Rechtsanwalts Erich Prieger73

c) Anton Muschik74

auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit verschiedener Bestimmungen des Gemeindewahlgesetzes , des Landkreiswahlgesetzes und der Landkreisordnung75

Der Ministerrat beschließt, als Vertreter der Bayerischen Staatsregierung zum Termin am 27. März 1953 vor dem Verfassungsgerichtshof den Regierungsdirektor im Staatsministerium des Innern, Dr. Ludwig Illig,76 zu benennen.77

VII. Dienstzeitregelung am Karsamstag

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert daran, daß in den vergangenen Jahren das Kabinett beschlossen habe, am Karsamstag grundsätzlich bei allen Staatsbehörden Dienstbefreiung zu gewähren und hierbei den einzelnen Staatsministerien zu überlassen, in welchem Umfange für ihren Geschäftsbereich ein Jourdienst angeordnet werden könne. Er glaube, daß man auch für dieses Jahr die gleiche Regelung beschließen könne.

Staatsminister Zietsch schlägt vor, überhaupt von einem Jourdienst am Karsamstag abzusehen, dafür aber den freien Samstag im April ausfallen zu lassen.

Der Ministerrat beschließt, Karsamstag, den 4. April 1953, Dienstbefreiung zu gewähren und dafür im April den freien Samstag ausfallen zu lassen. Dabei wird vereinbart, im Staatsanzeiger eine entsprechende Mitteilung herauszugeben.78

VIII. Auerbach-Ausschuß des Bayer. Landtags79

Ministerpräsident Dr. Ehard kommt auf die Vorgänge in der letzten Sitzung des Auerbach-Ausschusses am 20. März 1953 zu sprechen, in dem zunächst ein Antrag des Abg. Rabenstein, (FDP),80 eine Anzeige gegen Herrn Staatssekretär Dr. Ringelmann wegen Zeugenbeeinflussung zu erstatten, angenommen worden sei. Der Ausschuß habe dann schließlich diesen Beschluß wieder aufgehoben und beschlossen, Herrn Dr. Ringelmann und Oberregierungsrat Polaczy81 nochmals zu vernehmen.

Er sei der Meinung, daß es so wirklich nicht mehr weitergehe und es höchste Zeit sei, daß der Ausschuß seine Tätigkeit beende.

U.a. sei bei dieser Sitzung behauptet worden, die Information über die angebliche Beeinflussung des Zeugen Oberregierungsrat Polaczy durch Herrn Staatssekretär Dr. Ringelmann gehe auf Ministerialrat Dr. Barbarino und Präsident Kallenbach zurück.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erklärt, Dr. Barbarino stelle die Sache so dar, daß ihn der Abgeordnete Rabenstein telefonisch nach Polaczy gefragt habe. Er habe dem Abgeordneten dann geantwortet, dieser Beamte sei zwar tüchtig, aber ein Fanatiker.

Polaczy habe in der leichtsinnigsten Weise den Vorwurf der Urkundenfälschung gegen ihn erhoben. Dabei sei es so, daß ihn der damalige Finanzminister Dr. Zorn82 eigentlich aus dem Ministerium habe versetzen wollen, während er selbst sich für ihn eingesetzt habe.

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert daran, daß es zunächst geheißen habe, Dr. Ringelmann habe Polaczy mit Nachteilen gedroht, jetzt werde erklärt, man habe versucht, ihn durch Zusicherung von Vorteilen zu beeinflussen. Jedenfalls sei es dringend notwendig, daß das Kabinett die weitere Entwicklung dieser Sache aufmerksam beobachte.

Auerbach-Auschuß

IX. Oberster Rechnungshof83

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, er habe seit dem letzten Ministerrat ein Schreiben des Präsidenten des Obersten Rechnungshofs mit der sogen. Haushaltsstudie erhalten. Kallenbach erkläre u.a., die vergleichende Darstellung beschränke sich auf den Zuschußbedarf für bestimmte Verwendungszwecke.

Sie habe aber keinesfalls den Gesamtaufwand der bayerischen und niedersächsischen Landwirtschaftsverwaltung vergleichen wollen. In der Tat stehe aber eindeutig auf S. 31 der Haushaltsrede des Herrn Finanzministers, daß sich bei voller Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den beiden Ländern ergeben habe, daß in Bayern gegenüber Niedersachsen für die Landwirtschaft fast das Dreifache aufgewendet werde. Leider habe Herr Präsident Kallenbach es nicht für notwendig gehalten, im Haushaltsausschuß das ausdrücklich zu erklären, was er jetzt in seinem Schreiben feststelle. Er werde jetzt den erwähnten Brief dem Herrn Finanzminister herüber geben.

Außerdem sei es notwendig, in der nächsten Zeit sich auch über die Punkte zu unterhalten, die der Präsident des Obersten Rechnungshofs hinsichtlich der Beantwortung seiner Prüfungsmitteilungen aufgestellt habe.84

Oberster Rechnungshof, Bayer.

X. Ausstellung von Gemälden der Alten Pinakothek in den Vereinigten Staaten von Amerika85

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert daran, daß der Landtag fast einstimmig beschlossen habe, der Ausstellung von Gemälden der Alten Pinakothek in den Vereinigten Staaten nicht zuzustimmen. Die Staatsregierung könne jetzt nichts weiter tun, als diesen Beschluß dem amerikanischen Generalkonsul in München mitzuteilen.86

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.87

Leihgabe ins Ausland

XI. Richter-Besoldung

Staatsminister Weinkamm führt aus, der Antrag Nordrhein-Westfalens, die Richter-Besoldung zu verbessern, sei jetzt in den Bundestagsausschuß für Beamtenrecht gekommen.88 Der Ausschuß habe alle Justizminister der Länder um ihre Stellungnahme ersucht; wahrscheinlich werde er vorschlagen, die Länder zu ermächtigen, die Richter-Besoldung als eigene Angelegenheit zu behandeln. Bekanntlich sei bei dem neuen Besoldungsgesetz eine besondere Regelung für Richter weggefallen.89

Staatssekretär Dr. Ringelmann wendet ein, im Besoldungsgesetz seien Sonderbestimmungen enthalten gewesen, man habe sie aber abgelehnt. Es liege jetzt ein neuer Entwurf über die Organisation der Richter-Besoldung vor, der die Herausnahme aller Richter von den Besoldungsgrundsätzen vorsehe.

Staatsminister Zietsch hält es für unmöglich, sich heute damit zu beschäftigen und stelle fest, daß nach dem Sperrparagraphen 8 nur Ausnahmen für Lehrer möglich seien.90 Die Diskussion hinsichtlich der Lehrer und Richter sei damals in Gang gekommen, weil noch niemand an eine generelle Neuregelung des Besoldungsrechts gedacht habe. Er halte es aber nicht für zweckmäßig, immer wieder einzelne Gruppen besonders herauszunehmen, deshalb habe ja auch der Bundesrat Ausnahmen abgelehnt.

Staatsminister Weinkamm gibt zu bedenken, daß schon eine Reihe von anderen Ländern ihr Einverständnis mit dem vorgesehenen Zuschuß von [monatlich] DM 100,- an Richter erklärt hätten, z.B. Hamburg, Baden-Württemberg,91 Bremen und sogar Schleswig- Holstein, von Nordrhein-Westfalen ganz abgesehen. Er müsse in der nächsten Justizminister-Konferenz eine Stellungnahme Bayerns mitteilen können. Die Justizminister hielten es für zweckmäßig, die Richter allgemein nach A 2 a einzustufen. Diese Regelung wäre wesentlich besser als der Zuschlag von DM 100,-. Sie würde für Bayern rund 1,2 Millionen DM benötigen, während die letztere Mittel von 2 Millionen DM bedürfe.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erklärt sich außerstande, für das Finanzministerium heute schon eine Stellungnahme abzugeben.

Staatsminister Weinkamm entgegnet, es handle sich jetzt nur um den Grundsatz, Einzelheiten bräuchten nicht besprochen zu werden. Das Kabinett solle sich nur einverstanden erklären, daß statt des Antrags von Nordrhein-Westfalen eine andere Regelung, die erheblich weniger Mittel beanspruche, getroffen werde.

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß er auch dem Grundsatz nicht zustimmen könne, wenn die Einzelheiten nicht bekannt seien.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, sich heute noch nicht festzulegen, sondern das Ergebnis der Justizminister-Konferenz abzuwarten.

Staatssekretär Dr. Koch gibt zu bedenken, daß das Kabinett schon früher beschlossen habe, dafür einzutreten, daß die Richter aus der allgemeinen Besoldung herausgenommen würden.92 Herr Staatsminister Weinkamm werde in eine unangenehme Situation kommen, wenn er in der nächsten Justizminister-Konferenz keinen Beschluß des Bayerischen Kabinetts bekanntgeben könne.

Der Ministerrat vereinbart,93 heute noch nicht zu beschließen, sondern das Ergebnis der Justizminister-Konferenz abzuwarten.94

Besoldung

XII. Valka-Lager95

Staatssekretär Dr. Oberländer gibt einen Überblick über die Verhandlungen, die zu der Bildung des Ausländer-Auffanglagers Valka geführt hätten. Die Proteste der Stadt Nürnberg hätten allmählich nicht mehr verständliche Formen angenommen. Zweifellos sei im Valka eine gewisse Kriminalität vorhanden, immerhin seien aber 2 000 Ausländer in der letzten Zeit fortgekommen.

Der Ministerrat beschließt, an dem früheren Beschluß festzuhalten.96

Valka/Langwasser
Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend Ministerialdirektor